MMM_Dokumentation_02_017
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55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />
„Die soziale<br />
Marktwirtschaft<br />
muss wieder<br />
inklusiver<br />
werden.“<br />
PROF. MARCEL FRATZSCHER<br />
Präsident des Deutschen Instituts für<br />
Wirtschaftsforschung in Berlin (DIW)<br />
Prof. Marcel Fratzscher, Präsident des Deutschen<br />
Instituts für Wirtschaftsforschung in<br />
Berlin (DIW), nahm sich in seinem Vortrag der<br />
ökonomischen Seite des Freiheitsbegriffs an. Er<br />
verwies darauf, dass Rechtsruck, Extremismus<br />
und Populismus ihre Ursache in einem sozialen<br />
Konflikt, bedingt durch wachsende Ungleichheit,<br />
haben. Die soziale Marktwirtschaft funktioniere<br />
nicht mehr. Fratzscher sprach sich für eine inklusive<br />
soziale Marktwirtschaft aus, die nicht auf<br />
mehr Umverteilung, sondern auf mehr Chancen<br />
für die Menschen setzt – u. a. durch Investitionen<br />
in die Bildung, Steuergerechtigkeit sowie<br />
Stärkung der Vorsorge.<br />
Für Fratzscher sind der Rechtsruck und der wachsende<br />
Extremismus in den USA bedingt durch einen sozialen<br />
Konflikt. Fratzscher: „Die unteren 40 Prozent in den<br />
USA besitzen 0,3 Prozent. In Deutschland ist es sehr,<br />
sehr ähnlich. Die unteren 40 Prozent in Deutschland<br />
haben praktisch kein Nettovermögen.“<br />
Sechzig Millionen Amerikaner haben, so Fratzscher,<br />
Donald Trump nicht deshalb gewählt, weil sie sexistisch,<br />
rassistisch und fremdenfeindlich sind. Der<br />
Grund für seinen Erfolg sei vielmehr eine tiefe Enttäuschung<br />
darüber, dass der American Dream, der über<br />
Jahrzehnte das Grundmanifest der Amerikaner war,<br />
nicht mehr existiere. Das Versprechen des amerikanischen<br />
Traums – also mit der eigenen Hände Arbeit<br />
für sich sorgen zu können, sich etwas erarbeiten zu<br />
können, Chancen zu eröffnen –, diese Freiheit existiere<br />
nicht mehr. Und ein ganz wichtiges Element dieses<br />
amerikanischen Traums sei es, führte Fratzscher weiter<br />
aus, die Regierung draußen zu lassen, die Unabhängigkeit,<br />
die Freiheit zu haben, das zu tun und das<br />
zu lassen, was man selber will.<br />
„Die unteren 40 Prozent<br />
in Deutschland<br />
haben praktisch kein<br />
Nettovermögen.“<br />
Der Sozialstaat ist eine Illusion<br />
Fratzscher wies darauf hin, dass aus einer wirtschaftlichen<br />
Perspektive eine ungleiche Verteilung per se<br />
weder gut noch schlecht sei. Es stelle sich die Frage,<br />
was diese Verteilungsungleichheit erklärt. Ist es ein<br />
gut funktionierender Markt, in dem alle ihre Chancen<br />
und Fähigkeiten einbringen können? Oder fehlen die<br />
Freiheit, die Möglichkeit einer immer größeren Gruppe<br />
der Gesellschaft, sich einzubringen und für sich und<br />
ihre Familie sorgen zu können? Deshalb müsse man die<br />
unteren 40 Prozent betrachten; hier liege das Problem,<br />
dass immer mehr Menschen abgehängt werden.<br />
Eine Vielzahl von Indikatoren zeige, dass 40 Prozent<br />
der Amerikaner mit dem geringsten Einkommen heute<br />
eine geringere Kaufkraft, geringere Realeinkommen<br />
haben als noch vor 30, 40 Jahren. Sind diese Zahlen<br />
auf Deutschland übertragbar? Viele Menschen seien<br />
der Auffassung, dass wir in Deutschland noch keine<br />
amerikanischen Verhältnisse haben, dass die soziale<br />
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