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MMM_Dokumentation_02_017

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55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />

Das Freiheitsprojekt:<br />

Von der Bedeutung<br />

Europas und den Lehren<br />

aus der Geschichte<br />

CHRISTOPHER CLARK<br />

Professor für Neuere Europäische<br />

Geschichte am St. Catharine´s<br />

College in Cambridge, Autor<br />

Christopher Clark ist Professor für Neuere Europäische<br />

Geschichte am St. Catharine´s College<br />

in Cambridge. In der breiten Öffentlichkeit<br />

sorgte sein Bestseller „Die Schlafwandler“ über<br />

den Ausbruch des Ersten Weltkriegs für große<br />

Aufmerksamkeit. Clark legte anschaulich dar,<br />

dass wir bis dato leider zu wenig aus der Geschichte<br />

lernen. Sein Beitrag gipfelte in einem<br />

eindrücklichen Plädoyer für ein gemeinsames<br />

Europa. Die Europäische Union hält er als Friedensund<br />

Freiheitsprojekt für eine der wichtigsten<br />

Errungenschaften der jüngeren Geschichte.<br />

„Im März 2011 saß ich an einem Buch über den Ausbruch<br />

des Ersten Weltkriegs und war gerade dabei,<br />

ein Kapitel über den italienischen Angriff auf Libyen<br />

im Jahre 1911 zu schildern“, begann Christopher Clark<br />

seinen Vortrag und führte aus: „Ich hatte eben erst mit<br />

dem Schreiben dieses Kapitels begonnen, da kamen<br />

die Nachrichten von den Luftschlägen gegen Libyen.<br />

Und da sieht man: Es hat sich nicht so viel verändert<br />

zwischen 1911 und 2011.“<br />

Die Städtenamen in den Schlagzeilen seien die gewesen,<br />

die schon 1911 in den Zeitungen standen: Tripolis,<br />

Bengasi, Sirte, Darna, Tobruk, Zawiya, Misrata usw. Die<br />

Übereinstimmungen seien frappierend gewesen. „Ein<br />

Witzbold hat einmal behauptet, die Geschichte wiederholt<br />

sich nicht, es sind die Historiker, die einander<br />

wiederholen“, sagte Clark. In diesem Fall könne man sicherlich<br />

nicht von einer Wiederholung sprechen. Angreifer<br />

im Jahr 2011 sei die NATO und nicht Italien gewesen<br />

und es sei auch nicht wie 1911 um Eroberung gegangen.<br />

Der Angriff habe zu einer fatalen Destabilisierung auf<br />

dem Balkan geführt und letzten Endes 1914 den Ersten<br />

Weltkrieg ausgelöst. 2011 seien so verheerende Folgen<br />

nicht zu befürchten gewesen, auch wenn die NATO-Intervention<br />

in Libyen mit dazu beigetragen habe, das<br />

Verhältnis zwischen Wladimir Putin und seinen Kollegen<br />

in den führenden westlichen Nationen drastisch zu<br />

verschlechtern. Putin selbst beziehe sich immer wieder<br />

auf diese Episode. Durch sie sei sein Vertrauen in den<br />

Westen verloren gegangen. Christopher Clark schlussfolgerte:<br />

„Analogien zwischen 2011 und 1911 waren also<br />

durchaus erkennbar, aber sie waren viel schwächer, viel<br />

partieller, als sie beim ersten Anblick erschienen.“<br />

„Vor Anbruch der<br />

Moderne ist man<br />

davon ausgegangen,<br />

dass Geschichte<br />

typologisch verstanden<br />

werden müsse.“<br />

Die Frage sei, welche Lehre man aus solchen „gelegentlichen<br />

Resonanzen“ ziehen könne. Vor Anbruch der Moderne<br />

sei man davon ausgegangen, dass Geschichte<br />

typologisch verstanden werden müsse. Man habe angenommen,<br />

dass sich bestimmte Grundmuster regelmäßig<br />

wiederholen. Dass die Geschichte die Lehrmeisterin<br />

des Lebens sei – „historia magistra vitae“ –, sei<br />

kaum infrage gestellt worden.<br />

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