Burgtheater
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Irgendwann ist immer Schluss. Kein Grund zur Trauer also, sondern um heiter Abschied zu nehmen.<br />
Noch eine ganze Spielzeit lang sind wir da und freuen uns auf jeden einzelnen der über 400.000<br />
Zuschauer, die alljährlich den Weg ins <strong>Burgtheater</strong> finden.<br />
Was ist in der Dekade von 1999-2009 geschehen? Wir alle sind zehn Jahre älter geworden. Wir haben<br />
mehrere Regierungen erlebt, schwarz-blaue und rot-schwarze. Wir haben große Katastrophen erlebt,<br />
politische und natürliche: den 11. September 2001 und den Irakkrieg, den Tsunami und die Überschwemmung<br />
ganzer Landstriche und Städte. Und das <strong>Burgtheater</strong> steht immer noch, unverändert,<br />
als sei nichts geschehen. Aber es hat sich trotzdem verändert wie selten zuvor. Es ist offener und<br />
streitbarer geworden, nach außen wie nach innen, alte Verkrustungen überwindend. Noch vor<br />
einigen Jahren wäre es nicht vorstellbar gewesen, dass sich das ganze Theater freut, wenn Künstler<br />
wie Christoph Schlingensief, Hermann Nitsch, Anselm Kiefer oder auch Die Toten Hosen hier arbeiten,<br />
und ebenso unvorstellbar wäre gewesen, dass das vom Publikum begeistert angenommen wird. Das<br />
<strong>Burgtheater</strong> wurde ein urbanes Zentrum für Diskussionen, Demonstrationen und Manifestationen;<br />
kein Elfenbeinturm, sondern lebendiges Symbol für geistiges und sinnliches Leben.<br />
In der kommenden Spielzeit werden wir – zusätzlich zu den zahlreichen Neuproduktionen – noch einmal<br />
die Aufführungen Revue passieren lassen, die exemplarisch für das Programm des <strong>Burgtheater</strong>s der<br />
letzten zehn Jahre stehen. (Eine Auswahl zeigt die Fotostrecke im Heft.) Eine Gelegenheit, früher<br />
Verpasstes nachzuholen oder besondere Lieblinge noch einmal zu besuchen. Das <strong>Burgtheater</strong> will<br />
mit der Auswahl dieser Produktionen noch einmal deutlich machen, was es in den letzten Jahren<br />
ausgemacht hat, wodurch es besonders geprägt war. Gern hätten wir auch noch andere Aufführungen<br />
gezeigt, aber der Zahn der Zeit geht auch am <strong>Burgtheater</strong> nicht spurlos vorüber: vieles ist »abgespielt«,<br />
die Bühnenbilder längst zerlegt und weiterverwendet.<br />
Die Auswahl, die wir ein letztes Mal präsentieren, umfasst den gesamten Shakespeare-Zyklus in einer<br />
Vielfalt von Regiehandschriften, die ihresgleichen sucht und sonst an keinem Theater der Welt überhaupt<br />
möglich wäre. Die zwei vielleicht prägendsten Regisseure aber waren Andrea Breth und<br />
Martin Kušej. Die eine, Andrea Breth, vertreten mit Säulen der deutschen Klassik, der andere, Martin<br />
Kušej, mit Grillparzer, Nestroy sowie mit Schönherrs »Weibsteufel«; so rundet sich sein über die Jahre<br />
entstandener Österreich-Zyklus.<br />
Nachdem in der Anfangszeit meiner Direktion noch Altmeister wie Peter Zadek und Klaus Michael<br />
Grüber den Spielplan dominierten, hat sich das <strong>Burgtheater</strong> radikal gehäutet und verjüngt wie nie<br />
zuvor. Stellvertretend für den Generationenwechsel seien neben Karin Beier, die von Anfang bis Ende<br />
dabei war, vor allem die Regisseure Friederike Heller, Christiane Pohle und Nicolas Stemann genannt.<br />
Alle drei haben sich nahezu exklusiv mit der österreichischen Gegenwartsdramatik beschäftigt, die<br />
ein zentraler Schwerpunkt unserer Arbeit war. So können wir in der letzten Spielzeit noch einmal<br />
je drei Stücke von Elfriede Jelinek, Gert Jonke und Peter Handke zeigen.<br />
Mindestens so wichtig wie die Regisseure und die Autoren sind aber die Schauspieler, die all dies tragen<br />
und wegen derer man in Wien Gott sei Dank noch ins Theater geht. Es gibt hier mittlerweile eine<br />
ganze Gruppe von herausragenden jüngeren, die das <strong>Burgtheater</strong> genauso tragen wie die älteren. Es<br />
wäre ungerecht gegenüber den anderen, einzelne zu nennen.<br />
Das <strong>Burgtheater</strong> hat sich seiner gesetzlichen Aufgabe, die uns innere Verpflichtung ist, nämlich<br />
»Nationaltheater« zu sein, in den letzten Jahren immer wieder gestellt. Und so trauen wir uns zum<br />
Abschluss neben dem Shakespeare-Zyklus noch eine Großunternehmung zu: erstmals seit über<br />
40 Jahren wird Goethes »Faust I und II« wieder auf dem Spielplan des <strong>Burgtheater</strong>s stehen.<br />
Und jetzt? Machen Sie es gut und seien Sie uns treu, feiern Sie eine Spielzeit lang mit uns – wir sind<br />
noch da.<br />
Klaus Bachler<br />
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