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MMM_Dokumentation_02_017

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55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

FÜR DIE TOP-ENTSCHEIDER<br />

DER KONSUMGÜTERWIRTSCHAFT<br />

12.–14. FEBRUAR 2<strong>017</strong>, MÜNCHEN<br />

DOKUMENTATION


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

FÜR DIE TOP-ENTSCHEIDER<br />

DER KONSUMGÜTERWIRTSCHAFT<br />

12.–14. FEBRUAR 2<strong>017</strong>, MÜNCHEN<br />

DOKUMENTATION


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

INHALT<br />

4<br />

Begrüßung und Eröffnung<br />

des 55. <strong>MMM</strong>-Kongresses<br />

Simone Krah, <strong>MMM</strong>-Präsidentin<br />

8<br />

„Chancen, Herausforderungen<br />

und Grenzen der Freiheit: ein Blick auf<br />

Deutschland, Europa und die USA“<br />

Thomas Roth, Journalist,<br />

bis 11/2016 Moderator der „Tagesthemen“<br />

12<br />

„Freiheit und soziale Marktwirtschaft:<br />

Warum wir stärker in die Zukunft<br />

investieren müssen“<br />

Prof. Marcel Fratzscher, Ph. D.,<br />

Präsident des Deutschen Instituts für<br />

Wirtschaftsforschung (DIW Berlin)<br />

16<br />

„Der Geist der Freiheit: Vom Wert<br />

selbstbestimmten Handelns“<br />

Prof. Dr. Rüdiger Safranski, Philosoph,<br />

Literaturwissenschaftler, Schriftsteller<br />

20<br />

„Die Kraft der Freiheit:<br />

Über die Gestal tung des Wandels und die<br />

Verantwortung von Politik und Wirtschaft“<br />

Dr. Amel Karboul, Unternehmerin, Autorin, Politikerin<br />

und Aufsichtsrätin, ehemalige Ministerin für Tourismus der<br />

tunesischen Übergangsregierung<br />

24<br />

„Vom Revier in die Welt: Ein Unternehmer<br />

zwischen Fleischmarkt und Sportmarke“<br />

Clemens Tönnies, Vorstandsvorsitzender<br />

Unternehmensgruppe Tönnies,<br />

Aufsichtsrats vorsitzender FC Schalke 04<br />

28<br />

„Merlot für die Wall Street:<br />

Wie ein Familienbetrieb<br />

(mit deutscher Herkunft) New York erobert“<br />

Roman Roth, Winzer und Partner,<br />

Wölffer Estate Vineyard<br />

2


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

30<br />

„Taten statt Worte:<br />

Die nachhaltige Verantwortung<br />

von Coop“<br />

Hansueli Loosli, Präsident des Verwaltungsrates<br />

der Schweizer Coop-Gruppe Genossenschaft sowie der<br />

Swisscom AG, der Bell AG, der Transgourmet Holding AG<br />

und der Coop Mineralöl AG<br />

34<br />

„Agil und antifragil:<br />

Unternehmer tum und Freiheitsstreben<br />

in innovativen Handlungsfeldern“<br />

Christoph Werner, Mitglied der<br />

Geschäftsführung dm-drogerie markt<br />

78<br />

„Build the future!<br />

Nachhaltig handeln, Sinn stiften“<br />

Dr. Auma Obama, Mitglied im Weltzukunftsrat<br />

(World Future Council) sowie Gründerin und Vorsitzende<br />

der Auma Obama Foundation – Sauti Kuu<br />

82<br />

„Das Ende der Freiheit,<br />

langweilen zu dürfen“<br />

Prof. Jean-Remy von Matt,<br />

Gründer und Vorstand Jung von Matt AG<br />

84<br />

„Freiheit, die ich meine:<br />

Die McDonald’s-Vision<br />

und das Restaurant der Zukunft“<br />

Holger Beeck, Vorstandsvorsitzender<br />

und Präsident McDonald’s Deutschland Inc.<br />

88<br />

„Creative Freedom:<br />

Wie Unternehmen Innovationsgeist<br />

leben und fördern“<br />

Dr. Frederik G. Pferdt,<br />

Chief Innovation Evangelist, Google Inc.,<br />

Adjunct Professor, d.school, Stanford University<br />

92<br />

„Freiheitsprojekt Europa –<br />

zurück in die Zukunft:<br />

Lernen wir aus der Geschichte?“<br />

Prof. Christopher Clark, Professor für<br />

Neuere Europäische Geschichte am<br />

St. Catharine’s College, University of Cambridge,<br />

Autor des Bestsellers „Die Schlafwandler“<br />

3


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

„Wir wollen<br />

ein Zeichen<br />

setzen –<br />

für die<br />

Freiheit.“<br />

SIMONE KRAH<br />

<strong>MMM</strong>-Präsidentin<br />

Guten Morgen, liebe Mitglieder,<br />

liebe <strong>MMM</strong>-Freunde,<br />

sehr verehrte Damen und Herren,<br />

die eben im Film gezeigten Bilder haben es eindrucksvoll<br />

verdeutlicht – wir haben ein bewegtes<br />

2016 hinter und ein Jahr 2<strong>017</strong> vor uns, das wie selten<br />

zuvor mit großen Herausforderungen und Unwägbarkeiten<br />

aufwartet. Wie es politisch auf der Welt<br />

weitergeht, ist unklar. Globalisierung und Digitalisierung<br />

haben Wohlstand, Wachstum und viel Positives<br />

gebracht, aber auch neue Probleme geschaffen, für<br />

die man Lösungen finden muss. Die Menschen sind<br />

verunsichert, das ist überall spürbar.<br />

In diesem Zusammenhang war der gestrige Tag ein<br />

gutes Signal. Ich meine hier ausnahmsweise nicht<br />

unser abendliches Miteinander bei Eataly, wo wir<br />

dem Dolce Vita frönen durften und sich viele von<br />

Ihnen ganz offensichtlich freuten, wieder in München<br />

zusammenzukommen.<br />

Vielmehr beziehe ich mich auf die Wahl des neuen<br />

Bundespräsidenten Frank-Walter Steinmeier, die<br />

gestern im ersten Wahlgang und in großer Eintracht<br />

durch die Bundesversammlung erfolgt ist. Das war<br />

– jenseits der Frage, ob Herr Steinmeier das richtige<br />

Parteibuch hat oder eben nicht – ein wichtiges Signal.<br />

Zumal der neue Bundespräsident, wie ich finde,<br />

sehr kluge Worte in seiner Dankesrede gefunden<br />

hat. Er hat klargemacht, was ihm wichtig ist: die Gesellschaft<br />

zu versöhnen und aufrecht für zwei Dinge<br />

zu streiten: Demokratie und Freiheit.<br />

Und damit sind wir beim Thema des diesjährigen<br />

<strong>MMM</strong>-Kongresses, zu dem ich Sie ganz herzlich im<br />

Namen meiner Präsidiumskollegen Michael Durach,<br />

Karl Stefan Preuß, Stephan DuCharme, Utho Creusen,<br />

Erich Harsch, Markus Kaser und Mariann<br />

Wenck heim begrüßen möchte. Sie sehen, bei uns<br />

hat sich einiges getan.<br />

Mancher hier im Saal ist das erste Mal bei einem<br />

<strong>MMM</strong>-Kongress – dem großen Branchentreffen –<br />

dabei, andere schon über 50 Jahre: Schön, dass Sie<br />

alle da sind! Ein herzliches Willkommen gilt natürlich<br />

auch unserem Ehrenpräsidenten Gerd Kaiser und<br />

unseren Beiräten Prof. Hüther, Prof. Nassehi und<br />

David Bosshart.<br />

Die Freiheit, der wir uns die beiden kommenden Tage<br />

widmen wollen, ist ein hoher, für viele gar der höchste<br />

Wert.<br />

Das Thema ruft große Emotionen hervor – wie wir<br />

gerade täglich erleben. Die Menschen gehen für<br />

die Freiheit auf die Straße, Freiheit ist für viele das<br />

höchste Glück. Andere missbrauchen aber auch den<br />

Raum, den ein freiheitliches System ihnen gibt.<br />

Ich habe lange überlegt, wie man sinnvoll in einen<br />

Kongress zum Thema Freiheit einleiten kann, wenn<br />

zwei Dinge zusammenkommen:<br />

A. Zum einen befassen wir uns mit einem Begriff, für<br />

den die Welt bis heute keine gute Definition gefunden<br />

hat. Meistens wird Freiheit mit dem freien<br />

4


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Berühmtes Gemälde:<br />

„La liberté guidant le peuple –<br />

Die Freiheit führt das Volk“ von Eugène<br />

Delacroix aus dem Herbst 1830.<br />

Willen gleichgesetzt, also der Möglichkeit, sich<br />

ohne Zwang zwischen unterschiedlichen Optionen<br />

entscheiden zu können. Dabei ist die Freiheit viel<br />

umfassender: Es gibt die persönliche Freiheit, die<br />

politische Freiheit und in unseren Kreisen natürlich<br />

die unternehmerische Freiheit. Es gibt die<br />

Freiheit von etwas und die Freiheit, etwas zu tun.<br />

Soweit zum Facettenreichtum des Begriffes.<br />

B. Zum anderen sprechen heute und morgen so viele<br />

kluge Persönlichkeiten aus unterschiedlichsten<br />

Blickwinkeln zur Freiheit, dass jede zu weit<br />

führende Äußerung vermessen wäre.<br />

Deshalb habe ich mich dazu entschlossen, kurz auf<br />

drei Aspekte einzugehen, die mir wichtig erscheinen.<br />

Diese werden symbolisiert 1. durch ein Wappen, 2.<br />

durch einen Mann mit Zigarre und 3. durch eine halbnackte<br />

Frau.<br />

Und mit Letzterer möchte ich auch beginnen. Doch<br />

bevor Sie Bildzeitungsniveau oder gar reißerische<br />

Marketingmethoden dahinter vermuten, lassen Sie<br />

mich ergänzen: Es handelt sich um eines der berühmtesten<br />

Gemälde zum Thema mit dem Titel „Die<br />

Freiheit führt das Volk“, eines der Prachtstücke des<br />

Louvre, das ich heranziehen möchte, um die Brücke<br />

zu den heutigen Herausforderungen zu schlagen.<br />

Das Meisterwerk beschreibt eine Szene aus dem<br />

Herbst 1830. Was war damals geschehen? König<br />

Karl X. wollte die Uhr zurückdrehen. Er stärkte den<br />

Adel, beschloss, das Parlament aufzulösen, das<br />

Wahlrecht einzuschränken und die Presse zu zensieren.<br />

Tendenzen, die uns – blickt man auf die<br />

Ereignisse der letzten Monate – bestens vertraut<br />

sind. Wenige Jahrzehnte nach der Französischen<br />

Revolution sollten deren Errungenschaften zunichte<br />

gemacht werden. Das löste einen Aufstand im Parlament<br />

und auf den Straßen aus. Barrikaden wurden<br />

gebaut, in Paris kam es zu blutigen Kämpfen. Die<br />

sogenannte „Juli revolution“ dauerte drei Tage.<br />

„Freiheit ist für viele das<br />

höchste Glück.“<br />

Das Bild zeigt die ganze Kraft der Freiheit und die<br />

Begeisterung der Menschen für sie. Die Dame symbolisiert<br />

das Schönheitsideal der damaligen Zeit.<br />

Sie ist begehrenswert wie die Freiheit selbst. Dabei<br />

tritt sie in dem Bild doch nur als Idee auf, welche die<br />

Menschen leitet und motiviert. Und das ist bis heute<br />

so geblieben.<br />

Doch wir müssen wachsam sein. Denn wir sind aktuell<br />

an einem Punkt angelangt, wo Errungenschaften<br />

der freiheitlichen Welt infrage gestellt werden. Eine<br />

Entwicklung, die gerade werteorientierte und unternehmerisch<br />

denkende Menschen nicht kalt lassen<br />

darf. Deshalb lassen Sie es mich an dieser Stelle<br />

ganz klar sagen: Wir wollen mit diesem Kongress<br />

ein Zeichen setzen und ein Statement abgeben<br />

– für die Freiheit.<br />

5


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Ludwig Erhard, der Vater der sozialen<br />

Marktwirtschaft, versöhnte die<br />

Wirtschaftsordnung mit der Freiheit.<br />

Rechts: Das Wappen von Stanford<br />

mit dem kraftvollen Satz „Die Luft der<br />

Freiheit weht“.<br />

Und damit komme ich zu meinem zweiten Punkt<br />

und einem Mann, der optisch vielleicht nicht ganz so<br />

reizvoll wie die eben gezeigte Dame ist, aus ökonomischer<br />

Perspektive aber umso mehr: Ludwig Erhard,<br />

dessen Buch „Wohlstand für alle“ vor 60 Jahren erschienen<br />

ist.<br />

Er, der Vater des Wirtschaftswunders und der sozialen<br />

Marktwirtschaft, schaffte es, unsere Wirtschaftsordnung<br />

mit der Freiheit zu versöhnen.<br />

Für ihn war die Marktwirtschaft immer eine der Gesellschaft<br />

verpflichtete Marktwirtschaft, nicht nur<br />

ein System, das auf das freie Spiel der Kräfte setzt.<br />

Erhard wusste: Unternehmertum braucht Freiheit,<br />

Wohlstand entsteht nur durch Freiheit. Aber er<br />

machte auch deutlich, dass Verantwortung und Freiheit<br />

immer Hand in Hand gehen müssen.<br />

Eines seiner bekannten Zitate lautet: „Eine Freiheit,<br />

die nicht um das Ganze weiß, eine Freiheit, die sich<br />

nur an individuellen, egoistischen Interessen ausrichtet<br />

und dafür womöglich auch noch staatlichen<br />

Schutz und Duldung fordert, wird zu einem Zerrbild<br />

des höchsten Wertes.“<br />

Die Pfeiler der sozialen Marktwirtschaft haben in<br />

den vergangenen Jahren Risse bekommen – Marcel<br />

Fratzscher wird darauf später noch eingehen.<br />

Hierfür gibt es viele Gründe, das Fehlverhalten in<br />

manchen Management-Etagen ist einer davon.<br />

Sie kennen die Beispiele, die alle eines gemeinsam<br />

haben – sie missachten das Grundprinzip unseres<br />

Wirtschaftssystems: die Verbindung aus Handeln<br />

und Verantwortung, aus Risiko und Haftung.<br />

„Erhard wusste:<br />

Unternehmertum<br />

braucht Freiheit,<br />

Wohlstand entsteht nur<br />

durch Freiheit.“<br />

Hier täte es manchem gut, einen Blick auf die<br />

<strong>MMM</strong>-Mitgliedsunternehmen zu werfen, der überwiegende<br />

Teil davon in Familienhand: Denn Sie,<br />

verehrte Mitglieder, wissen, was es heißt, Tag für<br />

Tag Freiheit in Verantwortung zu leben – für Ihre<br />

Firma, Ihre Mitarbeiter, Ihre Geschäftspartner und<br />

Ihre Kunden.<br />

In diesem Sinne gilt es, die soziale Marktwirtschaft<br />

wiederzubeleben, sie weiterzuentwickeln und sie für<br />

die Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sattelfest<br />

zu machen.<br />

Und damit komme ich zum dritten Punkt meiner<br />

Ausführungen und möchte Ihnen etwas zeigen, was<br />

ich selbst erst kürzlich entdeckt habe: Es ist das<br />

Wappen von Stanford, der amerikanischen Eliteuniversität,<br />

das ich rein zufällig näher betrachtet habe,<br />

weil unser Beirat Prof. Hüther jüngst eine Gastprofessur<br />

dort wahrgenommen hat.<br />

6


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Das <strong>MMM</strong>-Präsidium freute sich über den Zuspruch (v. l.): Karl Stefan Preuß, Erich Harsch, Markus Kaser,<br />

Mariann Wenckheim, Simone Krah, Prof. Dr. Utho Creusen, Stephan DuCharme und Michael Durach.<br />

Und wenn Sie hier genau schauen, entdecken Sie<br />

etwas, das überrascht: das Motto der Hochschule,<br />

das auch noch in deutscher Sprache verfasst wurde:<br />

„Die Luft der Freiheit weht.“ Ein Satz von großer Kraft<br />

und Wirkung, der auf den deutschen Humanisten<br />

Ulrich von Hutten (1488–1523) zurückgeht und der<br />

von David Starr Jordan, dem ersten Präsidenten der<br />

Stanford University, eingeführt wurde.<br />

Stanford bringt es mit diesem einen Satz auf den<br />

Punkt. Es braucht die Freiheit, um neue Ideen zu generieren,<br />

Bestleistungen zu bringen, Innovation zu<br />

schaffen. Das gilt für eine Eliteuniversität genauso<br />

wie für unsere Branche, den Händler und den Produzenten,<br />

die mit ihren Leistungen auf der Fläche und<br />

mit ihren Produkten die Kunden jeden Tag aufs Neue<br />

begeistern möchten.<br />

„Die Luft der Freiheit weht …“ Ich würde mich freuen,<br />

wenn von diesem Geist die kommenden Tage etwas<br />

spürbar und erlebbar wird. Und wir uns miteinander<br />

den Antworten auf die drängenden Fragen der Zeit<br />

stellen, wir Ideen teilen, Erfolgskonzepte diskutieren<br />

und Zukunft denken.<br />

Und erlauben Sie mir, an dieser Stelle noch ein<br />

großes Dankeschön auszusprechen an Sie, verehrte<br />

Mitglieder. Sie sind die tragenden Säulen unseres<br />

Clubs, für viele von Ihnen ist <strong>MMM</strong> eine Herzensangelegenheit,<br />

Sie empfehlen uns weiter, und auch der<br />

ein oder andere Referent, den wir heute und morgen<br />

hören, geht auf Ihre Vorschläge zurück. Bringen Sie<br />

sich weiter ein, so meine Bitte, wir haben immer ein<br />

offenes Ohr für Ihre Vorschläge. Und beteiligen Sie<br />

sich auch hier im Plenum an der Diskussion mit den<br />

Referenten, für die wir Ihnen wieder unsere <strong>MMM</strong>-<br />

App zur Verfügung stellen.<br />

Nur in Freiheit! Es war selten dringender als heute,<br />

dieses Thema in den Fokus zu rücken. Wir sind gespannt<br />

auf die Gedanken und Impulse unserer Referenten.<br />

Lassen Sie uns in diesem Sinne in den <strong>MMM</strong>-Kongress<br />

einsteigen und freuen Sie sich auf Thomas<br />

Roth, einen der profiliertesten Journalisten unseres<br />

Landes, der uns die Chancen, Herausforderungen<br />

und Grenzen der Freiheit näherbringt und dabei auf<br />

Deutschland, Europa und die USA blickt.<br />

„Nur in Freiheit!<br />

Es war selten<br />

dringender als heute,<br />

dieses Thema in<br />

den Fokus zu rücken.“<br />

Lieber Herr Roth, ich nehme mir die Freiheit und räume<br />

das Podium für Sie. Der 55. <strong>MMM</strong>-Kongress ist<br />

eröffnet.<br />

7


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

„Es ist Zeit,<br />

dass wir<br />

uns aus den<br />

Ohrensesseln<br />

erheben.“<br />

THOMAS ROTH<br />

Journalist und ehemaliger<br />

„Tages themen“-Moderator<br />

In seinem Eröffnungsvortrag beleuchtete der<br />

Journalist und ehemalige Tagesthemen-Moderator<br />

Thomas Roth die Frage nach den Herausforderungen,<br />

Chancen und Grenzen der Freiheit mit<br />

Blick auf Deutschland, Europa und die USA. Sein<br />

Fazit: Das freiheitliche System ist unter Druck<br />

geraten. „Es steht viel auf dem Spiel“, so Roth.<br />

Die Zivilgesellschaft und insbesondere auch die<br />

Wirtschaft seien gefordert.<br />

Den Einstieg in seinen Vortrag bot Thomas Roth die<br />

aktuelle Entwicklung in den USA. Roth erinnerte daran,<br />

dass der heutige Präsident der USA – Donald Trump<br />

– in seiner TV-Show „The Apprentice“ unliebsame Kandidaten<br />

mit den Worten „You are fired“ aus der Sendung<br />

warf. Dass eben dieser Mann jetzt im Weißen Haus angekommen<br />

sei und die Macht habe, auf ähnliche Art mit<br />

Richtern, Staatsoberhäuptern, Journalisten umzugehen,<br />

sei nicht absehbar gewesen. „Ich bin versucht, zu<br />

sagen, man reibt sich schlicht und einfach die Augen“,<br />

schilderte Roth die Situation.<br />

Er selbst sei nicht zuletzt durch seine langjährige Korrespondententätigkeit<br />

geprägt worden, von den USA,<br />

dem Land der Freiheit und der unbegrenzten Möglichkeiten.<br />

„If you can dream it, you can do it“ – diese positive<br />

Einstellung, Zukunft zu gestalten, habe ihn stets<br />

beeindruckt.<br />

Nun stelle sich die Frage, ob die amerikanischen Freiheitswerte<br />

der ersten freiheitlich-demokratischen Verfassung<br />

dieser Welt dem Trump’schen Ego wohl standhalten<br />

werden. Wie können Freiheit und Toleranz einer<br />

offenen Gesellschaft garantiert und gehalten werden?<br />

Bereits der Wahlkampf sei „extrem schmutzig“ gewesen,<br />

befeuert von narzisstisch getriebener Rigorosität,<br />

so Roth. Und es scheine, dass Trump seine Art im Zuge<br />

der Präsidentschaft nicht ändern werde.<br />

Der renommierte Journalist verwies auf die Gefahren<br />

einer autoritären Herrschaft, die auf Abschottung<br />

setzt. Es drohe die Gefahr, dass aus Handelskriegen<br />

reale Kriege würden. Und dann sei das Ende der Freiheit<br />

gekommen. „Ich hoffe nicht, dass wir das werden<br />

erleben müssen. Aber ich bin nicht mehr sicher“, zeigte<br />

sich Roth besorgt.<br />

Der TV-Journalist ging im Folgenden auf Erlebnisse Anfang<br />

der 90er Jahre ein – stets das Leitthema der Freiheit<br />

im Blick: „Ich habe das Glück gehabt, als Journalist<br />

noch jenen Moment zu erleben, wo man die Freiheit mit<br />

Händen greifen kann.“ In den dramatischen Tagen des<br />

Putschversuchs gegen Gorbatschow hätten sich junge<br />

Menschen mutig gegen die einrollenden Panzer der<br />

„kommunistischen Betonköpfe“ gestellt. „Nach über<br />

siebzig Jahren Kommunismus war der Wunsch nach<br />

Freiheit bei den Moskauern zu groß. Und sie haben diesen<br />

Putsch aufgehalten in jener Nacht.“<br />

„Es geht um die Freiheit der offenen<br />

Gesellschaft“<br />

Bereits Jahrzehnte zuvor, im September 1946, habe<br />

der britische Premier Winston Churchill in seiner berühmten<br />

Rede vor Studierenden in Zürich den Wert<br />

der Freiheit hervorgehoben. Noch unter dem Eindruck<br />

der Zerstörungen des Zweiten Weltkriegs beschrieb er<br />

8


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Intensives Gespräch<br />

unter vier Augen: Harm<br />

Humburg (Ferrero, l.) und<br />

Thomas Bruch (Globus),<br />

der <strong>MMM</strong> eng verbunden<br />

ist und 18 Jahre im<br />

Präsidium die Clubarbeit<br />

mitgestaltet hat.<br />

„zitternde menschliche Wesen, gequält, hungrig, abgehärmt<br />

und verzweifelt, die auf die Ruinen ihrer Städte<br />

starren“. Die Antwort auf den Untergang der Freiheit sei<br />

die Vision der Vereinigten Staaten von Europa gewesen.<br />

Die Länder Europas sollten sich zusammenschließen,<br />

anstatt sich – befeuert von Nationalismen – gegenseitig<br />

umzubringen. „Let Europe arise“, habe Churchill<br />

betont. Thomas Roth übertrug die Lehren daraus auf<br />

die heutige Situation: „Wir brauchen die Erinnerung<br />

an das Entstehen von Freiheit aus den Trümmern. Und<br />

ich glaube, wir brauchen auch die Einfachheit dieser<br />

Sprache, die eine solche Vision, wenn sie von Freiheit<br />

spricht, entfalten kann.“<br />

Roth mahnte, die historische Lektion nicht zu vergessen:<br />

„Trotz dieser Vergangenheit und eigentlich nötigen<br />

Erinnerung werden auch bei uns die Rufe der großen<br />

Vereinfacher am rechtsextremen Ende des politischen<br />

Spektrums wieder laut und verfangen bei nicht wenigen.<br />

Bis vor Kurzem haben wir geglaubt, das hätte<br />

sich historisch erledigt. Das könnte ein Irrtum gewesen<br />

sein. Wir müssen das sehr ernst nehmen. Denn immer,<br />

wenn die großen Vereinfacher auftreten und rufen,<br />

dann geht es am Ende um die Freiheit in einer offenen<br />

Gesellschaft oder um ihr Ende.“<br />

Monster der Manipulation bedrohen Freiheit<br />

Im Folgenden befasste sich Thomas Roth mit der digitalen<br />

Revolution als Quelle tiefgreifender gesellschaftlicher<br />

Veränderungen. Diese haben – im Positiven wie<br />

im Negativen – Auswirkungen auf die Freiheit des<br />

Einzelnen und in der Gesellschaft. Als Erstes nannte<br />

er die Veränderungen am Arbeitsplatz am Beispiel der<br />

journalistischen Arbeit: Brauchte man früher für die<br />

Berichterstattung noch große Ausrüstung, könne man<br />

heute bereits mit zwei zusammengekoppelten Satellitentelefonen<br />

Fernsehbilder senden. Das erweitere<br />

die Möglichkeiten von Berichterstattung. Doch diese<br />

Entwicklung habe auch eine Kehrseite, sie stehe nämlich<br />

auch denen zur Verfügung, die kein Interesse an<br />

Freiheit und Aufklärung haben, sondern an Manipulation<br />

und Propaganda. Zum emanzipatorischen Element<br />

von Transparenz und Vernetzung, wie beispielsweise<br />

im Arabischen Frühling zu beobachten, kämen auch<br />

„Monster der Manipulation und der Bedrohung“.<br />

„Umdenken erfordert<br />

emotionale Intelligenz.“<br />

Roth hob ein Paradox der Freiheit hervor: „Nachdenken<br />

über Freiheit heißt auch, zu erkennen, dass Freiheit da<br />

gefährlich und gefährdet zugleich ist, wo sie in ihrer<br />

Freiheit nicht begrenzt wird.“ Das Thema habe die Publizistin<br />

Carolin Emcke, kürzlich mit dem Friedenspreis<br />

des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet, in ihrem<br />

letzten Buch aufgegriffen. Roth zitierte Emcke: „Hätte<br />

mich vor einigen Jahren jemand gefragt, ob ich mir<br />

vorstellen könnte, dass jemals wieder so gesprochen<br />

werden könnte in unserer Gesellschaft, ich hätte es für<br />

ausgeschlossen gehalten. Dass der öffentliche Diskurs<br />

jemals wieder so verrohen könnte, dass so entgrenzt<br />

gegen Menschen gehetzt werden könnte, das war für<br />

mich unvorstellbar.“<br />

9


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Klaus Dohle (l.) und Gert Schambach (beide Dohle<br />

Handelsgruppe) schätzen den Austausch bei <strong>MMM</strong>.<br />

Fressnapf-Chef Alfred Glander (l.) mit Dr. Adalbert<br />

Lechner (Lindt & Sprüngli).<br />

Falschmeldungen sind schleichendes Gift<br />

für die Demokratie<br />

Die nächste Stufe, fast noch gefährlicher als der hasserfüllte<br />

Diskurs im Internet, sei die gezielte Manipulation<br />

und Propaganda mithilfe gefälschter Nachrichten.<br />

Diese Art der Falschmeldungen sei, so Roth, schleichendes<br />

Gift und eine Gefahr für die Demokratie. Roth<br />

zog die Einschätzung des Medienrechtlers Professor<br />

Rolf Schwartmann von der Technischen Hochschule<br />

in Köln hinzu. Dessen Argumentationslinie lautet: Wir<br />

können das Grundrecht auf Meinungsfreiheit nur erhalten,<br />

wenn dessen Grenzen auch in den sozialen Medien<br />

gewahrt bleiben. Das geschieht aber nicht mehr. Die<br />

Demokratie läuft deshalb Gefahr, sich von innen zu zersetzen.<br />

Wenn Falschmeldungen Wahlentscheidungen<br />

beeinflussen, dann wird eine Wahl nicht mehr auf Basis<br />

von Fakten entschieden und ist damit rechtswidrig.<br />

„Das Aufwachen der<br />

Zivilgesellschaft ist<br />

vielleicht einer der<br />

wichtigsten Vorgänge in<br />

den letzten Monaten.“<br />

Eine weitere Bedrohung sieht Roth in Hackerangriffen<br />

auf die digitale Infrastruktur staatlicher Institutionen.<br />

Diese Entwicklungen seien eine Bedrohung der Freiheit<br />

von innen heraus und könnten eine Manipulation der<br />

Meinung von außen werden. Das Netz sei heute global<br />

organisiert, eine Beschränkung daher schwer möglich.<br />

Die daraus resultierende Entgrenzung politischer Kultur<br />

könne Krisen auslösen, und zwar nicht nur in Amerika,<br />

sondern weltweit – „ein beunruhigender Gedanke!“<br />

Ohne die Führungsrolle der USA werde der Westen, wie<br />

man ihn bisher kannte, nicht überdauern.<br />

Politik und Wirtschaft müssen gemeinsam<br />

stark auftreten<br />

Thomas Roth unterstrich, dass man dem Druck auf die<br />

Freiheit und den Demagogen nicht nachgeben dürfe.<br />

Ein geeintes Europa sei eine Antwort auf die aktuellen<br />

Herausforderungen. Darüber hinaus seien die Zivilgesellschaft<br />

und auch die Wirtschaft gefragt, Farbe zu<br />

bekennen und sich den Bedrohungen der Freiheit entgegenzustellen.<br />

Es sei bemerkenswert, dass ausgerechnet die Sätze<br />

des konservativen US-Präsidenten Ronald Reagan heute<br />

aktueller denn je seien, der gesagt hat: „Freedom<br />

is never more than one generation away from<br />

extinction. We didn’t pass it to our children in<br />

the bloodstream. It must be fought for, it must<br />

be protected, and handed over to them to do the<br />

same.” Freiheit sei nicht selbstverständlich, sie müsse<br />

im Sinne der nachfolgenden Generationen beschützt<br />

und verteidigt werden. Roth abschließend: „Es ist Zeit,<br />

dass wir uns tatsächlich aus dem beobachtenden Ohrensessel<br />

erheben und uns deutlich hör- und sichtbar<br />

einmischen in Deutschland, in Europa, aber auch in den<br />

Beziehungen zu den USA. Es steht viel auf dem Spiel.“<br />

10


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

OBEN: Vordenker im Gespräch (v. l.): Peter<br />

Pohlmann (Poco), dm-Gründer Prof. Götz W.<br />

Werner und der neue <strong>MMM</strong>-Beirat Dr. David<br />

Bosshart (GDI).<br />

MITTE: Guter Dinge: Die Melitta-Manager<br />

Dr. Frank Strege (l.) und Frank Wiezorrek (r.) mit<br />

Klaus Mehler (Deutscher Fachverlag, 2. v. l.) und<br />

Markus Buntz, Vorstandsvorsitzender Bünting.<br />

UNTEN: <strong>MMM</strong>-Stammgäste: Martina Reisch (l.),<br />

Vorstand Ware der REWE Dortmund, und Thomas<br />

Nonn, Bereichsvorstand REWE Group.<br />

11


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

„Die soziale<br />

Marktwirtschaft<br />

muss wieder<br />

inklusiver<br />

werden.“<br />

PROF. MARCEL FRATZSCHER<br />

Präsident des Deutschen Instituts für<br />

Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW)<br />

Prof. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen<br />

Instituts für Wirtschaftsforschung in<br />

Berlin (DIW), nahm sich in seinem Vortrag der<br />

ökonomischen Seite des Freiheitsbegriffs an. Er<br />

verwies darauf, dass Rechtsruck, Extremismus<br />

und Populismus ihre Ursache in einem sozialen<br />

Konflikt, bedingt durch wachsende Ungleichheit,<br />

haben. Die soziale Marktwirtschaft funktioniere<br />

nicht mehr. Fratzscher sprach sich für eine inklusive<br />

soziale Marktwirtschaft aus, die nicht auf<br />

mehr Umverteilung, sondern auf mehr Chancen<br />

für die Menschen setzt – u. a. durch Investitionen<br />

in die Bildung, Steuergerechtigkeit sowie<br />

Stärkung der Vorsorge.<br />

Für Fratzscher sind der Rechtsruck und der wachsende<br />

Extremismus in den USA bedingt durch einen sozialen<br />

Konflikt. Fratzscher: „Die unteren 40 Prozent in den<br />

USA besitzen 0,3 Prozent. In Deutschland ist es sehr,<br />

sehr ähnlich. Die unteren 40 Prozent in Deutschland<br />

haben praktisch kein Nettovermögen.“<br />

Sechzig Millionen Amerikaner haben, so Fratzscher,<br />

Donald Trump nicht deshalb gewählt, weil sie sexistisch,<br />

rassistisch und fremdenfeindlich sind. Der<br />

Grund für seinen Erfolg sei vielmehr eine tiefe Enttäuschung<br />

darüber, dass der American Dream, der über<br />

Jahrzehnte das Grundmanifest der Amerikaner war,<br />

nicht mehr existiere. Das Versprechen des amerikanischen<br />

Traums – also mit der eigenen Hände Arbeit<br />

für sich sorgen zu können, sich etwas erarbeiten zu<br />

können, Chancen zu eröffnen –, diese Freiheit existiere<br />

nicht mehr. Und ein ganz wichtiges Element dieses<br />

amerikanischen Traums sei es, führte Fratzscher weiter<br />

aus, die Regierung draußen zu lassen, die Unabhängigkeit,<br />

die Freiheit zu haben, das zu tun und das<br />

zu lassen, was man selber will.<br />

„Die unteren 40 Prozent<br />

in Deutschland<br />

haben praktisch kein<br />

Nettovermögen.“<br />

Der Sozialstaat ist eine Illusion<br />

Fratzscher wies darauf hin, dass aus einer wirtschaftlichen<br />

Perspektive eine ungleiche Verteilung per se<br />

weder gut noch schlecht sei. Es stelle sich die Frage,<br />

was diese Verteilungsungleichheit erklärt. Ist es ein<br />

gut funktionierender Markt, in dem alle ihre Chancen<br />

und Fähigkeiten einbringen können? Oder fehlen die<br />

Freiheit, die Möglichkeit einer immer größeren Gruppe<br />

der Gesellschaft, sich einzubringen und für sich und<br />

ihre Familie sorgen zu können? Deshalb müsse man die<br />

unteren 40 Prozent betrachten; hier liege das Problem,<br />

dass immer mehr Menschen abgehängt werden.<br />

Eine Vielzahl von Indikatoren zeige, dass 40 Prozent<br />

der Amerikaner mit dem geringsten Einkommen heute<br />

eine geringere Kaufkraft, geringere Realeinkommen<br />

haben als noch vor 30, 40 Jahren. Sind diese Zahlen<br />

auf Deutschland übertragbar? Viele Menschen seien<br />

der Auffassung, dass wir in Deutschland noch keine<br />

amerikanischen Verhältnisse haben, dass die soziale<br />

12


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Marktwirtschaft in Kombination mit dem sozialen<br />

Sicherungssystem für eine soziale Gesellschaft sorge.<br />

„Das ist eine Illusion“, führte Fratzscher aus, denn<br />

auch in Deutschland sinke die Chancengleichheit<br />

nachweislich.<br />

Chancengleichheit für alle, am Wettbewerb<br />

des Marktes teilzunehmen<br />

Das Kernproblem liege im Zerfall der sozialen Marktwirtschaft.<br />

Immer weniger Menschen in Deutschland<br />

könnten mit der eigenen Hände Arbeit für sich sorgen.<br />

Es gehe nicht um Umverteilung, sondern um Freiheit<br />

und Eigenverantwortung. Jeder Mensch müsse eine<br />

faire Chance haben, am Wettbewerb des Marktes<br />

teilzunehmen. „In Deutschland sehen wir, dass diese<br />

Chancengleichheit – und das ist für mich der Kern –<br />

in den letzten Jahrzehnten abgenommen hat“, führte<br />

Fratzscher aus.<br />

Einer der Gründe dafür, dass die soziale Marktwirtschaft<br />

nicht mehr greife, sei der Rückgang der sozialen<br />

Mobilität. Eine Person mit hohem Einkommen habe<br />

gute Chancen, in der Gruppe der Gutverdiener zu verbleiben.<br />

Und Menschen, die arm sind, würden mit hoher<br />

Wahrscheinlichkeit arm bleiben. Diese Entwicklung sei<br />

über Generationen hinweg sichtbar.<br />

Ein weitere Schlüsselrolle habe Bildung; die Aufwärtsmobilität<br />

in der Bildung sei frappierend gering. Heißt:<br />

Zu wenige junge Menschen hätten einen höheren Bildungsabschluss<br />

als ihre Eltern. Zudem studierten in<br />

Deutschland im internationalen Vergleich immer noch<br />

relativ betrachtet wenige. Vor diesem Hintergrund sei<br />

es schwierig, unabhängig von der sozialen Herkunft<br />

Chancen zu erarbeiten und aufzusteigen.<br />

Technologischer Wandel und gebrochener<br />

Gesellschaftsvertrag<br />

Die Ungleichverteilung von Chancen und Einkommen in<br />

der Wirtschaft seien ein weiteres, drittes Schlüsselthema<br />

im Problemfeld Chancengleichheit. Der Unterschied<br />

in Stundenlöhnen zwischen Männern und Frauen liege<br />

in Deutschland bei knapp 22 Prozent. Dies sei vor allem<br />

auch deshalb bemerkenswert, weil die Frauen insgesamt<br />

bessere Bildungsabschlüsse hätten. Hier entstehe<br />

auf dem Arbeitsmarkt eine riesige Lücke.<br />

„Der technologische<br />

Wandel wird viele<br />

Jobs einfach<br />

überflüssig machen,<br />

ersetzen.“<br />

Und die ganze Thematik mangelnder Chancengerechtigkeit<br />

werde sich durch die Digitalisierung noch verschärfen.<br />

80 Prozent der Arbeitnehmer ohne Abitur<br />

in Deutschland müssten über die nächsten zwanzig<br />

bis dreißig Jahre um ihren Job fürchten. „Der technologische<br />

Wandel wird viele Jobs einfach überflüssig<br />

machen, ersetzen. Dieser Wandel wird sich nicht nur<br />

fortsetzen, sondern er wird sich auch beschleunigen“,<br />

so die Prognose Fratzschers.<br />

13


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Engagiert, professionell,<br />

sympathisch: die<br />

Moderation des <strong>MMM</strong>-<br />

Präsidiums mitglieds<br />

Prof. Dr. Utho Creusen,<br />

der an beiden Kongresstagen<br />

durchs Programm<br />

führte.<br />

Offenheit für Andersartigkeit als Gewinn<br />

für die Wirtschaft<br />

Wie man aus dieser Negativschleife rauskommt, schilderte<br />

der Ökonom im letzten Drittel seines Vortrags<br />

den <strong>MMM</strong>-Gästen. Eine Lösung sieht er in den drei<br />

„T“: Technologie, Talente und Toleranz. „Es ist wichtig,<br />

die Technologie so zu nutzen, dass sie den Menschen<br />

hilft, Freiheiten zu schaffen, Chancen zu eröffnen“, so<br />

Fratzscher.<br />

Und damit das auch funktioniere, brauche Deutschland<br />

die genannten Talente – also die Möglichkeit,<br />

dass Menschen ihre Fähigkeiten entwickeln können.<br />

„Es ist wichtig,<br />

die Technologie so zu<br />

nutzen, dass sie den<br />

Menschen hilft,<br />

Freiheiten zu schaffen,<br />

Chancen zu eröffnen.“<br />

Marcel Fratzscher plädierte dafür, dass die soziale<br />

Marktwirtschaft wieder inklusiver wird. Fünf Bereiche<br />

seien zentral. Seine Thesen:<br />

1. Bildung: Hier muss investiert werden, um Menschen<br />

wieder mehr Freiheit und damit auch mehr Möglichkeiten<br />

zu geben. Dabei gilt es, schon bei der frühkindlichen<br />

Bildung anzusetzen.<br />

2. Steuergerechtigkeit herstellen<br />

3. Familienpolitik: Hier soll der eingeschlagene Weg<br />

fortgesetzt werden. Gerade bei den Frauen liegt<br />

nach den Worten des Ökonomen das größte ungehobene<br />

wirtschaftliche Potenzial in Deutschland.<br />

4. Arbeitsmarktreform: Es gilt, dem Fachkräftemangel<br />

zu begegnen und Flüchtlinge in den<br />

Arbeitsmarkt zu integrieren.<br />

5. Vorsorge stärken: Jeder muss in die Lage versetzt<br />

werden, eigenverantwortlich für das Alter<br />

vorzusorgen.<br />

Talente heißt laut Fratzscher auch, Menschen aus dem<br />

Ausland „anzulocken“. Wir müssten in Deutschland offener<br />

werden und Menschen mit unterschiedlicher Perspektive,<br />

mit unterschiedlicher Denkweise willkommen<br />

heißen und integrieren. Und das erfordere als Drittes:<br />

Toleranz, Offenheit für diese Andersartigkeit.<br />

14


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Branchenübergreifender<br />

Dialog: Dr. Hubertine<br />

Underberg-Ruder (Underberg,<br />

l.) und Schuhhändler<br />

Dr. Matthias Händle<br />

(CEO HR Group)<br />

Mit über 700 Gästen<br />

erneut ausgebucht:<br />

der 55. <strong>MMM</strong>-Kongress<br />

15


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

„Ökonomische<br />

Macht muss durch<br />

politische Gewalt<br />

ausbalanciert<br />

werden.“<br />

PROF. DR.<br />

RÜDIGER SAFRANSKI<br />

Philosoph, Schriftsteller,<br />

Literaturwissenschaftler<br />

Professor Dr. Rüdiger Safranski näherte sich auf<br />

dem 55. <strong>MMM</strong>-Kongress dem Freiheitsbegriff aus<br />

philosophischer Perspektive. Der Philosoph, Literaturwissenschaftler<br />

und Schriftsteller machte<br />

gleich zu Beginn deutlich: „Freiheit braucht Regeln,<br />

Einschränkungen, damit sie sich entfalten<br />

kann. Dies ist paradox.“<br />

Wie diese Einschränkungen aussehen, unter welchen<br />

Maßgaben sie akzeptabel sein können und wann sie<br />

die Demokratie gefährden – all dies waren Aspekte<br />

seiner Betrachtungen. Safranski erinnerte daran, dass<br />

Joachim Gauck in seiner letzten Rede als Bundespräsident<br />

gemahnt habe, dass Demokratie nicht nur<br />

konsumiert werden dürfe. Vielmehr müsse man sich<br />

stets ins Bewusstsein rufen, wie kostbar Demokratie<br />

ist und dass sie nur lebt, wenn man auch bereit ist,<br />

sie zu verteidigen.<br />

„Freiheit<br />

braucht Regeln,<br />

Einschränkungen,<br />

damit sie sich<br />

entfalten kann.<br />

Dies ist paradox.“<br />

Safranski ging zu Beginn auf die Frage ein, von welchen<br />

Grundideen die Freiheit bestimmt ist. Er fokussierte<br />

seinen Vortrag auf den maßgeblich nur in der<br />

europäischen Tradition verwurzelten Gedanken des<br />

Individualismus. Verschiedenheit sei – in dieser Denkweise<br />

– etwas Gutes. Es komme darauf an, sie zu begünstigen<br />

und zu entwickeln. „Mit anderen Worten: Der<br />

Sinn von Kultur, Staat und gesellschaftlichem Leben ist<br />

nicht das kollektive Gebilde als Selbstzweck, sondern<br />

die möglichst reiche und verschiedene Entwicklung<br />

der Individuen, aus denen es sich zusammensetzt. Es<br />

handelt sich also um das Prinzip des Schutzes und der<br />

Förderung des Individualismus.“<br />

Aus diesem Prinzip entsprängen die meisten normativen<br />

Ideen, welche die aufgeklärte europäische Moderne<br />

ausmachen. Dazu gehören laut Safranski Meinungsund<br />

Gewissensfreiheit, Toleranz, Gerechtigkeit und<br />

Recht auf körperliche Unversehrtheit.<br />

Liberalismus lenkt durch den Wettbewerb<br />

Das Prinzip des Individualismus ist dabei keines, das<br />

nach Aussagen des Philosophen für alle Kulturen gilt.<br />

Vielmehr sei es eine Besonderheit der europäischen<br />

bzw. abendländischen Tradition. Eine unverwechselbare<br />

Person zu werden bedeute, die eigene Freiheit als<br />

Entwicklungsmöglichkeit zu entdecken und Gebrauch<br />

davon zu machen. Kein Menschenbild sei vorgeschrieben,<br />

nur sozialverträglich sollte es sein.<br />

„Nun wäre es ja schön, wenn die Individuen friedlich<br />

nebeneinander und miteinander ihre Eigentümlichkeit<br />

entwickeln und ihren je eigenen Zwecken folgen. Aber<br />

so ist es nicht. Man müsste sehr lebensfremd sein,<br />

wenn man nicht das Entsetzliche sehen wollte, das<br />

sich Menschen antun können“, entwickelte Safranski<br />

16


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Im Mittelpunkt: Richard<br />

Lohmiller sen. (2. v. l.) und<br />

Günter Fergen (3. v. l.),<br />

Schwarz Gruppe.<br />

seine Überlegungen weiter. Das liberale Denken, das<br />

im 18. Jahrhundert aufkam, habe zu diesem dunklen<br />

Aspekt der menschlichen Realität eine originelle Idee<br />

entwickelt: den Liberalismus. Er setze auf die Wirkung<br />

des Wettbewerbs von unterschiedlichen Interessen, die<br />

sich wechselseitig begrenzen und sich im Wettbewerb<br />

gegenseitig zu Produktivität und schöpferischer Initiative<br />

anstacheln.<br />

„Durch<br />

Demokratie allein<br />

ist die Freiheit<br />

noch nicht gesichert.“<br />

Zivilisierende Kraft von Wettbewerb<br />

und Konkurrenz<br />

Diese Überlegung gelte im liberalen Denken nicht nur<br />

für das Ökonomische, sondern auch für die Politik. Das<br />

habe auch schon der Philosoph Immanuel Kant erkannt:<br />

„Dank sei also der Natur für die Unvertragsamkeit, für<br />

die missgünstig wetteifernde Eitelkeit, für die nicht zu<br />

befriedigende Begierde zum Haben. Ohne sie würden<br />

alle vortrefflichen Naturanlagen in der Menschheit<br />

ewig unterentwickelt schlummern. Der Mensch will Eintracht,<br />

aber die Natur weiß besser, was für seine Gattung<br />

gut ist; sie will Zwietracht. Er will gemächlich und<br />

vergnügt leben; die Natur aber will, er soll aus der Lässigkeit<br />

und untätigen Genügsamkeit hinaus sich in Arbeit<br />

und Mühseligkeit stürzen, um dagegen dann auch<br />

Mittel herauszufinden, sich daraus emporzuarbeiten“.<br />

Safranski brachte es auf den Punkt: „Wir konkurrieren<br />

uns empor.“ Der altehrwürdige Liberalismus der europäischen<br />

Tradition denke sich keine neuen Menschen<br />

aus. Vielmehr nehme er den Menschen an, wie er ist<br />

und setze auf die produktive und zugleich zivilisierende<br />

Kraft von Wettbewerb und Konkurrenz.<br />

Zur liberalen Tradition gehört Safranski zufolge darüber<br />

hinaus ein weiterer, mit der Wettbewerbsidee<br />

zusammenhängender Gedanke: das Prinzip der Gewaltenteilung.<br />

Zum ersten Mal im 18. Jahrhundert von<br />

Montesquieu explizit formuliert, ist es uns vertraut als<br />

die Teilung der Gewalten in Exekutive, Legislative und<br />

Judikative. Es ist zu verstehen als ein Prinzip gegen das<br />

Durchregieren. Denn: Durch Demokratie allein sei die<br />

Freiheit noch nicht gesichert. Die Entwicklung einer<br />

Demokratie zur Diktatur laufe über die Aufhebung der<br />

Gewaltenteilung. Diese knüpfe an die Idee der Konkurrenz<br />

an. Sie sei nichts anderes als geregelte Machtkonkurrenz,<br />

um zu verhindern, dass eine Macht ein<br />

Monopol erringt.<br />

Staat, Wirtschaft, Religion voneinander<br />

trennen<br />

Dieses Prinzip der Gewaltenteilung müsse auch im<br />

Interesse der Freiheitsbewahrung Anwendung finden.<br />

„Man könnte die Konkurrenz zwischen Staat und Markt<br />

– und damit die freiheitsförderliche Machtbalance –<br />

zerstören, indem man entweder die Politik oder die<br />

Ökonomie allmächtig werden lässt. Beides ist ruinös.<br />

Die Geschichte des 20. Jahrhunderts hat beispielsweise<br />

gezeigt, dass ungesteuerte Märkte mit ihren<br />

Krisenzyklen katastrophale Folgen haben können. Die<br />

17


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Senator Hans-Joachim<br />

Tessner (Tessner- Gruppe/<br />

Roller, l.), der dem <strong>MMM</strong>-<br />

Club seit Jahrzehnten<br />

eng verbunden ist,<br />

und Heinrich Schulze<br />

(Fürsten-Reform)<br />

Wirtschaftskrise war eine der Voraussetzungen für<br />

den Aufstieg des Nationalsozialismus. Der Markt allein<br />

also gewährt keine Stabilität, er muss durch politische<br />

Anstrengung bewahrt werden“, führte Safranski aus.<br />

Ein weiterer bedeutsamer Aspekt der Gewaltenteilung<br />

liege in der Trennung von Politik und Religion, so<br />

Safranski. Für den Atheisten sei diese Trennung eine<br />

Selbstverständlichkeit. Für den Gläubigen sei es eigentlich<br />

eine Zumutung, die zivilen Gesetze als höherrangig<br />

zu akzeptieren als religiöse Gebote. Und doch muss<br />

der religiöse Mensch diese Zumutung ertragen lernen,<br />

ebenso wie Kritik oder Karikatur. Dass man wechselseitig<br />

entgegengesetzte Perspektiven hinnimmt, gehöre<br />

zur Kultur der Freiheit.<br />

„Das liberale Modell<br />

kann nur funktionieren,<br />

wenn die Menschen<br />

in der Lage sind,<br />

Selbstkontrolle<br />

auszuüben – innere<br />

Gewaltenteilung.“<br />

Bei einem Zusammenleben, das die Freiheit des Einzelnen<br />

bewahrt, müsse die Gewaltenteilung sogar<br />

ins Innere des Einzelnen verlegt werden. Das liberale<br />

Modell könne nur funktionieren, wenn die Menschen<br />

in der Lage sind, Selbstkontrolle auszuüben – innere<br />

Gewaltenteilung. Zur Veranschaulichung zitierte Safranski<br />

Sigmund Freud, der 1921 nach den Erfahrungen<br />

mit den „Tötungsorgien“ des Ersten Weltkriegs<br />

schrieb: „Unsere Seele ist keine friedvolle, sich selbstregulierende<br />

Einheit, sie ist eher mit einem modernen<br />

Staat vergleichbar, in dem ein vergnügungs- und<br />

zerstörungssüchtiger Pöbel von einer besonnenen<br />

überlegenen Klasse gewaltsam niedergehalten werden<br />

muss.“ Die Pointe dieser Überlegung sei, dass Freud<br />

in jedem von uns etwas Pöbelhaftes sieht, das wir in<br />

innerer Gewaltenteilung erst noch zivilisieren müssen,<br />

damit ein verträgliches Leben miteinander überhaupt<br />

möglich ist.<br />

Vorsichtiger Umgang mit dem Masseninstinkt<br />

Safranski warnte vor dem zivilisatorischen Verlust,<br />

den die sozialen Medien mit sich brächten. Sie stellten<br />

eine Ermunterung zur Enthemmung dar. Der digitale<br />

Stammtisch bleibe nicht unter sich, sondern habe eine<br />

potenziell riesige Öffentlichkeit. Enthemmung durch<br />

Anonymität sei immer gefährlich. Es gehe dabei vor allem<br />

um den Vorgang, wenn das eigene, sonst als winzig<br />

empfundene Ich mit anderen fusioniert und zu einem<br />

Massenkörper wird. Deshalb werde nach den schlimmen<br />

Erfahrungen mit politischen Massenhysterien im<br />

20. Jahrhundert die Masse als politische Größe inzwischen<br />

vorsichtig behandelt. Man gehe auch vorsichtig<br />

um mit plebiszitären Elementen, besonders in Deutschland,<br />

weil Hitler seine Politik bekanntlich auf Plebiszite<br />

gestützt habe. Es werden institutionelle, rechtliche<br />

und sonstige Vorkehrungen getroffen, damit Masseninstinkte<br />

nicht ungebremst in die Politik durchschlagen.<br />

18


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

JUM-Mitglieder aus<br />

Handel und Industrie<br />

(v. l.): Kai Kleist (Storck),<br />

Daniel Meyer (Icewind)<br />

und Friedrich Flach<br />

(Geschäftsführer Flach<br />

Rhein-Main).<br />

„Mit jedem<br />

Gebrauchsding um uns<br />

herum, das wir mit<br />

einem Computer<br />

ausstatten, knüpfen<br />

wir das Netz der<br />

Kontrolle enger.“<br />

Ein zweites Thema im Zusammenhang mit der Wahrung<br />

von Freiheit bringe der technische Fortschritt<br />

mit sich: Ursprünglich habe sich das digitale Zeitalter<br />

angekündigt mit einem Versprechen auf mehr Demokratie<br />

und mehr Freiheit. Man glaubte, die politische<br />

Machtsphäre würde dadurch transparent gemacht<br />

werden können, also eine verstärkte Kontrolle von<br />

unten nach oben. Wie sich aber inzwischen herausgestellt<br />

habe, funktioniere die Kontrolle noch besser von<br />

oben nach unten. Nicht der gläserne Politiker, sondern<br />

der gläserne Bürger sei im Zeitalter von Big Data das<br />

Thema. Und das alles geschehe zumeist freiwillig, der<br />

Bürger als Konsument gebe von sich aus seine Daten<br />

ab. Mit jedem Gebrauchsding um uns herum, das wir mit<br />

einem Computer ausstatten, knüpften wir das Netz der<br />

Kontrolle enger. So eng, dass mithilfe von Algorithmen<br />

die betreffende Person in ihrem künftigen Verhalten<br />

ausgerechnet und auf dieser Basis potenziell auch<br />

gesteuert werden könne. „Die globale Konsumentensteuerung,<br />

von der manche träumen, gefährdet unsere<br />

Freiheit“, mahnte Safranski eindringlich.<br />

Die Geister beherrschen, die wir rufen<br />

Safranski schloss seine Überlegungen mit der Rückkehr<br />

zur Gewaltenteilung. Es sei nicht auszudenken, wenn<br />

die Kontrolle über persönliche Daten in die falschen<br />

politischen Hände käme. Deshalb brauche es die Gewaltenteilung,<br />

auch mit Blick auf die digitale Welt. „Wir<br />

dürfen nicht alle Transaktionen und Kommunikationen<br />

dem digitalen Monopol überlassen. Dadurch würden wir<br />

auf ungeheure Weise angreifbar. Stellen Sie sich nur<br />

ein Atomkraftwerk, ein Krankenhaus, ein Bankensystem<br />

vor, das ausschließlich digital gesteuert ist, ohne<br />

Ausstiegsmöglichkeiten, ohne analoges Auffangsystem<br />

– wir wären im Krisenfall verloren. Auch hier steht<br />

die Freiheit auf dem Spiel. Wir sollten nach Kräften<br />

das Schicksal des Zauberlehrlings vermeiden, dieses<br />

goetheschen Zauberlehrlings, der die Geister, die er<br />

rief, nicht mehr beherrschen konnte.“<br />

19


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Die Kraft<br />

der Freiheit<br />

DR. AMEL KARBOUL<br />

Unternehmerin, Autorin, Politikerin,<br />

Aufsichtsrätin, ehemalige Ministerin<br />

für Tourismus der tunesischen<br />

Übergangsregierung<br />

Dr. Amel Karboul, Unternehmerin, Autorin, Politikerin,<br />

Aufsichtsrätin, hat als ehemalige Ministerin<br />

für Tourismus der tunesischen Übergangsregierung<br />

die Kraft der Freiheit live erlebt. Auf dem<br />

<strong>MMM</strong>-Kongress sprach sie über die Gestaltung<br />

des Wandels und die Verantwortung von Politik<br />

und Wirtschaft.<br />

Amel Karboul startete ihren Vortrag vor den <strong>MMM</strong>-Gästen<br />

mit dem Bild der Coffin-Corner (dt. Sargecke) und<br />

nahm damit Bezug auf eine weit verbreitete Reaktion<br />

von Managern, auf den wachsenden Druck mit noch<br />

mehr Controlling, noch mehr Planung, noch mehr Optimierung<br />

zu reagieren. Doch dies sei genau der falsche<br />

Weg, denn die permanente Optimierung führe zur Einengung<br />

von Handlungsspielräumen. So wie bei Flugzeugen,<br />

die hoch oben in der sogenannten Coffin-Corner<br />

fliegen, wo Mindest- und Maximalgeschwindigkeit nahe<br />

beieinanderliegen. Hoch effizient und hoch gefährlich!<br />

Jedes unvorhergesehene Ereignis kann einen Highflyer<br />

zum Absturz bringen. Karboul führte den Zuhörern vor<br />

Augen, wie schnell in der Wirtschaft Unternehmen<br />

wie Blackberry, Kodak oder Nokia fast oder ganz vom<br />

Markt verschwänden, in einem unternehmerischen<br />

Coffin-Corner untergegangen sind.<br />

Ein weiterer Fehler in vielen Management-Etagen,<br />

aber auch in der Politik, sei das weit verbreitete Railway-Denken,<br />

das keinerlei Freiheiten und Flexibilität zulasse.<br />

Der jüngste Wahlkampf in den USA habe gezeigt,<br />

wie schnell sich Rahmenbedingungen ändern könnten.<br />

Wer vor einem solchen Hintergrund an seiner starren<br />

Sichtweise festhalte und seine Ziele und Vorgehensweisen<br />

nicht anpassen könne, der werde schnell von<br />

den Ereignissen überrollt. Schon John Lennon habe erkannt:<br />

„Life is what happens to you while you are busy<br />

making other plans.”<br />

Auch Arroganz und Ignoranz seien Ursachen des<br />

Railway-Denkens. Karboul führte in diesem Kontext<br />

ein tunesisches IT-Unternehmen an. Dieser hochkompetente<br />

Betrieb habe in Deutschland zunächst nicht<br />

Fuß fassen können. Erst nachdem er eine marode<br />

belgische IT-Firma gekauft hatte und somit als europäischer<br />

Anbieter auftreten konnte, wurden ihm Türen<br />

in Deutschland geöffnet. Karboul verwies darauf, dass<br />

die deutsche und europäische Wirtschaft Gefahr laufe,<br />

lukrative Geschäfte mit dem Mittleren Osten und<br />

Afrika zu verpassen. Der Grund: das „negative Narrativ“.<br />

Während China beispielsweise in Afrika vor allem Möglichkeiten<br />

sehe, dächte Europa in erster Linie an Krieg,<br />

Armut und Probleme.<br />

„Jedes<br />

unvorher gesehene<br />

Ereignis kann einen<br />

Highflyer zum<br />

Absturz bringen.“<br />

Neue Lösungen für neue Probleme finden<br />

Dieser stete Drang, gerade in Deutschland, alles<br />

planen und optimieren zu müssen, widerspreche der<br />

aktuellen Entwicklung. Denn die Realität sei letztlich<br />

20


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Der Granatapfel. Er<br />

hat viele gleichwertige,<br />

chaotisch angeordnete<br />

Kerne und steht deshalb<br />

als Symbol für ein breites<br />

Denken in Alternativen.<br />

unberechenbar, ganz besonders im hochtechnisierten<br />

und hochvernetzten 21. Jahrhundert. Deshalb könne<br />

man dauerhaft nicht – gerade auch in der Wirtschaftswelt<br />

– mit den gleichen Methoden agieren wie<br />

in der Vergangenheit. Der technologische Fortschritt<br />

mit seiner Dynamik verändere vieles: „Es hat 38 Jahre<br />

gedauert, bis 50 Millionen Menschen ein Radio hatten.<br />

Es hat genau vier Jahre gedauert, bis die gleiche Anzahl<br />

Menschen Internet hatte“, so die Unternehmerin.<br />

Es gelte, das Railway-Denken zu durchbrechen. Sie<br />

selbst habe es getan, als sie den Anruf bekam, in<br />

Folge des Arabischen Frühlings Mitglied der Übergangsregierung<br />

in Tunesien zu werden. Sie hatte zwei<br />

Stunden Zeit, sich zu entscheiden. Alle, mit denen sie<br />

gesprochen habe, hätten abgeraten. Doch man muss,<br />

so Karboul, das Railway-Denken durchbrechen. Es sei<br />

ihr nicht leicht gefallen: Ihr Unternehmen habe sich<br />

gerade in einer guten Phase befunden, ihre Kinder<br />

seien noch klein gewesen. Doch sie habe sich für den<br />

Job der Tourismusministerin entschieden, weil sie das<br />

Gefühl hatte, gerade in diesem Moment der Freiheit<br />

Verantwortung übernehmen zu müssen.<br />

Im Zuge dieser Entscheidung habe sie das „Granatapfel-Denken“<br />

praktiziert. Der Granatapfel hat viele<br />

gleichwertige, chaotisch angeordnete Kerne und steht<br />

deshalb als Symbol für ein breites Denken in Alternativen.<br />

Wirksames Engagement der Zivilgesellschaft<br />

Freiheit und gesellschaftliches Engagement gehören<br />

für Amel Karboul nach eigenen Worten untrennbar zusammen.<br />

Früher habe Freiheit für sie bedeutet, sich<br />

nicht um Politik kümmern zu müssen. In Deutschland<br />

und den USA habe man Institutionen vertraut, gearbeitet,<br />

Hobbys gepflegt, ohne sich engagieren zu<br />

müssen. Doch die derzeitigen Entwicklungen ließen<br />

ein gelassenes Beobachten nicht mehr zu. Vielmehr<br />

verpflichte die Freiheit dazu, sich einzumischen.<br />

„Die Realität ist letztlich<br />

unberechenbar,<br />

ganz besonders im<br />

hochtechnisierten und<br />

hochvernetzten<br />

21. Jahrhundert.“<br />

Und das persönliche Engagement sei wirkungsvoll, wie<br />

sie erneut mit einem Beispiel aus Tunesien unterstrich.<br />

Während der Ausarbeitung der neuen Verfassung gab<br />

es zwei Formulierungsvorschläge: a), dass sich „Männer<br />

und Frauen komplementär ergänzen“ oder b) dass<br />

„Männer und Frauen gleich sind“. Daraufhin hätten im<br />

Sommer, mitten im Ramadan, zehntausende Frauen –<br />

von der Professorin bis zur Reinigungskraft – jeden Tag<br />

demonstriert, bis die Gleichheit in der Verfassung stand.<br />

21


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Der Arabische Frühling:<br />

Amel Karboul hat die<br />

Kraft der Freiheit in<br />

Tunesien miterlebt.<br />

Amel Karboul will sich auch künftig weiter engagieren<br />

und damit Freiheit in Verantwortung leben, wie sie unterstrich.<br />

Deshalb habe sie nach dem Ende ihrer Tätigkeit<br />

in der Übergangsregierung und nach der friedlichen<br />

und erfolgreichen Wahl beschlossen, sich um die gefährdeten<br />

jungen Menschen zu kümmern.<br />

„Wir haben ein<br />

großes Projekt gestartet<br />

zum Thema<br />

Deradikalisierung<br />

von jungen Menschen.“<br />

Heute ist sie u. a. Geschäftsführerin einer NGO, deren<br />

Thema die inklusive und nachhaltige Gestaltung der<br />

Gesellschaft und Wirtschaft in Nordafrika ist: „Wir<br />

kümmern uns um Themen wie Bildung. Wir haben ein<br />

großes Projekt gestartet zum Thema Deradikalisierung<br />

von jungen Menschen. Wir arbeiten viel in der Terrorismusprävention.“<br />

Diese neue Aufgabe sei eine ganz neue<br />

Erfahrung. Und es sei nicht immer leicht, Termine zu<br />

bekommen. Jetzt müsse sie sich in der Schlange einreihen,<br />

während früher als Vorstandsvorsitzende oder als<br />

Ministerin andere bei ihr um Termine gebeten hätten.<br />

Aber vielleicht mache gerade auch dies die Kraft der<br />

Freiheit aus: die Verantwortung, gerade dann weiterzumachen,<br />

wenn es schwer ist.<br />

BUCHTIPP:<br />

Dr. Amel Karboul: Coffin Corner –<br />

Warum auch die besten Unternehmen<br />

abstürzen können,<br />

Midas Management Verlag AG,<br />

ISBN-13: 978-3-907-10068-4<br />

22


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Freiheit bedeutet<br />

Verantwortlichkeit.<br />

Das ist der Grund,<br />

warum die meisten Menschen<br />

sich vor ihr fürchten.<br />

George Bernhard Shaw<br />

Irischer Dramatiker, Politiker und Nobelpreisträger für Literatur (1856–1950)<br />

23


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Ein Erfolgsbeispiel<br />

unternehmerischer<br />

Freiheit<br />

CLEMENS TÖNNIES<br />

Vorstandsvorsitzender der<br />

Unternehmensgruppe Tönnies,<br />

Aufsichtsratsvorsitzender<br />

des FC Schalke 04<br />

Clemens Tönnies, Vorstandsvorsitzender der Unternehmensgruppe<br />

Tönnies und Aufsichtsratsvorsitzender<br />

des FC Schalke 04, ist ein Paradebeispiel<br />

dafür, wie Unternehmertum und Freiheit miteinander<br />

verbunden sind. „Vom Revier in die Welt“ –<br />

unter diesem Titel präsentierte Tönnies in einem<br />

sehr authentischen Beitrag die Erfolgsgeschichte<br />

seines Unternehmens und ging darüber hinaus<br />

darauf ein, warum Schalke für ihn ein ganz besonderer<br />

Fußballverein ist.<br />

Drei Grundsätze habe ihm sein Vater, ein Metzger, der<br />

immer selbst geschlachtet habe, mit auf den Weg gegeben,<br />

so Tönnies zum Auftakt: „Erstens: Eine Zusage, ein<br />

Handschlag ist ein Vertrag. Zweitens: Wenn du ein Tier<br />

schlachtest, dann musst du das so human wie möglich<br />

machen. Und drittens: Du darfst nur das verkaufen, was<br />

du mit Appetit selbst isst.“ Doch der Familienbetrieb<br />

des Vaters habe dem wachsenden Konkurrenzdruck<br />

der Supermärkte nicht standhalten können. So kam<br />

es, dass Bernd und Clemens Tönnies 1971 ein neues<br />

Unternehmen gründeten, das auf die Bedürfnisse der<br />

sich arbeitsteilig aufstellenden Branche ausgerichtet<br />

war. Der Plan: Wurstwaren für SB-Theken zu produzieren.<br />

Tönnies zeichnete das rasante Wachstum des<br />

Unternehmens nach, vom Start mit einem Renault 4<br />

als Lieferfahrzeug über die Errichtung eines eigenen<br />

Betriebs in Herzebrock mit erheblicher Ausweitung des<br />

Geschäftsbetriebs bis hin zum heutigen Status quo.<br />

Unter dem Oberbegriff »Biologische Einheit« plante<br />

und etablierte Tönnies das Konzept der durchgehenden,<br />

ununterbrochenen Produktionskette in der Qualitätsfleischgewinnung.<br />

1992 wurde das einzigartige Konzept<br />

als »Inline-Produktion« am Standort Rheda-Wiedenbrück<br />

in Betrieb genommen, dem heutigen Hauptsitz<br />

der Unternehmensgruppe.<br />

Landwirte als Partner<br />

Weltweit arbeiten aktuell 12.500 Mitarbeiter für die<br />

Gruppe; der Umsatz beträgt 6,3 Milliarden Euro. Mehr als<br />

50 Prozent der Produktion exportiert die Tönnies-Gruppe<br />

in Nicht-EU-Länder. Es gehe dabei nicht um den Export<br />

von Fleisch, sondern um Spezialitäten, die in einem<br />

Zielmarkt gefragt seien, erläuterte Tönnies: Dazu zählten<br />

bspw. Ribs für den US-amerikanischen Markt oder<br />

Schweinefüße, -köpfe und anderes für China.<br />

Für die Verbraucher<br />

immer wichtiger<br />

wird die Frage des<br />

Tierwohls:<br />

Woher kommt das<br />

Fleisch?<br />

Für die Verbraucher immer wichtiger werde die Frage<br />

des Tierwohls: Woher kommt das Fleisch? Unter<br />

welchen Bedingungen sind die Tiere aufgewachsen?<br />

Man lege höchsten Wert darauf, dass in den rund<br />

17.000 landwirtschaftlichen Betrieben, die Tönnies<br />

beliefern, sorgfältig mit den Tieren umgegangen wird.<br />

Heute sei alles miteinander verzahnt, der Landwirt viel<br />

mehr Partner als früher.<br />

24


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Diskutierten Zukunftsfragen:<br />

Jens Thoms<br />

(Nestlé, l.) und Globus-<br />

Geschäftsführerin Petra<br />

Schäfer.<br />

Heute seien die Unternehmen so eng verzahnt, dass<br />

man miteinander über diesen Erfahrungsaustausch<br />

viel erreicht habe. Über die App fTRACE könnten<br />

die Verbraucher heute nachvollziehen, woher das<br />

gekaufte Fleisch stammt. Jährlich 25.000 Besucher<br />

informierten sich im Werk über die guten Produktionsstandards.<br />

Dazu gehöre beispielsweise auch die<br />

Optimierung der biochemischen Abläufe nach dem<br />

Schlachten. Durch den Einsatz verschiedener Temperaturstufen<br />

und eines neuen Kühlturms sorge man<br />

dafür, dass das Fleisch saftig und zart bleibe.<br />

Lust auf Fleisch versus Sparsamkeit<br />

Die Markt- und Rahmenbedingungen sowie das Konsumverhalten<br />

der Verbraucher haben sich verändert,<br />

erläuterte Clemens Tönnies im Folgenden. Derzeit<br />

erlebe das Rindfleisch eine Renaissance, 53 Prozent<br />

der Deutschen würden auf die Frage, was sie<br />

am liebsten essen, „Fleisch“ antworten. Gleichzeitig<br />

sehen 48 Prozent Einsparpotenzial bei Lebensmitteln.<br />

Das System sei überreizt, es gebe Handlungsbedarf<br />

und es sei an der Zeit, gemeinsam mit der Politik nach<br />

Lösungen für dieses Dilemma zu suchen. Ziel sei es,<br />

führte Tönnies aus, dass alle Hersteller und Händler<br />

sich einigen, eine tiergerechte Haltung bezahlbar<br />

zu machen. Es gehe darum, dass die Produktion in<br />

Deutschland und für die Beteiligten rentabel bleibe,<br />

um gute Produktionsbedingungen für Fleisch und Geflügel<br />

zu schaffen. Eine Verlagerung der Produktion<br />

ins Ausland mit viel schlechteren Bedingungen müsse<br />

verhindert werden. Eine klare Kommunikation sei gefragt,<br />

um ideologischen Fleischgegnern antworten zu<br />

können. Die Produzenten müssten zu ihrem Umgang<br />

und der Haltung der Tiere stehen und das auch öffentlich<br />

darlegen können.<br />

Gelebte Verantwortung<br />

Für ein Unternehmen wie Tönnies sei es eine Selbstverständlichkeit,<br />

in Verantwortung voranzugehen,<br />

unterstrich der Inhaber. Zu diesem Zweck sei die<br />

Tönnies-Forschung gegründet worden, die eine Vorreiterrolle<br />

bei der wissenschaftlichen Verbesserung<br />

des Tierwohls einnehme.<br />

„Eine klare<br />

Kommunikation<br />

ist gefragt,<br />

um ideologischen<br />

Fleischgegnern<br />

antworten zu können.“<br />

Auch das Wohl der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,<br />

von denen rund 40 Prozent Werkvertragsarbeitnehmer<br />

seien, liege der Tönnies-Unternehmensgruppe<br />

besonders am Herzen: „Ordentlich mit den Menschen<br />

umzugehen, das ist unsere Pflicht“, so Clemens<br />

Tönnies mit Nachdruck. Hierzu habe man gemeinsam<br />

mit anderen Herstellern den Mindestlohn eingeführt,<br />

Betriebskindergärten und Sportangebote für die<br />

Mitarbeiter eingerichtet und in Zusammenarbeit mit<br />

Betriebsrat, Sozialamt und Kirchen Mängel in den<br />

Unterkünften abgestellt.<br />

25


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Generationenübergreifender<br />

Dialog (v. l.):<br />

Sebastian und Uli<br />

Budnik (REWE Homberg<br />

und Budnik), Frank<br />

Detemple, Startup-<br />

Experte Sebastian Diehl,<br />

Philipp Rieländer (Lüning<br />

Gruppe) und David<br />

Schilling (Brohler<br />

Mineralbrunnen).<br />

Auf Schalke<br />

Und damit leitete Tönnies zu seinem zweiten großen<br />

Betätigungsfeld über: dem FC Schalke 04. Er, Clemens,<br />

habe seinem Bruder Bernd 1994 auf dem Sterbebett<br />

versprochen, sich um Firma, Familie und den Verein FC<br />

Schalke 04 zu kümmern.<br />

Bei seinem Antreten 1994 habe er vorgeschlagen, einen<br />

Aufsichtsrat einzuführen, der dann den Präsidenten<br />

bestimmt. Der Aufsichtsrat sollte auf der Jahreshauptversammlung<br />

von den Mitgliedern gewählt werden. Dies<br />

sei der Startpunkt für das neue Schalke gewesen. Der<br />

FC Schalke sei heute exzellent aufgestellt mit absoluten<br />

Fachleuten im Management und im Marketing.<br />

Schalke sei ein Verein mit ganz besonderer Fankultur,<br />

unterstrich Tönnies. Heute habe der Verein über<br />

140.000 Mitglieder, 150.000 Fanclub-Mitglieder und<br />

1.500 Fanclubs weltweit.<br />

Auch wenn der sportliche Erfolg stets im Fokus steht,<br />

sei die wirtschaftliche Seite essenziell. Schalke habe<br />

die Schuldenlast in den letzten Jahren massiv abbauen<br />

können. Die Finanzpolitik sei auf Konsolidierung ausgerichtet.<br />

2014/15 konnte mit 215,3 Mio. Euro der zweithöchste<br />

Umsatz der Vereinsgeschichte erzielt werden.<br />

Mit 83,5 Mio. Euro aus Sponsoring und Merchandising<br />

erwirtschafte der Bereich Marketing mehr als einem<br />

Drittel des Gesamtumsatzes.<br />

spiele der FC Schalke 04 darüber hinaus als großer Arbeitgeber<br />

in der durch den Strukturwandel gebeutelten<br />

Region. Der Stamm fester Mitarbeiter umfasse 620 inklusive<br />

Aushilfen und wachse an Spieltagen auf bis zu<br />

1.200 oder sogar 1.400 an – vom Parkwächter bis zum<br />

Hilfskoch.<br />

„Schalke ist ein<br />

Verein mit ganz<br />

besonderer Fankultur.“<br />

Mit Blick auf die Zukunft sei es nötig, so Tönnies, die<br />

Einnahmeseite der Vereine zu erhöhen, um mit den<br />

anderen europäischen Ligen mithalten zu können. Verantwortung<br />

werde bei Schalke auf allen Ebenen gelebt,<br />

das war eine der Kernbotschaften von Clemens Tönnies.<br />

Dies schließe die Spieler ein. Es sei wichtig, ihnen<br />

eine möglichst gute Bildung mit auf den Weg zu geben.<br />

Deshalb habe Schalke u. a. mit der Universität St. Gallen<br />

ein Kooperationsprojekt zur Manager-Ausbildung ins<br />

Leben gerufen.<br />

Beim Blick auf die Zahlen vergesse man bei Schalke<br />

aber auch nie die soziale Verantwortung: Deswegen seien<br />

die Eintrittspreise im Stehplatzbereich im unteren<br />

Drittel der Liga angesiedelt. Eine sozial wichtige Rolle<br />

26


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

OBEN: Was machen die Rohstoffmärkte?<br />

Andreas Nickenig (Griesson –<br />

de Beukelaer, r.) im Austausch mit<br />

Jochen Spethmann (Ostfriesische Tee<br />

Gesellschaft, l.). In der Mitte: Stanislaus<br />

Syryca (Molkerei Gropper).<br />

MITTE, v. l.: Der ehemalige Perfetto-<br />

Geschäfts führer Karl-Heinz Dautzen berg<br />

mit dem Vorstandsvorsitzen den der<br />

SPAR Österreich, Dr. Gerhard Drexel,<br />

und Johannes Holzleitner (ebenfalls<br />

SPAR Österreich).<br />

UNTEN: Nestlé-Manager Christoph<br />

Ahlborn (l.) und Damian Seibert<br />

(Coca-Cola).<br />

27


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

„Positive Energie<br />

kann sich nur<br />

in Freiheit<br />

entwickeln.“<br />

ROMAN ROTH<br />

Winzer, Partner bei<br />

Wölffer Estate Vineyard<br />

„Merlot für die Wall Street: Wie ein Familienbetrieb<br />

(mit deutscher Herkunft) New York erobert“,<br />

lautete der Titel des Vortrags von Roman Roth.<br />

Der Winzer und Partner bei Wölffer Estate Vineyard<br />

sprach in München über seine Idee von Freiheit<br />

und über die Möglichkeiten, den American<br />

Dream zu leben.<br />

Der Wein schmeckt „wie abgefüllte Pornografie“<br />

schrieb die „New York Times“ über den 1997er-Merlot<br />

des Weinguts Wölffer Estate in den Hamptons. Wie<br />

man es schafft, die Öffentlichkeit und seine Kunden<br />

derart zu begeistern, davon sprach Roman Roth, der<br />

nach Winzereistationen in Deutschland, Kalifornien und<br />

Australien seit Anfang der 90er Jahre auf Long Island<br />

bei New York tätig ist.<br />

„Meine Eltern hatten eine Wein- und Getränkehandlung,<br />

eine Küferei. Ich bin also mit der Flasche aufgewachsen.<br />

Mit zarten 16 Jahren, 1982, traf ich die Entscheidung,<br />

dass das Weinmachen was für mich ist“,<br />

schildert er seine frühe Prägung, die ihn schließlich an<br />

die US-amerikanische Ostküste führte. Auf Long Island<br />

Wein anzubauen, dafür benötige man ein großes Maß<br />

innerer Freiheit, führte Roth aus, da diesem Anbaugebiet<br />

häufig große Vorurteile und Klischeevorstellungen<br />

entgegengebracht werden – auch wenn es rund<br />

400 Weinkellereien im Staat New York gibt.<br />

Wölffer startete 1992 auf Long Island. Diese wunderbare<br />

Gegend sei ein Treffpunkt für New Yorker, von Businessleuten<br />

bis zu Künstlern. In den Hamptons trifft man<br />

sich, es sei eine Gegend vergleichbar einer Kombination<br />

aus Sylt und der Côte d’Azur. Umgeben vom Atlantik<br />

herrsche ein maritimes Klima – sonnig, mit milden<br />

Wintern, spätem Frühling und einem ebenfalls späten<br />

Herbst, dem Indian Summer. „Das heißt, dass auch die<br />

Rotweine schön reifen können“, erläuterte Roth.<br />

Spitzenqualität für anspruchsvolle Kundschaft<br />

Gründer der Kellerei war Christian Wölffer. Aus Hamburg<br />

stammend sei er über Südamerika und Kanada nach<br />

Long Island gekommen. Sein besonderer Geschäftssinn<br />

und die Bereitschaft, Risiken einzugehen, trafen auf<br />

Lebensfreude und Entschlusskraft. „1992, in meinem<br />

ersten Jahr, machten wir 36.000 Flaschen Wein. Aktuell<br />

sind es im Durchschnitt jährlich 720.000 Flaschen. Wir<br />

sind eine Boutiquekellerei, die nur auf Qualität baut. An<br />

der Ostküste kann man nur mit einem Spitzenprodukt<br />

erfolgreich konkurrieren, nicht mit Quantität“, fasste<br />

Roth das Konzept von Wölffer zusammen.<br />

Freiheit habe für den Erfolg eine große Rolle gespielt.<br />

Als einer der Pioniere habe man seinen eigenen Pfad<br />

wählen und einen eigenen Stil finden können. „Wir<br />

waren nicht vorbelastet von Tradition und Vergangenheit,<br />

es gab keine Richtungen oder strengen Gesetze.<br />

Weil wir so eine junge Weinregion waren, war es egal,<br />

welchen Weg man einschlug oder welchen Wein man<br />

machte, es war immer etwas Neues. Man hatte keine<br />

lokale Konkurrenz durch alteingesessene etablierte<br />

Weingüter, sondern man musste sofort und auf höchstem<br />

Niveau mit den besten Weinen der Welt konkurrieren.<br />

Und diese internationale Konkurrenz spürt man<br />

besonders in New York“, erzählte Roth.<br />

28


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

„Summer in a bottle“:<br />

Der Rosé ist der zweitmeistgesuchte<br />

Wein auf<br />

der populären Webseite<br />

„wine-searcher.com“.<br />

Den Sommer in die Flasche bannen<br />

Der Anspruch der New Yorker habe es anfänglich sehr<br />

schwer gemacht, sei aber gleichzeitig ein guter Antrieb<br />

gewesen. Man habe auch die Freiheit gehabt, mal einen<br />

Fehler zu machen, etwas Neues zu probieren und seine<br />

Erfahrungen zu erweitern. Die Motivation war hoch.<br />

„Die Freiheit, Wege zu gehen, die die Konkurrenz nicht<br />

gehen will oder nur imitieren kann, war immer einer der<br />

wichtigsten Teile unseres Erfolgs“, schloss Roth den<br />

ersten Teil seiner Ausführungen.<br />

„Wir sind eine<br />

Boutiquekellerei, die<br />

nur auf Qualität baut.“<br />

Anschließend stellte er einige Produkte und Geschäftsideen<br />

des Wölffer Estate Vineyards im Einzelnen vor. Ein<br />

Dauerbrenner sei der Rosé des Hauses, der zur Kundschaft<br />

und zur Landschaft passe. Der erste trockene<br />

Rosé habe mittlerweile den Spitznamen „Summer in a<br />

bottle“ und sei zweitmeistgesuchter Wein auf der populären<br />

Webseite „wine-searcher.com“. Ein besonderer<br />

Chardonnay von Wölffer habe es nicht nur auf den Tisch<br />

politischer Bankette im Weißen Haus geschafft, sondern<br />

auch auf die Weinkarten von Spitzenrestaurants.<br />

Nach dem Champagner-Verfahren baut die Kellerei einen<br />

Sekt bester Qualität aus. Ein Sparkling Cider – weiß<br />

und rosé – ziehe als Neuinterpretation des Apfelweins<br />

vor allem die junge Kundschaft an. Und in Jubiläumsjahren<br />

gebe es einen speziellen Amarone-Wein aus<br />

getrockneten Trauben.<br />

Branding als Erfolgsfaktor bei den<br />

jungen Kunden<br />

Roth berichtete auch von ergänzenden Geschäftsideen,<br />

wie beispielsweise der Käserei mit Milch von Nachbarkühen<br />

auf Long Island – ein Volltreffer in Zeiten, in<br />

denen regionale Produkte wieder gefragt seien. Dazu<br />

kamen Spirituosen, insbesondere Gin, Essig, Gastronomie-Konzepte<br />

etc.<br />

Mitbestimmend für den Unternehmenserfolg sei der<br />

Aufbau eines professionellen Brandings durch die<br />

nachrückende jüngere Generation. Tolle Verpackungen,<br />

Social-Media-Auftritte und die konsequente<br />

Vermarktung eines Stils, eines Lifestyles, seien zentral<br />

für den Erfolg der hochwertigen Produkte. Das Premiumversprechen<br />

bleibe jedoch ungebrochen: „Wir sind<br />

hauptsächlich bestrebt, konsistent die höchstmögliche<br />

Qualität zu produzieren“, betonte Roth.<br />

Abschließend fasste er zusammen: „Positive Energie<br />

kann sich nur in Freiheit entwickeln. Freude und<br />

Passion und die Vermittlung dieser Einstellung an die<br />

Kunden, das ist der Schlüssel. Wenn man diese Energie<br />

mit Stil und einem Lebensgefühl kombiniert, macht<br />

das Arbeiten und das Leben Spaß, was wiederum die<br />

Kunden begeistert.“<br />

29


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Taten statt<br />

Worte<br />

HANSUELI LOOSLI<br />

Präsident des Verwaltungsrates<br />

der Schweizer Coop-Gruppe<br />

Genossenschaft, Swisscom AG,<br />

Bell AG, Transgourmet Holding AG,<br />

Coop Mineraloel AG<br />

Hansueli Loosli ist Präsident des Verwaltungsrates<br />

der Schweizer Coop-Gruppe Genossenschaft<br />

sowie der Swisscom AG, der Bell AG, der Transgourmet<br />

Holding AG und der Coop Mineraloel AG.<br />

Er zeigte auf, wie die Coop Nachhaltigkeit lebt und<br />

diese Schritt für Schritt in ihren Geschäftsfeldern<br />

implementiert hat.<br />

Was hat Nachhaltigkeit mit Freiheit zu tun? Mit dieser<br />

Frage eröffnete Loosli seine Ausführungen. Seine Antwort:<br />

„Nachhaltigkeit ist nicht nur im idealen Sinne ein<br />

Handlungsprinzip. Sie ist weit mehr als das. Sie ist aber<br />

vor allem ein Konzept der Freiheit. Denn was treibt uns<br />

zum nachhaltigen Handeln und Wirtschaften an? Es ist<br />

das Ziel – mindestens für uns –, kommenden Generationen<br />

so viele Optionen wie nur möglich offenzuhalten.“<br />

Indem man natürliche Ressourcen übermäßig nutze<br />

oder die Biodiversität einschränke, beschneide man den<br />

Handlungsspielraum zukünftiger Generationen ganz<br />

entscheidend. Freiheit sei nicht möglich ohne Nachhaltigkeit.<br />

Und nachhaltiges Wirtschaften wiederum<br />

bedeute, Verantwortung zu übernehmen. Es gehe um<br />

die Verantwortung für Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />

und deren Arbeitsplätze, es gehe aber auch um die Verantwortung<br />

für Kapital und die Zukunftsfähigkeit des<br />

Unternehmens.<br />

Bevor er die drei Säulen der Nachhaltigkeit aus der<br />

Sicht der Coop Schweiz vorstellte, ging Loosli auf die<br />

Besonderheiten einer Genossenschaft ein und präsentierte<br />

die aktuelle Situation des Unternehmens. „Eine<br />

Genossenschaft strategisch auszurichten, ist nicht<br />

dasselbe, wie eine Aktiengesellschaft strategisch zu<br />

führen. Ich fühle mich zuerst den Konsumentinnen und<br />

Konsumenten verpflichtet. Wir haben keine Shareholder“,<br />

erläuterte er. Kundinnen und Kunden wollten weit<br />

mehr, nämlich nicht nur günstige, sondern nachhaltig<br />

produzierte Lebensmittel. „Wir als Coop-Unternehmer<br />

haben die Freiheit, zu entscheiden, ob wir auf die Kundenbedürfnisse<br />

halbherzig mit Marketing-Gags reagieren<br />

oder ob wir uns wirklich langfristig ausrichten und<br />

damit etwas bewegen für Mensch, Tier und Umwelt.“<br />

Coop habe bewusst auf schnelle Gewinne verzichtet<br />

und dafür nachhaltigen Erfolg geerntet.<br />

„Coop hat bewusst<br />

auf schnelle Gewinne<br />

verzichtet und<br />

dafür nachhaltigen<br />

Erfolg geerntet.“<br />

2,5 Millionen Eigentümer<br />

„Nachhaltigkeit ist tief in der Unternehmenskultur verwurzelt.<br />

Sie ist Teil unserer Firmen-DNA. Bereits 1989<br />

haben wir die erste Nachhaltigkeitsmarke eingeführt.<br />

Vier Jahre später haben wir mit unserer Eigenmarke<br />

Naturaplan die Bioprodukte aus der Nische geholt.<br />

Dem Biolandbau Schweiz haben wir damit zu einem<br />

entscheidenden Durchbruch verholfen. Wir haben mit<br />

zahlreichen Innovationen innerhalb unserer Sortimente<br />

Maßstäbe gesetzt“, schilderte Loosli das frühe Bekenntnis<br />

der Coop zu sinnstiftendem Wirtschaften.<br />

30


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Erläutert die Nachhaltigkeitsstrategie<br />

der Coop im Detail:<br />

Hansueli Loosli (r.) im<br />

Gespräch mit Wurst-<br />

Produzentin Astrid<br />

Schmitz (GS Schmitz).<br />

Die Fokussierung auf Nachhaltigkeit habe eine lange<br />

Tradition in der seit 150 Jahren existierenden Konsumentengenossenschaft.<br />

Sie habe als kleiner Konsumentenverein<br />

begonnen und gehöre mittlerweile insgesamt<br />

2,5 Millionen Kundinnen und Kunden. „Heute sind<br />

wir ein international aktives Unternehmen, das in den<br />

Geschäftsfeldern Einzelhandel und Produktion/Großhandel<br />

in elf Ländern tätig ist. Die Genossenschaftsstatuten<br />

von damals legten schon fest, dass Coop ihre<br />

Wettbewerbsfähigkeit auf der Basis von marktwirtschaftlichen,<br />

ökologischen und ethischen Grundsätzen<br />

nachhaltig sichern muss“, erläuterte Loosli.<br />

Um der Verpflichtung zum nachhaltigen Wirtschaften<br />

nachzukommen, müsse die Coop auf einem sicheren<br />

Fundament stehen. Dieses habe man ab 1999 gelegt,<br />

als die Zentrale und 14 regionale Genossenschaften<br />

zusammengelegt wurden. Die Selbstentmachtung der<br />

regionalen Genossenschaften sei keine Selbstverständlichkeit<br />

gewesen. Aber man habe zu der Zeit<br />

vor drei großen Herausforderungen gestanden: der<br />

Annäherung an die EU, die einen enormen Preisverfall<br />

mit sich brachte, dem Einstieg ausländischer Marktkonkurrenten<br />

in der Schweiz und dem Aufkommen<br />

des Online-Handels. Die strategische Neuaufstellung<br />

habe für die Führung die Freiheit geschaffen, diesen<br />

Herausforderungen zu begegnen.<br />

Coop baut Kompetenzen in Gastronomie aus<br />

Eine weitere Maßnahme im Zuge der Neuformierung<br />

des Unternehmens sei der Verkauf von Unternehmensteilen<br />

wie der eigenen Bank, Versicherung und Produktionsunternehmen.<br />

Man habe das Immobilienportfolio<br />

angepasst und sich fortan auf den Handel Food und<br />

Non-Food konzentriert. Die Kosteneinsparungen und<br />

Umsatzsteigerungen seien für Akquisitionen eingesetzt<br />

worden.<br />

„Ein strategischer Meilenstein war dann 2005, als wir<br />

mit Transgourmet begonnen haben, uns international<br />

im Großhandel zu betätigen. Und ich bin überzeugt,<br />

die Gastronomie und die Versorgung von Alters- und<br />

Pflegeheimen sowie von Personalrestaurants ist ein<br />

Markt mit ganz großem Wachstumspotenzial“, erläuterte<br />

Loosli. Deshalb habe die Coop in den letzten<br />

Monaten und Jahren die Kompetenzen in diesem Bereich<br />

nochmals deutlich ausgebaut. Heute, 15 Jahre<br />

nach der Neuformierung zur Jahrtausendwende, biete<br />

Coop allein in der Schweiz über zwanzig verschiedene<br />

Verkaufsformate an.<br />

Handlungsschwerpunkte mit Hebelwirkung<br />

„Wir sind deshalb erfolgreich geworden, weil es eben<br />

keine übergeordnete separate Nachhaltigkeitsstrategie<br />

gibt. Der Wille zur nachhaltigen Unternehmensführung,<br />

die Begeisterung und die Leidenschaft für dieses<br />

Thema auf höchster Ebene müssen für jeden Mitarbeiter<br />

und jede Mitarbeiterin spürbar sein, und zwar nicht<br />

eben nur einmal im Jahr, sondern im Alltag“, so Loosli.<br />

Anhand dreier Themenbereiche – Säulen – aus der<br />

Unternehmensführung verdeutlichte er diesen Ansatz.<br />

Die erste Säule sei die nachhaltige Sortimentsgestaltung.<br />

Einerseits gehe es darum, die Konsumentenbedürfnisse<br />

zu verstehen, andererseits sei es wichtig,<br />

den Fokus immer auf die Glaubwürdigkeit zu richten.<br />

31


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Warentransport: Die<br />

Coop setzt auf umweltverträgliche<br />

Lösungen.<br />

Dafür müsse man gegebenenfalls auch einmal bereit<br />

sein, auf Umsatz zu verzichten. Coop gehe als Pionier<br />

in mehrfacher Hinsicht voran. So habe sich das Unternehmen<br />

erfolgreich für die Zulassung von Insekten als<br />

Lebensmittel in der Schweiz eingesetzt. Ab Frühjahr<br />

2<strong>017</strong> werde Coop als erster Anbieter in der Schweiz –<br />

vielleicht sogar europaweit – Produkte auf Insektenbasis<br />

verkaufen. Denn Insekten – so Loosli – lassen sich<br />

sehr nachhaltig züchten. Sie brauchen wenig Wasser<br />

und Futter und produzieren im Vergleich sehr wenige<br />

Treibhausgase.<br />

„Bis 2<strong>02</strong>3<br />

will Coop<br />

CO 2 -neutral sein.“<br />

„Auch Themen wie der Biolandbau, die artgerechte Tierhaltung<br />

oder der Fair-Trade-Ansatz haben ganz klein<br />

angefangen und waren damals kein Massenbedürfnis.<br />

Doch wir haben die Vision und unser Geschäftsmodell<br />

schon vor langer Zeit so zusammengebracht, um<br />

nachhaltige Produkte in der Schweiz aus der Nische zu<br />

holen“, berichtete Loosli.<br />

Ressourcen- und Klimaschutz<br />

Der schonende Umgang mit Ressourcen und der Klimaschutz<br />

bilden die zweite Säule der Nachhaltigkeitsstrategie<br />

bei Coop. Bis 2<strong>02</strong>3 will Coop CO 2<br />

-neutral<br />

sein. Dafür ergreife man alle technisch möglichen und<br />

finanziell zweckmäßigen Maßnahmen. Und den Anteil<br />

erneuerbarer Energieträger habe das Unternehmen<br />

bereits auf siebzig Prozent angehoben. „Wir sind mit<br />

dieser Vision auf Kurs“, führte Loosli aus.<br />

Ein Großteil des CO 2<br />

-Ausstoßes entstehe im Warentransport.<br />

Deshalb habe Coop 2010 ein Transportlogistikunternehmen<br />

namens railCare gekauft. Es fördert<br />

Güter schweizweit mit eigenen Zügen in Kombination<br />

mit LKW. Der längste Transportweg erfolge auf der<br />

Schiene. Das reduziere den vor- und nachgelagerten<br />

Transport auf der Straße sehr stark, spare CO 2<br />

und<br />

Zeit, da die LKW nicht im Stau stünden. Durch die Belieferung<br />

sämtlicher Verkaufsstellen in der Stadt Genf<br />

via railCare konnte Coop 40 LKW aus dem Verkehr<br />

ziehen. Und seit 2014 setzt das Unternehmen zudem<br />

Elektro-LKW ein, die nur noch ein Drittel der Energie<br />

eines Diesel-LKW verbrauchen. Diese kommen bei der<br />

Belieferung der Supermärkte und bei der Transgourmet<br />

für Großstadtbelieferungen zum Einsatz. Konventionelle<br />

LKW werden zu einem Drittel mit Biodiesel<br />

betankt. Das mache drei Millionen Liter jährlich aus.<br />

„Wir investieren in ein visionäres Mobilitätssystem“,<br />

sagte Loosli.<br />

Soziales Engagement<br />

Als dritte Säule der Coop-Nachhaltigkeitsstrategie<br />

sprach Loosli über Personalpolitik und die Unterstützung<br />

sozialer Projekte. Das Unternehmen biete 3.000 Lehrstellen<br />

in 30 Berufen. Für Aus- und Weiterbildung investiere<br />

es jährlich 50 Millionen Franken. Wichtig für<br />

Motivation und Produktivität der Mitarbeiterinnen und<br />

Mitarbeiter seien die Lohnerhöhungen von mehr als<br />

30 Prozent im Laufe der vergangenen 15 Jahre.<br />

32


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Diskutierten über die<br />

Handels-Beiträge:<br />

Stefan Schult (l.),<br />

Geschäfts führer<br />

Hela Gewürzwerk, und<br />

Christian Klebl, Soldan<br />

Holding + Bonbonspezialitäten.<br />

Im Rahmen der Coop-Partnerschaft für Berggebiete<br />

setze sich das Unternehmen für bessere Arbeits- und<br />

Lebensbedingungen in der Schweizer Bergbevölkerung<br />

ein und sichere damit eine Existenzgrundlage. Jeder<br />

Spendenfranken werde zu hundert Prozent weitergeleitet,<br />

weil Coop keine Administrativkosten verrechne.<br />

Seit 2003 existiert darüber hinaus ein Fonds für Nachhaltigkeit.<br />

„Wir investieren mit diesem Fonds zwanzig<br />

Millionen pro Jahr in rund 80 Projekte. Wir unterstützen<br />

damit drei große Schwerpunkte, zum Beispiel Innovationsprojekte.<br />

Das heißt konkret, dass wir die Forschung<br />

zu nachhaltigen Produktionsmethoden oder Produkten<br />

unterstützen und auf diese Art auch Pionierarbeit fördern“,<br />

erläuterte Loosli.<br />

„Für Aus- und<br />

Weiterbildung investiert<br />

Coop jährlich<br />

50 Millionen Franken.“<br />

Ganz aktuell habe Coop einen zentralen Meilenstein<br />

seiner Logistikstrategie realisiert und das größte Bauvorhaben<br />

der Coop-Geschichte vollendet. Es besteht<br />

aus der größten Bäckerei der Schweiz, einer neuen,<br />

nun nationalen Verteilzentrale für Tiefkühlprodukte<br />

sowie einer regionalen Verteilzentrale. „Wir produzieren<br />

in Schafisheim 60.000 Tonnen Brot und Backwaren.<br />

Wir haben in dieses Projekt 700 Millionen Franken<br />

investiert und haben damit auch etwas für den<br />

Wirtschaftsstandort getan. Aber jetzt komme ich zur<br />

Effizienz: Nach drei Jahren Anlaufzeit wird uns dieser<br />

neue Logistikstandort 60 bis 70 Millionen Franken Effizienzsteigerung<br />

bringen.“ Mit diesem Resümee schloss<br />

Loosli seine Ausführungen: „Denn eines ist klar, ohne<br />

Wirtschaftlichkeit gibt es keine Nachhaltigkeit und eine<br />

Freiheit erst recht nicht.“<br />

Ohne Wirtschaftlichkeit keine Nachhaltigkeit<br />

Abschließend gab Loosli einen Einblick in strategische<br />

Ziele des Unternehmens. So wolle Coop die<br />

Leader-Position im Convenience-Bereich ausbauen.<br />

Ebenfalls expandieren soll der Online-Bereich. Durch<br />

eine konsequente Cross-Channel-Strategie könne der<br />

Kunde verschiedene Absatzkanäle für Bestellung und<br />

Auslieferung nutzen. Die beste Auslieferstation für<br />

Unterhaltungselektronik sei bei Coop beispielsweise<br />

eine Tankstelle.<br />

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55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

„Freiheit bedeutet,<br />

sich einbringen<br />

zu können.“<br />

CHRISTOPH WERNER<br />

Mitglied der Geschäftsführung<br />

von dm-drogerie markt<br />

Christoph Werner, seit 2010 Mitglied der Geschäftsführung<br />

von dm-drogerie markt, sprach<br />

auf dem 55. <strong>MMM</strong>-Kongress über Unternehmertum<br />

und Freiheit in innovativen Handlungsfeldern.<br />

In seinem von Tiefgang und Gedankenreichtum<br />

geprägten Beitrag machte er deutlich: Es braucht<br />

die Freiheit, damit Unternehmen und ihre Mitarbeiter<br />

die komplexen Herausforderungen der<br />

heutigen Zeit meistern und sich stetig verbessern<br />

können.<br />

Nicht so sehr sein Unternehmen wolle er in den Vordergrund<br />

seiner Ausführungen stellen, kündigte Werner<br />

an, vielmehr wolle er mit seinen Zuhörern hinter die<br />

Kulissen schauen und fragen: „Was beschäftigt uns<br />

eigentlich, wenn wir in der Wirtschaft tätig sind?“ Im<br />

Falle des neu gewählten US-Präsidenten Donald Trump<br />

sei auffällig, dass er als Politiker so agiere wie zuvor<br />

als Unternehmer, der Menschen in seiner Show mit den<br />

Worten „You’re fired“ weggeschickt habe.<br />

Den Gedanken der auf einen „Lenker“ fokussierten<br />

Unternehmenskultur spann Werner weiter am aktuellen<br />

Beispiel der Volkswagen AG. VW sei ein großes<br />

Unternehmen in Deutschland und gleichzeitig auch ein<br />

Unternehmen, in dem Eigentümer, Politik und andere<br />

Interessengruppen wie die Gewerkschaften starken<br />

Einfluss ausübten. Vor dem Abgasskandal sei VW ein<br />

bewundertes Unternehmen gewesen. Jeden Euro seines<br />

Einkommens sei der Vorstandsvorsitzende Martin<br />

Winterkorn wert, habe der Betriebsratsvorsitzende<br />

damals noch verkündet.<br />

Nach dem Abgasskandal habe sich dieses Bild massiv<br />

gewandelt, unterstrich der dm-Geschäftsführer und<br />

zitierte in diesem Kontext aus einem Bericht der Süddeutschen<br />

Zeitung vom Januar 2<strong>017</strong>: „Der Druck gehört<br />

zu VW wie die berühmte Currywurst in der Werkskantine.<br />

Im November 2006 ist Scheitern für die Ingenieure<br />

daher keine Option, die beschlossene Alternative aber<br />

verwirrt und verstört sie ebenso. Ein bisschen betrügen,<br />

sich nicht erwischen lassen. Was genau wird von ihnen<br />

eigentlich erwartet? Gehör finden die Zweifler nicht.<br />

„Ein bisschen betrügen,<br />

sich nicht erwischen<br />

lassen. Was genau<br />

wird von ihnen<br />

eigentlich erwartet?“<br />

Mehrere Beteiligte erzählen später den US-Ermittlern,<br />

man habe sie nicht ernst genommen und stattdessen<br />

als Bedenkenträger gerügt oder ihnen geraten, über<br />

derart brisante Dinge lieber nicht so viel zu reden. Sie<br />

hätten sogar um ihren Job fürchten müssen.“ Und<br />

weiter: „ … Augen zu und durch. Als Entwickler bietet<br />

man ja eh nur Lösungen an, über deren Nutzung<br />

andere entscheiden. Dieselbe Hierarchie, an der man<br />

sich die Zähne ausbeißt, kann auch sehr bequem sein.<br />

Wir haben gesagt, was zu sagen war. Die Verantwortung<br />

trägt stets der nächste Vorgesetzte. Alibi per<br />

Organigramm.“<br />

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55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Händler und<br />

Industriepartner:<br />

Edeka-Händler Karsten<br />

Pabst (Hieber, l.) und Rolf<br />

Kreuchauf (Vertriebsdirektor<br />

Lindt & Sprüngli)<br />

Diese Analyse ist laut Werner bemerkenswert, denn es<br />

sei bei Volkswagen eine Situation entstanden, „in der<br />

autokratische Strukturen die Menschen entmündigen“.<br />

Die Menschen hätten sich in der Entmündigung eingerichtet<br />

und dann das getan, was gewollt wird. Hier sei ein<br />

Teufelskreis entstanden, der in der schwierigen Situation,<br />

in der sich Volkswagen derzeit befindet, gipfelte.<br />

Meisterprinzip stellt eine Person in den Fokus<br />

Einer solchen Entwicklung zugrunde liege das so genannte<br />

Meisterprinzip – die Idee, dass Wissen und die<br />

Entscheidungsgewalt bei einer einzelnen Person liege,<br />

führte Christoph Werner aus. Die übrigen folgten und<br />

täten das, was diese Person sagt. Und wer sich dem<br />

widersetze, der müsse halt gehen. Dieses Prinzip finde<br />

sich auch in der Politik. Der Absolutismus ruhe auf den<br />

gleichen Fundamenten. Ludwig XIV., der selbsterklärte<br />

Sonnenkönig, habe sich in der Rolle gesehen, über allem<br />

zu stehen und dafür zu sorgen, dass die Dinge gedeihen<br />

und wachsen können. Er habe sich durchaus als erster<br />

Diener seines Staates gesehen. Bei heutigen Unternehmenslenkern<br />

und -patriarchen wie zum Beispiel Piëch,<br />

Winterkorn, Ackermann oder auch Brandstätter von<br />

Playmobil habe man vergleichbare Haltungen beobachten<br />

können.<br />

Der dm-Geschäftsführer verwies in diesem Kontext darauf,<br />

wie sprachliche Gewohnheiten uns prägen. Viele<br />

überkommene Ideen über Manager und ihre Aufgaben<br />

seien u. a. in den Formulierungen der Wirtschaftsberichterstattung<br />

zu finden. So sei jüngst die Deutsche<br />

Bahn nach dem Rücktritt des Vorstandsvorsitzenden<br />

Rüdiger Gruber als „führungsloses Unternehmen“<br />

bezeichnet worden. Dabei sei das Unternehmen keinesfalls<br />

führungslos, die Züge würden noch immer<br />

fahren. Die gewählte Formulierung sei, so Werner, eine<br />

Zumutung den Menschen gegenüber, die sich jeden Tag<br />

anstrengen, beste Dienstleistungen für die Kunden zu<br />

erbringen. Und er ergänzte: „Interessant ist auch die<br />

Begrifflichkeit, dass jemand Herr über eine Anzahl von<br />

Menschen ist. Das sind also die Gedankenfiguren, die<br />

uns doch noch sehr bewegen und die scheinbar auch<br />

unseren Blick auf die Dinge prägen.“<br />

Unbeweglichkeit ist der Preis für<br />

Branchenkonsolidierung<br />

Autokratische Strukturen geraten aber an ihre Grenzen,<br />

so Werner, wenn das Umfeld, in welchem sie<br />

agieren, in Bewegung kommt und dadurch nicht mehr<br />

berechenbar sei.<br />

„Die Menschen haben<br />

sich in der Entmündigung<br />

eingerichtet<br />

und dann das getan,<br />

was gewollt wird.“<br />

Der Lebensmittelhandel als Branche, mit der alle Anwesenden<br />

vertraut seien, und auch der Zweig, in dem<br />

dm-drogerie markt aktiv ist, seien im Prinzip „eigentlich<br />

gar nicht so kompliziert“, so Werner. Für den Erfolg<br />

brauche der Händler günstige Einkaufspreise und niedrige<br />

Prozesskosten. Deswegen sehe man im deutschen<br />

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55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Auf einer Wellenlänge:<br />

Stephan Füsti-Molnár<br />

(l.), General Manager<br />

Germany Henkel Waschund<br />

Reinigungsmittel,<br />

und dm-Geschäftsführer<br />

Christoph Werner, der mit<br />

seinem inhaltsstarken<br />

Kongress-Beitrag auf<br />

positive Resonanz stieß.<br />

Lebensmitteleinzelhandel eine große Konzentration.<br />

Es gebe eine enorme Konsolidierung und damit einen<br />

enormen Zuwachs der Unternehmensgrößen mit Umsätzen<br />

im Milliardenbereich. Diese Größe versetze die<br />

Handelsunternehmen in die Lage, Dinge durchzusetzen.<br />

Die Größe habe aber auch ihren Preis: zunehmende<br />

Unbeweglichkeit der Organisation und Veränderungsresistenz.<br />

Antifragil: Unter Stress zu besseren<br />

Ergebnissen kommen<br />

Die Unternehmen müssten diese Flexibilität und<br />

Handlungsfähigkeit aber gerade jetzt kultivieren,<br />

wo die Gewitterwolken der Veränderung aufziehen –<br />

durch die auch im Handel einsetzende Digitalisierung.<br />

Was bedeutet der Online-Handel? Wie müssen sich<br />

große Unternehmen wie dm darauf einstellen?, stellte<br />

Christoph Werner seine Fragen in den Raum. Die Einkaufsfrequenz<br />

in den Innenstädten nehme bereits ab.<br />

Erfolgreiche Händler wie Butlers verschwänden vom<br />

Markt. Die zentrale Frage laute daher: „Mit welcher<br />

Vorgehensweise können wir die Veränderungswilligkeit<br />

und auch die Initiativkraft in Unternehmen aktivieren?<br />

Welche Konzepte haben wir dafür?“<br />

Hilfreiche Antworten biete das Buch „Antifragilität“<br />

von Nassim Taleb, der auch das Buch „Der Schwarze<br />

Schwan“ verfasst hat. Was Antifragilität konkret<br />

bedeutet, machte Christoph Werner anhand eines<br />

Beispiels deutlich: Weingläser zerbrechen bei unsachgemäßem<br />

Transport. Sie sind fragil. Ein Metallblock<br />

hingegen bleibt auch, wenn er Stress ausgesetzt<br />

ist, unverändert – aufgrund seiner Robustheit. Anti-<br />

fragilität sei mehr als Resilienz oder Robustheit. Das<br />

Resiliente, das Widerstandsfähige widerstehe Schocks<br />

und bleibe gleich; das Antifragile werde besser.<br />

Individuell und dezentral wirken<br />

„Wie muss ein Unternehmen aussehen, damit es unter<br />

Stress besser wird?“ Genau diese Frage muss uns<br />

beschäftigen: Wie müssen Organisationen aufgestellt<br />

sein, damit sie unter dem Stress der Dynamik in dem<br />

Umfeld, in dem sie wirksam sind, besser und nicht<br />

schlechter werden?“ Hier komme der Unterschied zwischen<br />

agil und antifragil zum Tragen: „ Agil kann man<br />

sein, indem man die Dinge schnell verändert. Agilität<br />

können Sie auch noch in gewisser Weise anweisen, aber<br />

Antifragilität können Sie nicht mehr anweisen. Letzten<br />

Endes geht es ja um Lernfähigkeit“, erläuterte Werner<br />

und fuhr fort: „Wenn das Meisterprinzip aus dem<br />

Zentrum gewirkt hat, dann muss das neue Prinzip der<br />

Antifragilität eigentlich aus der Peripherie wirken.<br />

„Was bedeutet der<br />

Online-Handel?<br />

Wie müssen sich große<br />

Unternehmen wie dm<br />

darauf einstellen?“<br />

Es muss auf die Fähigkeit der Einzelnen in der Organisation<br />

setzen, mitzudenken, die Dinge voranzutreiben,<br />

das Wesentliche erkennen zu können. Wenn das<br />

Meisterprinzip die Dinge vorgeben möchte, setzt das<br />

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55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

REWE-Verantwortliche<br />

im Gespräch (v. l.):<br />

Vorstandsmitglied<br />

Manfred Esser mit den<br />

Bereichsvorständen<br />

Christoph Matschke und<br />

Michael Jäger.<br />

neue auf die Kraft, die im Einzelnen schlummert. Der<br />

Einzelne in der Organisation ist jetzt nicht nur der Erfüllungsgehilfe,<br />

sondern ein Aktivposten in einem durch<br />

Veränderungsstress geprägten Umfeld.“<br />

Dafür sei Freiraum nötig, damit sich der Einzelne ausdrücken<br />

und einbringen kann. Es gebe zwei Aspekte von<br />

Freiheit, der eine sei der Aspekt „Freiheit von etwas“,<br />

der andere „Freiheit für etwas“. Letzterer sei der wichtige:<br />

Denn Freiheit beziehe sich auf die Möglichkeit,<br />

sich einbringen zu können. Sie verlange allerdings auch,<br />

dass man sich einbringen wolle. „Freiheit ist kein Ziel<br />

an sich, Freiheit ist ein Zustand, der erst ist, wenn er<br />

wird. Lassen wir Freiheit zu. Es wird auf die einzelnen<br />

Menschen ankommen, die sich bei dm-drogerie markt<br />

einbringen wollen. Um die werben wir permanent, um<br />

die bemühen wir uns. Wir wissen aber, dass Freiheit<br />

notwendig sein wird, damit das zum Ausdruck kommen<br />

kann, was Menschen in unserer Arbeitsgemeinschaft<br />

letzten Endes stark machen wird“, schloss Werner seine<br />

Ausführungen.<br />

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55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

GET-TOGETHER<br />

Kommunikative Atmosphäre bei exzellenten<br />

Speisen und Getränken: Die <strong>MMM</strong>-Teilnehmer schätzen<br />

das Miteinander im besonderen Ambiente von<br />

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GALA-ABEND<br />

Festlich: Der Gala-Abend ist traditionell der<br />

gesellschaftliche Höhepunkt des <strong>MMM</strong>-Kongresses,<br />

der im 55. Jahr in Folge in München stattfand.<br />

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„Build the future!“<br />

Nachhaltig<br />

handeln,<br />

Sinn stiften<br />

DR. AUMA OBAMA<br />

Stiftung Sauti Kuu<br />

(dt.: Starke Stimmen)<br />

Dr. Auma Obama präsentierte in einem eindrucksvollen<br />

Beitrag das Wirken ihrer Stiftung Sauti Kuu<br />

(dt.: Starke Stimmen). Unter dem Titel „Build the<br />

future!“ betonte sie mit Blick auf die aktuelle Entwicklungspolitik<br />

der westlichen Welt, dass diese in<br />

die Sackgasse führe. Es gelte, den Menschen in<br />

den so unterschiedlichen afrikanischen Ländern<br />

auf Augenhöhe zu begegnen, die Eigenverantwortung<br />

zu stärken.<br />

„Was bedeuten für mich Freiheit und Selbstbestimmung?“<br />

Mit dieser zentralen Frage stieg Auma Obama<br />

in ihren Vortrag ein. Persönlich sei sie ihrem Wunsch<br />

nach Freiheit gefolgt, als sie mit 19 Jahren von zuhause<br />

geflüchtet sei. Ihr Vater hatte ihr Leben vorgeplant. Kulturell<br />

bedingt sei von ihr erwartet worden, dass sie sich<br />

als Mädchen, als Frau dem Familienoberhaupt beuge,<br />

doch sie selbst habe sich als Individuum gesehen. „Über<br />

die Selbstbestimmung kommt die Freiheit. Das habe ich<br />

gelernt in der Zeit“, erzählte sie.<br />

Für ein selbstbestimmtes Leben brauche das Individuum<br />

eine Stimme. Sie sei mit der Erfahrung groß geworden,<br />

dass ihre – weibliche – Stimme nicht gehört werde.<br />

Zudem sei sie auch so erzogen worden, hinter den<br />

Brüdern zurückzustehen. Deshalb sei sie ein stilles Kind<br />

gewesen. Erst im Studium in Deutschland habe sie ihre<br />

Stimme gefunden. An der Universität habe ihre Stimme<br />

plötzlich gezählt, im akademischen Sinne war sie einfach<br />

ein Mensch. Und die deutsche Diskussionskultur<br />

habe ihr Übriges getan. „Über meine Stimme konnte ich<br />

mich dann bestimmen und habe eine Freiheit gefunden,<br />

die mich zu dem gemacht hat, was ich heute bin, wie ich<br />

hier vor Ihnen stehe“, sagte sie und leitete damit zur<br />

Arbeit ihrer Stiftung Sauti Kuu über.<br />

Selbstbestimmt gegen die Opfermentalität<br />

Den jungen Menschen zu starken Stimmen zu verhelfen,<br />

sei das Ziel der Stiftung, unterstrich die Schwester des<br />

ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama: „Wir versuchen,<br />

jungen Leuten – Kindern, Jugendlichen und ihren<br />

Familien – zu helfen, sich selbst zu bestimmen. Sie sollen<br />

zu einer Freiheit gelangen, die es ihnen erlaubt, aus<br />

der Armut herauszukommen, sich neu zu definieren und<br />

unabhängig zu werden“, erläuterte Obama. Der Gegensatz<br />

von Freiheit sei Abhängigkeit oder Gefangenschaft.<br />

Die Stiftung versuche, ihnen Selbstbewusstsein und<br />

Mut zu geben, damit sie zu dieser Art der Freiheit gelangen.<br />

Eine Freiheit, die bedeutet, nicht Opfer zu sein.<br />

„Wir versuchen,<br />

jungen Leuten –<br />

Kindern, Jugendlichen<br />

und ihren Familien –<br />

zu helfen, sich selbst zu<br />

bestimmen.“<br />

Denn die Opfermentalität sei ein großes Problem in Afrika,<br />

führte Obama weiter aus. Viele Menschen hielten<br />

sich für Opfer, die sich nicht selbst aus ihrer Misere heraushelfen<br />

könnten. Der Westen sehe Afrika noch heute<br />

vornehmlich als armes Land, nicht als Kontinent. Durch<br />

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55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Austausch: Storck-<br />

Geschäftsführer Sascha<br />

Gervers (l.) und Markenexperte<br />

Martin Pahnke.<br />

das Bild von Afrika, das nur Elend, Leid und Not kenne,<br />

definiere der Westen Afrika noch immer als Opfer. Die<br />

Antwort darauf sei, getrieben von schlechtem Gewissen:<br />

die klassische Entwicklungshilfe. Doch die, so Obama,<br />

biete keine Freiheit, sondern im Gegenteil Abhängigkeit.<br />

„Wir bestimmen nicht selbst, was mit uns passiert. Wir<br />

definieren uns nicht selber, wir entscheiden nicht und<br />

wir haben keinen Impuls, um etwas zu ändern an unserer<br />

Situation. Und die Arbeit, die ich mache, ist der Versuch,<br />

diese Opfermentalität loszuwerden.“<br />

Menschen als Partner in der<br />

Wertschöpfungskette<br />

Um das beschriebene Problem zu lösen, gelte es zunächst,<br />

der Opfermentalität in Afrika zu begegnen.<br />

Der erste Schritt dabei sei, Armut neu zu definieren:<br />

In Afrika gelte als arm, wer kein fließendes Wasser hat<br />

und keinen Strom. In Nordeuropa aber gebe es Menschen,<br />

die teures Geld für Urlaub in einer Hütte ohne<br />

Strom und fließendes Wasser ausgäben. „Die Definition<br />

von Armut müssen wir selber neu erfinden, eine eigene<br />

Identität bestimmen, was wir sind, wer wir sind. Wenn<br />

ich kein fließendes Wasser und keinen Strom habe, aber<br />

Land habe, dann bin ich nicht arm. Und das übersehen<br />

wir auf dem Kontinent.“<br />

Obamas zweite These: Man müsse Entwicklungshilfe<br />

neu definieren. Denn, so ihre Erläuterung: „Entwicklungshilfe<br />

ist keine Hilfe, da mit bloßer Hilfe Abhängigkeiten<br />

geschaffen werden. Mit Hilfe kreiert man<br />

Passivität.“ Im Rahmen eines moderneren Konzepts<br />

von Entwicklungszusammenarbeit seien die potenziellen<br />

Empfänger von Hilfe selbst verantwortlich für das,<br />

was mit ihnen passiert. Es müsse eine neue Sicht auf<br />

die Entwicklungszusammenarbeit geben. Der Fokus<br />

müsse auf die Wirtschaftlichkeit gerichtet werden,<br />

um den Menschen am Ende finanzielle Unabhängigkeit<br />

zu ermöglichen. Sie müssten Teil einer Wertschöpfungskette<br />

werden. Auma Obama: „Philanthropie ist<br />

nicht das Richtige. Es gibt einen Unterschied zwischen<br />

akuter Konflikt- und Katastrophenhilfe einerseits und<br />

nachhaltiger Entwicklungszusammenarbeit andererseits.“<br />

Nothilfe brauche man nach einem Tsunami,<br />

einer Hungersnot oder einem Erdbeben. Nothilfe könne<br />

aber nicht planvolle, nachhaltige wirtschaftliche<br />

Entwicklung ersetzen.<br />

„Philanthropie ist nicht<br />

das Richtige.“<br />

Kinder und Jugendliche stark machen<br />

„Was machen wir bei Sauti Kuu? Wir kümmern uns um<br />

Kinder und Jugendliche zwischen vier und 25 Jahren.<br />

Wir hören zu, wir reden mit ihnen und wir provozieren<br />

sie. Bezogen auf die Frage der Entwicklungshilfe: Wir<br />

geben ihnen keinen Fisch, wir zeigen ihnen nicht, wie<br />

sie fischen. Wir fragen sie, ob sie Fisch essen. In dem<br />

Moment, in dem dieses Gespräch stattfindet, fangen<br />

wir an, wirklich was zu ändern in ihrem Leben, was zu<br />

ändern an ihrer Einstellung, ihren Wertvorstellungen<br />

und ihrem Verständnis von sich selbst. Sie müssen ihre<br />

eigene Stimme finden. Sie müssen ihr Leben selbst<br />

bestimmen. Nur so können sie zu Freiheit gelangen“,<br />

erläuterte Obama das Konzept ihrer Arbeit.<br />

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55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Mopro-Experten:<br />

Günter Brandmeier<br />

(Sachsenmilch, l.) und<br />

Christian Ehrmann,<br />

Vorstandsvorsitzender<br />

der Ehrmann AG.<br />

Die Menschen lernten, auch mal Nein zu sagen und<br />

ihren Plan vom Leben zu verfolgen. Solange man einen<br />

Plan B habe, sei man frei. Die Kinder und Jugendlichen<br />

lernten ihre Potenziale kennen. „Wir sagen ihnen: ‚You<br />

are your future’, Du bist deine Zukunft.“<br />

Im Kontext der Stiftungsarbeit sei es wichtig, berufliche<br />

Möglichkeiten aufzuzeigen. Derzeit baue die Stiftung<br />

ein Zentrum, in dem handwerkliche Fähigkeiten in<br />

einer Werkstatt vermittelt werden. Jeder wolle in einem<br />

Büro arbeiten. Landarbeit oder Arbeit mit den Händen<br />

sei, so die allgemeine Auffassung, etwas für Versager.<br />

Eine Bestrafung in der Schule sei es, die Kinder zum<br />

Ackerbau zu schicken. Deshalb sei es wichtig, Arbeit<br />

mit den Händen wieder attraktiv zu machen. „Genauso<br />

wie in Europa braucht man bei uns die Handwerker.<br />

„Es gibt keine<br />

absolute Freiheit,<br />

weil wir alle<br />

verantwortlich sind<br />

füreinander, ob wir es<br />

wollen oder nicht.“<br />

Globale Verantwortung für ein<br />

nachhaltiges Miteinander<br />

Auf dem afrikanischen Kontinent schaue man immer<br />

nach Westen und orientiere sich daran. Dies gelte es<br />

zu ändern. Es gehe um die Frage: Wie funktionieren wir<br />

miteinander, um zu Freiheit zu gelangen? Angesichts<br />

der aktuellen Katastrophen, von Flucht und Migration<br />

stecke die Freiheit in der Krise. „Die Definition von Freiheit<br />

hat sich geändert. Freiheit müsste eigentlich ein<br />

grundlegendes Menschen- und Bürgerrecht sein. Doch<br />

Freiheit ist bedingt. Es gibt keine absolute Freiheit, weil<br />

wir alle verantwortlich sind füreinander, ob wir es wollen<br />

oder nicht“, so die eindringlichen Worte Obamas.<br />

Grundsätzlich seien alle Menschen gemeinsam für die<br />

Welt verantwortlich. Philanthropie helfe mit Blick auf<br />

Afrika nicht ausreichend weiter. Nachhaltige Hilfe zur<br />

Selbsthilfe sei gefragt.<br />

Aber das Ansehen ist sehr gering und deswegen ist die<br />

Arbeitsethik in diesem Zusammenhang sehr schlecht.<br />

Wir arbeiten daran, dass die jungen Leute wissen, Bildung<br />

ist mehr, als nur mit dem Kopf zu arbeiten“, führte<br />

Obama aus.<br />

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55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Bester Dinge:<br />

OBEN (v. l.): Wolfgang Wehner<br />

(Groma), Friedrich Enders<br />

(Enders), Karlheinz Reidelbach,<br />

Klaus Franz und Korbinian<br />

Lechner (alle Höhenrainer<br />

Delikatessen).<br />

MITTE: Stammgäste: Markus<br />

und Evi Brandl (l., vinzenzmurr)<br />

sowie Stephan Paulke<br />

(Vorstandsvorsitzender Basic,<br />

l.) und Felix Muxel (Gruppe<br />

Nymphenburg).<br />

UNTEN: REWE-Manager<br />

Jochen Baab (M.), Geschäftsführer<br />

Ware Discount, im<br />

intensiven Austausch.<br />

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55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

„Das Ende<br />

der Freiheit,<br />

langweilen<br />

zu dürfen.“<br />

PROF. JEAN-REMY<br />

VON MATT<br />

Mitbegründer der Agentur<br />

Jung von Matt<br />

Jean-Remy von Matt gilt als der profilierteste<br />

Werber Deutschlands. In seinem Vortrag auf dem<br />

<strong>MMM</strong>-Kongress erläuterte er dem Auditorium in<br />

einem kurzweiligen Beitrag, welche Möglichkeiten<br />

und welche neuen Freiheiten die digitale Revolution<br />

für die Kommunikation eröffnet und was gute<br />

Kommunikation heute ausmacht. Für Marken gebe<br />

es auf diesem Feld drei Optionen: „Unterhalten,<br />

unterstützen, untergehen“, unterstrich der gebürtige<br />

Belgier und Mitbegründer der Agentur Jung<br />

von Matt.<br />

„Nichts ist tödlicher als Langeweile“, so die Auftaktthese<br />

von Jean-Remy von Matt. Zeit sei heute für viele<br />

das kostbarste Gut. Deshalb könnten Werber heute<br />

nur die Aufmerksamkeit des Verbrauchers gewinnen,<br />

wenn sie sein Interesse weckten, ihm etwas gäben.<br />

Die digitale Revolution habe den Mediennutzer zu einem<br />

freien Menschen gemacht. Genüsslich könne er<br />

sich sein Menü zusammenstellen und herauspicken,<br />

was ihm gefällt, was ihn interessiert. Genauso könne<br />

er löschen oder wegwischen, was ihn langweilt. Doch<br />

nicht nur den Kunden, auch den Marketing-Fachleuten<br />

habe die digitale Revolution neue Freiheiten eröffnet.<br />

Mit innovativen Technologien biete sie neue Chancen,<br />

Kaufprozesse vorzubereiten und Kundenbeziehungen zu<br />

vertiefen. „Eine Freiheit hat sie uns allerdings für immer<br />

genommen, nämlich die Freiheit, langweilen zu dürfen“,<br />

untermauerte von Matt den Titel seines Vortrags.<br />

Von Gutenberg zu Zuckerberg<br />

Als Angela Merkel vor Jahren das Internet als Neuland<br />

bezeichnet hat, habe sich die Netzgemeinde hysterisch<br />

entrüstet. Doch die Kanzlerin hatte damals wie heute<br />

recht, betonte der Werbeprofi, denn das Internet erfülle<br />

alle Kriterien eines neu zu entdeckenden Landes.<br />

„Neuland“ sei Internet deshalb, weil Medien, Industrie,<br />

Werbung, Politik, vor allem auch Gesetzgebung noch<br />

nach dem idealen Weg suchten. Nichts sei konsolidiert<br />

und vieles noch nicht vorhersehbar.<br />

Die Zeitachse in der Geschichte der Kommunikation habe<br />

zwei Peaks: Einen vor fünfhundert Jahren, als Gutenberg<br />

mit seiner Erfindung des Buchdrucks geistige Inhalte<br />

zum Massenartikel gemacht habe, und einen, als Facebook-Gründer<br />

Mark Zuckerberg – stellvertretend für<br />

das soziale Internet – Inhalte omnipräsent und interaktiv<br />

zugänglich gemacht habe. „Diese zwei Innovationspeaks<br />

haben Kommunikation revolutioniert.“ Die Erfindungen<br />

dazwischen – Telefon, Radio und Fernsehen – hätten<br />

eine weit weniger disruptive Wirkung gehabt.<br />

Drei Investment-Tipps<br />

Im Folgenden riet von Matt zu drei aus seiner Sicht<br />

wichtigen Investitionen:<br />

1. „Investieren Sie in Ihren Kunden, denn er ist jetzt<br />

nicht mehr nur Käufer, er ist ein Medium geworden,<br />

ein wichtiger Multiplikator. Machen Sie ihn zu einem<br />

Markenbotschafter, denn ein Heer von Markenbotschaftern<br />

wirkt nicht nur wie ein zweiter Außendienst,<br />

sondern auch wie ein Schutzwall beim Shitstorm, weil<br />

dieses Heer Ihre Marke verteidigen wird.“<br />

2. „Investieren Sie in Ihre Marke, denn nichts reduziert die<br />

Komplexität in einer undurchsichtigen Welt effizienter<br />

82


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Stets bei <strong>MMM</strong>-<br />

Kongressen vor Ort:<br />

Franz-Friedrich Müller<br />

(Markant, l.) zusammen<br />

mit Stephan Füsti-Molnár<br />

und Marc Aurel Boersch<br />

(r.), Nestlé Niederlande.<br />

als eine starke Marke. Und gerade im Online-Handel,<br />

wo eine Ware nicht direkt geprüft werden kann, ist die<br />

wichtigste Grundfunktion einer Marke, die Qualitätsgarantie,<br />

wichtiger denn je.“<br />

3. „Investieren Sie in Ihre Inhalte, in Kreativität, in<br />

Nutzwert, in Ideen, denn die neue harte Währung<br />

der Kommunikation heißt: Teilen. Und geteilt werden<br />

selbstverständlich nur teilwürdige Inhalte. Denken Sie<br />

auch daran, dass jeder geteilte Inhalt eine Empfehlung<br />

von jemandem ist, dem man freiwillig folgt, also ein besonders<br />

glaubwürdiges Testimonial.“<br />

Um sich in der digitalen Welt heute durchzusetzen, seien<br />

nicht nur Investitionen in attraktive Inhalte notwendig,<br />

sondern auch zunehmend Investitionen in deren<br />

gezielte Verbreitung.<br />

Zwischen<br />

Relevanz<br />

und Firlefanz<br />

Frage man danach, was im Internet Erfolg habe und<br />

Zugriffe generiere, tauche immer wieder das Zauberwort<br />

„Relevanz“ auf. Jean-Remy von Matt stellte in<br />

diesem Kontext fest, dass die meistgeteilten Inhalte in<br />

der Regel nicht relevant im Sinne von bedeutsam seien.<br />

Relevanz gehe davon aus, dass der Mensch vornehmlich<br />

rational gesteuert werde. Die emotionale Seite werde<br />

dabei oft vergessen. Und deshalb brauche es neben<br />

der Relevanz auch den „Firlefanz“, die emotionale<br />

Ansprache, „damit uns der Verbraucher überhaupt zuhört“.<br />

Jede Marketing-Botschaft müsse einen Mehrwert<br />

bieten. Dieser könne rational oder emotional sein.<br />

Unterstützen, unterhalten, untergehen<br />

„Drei Türen stehen heute der Marketing-Kommunikation<br />

offen“, führte von Matt weiter aus, und unterlegte<br />

seine Thesen mit Beispielen (EDEKA-Kampagne<br />

#heimkommen, Kampagne des Erotik-Versenders eis.<br />

de und die Kampagne der Berliner Verkehrsbetriebe<br />

BVG) der eigenen Agentur-Arbeit.<br />

Auf der ersten Tür stehe „Unterstützen“ geschrieben,<br />

das heißt, Verbrauchern nützliche Inhalte bieten. Dies<br />

könne in Form von hilfreichen Apps sein, von Tutorials<br />

oder in Form von Kaufentscheidungshilfen, beispielsweise<br />

einem Car Configurator. Auf der zweiten Tür stehe<br />

„Unterhalten“ – dies könne in vielfältiger Form, etwa<br />

im Rahmen von Spielen oder Videos, geschehen. Und<br />

die dritte Tür? Auf ihr stehe das Wort „Untergehen“, sie<br />

führe ins Nichts, denn alles, was nicht unterhalte oder<br />

unterstütze, sei in der Ära der freien Mediennutzung<br />

zum Untergang verdammt.<br />

„Denken Sie immer an diese drei Türen, wenn Sie Kommunikation<br />

planen, und vergessen Sie nicht: Die dritte<br />

steht immer offen“, so von Matt, der abschließend<br />

hinzufügte: Für die ersten zwei Türen brauche man<br />

Schlüssel in Form von Kreativen, die wissen, wie man<br />

Wirkung erzielt. Aber noch viel wichtiger sei eine Marketing-Leitung<br />

im eigenen Unternehmen, „die weiß, wie<br />

man mit diesen Kreativen, die alle eine Meise haben,<br />

umgehen kann“.<br />

83


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

„Das<br />

demokratischste<br />

Restaurant<br />

der Welt.“<br />

HOLGER BEECK<br />

Vorstandsvorsitzender und Präsident<br />

von McDonald’s Deutschland Inc.<br />

Holger Beeck, Vorstandsvorsitzender und Präsident<br />

von McDonald’s Deutschland Inc., sprach über<br />

seine persönlichen Erfahrungen mit der Freiheit,<br />

den Freiheitsbegriff bei McDonald’s sowie Wandel<br />

und Neuorientierung im „Restaurant der Zukunft“.<br />

„Gebt mir eure Müden, eure Armen<br />

Eure geknechteten Massen, die frei zu atmen begehren,<br />

Die bemitleidenswerten Abgelehnten<br />

eurer gedrängten Küsten;<br />

Schickt sie mir, die Heimatlosen,<br />

vom Sturme Getriebenen,<br />

Hoch halt’ ich mein Licht am gold’nen Tore!<br />

Sende sie, die Heimatlosen,<br />

vom Sturm Gestoßenen zu mir.<br />

Hoch halte ich meine Fackel am goldenen Tor.“<br />

„Viele von Ihnen kennen diese Zeilen“, leitete Holger Beeck<br />

seinen Vortrag ein. „Sie stammen von Emma Lazarus und<br />

finden sich auf einer Bronze-Inschrift am Fuße der New<br />

Yorker Freiheitsstatue.“ Für ihn seien dies Worte mit einer<br />

sehr tiefen und sehr persönlichen Bedeutung.<br />

„McDonald’s als<br />

Synonym für Freiheit,<br />

für den American<br />

Way of Life,<br />

für die unbegrenzten<br />

Möglichkeiten.“<br />

Dass er in der DDR aufgewachsen sei, habe ihn und<br />

seinen Lebensweg entscheidend geprägt. Der Wunsch<br />

nach Freiheit habe in passiven Widerstand gemündet<br />

und ihn als sogenannten staatenlosen Flüchtling nach<br />

West-Deutschland gebracht. „Raus im April 1984.<br />

Meine Frau mit dem zweiten Kind im neunten Monat<br />

schwanger – das erste fünf Jahre alt. Was anfangen<br />

mit der so lang ersehnten großen Freiheit?“ Auf der<br />

Suche nach Arbeit sei er auf eine Stellenanzeige von<br />

McDonald’s aufmerksam geworden.<br />

Die Frage nach seiner Herkunft und die bisherige<br />

Ausbildung seien nur Einstieg ins Gespräch gewesen.<br />

Wichtiger seien Fragen gewesen wie: Wo willst<br />

du hin? Was willst du werden? Was kann dein Beitrag<br />

sein? Bist du gerne mit Menschen zusammen? So sei<br />

McDonald’s Chancengeber für seinen Neuanfang geworden:<br />

McDonald’s als Synonym für Freiheit, für den<br />

American Way of Life, für die unbegrenzten Möglichkeiten.<br />

Genau so habe er das Unternehmen erlebt und<br />

darauf sei er auch heute noch sehr stolz. Holger Beeck:<br />

„Unsere Werte, unser Markenversprechen, unser gesamtes<br />

Geschäftsmodell leitet sich von dieser Freiheit<br />

ab.“ Und diese Freiheit, die kleine Freiheiten im Alltag<br />

bedeuteten, erkläre auch die Erfolgsgeschichte.<br />

McDonald’s habe die Deutschen von den damals fast<br />

alternativlosen Bockwürsten, Brathähnchen, Salzkartoffeln<br />

und vor allen Dingen den strengen Tischsitten<br />

befreit. McDonald’s habe Familien einen Ort gegeben,<br />

an dem Kinder kleckern und lachen dürfen und nicht<br />

funktionieren müssen.<br />

84


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Spirituosen-Experten,<br />

die sich verstehen:<br />

Christian Fehling (Gräflich<br />

von Hadenberg`sche<br />

Kornbrennerei, l.)<br />

und Wilfried Mocken<br />

(Underberg).<br />

Aufstiegschancen und Entfaltungsfreiheit<br />

Wenige andere große Unternehmen, am ehesten noch<br />

Start-ups, seien so „durchlässig“ wie McDonald’s. Der<br />

Weg bis ganz nach oben sei hart, aber nicht unmöglich.<br />

Herkunft sei dabei nicht entscheidend, sondern die Haltung<br />

zum Leben und der unbändige Wille zum Erfolg.<br />

Und, so Holger Beeck: Aufstieg und Entfaltungsfreiheit<br />

seien bei McDonald’s für Frauen nicht nur möglich, sondern<br />

die Regel. 52 Prozent der Mitarbeiter seien Frauen,<br />

viele davon in Führungspositionen: 46 Prozent in den<br />

Restaurants der Company als Restaurant-Managerinnen<br />

sowie 30 Prozent in der Verwaltung.<br />

McDonald’s liefere damit den Beweis für die Einlösung<br />

eines großen Versprechens: Leistung lohnt sich!<br />

Auch das Franchise-System stehe für Freiheit:<br />

McDonald’s sei quasi ein Inkubator für unternehmerische<br />

Freiheit. Als Franchise-Geber unterstütze<br />

es Menschen auf ihrem Weg zu unternehmerischer<br />

Gestaltungsfreiheit und gebe ihnen Hilfestellung zur<br />

Selbstverwirklichung, auch für Seiteneinsteiger, die<br />

nicht unbedingt aus der Gastronomie kommen. Ulrich<br />

Hiemer zum Beispiel, Franchise-Nehmer in Bayern, sei<br />

vor McDonald’s erfolgreicher Eishockey-Profi gewesen.<br />

„Und nicht zu vergessen Henry Maske, der inzwischen<br />

zehn McDonald’s Restaurants in Nordrhein-Westfalen<br />

betreibt.“<br />

Fundament aus Werten und Verantwortung<br />

Das Fundament für diese Freiheit sei unter anderem<br />

„Responsible Leadership“. „Das war ein langer und<br />

schmerzhafter Lernprozess“, berichtete Beeck. Seit<br />

Günter Wallraffs Buch „Ganz unten“ in den 80er Jahren<br />

habe sich sehr viel bewegt und verändert. „Wir haben<br />

unseren Kritikern die Hand gereicht und das Gespräch<br />

gesucht. Mit Günter Wallraff, mit Greenpeace, mit der<br />

Politik und vielen anderen. Heute stehen wir im ständigen<br />

Austausch mit unseren Anspruchsgruppen und<br />

sprechen über Themen wie Tierwohl, Ernährung, Regionalität<br />

– und vieles mehr.“<br />

„Aufstieg und<br />

Entfaltungsfreiheit sind<br />

bei McDonald’s für<br />

Frauen nicht nur möglich,<br />

sondern die Regel.“<br />

McDonald’s habe den Bundesverband der Systemgastronomie<br />

mitgegründet und handele mit der Gewerkschaft<br />

NGG seit vielen Jahren regelmäßig den Tarifvertrag aus.<br />

Früher sei das Unternehmen der Lieblingsgegner der<br />

Gewerkschaft gewesen. Heute sei es immer öfter das<br />

Unternehmen, das die Gewerkschaft den Mitbewerbern<br />

als leuchtendes Beispiel präsentiert.<br />

Nachhaltigkeit und Wertschöpfung<br />

Stichwort Regionalität: Mehr als 60 Prozent der Rohwaren<br />

kommen aus Deutschland, führte Holger Beeck aus.<br />

Beim Rindfleisch seien es sogar deutlich über 90 Prozent.<br />

Dies sei aufgrund der jahrzehntelangen engen<br />

Partnerschaften mit namhaften Lieferanten wie Hochland,<br />

Lieken, Agrarfrost, Bonduelle oder auch Develey<br />

85


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Austausch über das<br />

McDonald´s-Modell<br />

(v. l.): Thomas Keuter<br />

(Arla), Marc Oliver<br />

Dittrich (Homann Feinkost)<br />

und Frank Uszko,<br />

Managing Director,<br />

Molkerei Alois Müller.<br />

möglich. Mehr als 30 Prozent der Waren seien aus der<br />

EU, und müsse McDonald’s außerhalb Europas einkaufen,<br />

beispielsweise Kaffee, dann setze die Company<br />

auf etablierte Gütesiegel, um die Einhaltung wichtiger<br />

ökologischer und sozialer Standards zu gewährleisten.<br />

Stichwort Energieverbrauch: Seit 2014 würden alle Restaurants<br />

in Deutschland zu 100 Prozent mit Ökostrom<br />

betrieben. Die CO 2 -Emmissionen seien seit 2011 um<br />

67 Prozent gesunken.<br />

„McDonald’s –<br />

das demokratischste<br />

Restaurant<br />

der Welt“<br />

Der Leitspruch „Wenig behaupten. Viel beweisen“<br />

spiegele das McDonald’s-Verständnis von unternehmerischer<br />

Verantwortung und sei Richtschnur für<br />

transparente Kommunikation. Jedes Unternehmen<br />

brauche eine Kultur der Freiheit, um erfolgreich zu<br />

bleiben. Beispielsweise die Freiheit, Fehler offen anzusprechen,<br />

oder die Freiheit, Entscheidungen in Frage<br />

zu stellen, um den Kurs zu korrigieren. Genau das habe<br />

auch McDonald’s tun müssen.<br />

Zwischen den beiden Polen „Freiheit“ und „Standards“<br />

oszilliere vermutlich die ganze Systemgastronomie.<br />

In den zurückliegenden Jahren habe das Pendel bei<br />

McDonald’s etwas zu stark in Richtung System geschwungen.<br />

Das Unternehmen sei zu selbstbezogen<br />

gewesen, habe zu sehr am Althergebrachten festgehalten<br />

und habe zu wenig auf gesellschaftliche Trends<br />

und veränderte Wünsche der Gäste geachtet.<br />

Daraus habe McDonald’s Lehren gezogen und einen<br />

Wandlungsprozess in Gang gesetzt: zurück zu mehr<br />

Gästeorientierung, zu mehr interner Flexibilität und zu<br />

mehr Wahlfreiheit für die Gäste.<br />

Wer sich wandeln wolle, verlasse gewohntes Terrain<br />

und mache auch Fehler. Die neu etablierte Fehlerkultur<br />

habe die Möglichkeit gegeben, Dinge auszuprobieren<br />

und wieder zu verwerfen, wenn sie am Markt nicht<br />

funktionierten.<br />

Restaurant der Zukunft<br />

Zukünftig gehe McDonald’s noch stärker als früher auf<br />

das Bedürfnis der Gäste ein und biete „Produkte der<br />

Zukunft“ wie z. B. den Big Tasty Bacon und „Service<br />

der Zukunft“ mit verschiedenen Bezahloptionen sowie<br />

einen Lieferservice, der in vielen Großstädten in<br />

Deutschland umgesetzt werden soll.<br />

Nach Beecks Einschätzung ist McDonald’s das demokratischste<br />

Restaurant der Welt. Jung und Alt, Groß<br />

und Klein, Arm und Reich, dick und dünn, schwarz und<br />

weiß, Arbeiter, Direktor und Politiker – jeder sei herzlich<br />

willkommen.<br />

Glaubwürdigkeit stärken<br />

Und Beeck erläuterte weiter, dass Freiheit auch Wandel<br />

zu mehr Transparenz, Offenheit und Glaubwürdigkeit<br />

86


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Gut aufgelegt (v. l.):<br />

Peter Esser (Deutscher<br />

Fachverlag), Dr. Gotthard<br />

Kirchner (R & R Icecream)<br />

und Dr. Walter Müller<br />

(WAWI).<br />

bedeute. Sowohl in der Arbeitgeberkommunikation als<br />

auch im Dialog mit den Gästen sei McDonald’s neue<br />

Wege gegangen und habe Maßstäbe gesetzt. Freiheit<br />

definiere sich auch immer über die Freiheit der Andersdenkenden.<br />

Auf Facebook oder eigenen Plattformen<br />

stellt sich das Unternehmen den Fragen von Gästen<br />

und will Mythen entkräften, die über die Produkte im<br />

Netz kursieren.<br />

Diesen Ansatz greife das Unternehmen auch in der<br />

aktuellen Qualitätskampagne auf, die schonungslos<br />

und mit einem Augenzwinkern „Die Wahrheit über<br />

McDonald’s“ erzähle und Mythen und Vorurteile aufgreife.<br />

„Freiheit definiert<br />

sich auch immer<br />

über die Freiheit der<br />

Andersdenkenden.“<br />

In den vergangenen 18 Monaten habe McDonald’s<br />

Deutschland mehr Flüchtlinge eingestellt als alle<br />

Dax-30-Unternehmen zusammen und 20.000 Sprachkurse<br />

der Bundesagentur für Arbeit finanziert. Die<br />

Franchise-Nehmer bemühten sich zudem mit einer<br />

Vielzahl von lokalen Aktivitäten um die Integration von<br />

Flüchtlingen in die Gesellschaft.<br />

„In unseren Restaurants arbeiten heute Menschen<br />

aus 125 Nationen weitestgehend friedlich zusammen.<br />

Ich selbst sehe McDonald’s Deutschland nach wie vor<br />

und gerade jetzt, wo es am nötigsten erscheint, als<br />

ein starkes Symbol für ein erstrebenswertes Leben in<br />

Sicherheit und in Freiheit. Im besten Falle schließt sich<br />

dann der Kreis. So wie bei mir. Dann wird aus einem,<br />

der Freiheit suchte, am Ende selbst ein Chancengeber.“<br />

Chancengeber und Brötchengeber<br />

McDonald’s sei ein Chancengeber für Menschen, die<br />

ihren Lebensunterhalt weitgehend selbst verdienen<br />

wollen, die in Teilzeit wieder den Einstieg ins Berufsleben<br />

suchten oder sehr flexible Arbeitszeiten brauchten.<br />

Auch für die Menschen, die aus ihrer Heimat fliehen<br />

mussten, wolle das Unternehmen als Ort der Freiheit<br />

und als Chancengeber verstanden werden.<br />

87


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

„Creative<br />

Freedom“ –<br />

wie man den<br />

Innovationsgeist im<br />

Unternehmen weckt<br />

DR. FREDERIK<br />

G. PFERDT<br />

Chief Innovation Evangelist<br />

bei Google Inc.<br />

Dr. Frederik G. Pferdt, Chief Innovation Evangelist<br />

bei Google Inc., veranschaulichte in seinem Vortrag<br />

„Creative Freedom – wie Unternehmen Innovationsgeist<br />

leben und fördern“ die Bedeutung<br />

einer gelebten Innovationskultur im Unternehmen.<br />

Es gelte, Mitarbeitern Freiräume für Ideen und deren<br />

Umsetzung zu schaffen.<br />

„Menschen verbinden, Ideen teilen, Zukunft denken<br />

und fühlen“, zitierte Frederik G. Pferdt zu Beginn die<br />

<strong>MMM</strong>-Mission und sagte: „Ich möchte Ihnen helfen,<br />

Ihre Mission Realität werden zu lassen, sich zu verbinden,<br />

Ideen zu teilen, Zukunft zu denken und auch zu<br />

fühlen. Ich möchte Sie heute einladen, ein Experiment<br />

zu wagen, diese Zukunft aktiv mitzugestalten, denn<br />

nur so können Sie auch entscheiden, wie diese Zukunft<br />

tatsächlich aussieht.“<br />

„Wir benötigen<br />

neue Antworten,<br />

innovative Antworten.“<br />

Technologie bringe uns in die Zukunft, wie diese aber<br />

aussieht, entscheide allein die Kreativität. Technologische<br />

Entwicklungen bewegten sich nicht auf einem<br />

linearen, sondern exponenziellen Pfad. Deshalb sei der<br />

Wandel so rasant. „Unsere Kinder werden schon bald<br />

die Smartphones im Museum oder auf einem Flohmarkt<br />

betrachten und uns fragen: ‚Musstet ihr diese wirklich<br />

jeden Abend für mehrere Stunden aufladen’?“<br />

Gemessen an fast allen Parametern sei die Welt heute<br />

besser als vor 50, 30, oder vor zehn Jahren. Die Lebenserwartung<br />

sei gestiegen, es gäbe mehr Demokratien,<br />

mehr Kinder hätten Zugang zu Bildung, Krankheiten<br />

könnten besser behandelt werden. Dies sei, so Pferdt,<br />

auch dank der rasanten technologischen Entwicklung<br />

und des besseren Zugangs der Menschen zu Informationen<br />

der Fall.<br />

Die Entwicklungen der Vergangenheit bedeuteten jedoch<br />

nicht, dass auch in Zukunft rasanter Fortschritt,<br />

um Probleme zu lösen, zu erwarten sei: „Wir benötigen<br />

neue Antworten, innovative Antworten. Wir müssen<br />

uns also selbst die Erlaubnis erteilen, etwas Neues zu<br />

versuchen. Ja, wenn Sie möchten, neues Denken zu<br />

erlauben“, stellte Pferdt fest.<br />

Auch Unfertiges und Nicht-Perfektes teilen<br />

Pferdt band in seinen Vortrag die Aufgabe für das Publikum<br />

ein, den Tischnachbarn zu skizzieren und diese<br />

Skizze zu teilen bzw. der porträtierten Person auszuhändigen.<br />

Ja, diese Bilder seien unfertig. Doch mit<br />

Blick auf die Entwicklung von Unternehmen gelte es,<br />

auch hier unfertige, ja „radikale“ Ideen mit anderen zu<br />

teilen, um Erfolg zu haben. Niemand solle Angst haben,<br />

sich lächerlich zu machen. Jeder Mensch habe kreatives<br />

Potenzial und es sei bedauerlich, dass radikal neue<br />

Ideen nicht geteilt würden, weil, so erläuterte Pferdt,<br />

„wir die kindliche Herangehensweise, diesen Stolz, etwas<br />

zu zeigen, das unfertig und nicht perfekt ist, leider<br />

verloren haben.“<br />

88


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Gut gelaunt:<br />

Savencia-Deutschland-<br />

Chef Aymeric de la<br />

Fouchardière (M.) im<br />

Gespräch.<br />

„Was wäre, wenn …“ – dies seien die Fragen, die bei<br />

Google zentrale Bedeutung haben. Zum Beispiel: „Was<br />

wäre, wenn wir Internet für alle und zu jeder Zeit zugänglich<br />

und nutzbar machten? Was wäre, wenn Distanz<br />

keine Barriere darstellte, um unsere Erde zu erkunden?“<br />

Fragen mit „Was wäre, wenn“ besäßen eine unglaubliche<br />

Kraft, denn sie setzten Kreativität frei, zeigten vielleicht<br />

auch etwas Unfertiges. Aber vor allem, so ist Pferdt<br />

überzeugt, „sie geben uns Erlaubnis“. Sie drückten eine<br />

gesunde Missachtung des Unmöglichen aus. Fragen<br />

zu stellen oder etwas infrage zu stellen sei ungeheuer<br />

wichtig. Erwachsene stellten bis zu vier Fragen pro Tag,<br />

Kinder bis zu 180, so der persönliche Eindruck von Frederik<br />

G. Pferdt. „Für mich als Führungskraft ist es wichtig,<br />

nicht mit Antworten zu führen, sondern mit Fragen zu inspirieren.“<br />

Ein weiterer zentraler Punkt sei Transparenz:<br />

„Wir denken, wenn innerhalb des Unternehmens sämtliche<br />

Informationen vom Zeitpunkt ihrer Entstehung an<br />

für jeden Mitarbeiter zugänglich sind, schafft das nicht<br />

nur die Möglichkeit zur Zusammenarbeit, sondern es<br />

schafft vor allem eins – Vertrauen.“<br />

„Ja, und“ statt „Ja, aber“<br />

Man könne beobachten, dass es bei radikalen Ideen<br />

häufig reflexartige Reaktionen gebe, warum etwas nicht<br />

geht. Diese „Ja, aber“-Mentaltität müsse durch eine „Ja,<br />

und“-Mentalität ersetzt werden, die Mitarbeiter ermutigt,<br />

statt ihre Ideen im Keim zu ersticken. „Für Sie als<br />

Führungskräfte ist es wichtig, ein Signal auszusenden,<br />

um den Mitarbeitern die Freiheit zu geben, genau diese<br />

Idee in die Realität umzusetzen. „Und ich garantiere<br />

Ihnen, nach vier Wochen, vielleicht auch nach sechs Monaten<br />

oder einem Jahr, kommt genau die gleiche Person<br />

wieder an Ihre Tür. Und es gibt nur zwei Möglichkeiten:<br />

Die erste ist, sie entschuldigt sich, weil die Idee nicht<br />

funktioniert hat.“ Und die einzige Antwort darauf müsse<br />

lauten: „Fantastisch, was hast du daraus gelernt?“ Oder<br />

die Person käme an die Tür und sagte: „Es hat funktioniert.<br />

Ich habe es geschafft.“ Auch hier lautete die<br />

Antwort: „Fantastisch, was hast du dabei gelernt?“<br />

„Erwachsene stellen bis<br />

zu vier Fragen pro Tag,<br />

Kinder bis zu 180.“<br />

Eine Ja-und-Denkweise schaffe eine optimistische<br />

Kultur, und Optimismus sei ein wichtiger Wegbereiter<br />

für Innovation. Auch wenn ein Vorschlag oder eine<br />

Idee nicht umgesetzt werde, sei es ein gutes Gefühl,<br />

wenn der Beitrag wertgeschätzt werde. Die Menschen<br />

fühlten sich ermutigt. Es gehe darum, diese Art des<br />

Denkens zu fördern, denn die Geschichte zeige, dass<br />

Unternehmen, die kein neues Denken erlauben, von der<br />

Bildfläche verschwinden. Pferdt: „Wir wollen schnell<br />

großartige Ideen haben, gleich verstehen, was funktioniert<br />

und was nicht. Wir wollen nicht scheitern, wir<br />

wollen lernen. Und durch Experimentieren kann man<br />

Antworten auf sehr viele Fragen finden, die am Anfang<br />

einer Idee stehen.“<br />

In den vergangenen drei Jahren habe Google 280 Teams<br />

untersucht, um festzustellen, was ein erfolgreiches,<br />

innovatives Team von einem nicht erfolgreichen, nicht<br />

89


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Aufgabe, den Tischnachbarn<br />

bildlich zu<br />

skizzieren: Die Präsidiumsmitglieder<br />

Mariann<br />

Wenckheim (20.20 Ltd., l.)<br />

und Markus Kaser<br />

(INTER SPAR Österreich)<br />

haben offensichtlich<br />

Freude bei der Aufgabe.<br />

innovativen Team unterscheidet. Dabei hätten sie nur<br />

einen Faktor gefunden, der den Unterschied mache. Es<br />

sei „sociological safety“, psychologische und emotionale<br />

Sicherheit, die den Menschen erlaube, nicht nur<br />

Neues zu denken, sondern auch Fehler zu machen und<br />

dabei das Gefühl zu haben, dass sie in einer sicheren<br />

Umgebung seien, weil die Position, Beförderung, das<br />

Gehalt, die Karriere nicht auf dem Spiel stehe. „Wenn<br />

Sie möchten, dass Ihre Teams Neues nicht nur denken,<br />

sondern konkret ausprobieren und beginnen, zu experimentieren,<br />

geben Sie ihnen genau diese psychologische<br />

und emotionale Sicherheit, dass sie Risiken eingehen<br />

können und dass Fehler machen okay ist“, erläuterte<br />

der Innovations-Experte.<br />

Nutzer im Fokus haben und Forschergeist<br />

behalten<br />

Doch alles laufe ins Leere, wenn Unternehmen ihre<br />

Kunden aus dem Blickfeld verlieren. Sich in einen anderen<br />

hineinzuversetzen und zu ergründen, welche<br />

Bedürfnisse er habe, welche Produkte und Lösungen<br />

er brauche, sei essenziell.<br />

Pferdt erzählte, dass er niemals denselben Weg zweimal<br />

fahre, nie zweimal in dasselbe Hotel oder Restaurant<br />

gehe. Für ihn sei das ein wichtiges Prinzip, um sich<br />

auf Neues einlassen zu können. Diesen Forschergeist<br />

würden viele Unternehmen im Laufe der Jahre verlieren.<br />

Es könne passieren, dass man einfach an dem festhalte,<br />

was funktioniert und bekannt sei. Das Problem dabei<br />

sei, dass viele Gewohnheiten auf Erfolgen der Vergangenheit<br />

basierten. Und das, was in der Vergangenheit<br />

funktioniert habe, funktioniere unter Umständen in<br />

der Zukunft nicht länger. Seine Empfehlung: „Wenn Sie<br />

nach der nächstgrößeren Idee suchen oder vielleicht<br />

Ihre Unternehmenskultur innovativer gestalten wollen,<br />

müssen Sie mit Gewohntem brechen. Sie müssen ein<br />

Erforscher sein. Und Erforscher benötigen zwei Dinge,<br />

eines davon ist kreative Freiheit.“ Eine Option sei die<br />

Extrazeit während des Arbeitstages. Google nutze die<br />

„Zwanzig-Prozent-Zeit“: Ein Tag pro Woche, an dem sich<br />

die Mitarbeiter persönlichen Projekten widmen können.<br />

„Im Jahr 2015 haben dabei 14.500 Google-Mitarbeiter<br />

aus über 70 Büros an 800 Projekten teilgenommen. Da<br />

war alles dabei von ehrenamtlicher Arbeit an lokalen<br />

Schulen über Programmierung für humanitäre Zwecke<br />

bis hin zur Unterstützung von Kriegsveteranen bei der<br />

Erstellung ihrer Lebensläufe.“ Die zweite Sache, die ein<br />

Erforscher brauche, sei physische Freiheit, einen speziellen<br />

Raum, in dem man der Kreativität freien Lauf<br />

lassen könne.<br />

Pferdts Rat zum Ende des Vortrags: „Es kann passieren,<br />

dass Ihnen Leute in Ihrem Unternehmen sagen:<br />

‚Wir können das nicht. Wir können das nicht tun, weil …<br />

Weil wir ein verarbeitendes Unternehmen sind, weil wir<br />

starken Regulierungen unterworfen sind, weil wir nicht<br />

im Silicon Valley sind.‘ Die Suche nach Ausreden bringt<br />

nicht voran. Also finden Sie nur einen Grund, um eine<br />

freiheitliche, innovative Kultur zu schaffen und neues<br />

Denken zum Standard zu machen, und gehen Sie dann<br />

Schritt für Schritt weiter. Wenn Sie Menschen Freiheiten<br />

geben, dann werden sie Sie positiv überraschen.“<br />

90


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

„<br />

Wer die<br />

Freiheit<br />

aufgibt,<br />

um<br />

SICHERHEIT<br />

zu gewinnen,<br />

wird am<br />

ENDE<br />

beides verlieren.<br />

Benjamin Franklin<br />

„<br />

Gründervater der Vereinigten Staaten von Amerika (1706–1790)<br />

91


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Das Freiheitsprojekt:<br />

Von der Bedeutung<br />

Europas und den Lehren<br />

aus der Geschichte<br />

CHRISTOPHER CLARK<br />

Professor für Neuere Europäische<br />

Geschichte am St. Catharine´s<br />

College in Cambridge, Autor<br />

Christopher Clark ist Professor für Neuere Europäische<br />

Geschichte am St. Catharine´s College<br />

in Cambridge. In der breiten Öffentlichkeit<br />

sorgte sein Bestseller „Die Schlafwandler“ über<br />

den Ausbruch des Ersten Weltkriegs für große<br />

Aufmerksamkeit. Clark legte anschaulich dar,<br />

dass wir bis dato leider zu wenig aus der Geschichte<br />

lernen. Sein Beitrag gipfelte in einem<br />

eindrücklichen Plädoyer für ein gemeinsames<br />

Europa. Die Europäische Union hält er als Friedensund<br />

Freiheitsprojekt für eine der wichtigsten<br />

Errungenschaften der jüngeren Geschichte.<br />

„Im März 2011 saß ich an einem Buch über den Ausbruch<br />

des Ersten Weltkriegs und war gerade dabei,<br />

ein Kapitel über den italienischen Angriff auf Libyen<br />

im Jahre 1911 zu schildern“, begann Christopher Clark<br />

seinen Vortrag und führte aus: „Ich hatte eben erst mit<br />

dem Schreiben dieses Kapitels begonnen, da kamen<br />

die Nachrichten von den Luftschlägen gegen Libyen.<br />

Und da sieht man: Es hat sich nicht so viel verändert<br />

zwischen 1911 und 2011.“<br />

Die Städtenamen in den Schlagzeilen seien die gewesen,<br />

die schon 1911 in den Zeitungen standen: Tripolis,<br />

Bengasi, Sirte, Darna, Tobruk, Zawiya, Misrata usw. Die<br />

Übereinstimmungen seien frappierend gewesen. „Ein<br />

Witzbold hat einmal behauptet, die Geschichte wiederholt<br />

sich nicht, es sind die Historiker, die einander<br />

wiederholen“, sagte Clark. In diesem Fall könne man sicherlich<br />

nicht von einer Wiederholung sprechen. Angreifer<br />

im Jahr 2011 sei die NATO und nicht Italien gewesen<br />

und es sei auch nicht wie 1911 um Eroberung gegangen.<br />

Der Angriff habe zu einer fatalen Destabilisierung auf<br />

dem Balkan geführt und letzten Endes 1914 den Ersten<br />

Weltkrieg ausgelöst. 2011 seien so verheerende Folgen<br />

nicht zu befürchten gewesen, auch wenn die NATO-Intervention<br />

in Libyen mit dazu beigetragen habe, das<br />

Verhältnis zwischen Wladimir Putin und seinen Kollegen<br />

in den führenden westlichen Nationen drastisch zu<br />

verschlechtern. Putin selbst beziehe sich immer wieder<br />

auf diese Episode. Durch sie sei sein Vertrauen in den<br />

Westen verloren gegangen. Christopher Clark schlussfolgerte:<br />

„Analogien zwischen 2011 und 1911 waren also<br />

durchaus erkennbar, aber sie waren viel schwächer, viel<br />

partieller, als sie beim ersten Anblick erschienen.“<br />

„Vor Anbruch der<br />

Moderne ist man<br />

davon ausgegangen,<br />

dass Geschichte<br />

typologisch verstanden<br />

werden müsse.“<br />

Die Frage sei, welche Lehre man aus solchen „gelegentlichen<br />

Resonanzen“ ziehen könne. Vor Anbruch der Moderne<br />

sei man davon ausgegangen, dass Geschichte<br />

typologisch verstanden werden müsse. Man habe angenommen,<br />

dass sich bestimmte Grundmuster regelmäßig<br />

wiederholen. Dass die Geschichte die Lehrmeisterin<br />

des Lebens sei – „historia magistra vitae“ –, sei<br />

kaum infrage gestellt worden.<br />

92


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

dm ist bei <strong>MMM</strong>-<br />

Kongressen traditionell<br />

gut vertreten: hier<br />

Martin Engelmann, Vorsitzender<br />

der Geschäftsführung<br />

dm Österreich<br />

(l.), und Markus Trojansky,<br />

Geschäftsführer Expansion<br />

bei dm Deutschland.<br />

„Niccolò Machiavelli, dessen Meisterwerk ‚Der Fürst’<br />

im Jahre 1513 erschien, zögerte nicht, seine Argumente<br />

zur gegenwärtigen Politik im anbrechenden<br />

16. Jahrhundert mit Anekdoten und Beispielen aus<br />

der griechischen und römischen Antike zu illustrieren“,<br />

führte Clark aus.<br />

Einfache Parallelen gibt es nicht<br />

Heute betrachteten wir das anders: „Die Vergangenheit<br />

erscheint uns nicht mehr als eine Kontinuität,<br />

sondern als gebrochen, aufgeteilt in Epochen. Wir<br />

sprechen über das Mittelalter, die Renaissance, frühe<br />

Neuzeit. Es ist ja sogar ein Wesensmerkmal der Moderne,<br />

dass wir Geschichte als einen Prozess eines<br />

alles umfassenden Wandels betrachten“, erklärte<br />

Clark. Indem wir in diesem Sinne modern geworden<br />

seien, hätten wir uns der Vergangenheit entfremdet<br />

und die Fähigkeit der Geschichte, Lehrmeisterin zu<br />

sein, grundsätzlich infrage gestellt. Ein Kollege in<br />

Cambridge habe gesagt, wäre die Geschichte wirklich<br />

so lehrreich, dann würden die Historiker wegen ihrer<br />

prophetischen Weisheit in jeder Gesellschaft gefeierte<br />

Menschen sein. „Was natürlich nicht unbedingt der<br />

Fall ist. Leider“, so Clark mit einem Augenzwinkern.<br />

Die begründete Skepsis der Historiker schrecke Politiker<br />

allerdings nicht davon ab, ihre eigenen historischen<br />

Analogien zu ziehen. In der englischen Brexit-Kampagne<br />

des Jahres 2016 hätten historische Vergleiche eine<br />

zentrale Rolle gespielt. Manchmal habe man mit „halbversunkenen<br />

Erinnerungen“ aus dem Zweiten Weltkrieg<br />

gearbeitet, wie z. B. „The German iron fist“: Die eiserne<br />

Faust Deutschlands zerschmettert Europa.<br />

Es habe auch explizite Analogien gegeben. So hätten<br />

Brexit-Befürworter Großbritanniens Sieg über<br />

Napoleon 1815 zum Beweis genommen, dass das Land<br />

auch heute allein und ohne EU erfolgreich sein könne.<br />

Tatsächlich habe Großbritannien Napoleon aber nicht<br />

alleine bekämpft. In der Schlacht bei Waterloo zum<br />

Beispiel seien neben den britischen Truppen Zehntausende<br />

Männer aus der deutschen Legion des britischen<br />

Königs aufmarschiert.<br />

„Der vergleichende<br />

Blick in die<br />

Vergangenheit scheint<br />

für Politiker unwiderstehlich<br />

zu sein.“<br />

Besonders „perfide“ sei die von Boris Johnson wiederholt<br />

gemachte Gleichsetzung der EU mit dem Großraum<br />

Europa Adolf Hitlers gewesen. Hier sei es allerdings<br />

nicht um einen authentischen historischen Vergleich<br />

gegangen, „sondern um die mutwillige Aktualisierung<br />

emotionsgeladener Bilder aus der Vergangenheit für<br />

die Zwecke einer verantwortungslosen Verleumdungspropaganda“.<br />

Johnson wisse dies auch. Er habe vor<br />

Kurzem die Abgeordneten des britischen Unterhauses<br />

sogar davor gewarnt, den amerikanischen Präsidenten<br />

Donald Trump mit Hitler gleichzusetzen. Wer diesen<br />

Vergleich ziehe, würde die ungeheuren Schrecken jener<br />

Jahre trivialisieren.<br />

93


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Michael Durach (l.),<br />

Develey-Geschäftsführer<br />

und <strong>MMM</strong>-Vizepräsident,<br />

und sein Marketingleiter<br />

Volker Leonhardi (r.)<br />

nehmen die Geschäftsführer<br />

des Start-ups Just<br />

Spices, Bela Seebach<br />

(2. v. l.) und Florian Falk,<br />

in die Mitte.<br />

Der vergleichende Blick in die Vergangenheit scheine<br />

für Politiker unwiderstehlich zu sein. So habe Dmitri<br />

Rogosin im Jahr 2008 während des Krieges zwischen<br />

Russland und Georgien um Südossetien Parallelen<br />

zur Julikrise von 1914 gezogen. Was, so habe Rogosin<br />

argumentiert, wenn es Georgien gelingen würde, die<br />

Unterstützung der NATO zu erhalten? Dann könne das<br />

zu einer ähnlichen Eskalation wie dem Ersten Weltkrieg<br />

führen. Rogosin habe mithilfe eines schrägen Vergleichs<br />

versucht, einen historischen Bezug zur Gegenwart<br />

herzustellen. Clark: „Keine Spur von einem redlichen<br />

Ansatz zu einer geschichtlich begründeten Prognose,<br />

sein historischer Vergleich war im Grunde genommen<br />

nichts mehr als eine Warnung an den Westen, sich aus<br />

dem Konflikt herauszuhalten.“ Das Schreckgespenst<br />

des Ersten Weltkriegs sei eine hilfreiche Mahnung, wie<br />

furchtbar die Folgen seien, wenn die Politik versagt,<br />

wenn Gespräche abgebrochen würden und kein Kompromiss<br />

mehr möglich sei.<br />

Mangelnde Kommunikation führt in die Krise<br />

Im April 1980 habe sich der damalige Bundeskanzler<br />

Helmut Schmidt drastisch über die Gefährlichkeit der<br />

internationalen Lage geäußert und eine Welt geschildert,<br />

die am Rande eines verheerenden Atomkrieges<br />

zu stehen schien. Hintergrund: Die Sowjetunion war<br />

Weihnachten 1979 in Afghanistan einmarschiert, danach<br />

seien die amerikanisch-sowjetischen Beziehungen<br />

eingefroren gewesen. Dann, im April 1980, waren<br />

wegen der Krise um die Teheraner Botschaftsgeiseln<br />

auch die diplomatischen Beziehungen der USA zum<br />

Iran abgebrochen und die NATO-Verbündeten seien inoffiziell<br />

von Washington informiert worden, man würde<br />

jetzt zu militärischen Mitteln greifen. Helmut Schmidt<br />

dachte, so Christopher Clark, bei seiner Einschätzung<br />

an die Entwicklungen, die zum Ersten Weltkrieg geführt<br />

haben: „Er verglich die aktuelle Krise mit der Situation<br />

vom Juli 1914. Keine der damaligen fünf großen europäischen<br />

Mächte habe den Krieg wirklich gewollt, sagte<br />

Schmidt, aber jedes Land – ich zitiere – ‚hat natürlich<br />

seine Interessen vertreten, auch seine Prestigeinteressen,<br />

und keines der Länder hat sich damals ausreichend<br />

in die Interessenlage der anderen versetzt und auch mit<br />

den Augen der anderen die Lage betrachtet’.“<br />

Der Kern des Problems habe für Schmidt in einem Mangel<br />

an offener Kommunikation zwischen Washington<br />

und Moskau gelegen. Ohne eine Krisenbewältigung mit<br />

kühler, abwägender Vernunft, habe Schmidt gesagt,<br />

könnten sich die verschiedenen globalen Krisenherde<br />

leicht miteinander verzahnen, miteinander verbinden<br />

und einen Dritten Weltkrieg auslösen.<br />

Der Text von Schmidts Rede sei an Deutsche Botschaften<br />

in aller Welt verschickt worden. Der Spiegel vom<br />

21. April 1980 habe stahlhelmtragende Soldaten unter<br />

der in altdeutscher Schrift gesetzten Überschrift ‚Wie<br />

im August 1914?’ gezeigt. Helmut Schmidt sei es darum<br />

gegangen, die Krisenfälligkeit des Systems zu thematisieren<br />

und mahnend auf die Notwendigkeit einer<br />

Friedenssicherungs- und Kriegsvermeidungsstrategie<br />

jenseits der nationalen Interessen hinzuweisen.<br />

„Und das ist meines Erachtens die bessere Art, Lehren<br />

aus der Geschichte zu ziehen“, resümierte Christopher<br />

Clark. Schmidts systematischer Vergleich sei gewinn-<br />

94


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

V. l.: Burgis-Geschäftsführer<br />

Timo Burger,<br />

Hans-Wilhelm Schröder<br />

(DreiMeister) und Wilfried<br />

Schmidt (Dubai FZCo).<br />

Die bedrohliche Gesamtlage in Europa und der Welt<br />

stelle das Friedensprojekt EU vor neue Herausforderungen<br />

und vor neue Aufgaben. Aufgaben, denen es<br />

zurzeit nur bedingt gewachsen erscheine: Die europäische<br />

Identität sei geschwächt, durch die Finanzkrise<br />

sei das Auseinanderklaffen der Lebensstandards und<br />

der Erwartungshorizonte beschleunigt worden. Die<br />

Griechenlandkrise habe zudem ein grelles Licht auf die<br />

Fehlkonstruktion einer Währungsunion ohne politische<br />

Bodenhaftung geworfen. Der Philosoph Jürgen Habermas<br />

habe mit Recht auf die Gefahren einer Situation<br />

hingewiesen, in der man die Volksvertreter eines eurobringend<br />

gewesen, weil er nicht moralisierend auf die Untaten<br />

vermeintlicher Bösewichte fokussiert gewesen sei,<br />

sondern das ganze Spannungsgeflecht der Mächte ins<br />

Blickfeld integriert habe. Dagegen führten stark moralisierende<br />

Eins-zu-eins-Analogien wie „das moderne China<br />

gleicht Kaiser-Deutschland“, „Saddam Hussein gleicht<br />

Adolf Hitler“, „Wladimir Putin gleicht Adolf Hitler“ fast<br />

immer in die Irre, weil sie die Komplexität der Gegenwart<br />

und der Vergangenheit einfach ausblendeten.<br />

Das Licht der Geschichte erhellt die Zukunft<br />

Doch auch wenn wir aus der Geschichte weder universale<br />

Gesetze noch spezifische Lehren ableiten könnten,<br />

heiße das nicht, dass wir der Geschichte, geschweige<br />

denn der Vergangenheit, einfach den Rücken zuwenden<br />

könnten oder sollten. „Wir beziehen unsere Weisheit,<br />

insofern wir sie überhaupt besitzen, doch aus der Vergangenheit,<br />

weil wir keine andere Wahl haben, wir sind<br />

der Zukunft gegenüber blind“, sagte Clark und zitierte<br />

den englischen Dichter Samuel Taylor Coleridge: „Das<br />

Licht, welches unsere Erfahrung abgibt, ist eine Hecklaterne,<br />

die lediglich die Wellen hinter unserem Boot<br />

beleuchtet.“<br />

Welches Licht diese Hecklaterne auf die Zukunft des<br />

Freiheitsprojekts Europa werfe, stellte Clark als Frage<br />

in den Raum. Zunächst müsse man feststellen, dass<br />

es beinahe provokativ erscheine, gerade heute von der<br />

Zukunft Europas als Projekt zu sprechen. Das Wort<br />

Projekt sei in der europäischen Aufklärung entstanden<br />

und impliziere eine fortschrittliche, planende, vernunftorientierte,<br />

vorwärtsdenkende Weltauffassung, die<br />

heute vielerorts radikal angefeindet werde.<br />

In Russland und in der Türkei – beides strategisch<br />

enorm wichtige Nachbarn, sogenannte illiberale Demokratien,<br />

seien eigentlich autoritäre Ein-Mann-Regimes<br />

entstanden. In manchen Staaten würden die Institutionen<br />

der freien Zivilgesellschaft konsequent angegriffen<br />

und unterminiert. Innerhalb und außerhalb der EU desavouiere<br />

man die Werte dieser Staatengemeinschaft<br />

und greife sie systematisch an.<br />

„Die bedrohliche<br />

Gesamtlage in Europa<br />

und der Welt stellt<br />

das Friedensprojekt<br />

EU vor neue Herausforderungen<br />

und vor<br />

neue Aufgaben.“<br />

95


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Das erste Mal in<br />

München dabei:<br />

Gerhard Hackl (M.) und<br />

Michael Schietz (r., beide<br />

Vivatis, Österreich) im<br />

Austausch mit dem langjährigen<br />

Mitglied Manfred<br />

Hübschmann (Walter Rau<br />

Lebensmittelwerke, l.)<br />

päischen Staates nicht als Politiker, sondern lediglich<br />

als Gläubiger behandele. Vor diesem Hintergrund müsse<br />

die neuerliche Flüchtlingskrise als existenzielle Bedrohung<br />

wahrgenommen werden. Sie stelle die EU vor ein<br />

an sich äußerst komplexes Problem. Eine gemeinsame<br />

Krisenbewältigung sei erschwert worden. Gleichzeitig<br />

würden rechtspopulistische Gruppierungen mit Brennstoff<br />

versorgt, der die Angst vor Überfremdung und<br />

sozialem Abstieg schürte. Die Lage sei ernst.<br />

„Die Multikrise<br />

unserer Zeit verlangt<br />

eine schnelle,<br />

gewandte, flexible<br />

und pragmatische<br />

Politik.“<br />

„Der Blick der Populisten auf die<br />

Vergangenheit zeigt ein Fantasiebild.“<br />

Der große französische Philosoph Alexis de Tocqueville<br />

habe gesagt: „Wenn die Vergangenheit die Zukunft<br />

nicht mehr beleuchtet, läuft unser Geist im Schatten.“<br />

So dunkel sei es aber noch nicht. Und die Argumente<br />

der Gegner der Union seien nicht so neu, wie sie vielleicht<br />

erscheinen. Der Hass, den sie gegen Ausländer,<br />

Flüchtlinge, Kosmopoliten, Eliten, Experten usw.<br />

schürten, sei bekannt. Und auch nicht ihre politische<br />

Vision, denn Europa habe schon einmal den kontinentalen<br />

Wettbewerb der Nationalstaaten versucht.<br />

Zwei Weltkriege und sechzig Millionen Tote habe es im<br />

20. Jahrhundert gebraucht, um jene Staatenordnung<br />

endlich zu überwinden. „Manchmal habe ich das Gefühl,<br />

eine alte, uns vertraute europäische Zukunft wird durch<br />

imaginäre nationale Vergangenheiten ersetzt oder soll<br />

durch sie ersetzt werden.“<br />

„Der Blick der Populisten auf die Vergangenheit zeigt<br />

uns fast immer ein Fantasiebild, eine aus der Rückschau<br />

vergoldete Epoche, in der alle mit dem Sozialstaat<br />

zufrieden waren, es keine Bürokratie gab, man<br />

sein Schicksal fest in der Hand hatte und wir angeblich<br />

unter uns waren. Diese Epoche hat es jedoch nie<br />

gegeben“, sagte Clark. Dennoch dürfe die EU nicht<br />

stur so weitermachen wie bisher, sonst sei es in der<br />

Tat bald vorüber mit der Union.<br />

Die Multikrise unserer Zeit verlange eine schnelle,<br />

gewandte, flexible und pragmatische Politik. Eine<br />

Politik, die bereit sei, Impulse aus allen Richtungen<br />

aufzunehmen, solange sie mit den Grundwerten der<br />

Union vereinbar seien. Wer von der angeblichen Vernichtung<br />

des deutschen Volkes oder von der Unterwanderung<br />

deutschen Volkstums spreche, wie die<br />

Demonstranten der PEGIDA, verwende eine rassistische<br />

Sprache, die in einer modernen Demokratie<br />

keinen Platz habe. Aber die dahintersteckenden<br />

Argumente über Gemeinschaftskohäsion müssten<br />

gehört werden. Nicht, weil sie richtig seien, sondern<br />

weil sie authentische Gefühle aussprächen und erweckten,<br />

denen in einer Demokratie doch ein gewisses<br />

Gewicht zukomme.<br />

96


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Im intensiven<br />

Pausen dialog:<br />

Haribo-Geschäfts führer<br />

Thomas Starz (r.)<br />

Die EU müsse wirtschaftlich wettbewerbsfähig bleiben,<br />

aber es habe keinen Sinn, eine wettbewerbsorientierte<br />

Politik so weit zu treiben, dass das Fortbestehen des<br />

Standorts EU durch innere Unruhen und Separatismus<br />

infrage gestellt werde. Im Auseinanderklaffen der sozialen<br />

und wirtschaftlichen Interessen sieht Clark nach eigenem<br />

Bekunden die Frage von Leben und Tod für die EU.<br />

„Die Europäische<br />

Union bleibt<br />

nach wie vor ein<br />

unverzichtbares<br />

politisches Projekt.“<br />

Menschenrechte. Der Stabilisierungsfaktor, der von der<br />

EU ausgeht, hat dazu beigetragen, den Großteil Europas<br />

von einem Kontinent des Krieges in einen Kontinent<br />

des Friedens zu verwandeln.“ Das seien die gezogenen<br />

Lehren der Geschichte und Errungenschaften, an denen<br />

wir festhalten und arbeiten müssten, wenn das<br />

Freiheitsprojekt Europa die Herausforderungen der<br />

Gegenwart und der Zukunft bewältigen soll.<br />

„Warum scheiterten die europäischen Revolutionen<br />

vom Jahre 1848? Vor allem deswegen, weil die Liberalen<br />

und die Radikalen sich nicht über die soziale Frage<br />

einigen konnten.“ Die soziale Frage habe die Front<br />

der Revolution gespalten, nicht vereinigt. Die letzte<br />

vollständig demokratische Regierung der Weimarer<br />

Republik im Jahre 1930 sei zerfallen, so Clark, weil die<br />

Rechtsliberalen und die Sozialdemokraten sich über die<br />

Frage stritten, wie man eine Arbeitslosenversicherung<br />

finanzieren sollte. Die Europäische Union bleibe nach<br />

wie vor ein unverzichtbares politisches Projekt.<br />

2012 habe die EU den Friedensnobelpreis erhalten.<br />

In England hätten das viele belächelt. Er, Clark, aber<br />

nicht. Er zitierte: „Für ihren erfolgreichen Kampf für<br />

Frieden und Aussöhnung und für Demokratie und<br />

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55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

GRAPHIC<br />

RECORDING<br />

Als Graphic Recording bezeichnet man die<br />

Live-Visualisierung – im Falle von <strong>MMM</strong> –<br />

von Vortragsinhalten auf großen<br />

Wandbildern parallel zum Geschehen.<br />

Für alle Teilnehmer gut sichtbar wurden das Gesagte<br />

der Referenten, die Ideen und Inhalte, vor Ort im<br />

Tagungssaal gezeichnet und komplexe Themen in eine<br />

symbolhafte und einfache Bilderwelt übersetzt.<br />

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55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

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55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

REFERENTEN<br />

& MODERATOREN<br />

SIMONE KRAH<br />

ist seit 2004 Geschäftsführerin und seit 2013 Präsidentin des <strong>MMM</strong>-Clubs.<br />

Sie studierte Politik und Geschichte und erwarb ihren Magister-Abschluss<br />

1999 an der Universität in Bonn. Nach einem Arbeitsaufenthalt in den USA,<br />

wo sie in einem Ministerium der Clinton-Administration tätig war, absolvierte<br />

sie die klassische journalistische Ausbildung. Von 2001 bis 2004 arbeitete<br />

Simone Krah in der Hessischen Staatskanzlei, der Regierungszentrale<br />

des Bundeslandes Hessen.<br />

PROF. DR. UTHO CREUSEN<br />

ist seit mehr als 30 Jahren im deutschen Handel tätig, 1979 bis 2001 bei<br />

OBI, zuletzt als Vorsitzender der Geschäftsführung OBI Franchise Center<br />

GmbH und Mitglied des Vorstandes der OBI AG. 20<strong>02</strong> bis 2008 war er<br />

Mitglied der Geschäftsführung der Media-Saturn-Holding GmbH. Heute ist<br />

er Senior Advisor für mehrere internationale Handelsunternehmen, Mitglied<br />

von Verwaltungs- und Aufsichtsräten bedeutender Unternehmen in Handel<br />

und Industrie. Seit 1998 ist er Honorarprofessor und lehrt an internationalen<br />

Hochschulen. Utho Creusen gehört dem <strong>MMM</strong>-Präsidium seit 2008 an<br />

und ist Mentor der <strong>MMM</strong>-Junioren (JUM).<br />

THOMAS ROTH<br />

ist einer der namhaftesten deutschen Journalisten und einem breiten<br />

Publikum als Moderator der „Tagesthemen“ bekannt (08/2013-11/2016).<br />

Von 1988 bis 1991 arbeitete er als ARD-Korrespondent und Studioleiter<br />

in Johannesburg, anschließend im ARD-Studio in Moskau. 1995 wurde er<br />

Hörfunkdirektor des WDR, bevor er 1998 für vier Jahre als Studioleiter<br />

nach Moskau zurückkehrte. Von 20<strong>02</strong> bis 2007 übernahm Thomas Roth<br />

den Posten des Moderators und Chefredakteurs im ARD-Hauptstadtstudio<br />

in Berlin. Nach einem weiteren Aufenthalt in Moskau führte ihn sein<br />

Weg von Dezember 2008 bis zum Sommer 2013 nach New York, wo er das<br />

dortige ARD-Studio leitete. Für seine Berichterstattung wurde Thomas<br />

Roth mehrfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Friedrich-Joseph-Haass-<br />

Preis für besondere Verdienste um die deutsch-russische Verständigung.<br />

104


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

PROF. MARCEL FRATZSCHER, PH. D.<br />

ist Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW<br />

Berlin), Professor für Makroökonomie und Finanzen an der Humboldt-<br />

Universität Berlin und Mitglied des Beirats des Bundesministeriums für<br />

Wirtschaft. Als unabhängiges Institut mit mehr als 300 Mitarbeitern zählt<br />

das DIW Berlin zu den führenden Wirtschaftsforschungsinstituten und<br />

Denkfabriken in Europa. 2014 erschien sein Buch „Die Deutschland-Illusion<br />

– warum wir unsere Wirtschaft überschätzen und Europa brauchen“. Sein<br />

aktuelles Buch trägt den Titel „Verteilungskampf – warum Deutschland<br />

immer ungleicher wird“. Von 2001 bis 2012 war Marcel Fratzscher für die<br />

Europäische Zentralbank (EZB) tätig.<br />

PROF. DR. RÜDIGER SAFRANSKI<br />

gilt als der bedeutendste Biograph der Großen der deutschen Geistesgeschichte.<br />

Mit seinen Monographien und Biographien über Arthur<br />

Schopenhauer, Martin Heidegger und Friedrich Nietzsche, die in<br />

insgesamt 26 Sprachen übersetzt wurden, gelingt es ihm, die Philosophen<br />

einem breiten Publikum verständlich zu machen. Von 20<strong>02</strong> bis<br />

2012 moderierte er gemeinsam mit Peter Sloterdijk das „ Philosophische<br />

Quartett“ im ZDF. Seit September 2012 nimmt Rüdiger Safranski<br />

regelmäßig an der Sendung „Literaturclub“ des Schweizer Fernsehens<br />

teil. Seit 2012 lehrt er als Honorarprofessor am Fachbereich Philosophie<br />

und Geisteswissen schaften an der Freien Universität Berlin. Professor<br />

Safranski wurde vielfach ausgezeichnet, u. a. mit dem Preis der Leipziger<br />

Buchmesse sowie dem Thomas-Mann-Preis.<br />

DR. AMEL KARBOUL<br />

ist eine tunesische Unternehmerin, Autorin, Politikerin und Aufsichtsrätin.<br />

Von Januar 2014 bis Februar 2015 war sie Ministerin für Tourismus der<br />

tunesischen Übergangsregierung unter Ministerpräsident Mehdi Jomaâ.<br />

„Sie lebt im Zwischenraum – zwischen den Kulturen, den Religionen, den<br />

Lebensentwürfen der Moderne. Das macht ihren Blick so wertvoll“ (brand<br />

eins). Seit 2015 ist Amel Karboul Generalsekretärin des Maghreb Economic<br />

Forum (MEF Think Tank) und seit 2016 Mitglied der International Commission<br />

on Financing Global Education Opportunities. Amel Karboul wuchs in<br />

Tunesien auf und wurde in Europa und in den USA ausgebildet. 1991 kam<br />

sie mit einem DAAD- Stipendium nach Deutschland, lernte in Heidelberg<br />

Deutsch, studierte ab 1992 Maschinenbau und schloss als Jahrgangsbeste<br />

ab. Neben Funktionen in der Wirtschaft, u. a. bei Daimler- Chrysler und der<br />

Boston Consulting Group, war sie u. a. von 2006 bis 2014 Gastprofessorin<br />

der ZfU International Business School (Schweiz). 2007 gründete sie das<br />

Beratungsunternehmen „Change, Leadership & Partners“ und fungiert seit<br />

2015 als Aufsichtsratsvorsitzende.<br />

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55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

CLEMENS TÖNNIES<br />

ist Vorstandsvorsitzender der Unternehmensgruppe Tönnies. Rund<br />

12.500 Mitarbeiter sind an unterschiedlichen Produktionsstandorten<br />

für das Unternehmen tätig. 1956 wurde Clemens Tönnies als Sohn einer<br />

Metzger familie im ostwestfälischen Rheda geboren. Bereits im Alter von<br />

15 Jahren begleitete er 1971 die Gründung eines Großhandels für Fleischund<br />

Wurstwaren zusammen mit seinem älteren Bruder Bernd und stieg<br />

1980 als Gesellschafter in das Unternehmen ein. Die Brüder entwickelten<br />

das Unter nehmen rasch zu einem der größten Fleischproduzenten in ganz<br />

Europa. Seit dem Tod seines Bruders 1994 führt Clemens Tönnies die Firma<br />

allein und hält sie konsequent auf Expansionskurs. Nahezu alle großen<br />

deutschen Lebensmittelketten vertreiben heute Fleischprodukte von<br />

Tönnies, das Unternehmen beliefert weltweit 2.000 verschiedene Kunden.<br />

Bundesweit profiliert sich der Unternehmer auch durch sein Engagement<br />

beim FC Schalke 04. Seit 1995 gehört er dem Schalker Aufsichtsrat an,<br />

2001 wurde er zu dessen Vorsitzendem gewählt.<br />

ROMAN ROTH<br />

Er gilt als erfolgreichster Winzer an der Ostküste der USA und ist<br />

Mitinhaber der Wölffer Estate Vineyards in den Hamptons. Roman Roth<br />

stammt ursprünglich aus der Nähe von Rottweil im Schwarzwald. Nach<br />

Stationen als Auszubildender bei einer Winzergenossenschaft, Auslandserfahrungen<br />

in Kalifornien und Australien, einer Anstellung als Winzer<br />

im Badischen und dem Abschluss an der Hochschule für Önologie und<br />

Weinbau 1992 in Weinsberg heuerte er noch im selben Jahr bei Christian<br />

Wölffer in Sagaponack, New York, an. Durch seine Arbeit im Keller von<br />

Wölffer Estate hat Roth seither den Stil der Weine der Region Long<br />

Island geprägt. Sein „The Grapes of Roth“ Merlot (#64) wurde unter die<br />

TOP 100 Weine 2015 des „Wine Spectator“ gewählt.<br />

HANSUELI LOOSLI<br />

Seinen beruflichen Werdegang startete er mit einer kaufmännischen Lehre<br />

beim Schweizer Einzelhandelsunternehmen Volg. Nach Stationen bei der<br />

ABB Schweiz AG sowie Mövenpick und Waro stieß er 1992 als Direktor<br />

Waren beschaffung zu Coop und übernahm zeitgleich zwischen 1992 und<br />

1996 den Vorsitz der Geschäftsleitung der Coop Zürich. 1997 wurde Loosli<br />

zum Vorsitzenden der Geschäftsleitung Coop-Gruppe und damit zum jüngsten<br />

Coop-Chef überhaupt ernannt. 2011 wurde er in den Verwaltungsrat der<br />

Coop-Gruppe Genossenschaft gewählt und zum Präsidenten ernannt.<br />

Seit 2009 ist er Mitglied des Verwaltungsrats und seit 2011 Präsident des<br />

Verwaltungsrats der Swisscom AG. Er ist Präsident des Verwaltungsrats<br />

der Bell AG, der Transgourmet Holding AG sowie der Coop Mineraloel AG. Für<br />

seine Leistungen wurde er u. a. mit dem Unternehmerpreis „SwissAward“<br />

(2003) sowie als Schweizer „Unternehmer des Jahres“ (2010) ausgezeichnet.<br />

106


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

CHRISTOPH WERNER<br />

ist seit Dezember 2010 bei dm-drogerie markt in Karlsruhe als Mitglied der<br />

Geschäftsführung verantwortlich für das Ressort Marketing + Beschaffung<br />

und Regionsverantwortlicher für 245 Filialen in Hessen und Nieder sachsen.<br />

Von 1992 bis 1995 studierte Christoph Werner Betriebswirtschaftslehre<br />

an der Dualen Hochschule in Karlsruhe und sammelte bei Tegut in Fulda<br />

im Rahmen des Dualen Studiums Erfahrungen im Handel. Einblicke in die<br />

Arbeit der Konsumgüterhersteller ermöglichten ihm verschiedene Positionen<br />

in Vertrieb und Marketing bei L’Oréal Paris sowie bei GlaxoSmithKline<br />

Consumer Healthcare (USA) sowie bei GlaxoSmithKline Consumer Healthcare<br />

(Frankreich), wo er die Marketingleitung Mundpflege übernahm.<br />

Darüber hinaus erwarb Christoph Werner in den Jahren 2006/2007 seinen<br />

International Executive MBA an der Katz Graduate School of Business in<br />

Pittsburgh (USA).<br />

DR. AUMA OBAMA<br />

Ihr Name ist weltweit bekannt – weil Dr. Auma Obama als Schwester des<br />

ehemaligen US-Präsidenten Barack Obama einer namhaften Familie angehört.<br />

Darüber hinaus hat sich Dr. Obama als Germa nistin, Soziologin und<br />

Publizistin einen Namen gemacht. In Kenia aufgewachsen ging sie als junge<br />

Erwachsene nach Deutschland. Hier studierte sie u. a. an der Universität<br />

Heidelberg und an der Deutschen Film- und Fernsehakademie in Berlin<br />

und promovierte 1996 in Bayreuth. Im Anschluss zog sie nach England und<br />

arbeitete dort für das „Children’s Services Department“. Es folgte der Umzug<br />

in ihr Heimatland Kenia, wo sie mehrere Jahre für die Hilfsorganisation<br />

CARE International tätig war. Dr. Obama ist Mitglied im Weltzukunftsrat<br />

(World Future Council) sowie Gründerin und Vorsitzende der Auma Obama<br />

Foundation – Sauti Kuu (Kisuaheli für „starke Stimmen“), die sich dafür<br />

einsetzt, benachteiligten Kindern und Jugendlichen eine Stimme zu geben.<br />

Die Stiftung hilft jungen Menschen, ihr Schicksal und die gemeinsame<br />

Zukunft aktiv zu gestalten. Auma Obama ist Gewinnerin des Deutschen<br />

Redner preises 2015.<br />

PROF. JEAN-REMY VON MATT<br />

Wer hat’s erfunden? Der Schweizer! Seine Slogans kennt jeder. Jean-Remy<br />

von Matt, gebürtiger Belgier mit schweizerischem Pass und profiliertester<br />

Werber Deutschlands, hat seit vierzig Jahren ein untrügliches Gespür für<br />

Sätze, die ins Blut gehen. Zusammen mit Holger Jung gründete er 1991 die<br />

Agentur Jung von Matt in Hamburg. Seit 25 Jahren gibt es – sowohl was<br />

Auszeichnungen für Kreativität als auch für Effizienz angeht – keine erfolgreichere<br />

Agenturgruppe im deutschsprachigen Raum. Seit 2003 ist<br />

Jean-Remy von Matt Professor für Werbung an der Hochschule Wismar.<br />

107


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

HOLGER BEECK<br />

ist seit Dezember 2013 Vorstandsvorsitzender und Präsident McDonald’s<br />

Deutschland Inc. Als Assistant Manager startete Holger Beeck 1984 seine<br />

Karriere bei McDonald‘s und übernahm nach nur drei Jahren die Leitung<br />

eines Mönchengladbacher Restaurants. Die folgenden Jahre führten ihn<br />

durch die verschiedensten Bereiche der Mc-Family. Von November 2005 bis<br />

Ende 2007 verantwortete er als Vice President Development unter anderem<br />

die umfassende Modernisierung der Restaurants sowie die Umsetzung des<br />

neuen McCafé-Konzepts. Unter seiner Leitung wurden knapp 700 Restaurants<br />

mit neuen Designs ausgestattet und rund 400 McCafés eröffnet.<br />

2008 folgte die Ernennung zum Vorstand Operations, 2009 übernahm<br />

Holger Beeck die Position des Chief Operating Officers und stellvertretenden<br />

Vorstandsvorsitzenden.<br />

DR. FREDERIK G. PFERDT<br />

ist Chief Innovation Evangelist bei Google Inc. und Adjunct Professor an der<br />

d.school der Stanford Universität. Seine große Leidenschaft besteht darin, die<br />

kreative Leistungsfähigkeit eines jeden dahingehend zu entwickeln, innovativ<br />

zu denken und zu handeln; er ist der festen Überzeugung, dass Kreativität<br />

in uns allen existiert. Dr. Pferdt ist Gründer von Googles Kreativlabor „The<br />

Garage“ und Schöpfer des „Creative Skills for Innovation Laboratory“ (CSI:Lab),<br />

das Erfindergeist fördert und Hunderte neuer Ideen jährlich mit Teams von<br />

YouTube, Chrome über People Operations bis [X] hervorbringt. An der Stanford-Universität<br />

lehrt er zum Thema Innovation, Kreativität und Design und<br />

ermutigt Studierende, radikale Innovationen zu entwickeln, die das Potenzial<br />

haben, die Welt zu verbessern. Als Gastdozent an der Singularity-Universität<br />

hilft er Führungskräften, exponentiell zu denken und eine bessere Zukunft zu<br />

erfinden. Sein zukunfts weisender Ansatz zum Thema Innovations kultur wurde<br />

in über 50 relevanten Reportagen und Interviews veröffentlicht. Aktuell ist er<br />

Innovationsberater der UN.<br />

PROF. CHRISTOPHER CLARK<br />

ist Professor für Neuere Europäische Geschichte am St. Catharine’s<br />

College in Cambridge. Sein Interesse gilt besonders der deutschen und<br />

kontinentaleuropäischen Geschichte im 18. Jahrhundert. In der breiten<br />

Öffentlichkeit hat vor allem sein Bestseller „Die Schlafwandler“ über den<br />

Ausbruch des Ersten Weltkriegs, der 2013 in deutscher Übersetzung<br />

erschien, für große Aufmerksamkeit gesorgt. Für seine Arbeit wurde<br />

Clark unter anderem mit dem Wolfson Prize und dem Preis des Historischen<br />

Kollegs auszeichnet. Er ist Mitglied der Preußischen Historischen<br />

Kommission, des German Historical Institute London und der Otto-von-<br />

Bismarck-Stiftung in Friedrichsruh. 2010 wurde er zudem zum Fellow der<br />

British Academy ernannt. Einem breiteren Publikum ist Clark zudem dank<br />

seiner ZDF-Dokumenta tionen bekannt.<br />

108


55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Ludwig Erhard<br />

1949–1963 Bundesminister für Wirtschaft,<br />

1963–1966 Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland<br />

(1897–1977)<br />

109


<strong>MMM</strong>-CLUB<br />

DER CLUB<br />

<strong>MMM</strong> ist aufgrund seiner Struktur und Idee einzigartig: Der Club besteht<br />

seit 1962. Ihm gehören mehr als 580 Unternehmer und Unternehmen (mit<br />

Delegierten weit über 1.000 Mitglieder) an, darunter die führenden Persönlichkeiten<br />

der Konsumgüterwirtschaft im deutschsprachigen Raum.<br />

<strong>MMM</strong> beschäftigt sich traditionell mit den Rahmenbedingungen, in denen Wirtschaft<br />

funktioniert, und versteht sich als Protagonist eines werteorientierten, langfristig<br />

ausgerichteten Unternehmertums.<br />

Den ersten <strong>MMM</strong>-Kongress gab es 1963, seitdem findet er traditionell zu Beginn<br />

des Jahres in München statt. Er zählt zu den bedeutenden Ereignissen der Branche<br />

und ist für seine große Handelspräsenz bekannt. Die Lebensmittel Zeitung schreibt:<br />

„Die Themen sind stets gut und branchennah gewählt, niemals fehlt der Blick für<br />

das große Ganze.“<br />

Mehr zur Arbeit von <strong>MMM</strong>, weiteren Veranstaltungsformaten und zu den Mitgliedschaftsmodellen<br />

erfahren Sie im Internet unter www.mmm-club.de .<br />

„WERTVOLLES<br />

GESTALTEN“<br />

ist die Vision des <strong>MMM</strong>-Clubs.<br />

110


<strong>MMM</strong>-CLUB<br />

Verantwortlich für den 55. <strong>MMM</strong>-Kongress<br />

Das Präsidium des <strong>MMM</strong>-Clubs<br />

Präsidentin<br />

Simone Krah, <strong>MMM</strong>-Club e. V.<br />

Vizepräsidenten<br />

Michael Durach, Develey Senf & Feinkost GmbH<br />

Karl Stefan Preuß, Karl Preuß GmbH & Co.,<br />

Aufsichtsrat EDEKA Zentrale AG<br />

Ordentliche Präsidiumsmitglieder<br />

Prof. Dr. Utho Creusen, Positive Leadership<br />

Stephan DuCharme, X5 Retail Group (RU)<br />

Erich Harsch, dm-drogerie markt<br />

Markus Kaser, INTERSPAR Österreich<br />

Mariann Wenckheim, 20.20 Ltd., London (UK)<br />

Ehrenpräsidenten<br />

Gerd Kaiser<br />

Theo Werdin († 2014)<br />

Der Beirat<br />

Dr. David Bosshart, GDI Gottlieb Duttweiler Institut (CH)<br />

Prof. Dr. Michael Hüther, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e. V.<br />

Prof. Dr. Armin Nassehi, Institut für Soziologie,<br />

Ludwig-Maximilians-Universität München<br />

Redaktion<br />

<strong>MMM</strong>-Club e. V., Arthen Kommunikation GmbH<br />

Fotos<br />

Matthias Richter, Friedrichsdorf/Ts.<br />

S. 5: Shutterstock (Oleg Golovnev), New York<br />

S. 6: picture-alliance/dpa, Frankfurt<br />

Grafische Gestaltung<br />

grundmanngestaltung im Auftrag der<br />

Arthen Kommunikation GmbH, Karlsruhe<br />

Gesamtherstellung<br />

ADM – Agentur für Druckmedien GmbH, Isny/Ntb.<br />

111


<strong>MMM</strong>-CLUB<br />

Die Freiheit<br />

IST WIE DAS MEER:<br />

Die einzelnen Wogen<br />

vermögen nicht viel,<br />

ABER DIE KRAFT<br />

der Brandung<br />

ist unwiderstehlich.<br />

Václav Havel<br />

Freiheitskämpfer, ehemaliger tschechischer Präsident (1936–2011)<br />

112


<strong>MMM</strong>-Club e.V.<br />

Im Westpark 15<br />

D-35435 Wettenberg<br />

T +49 (0) 641 97442-222<br />

F +49 (0) 641 97442-224<br />

info@mmm-club.de<br />

www.mmm-club.de

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