MMM_Dokumentation_02_017
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55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />
Intensives Gespräch<br />
unter vier Augen: Harm<br />
Humburg (Ferrero, l.) und<br />
Thomas Bruch (Globus),<br />
der <strong>MMM</strong> eng verbunden<br />
ist und 18 Jahre im<br />
Präsidium die Clubarbeit<br />
mitgestaltet hat.<br />
„zitternde menschliche Wesen, gequält, hungrig, abgehärmt<br />
und verzweifelt, die auf die Ruinen ihrer Städte<br />
starren“. Die Antwort auf den Untergang der Freiheit sei<br />
die Vision der Vereinigten Staaten von Europa gewesen.<br />
Die Länder Europas sollten sich zusammenschließen,<br />
anstatt sich – befeuert von Nationalismen – gegenseitig<br />
umzubringen. „Let Europe arise“, habe Churchill<br />
betont. Thomas Roth übertrug die Lehren daraus auf<br />
die heutige Situation: „Wir brauchen die Erinnerung<br />
an das Entstehen von Freiheit aus den Trümmern. Und<br />
ich glaube, wir brauchen auch die Einfachheit dieser<br />
Sprache, die eine solche Vision, wenn sie von Freiheit<br />
spricht, entfalten kann.“<br />
Roth mahnte, die historische Lektion nicht zu vergessen:<br />
„Trotz dieser Vergangenheit und eigentlich nötigen<br />
Erinnerung werden auch bei uns die Rufe der großen<br />
Vereinfacher am rechtsextremen Ende des politischen<br />
Spektrums wieder laut und verfangen bei nicht wenigen.<br />
Bis vor Kurzem haben wir geglaubt, das hätte<br />
sich historisch erledigt. Das könnte ein Irrtum gewesen<br />
sein. Wir müssen das sehr ernst nehmen. Denn immer,<br />
wenn die großen Vereinfacher auftreten und rufen,<br />
dann geht es am Ende um die Freiheit in einer offenen<br />
Gesellschaft oder um ihr Ende.“<br />
Monster der Manipulation bedrohen Freiheit<br />
Im Folgenden befasste sich Thomas Roth mit der digitalen<br />
Revolution als Quelle tiefgreifender gesellschaftlicher<br />
Veränderungen. Diese haben – im Positiven wie<br />
im Negativen – Auswirkungen auf die Freiheit des<br />
Einzelnen und in der Gesellschaft. Als Erstes nannte<br />
er die Veränderungen am Arbeitsplatz am Beispiel der<br />
journalistischen Arbeit: Brauchte man früher für die<br />
Berichterstattung noch große Ausrüstung, könne man<br />
heute bereits mit zwei zusammengekoppelten Satellitentelefonen<br />
Fernsehbilder senden. Das erweitere<br />
die Möglichkeiten von Berichterstattung. Doch diese<br />
Entwicklung habe auch eine Kehrseite, sie stehe nämlich<br />
auch denen zur Verfügung, die kein Interesse an<br />
Freiheit und Aufklärung haben, sondern an Manipulation<br />
und Propaganda. Zum emanzipatorischen Element<br />
von Transparenz und Vernetzung, wie beispielsweise<br />
im Arabischen Frühling zu beobachten, kämen auch<br />
„Monster der Manipulation und der Bedrohung“.<br />
„Umdenken erfordert<br />
emotionale Intelligenz.“<br />
Roth hob ein Paradox der Freiheit hervor: „Nachdenken<br />
über Freiheit heißt auch, zu erkennen, dass Freiheit da<br />
gefährlich und gefährdet zugleich ist, wo sie in ihrer<br />
Freiheit nicht begrenzt wird.“ Das Thema habe die Publizistin<br />
Carolin Emcke, kürzlich mit dem Friedenspreis<br />
des Deutschen Buchhandels ausgezeichnet, in ihrem<br />
letzten Buch aufgegriffen. Roth zitierte Emcke: „Hätte<br />
mich vor einigen Jahren jemand gefragt, ob ich mir<br />
vorstellen könnte, dass jemals wieder so gesprochen<br />
werden könnte in unserer Gesellschaft, ich hätte es für<br />
ausgeschlossen gehalten. Dass der öffentliche Diskurs<br />
jemals wieder so verrohen könnte, dass so entgrenzt<br />
gegen Menschen gehetzt werden könnte, das war für<br />
mich unvorstellbar.“<br />
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