MMM_Dokumentation_02_017
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55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />
„Ökonomische<br />
Macht muss durch<br />
politische Gewalt<br />
ausbalanciert<br />
werden.“<br />
PROF. DR.<br />
RÜDIGER SAFRANSKI<br />
Philosoph, Schriftsteller,<br />
Literaturwissenschaftler<br />
Professor Dr. Rüdiger Safranski näherte sich auf<br />
dem 55. <strong>MMM</strong>-Kongress dem Freiheitsbegriff aus<br />
philosophischer Perspektive. Der Philosoph, Literaturwissenschaftler<br />
und Schriftsteller machte<br />
gleich zu Beginn deutlich: „Freiheit braucht Regeln,<br />
Einschränkungen, damit sie sich entfalten<br />
kann. Dies ist paradox.“<br />
Wie diese Einschränkungen aussehen, unter welchen<br />
Maßgaben sie akzeptabel sein können und wann sie<br />
die Demokratie gefährden – all dies waren Aspekte<br />
seiner Betrachtungen. Safranski erinnerte daran, dass<br />
Joachim Gauck in seiner letzten Rede als Bundespräsident<br />
gemahnt habe, dass Demokratie nicht nur<br />
konsumiert werden dürfe. Vielmehr müsse man sich<br />
stets ins Bewusstsein rufen, wie kostbar Demokratie<br />
ist und dass sie nur lebt, wenn man auch bereit ist,<br />
sie zu verteidigen.<br />
„Freiheit<br />
braucht Regeln,<br />
Einschränkungen,<br />
damit sie sich<br />
entfalten kann.<br />
Dies ist paradox.“<br />
Safranski ging zu Beginn auf die Frage ein, von welchen<br />
Grundideen die Freiheit bestimmt ist. Er fokussierte<br />
seinen Vortrag auf den maßgeblich nur in der<br />
europäischen Tradition verwurzelten Gedanken des<br />
Individualismus. Verschiedenheit sei – in dieser Denkweise<br />
– etwas Gutes. Es komme darauf an, sie zu begünstigen<br />
und zu entwickeln. „Mit anderen Worten: Der<br />
Sinn von Kultur, Staat und gesellschaftlichem Leben ist<br />
nicht das kollektive Gebilde als Selbstzweck, sondern<br />
die möglichst reiche und verschiedene Entwicklung<br />
der Individuen, aus denen es sich zusammensetzt. Es<br />
handelt sich also um das Prinzip des Schutzes und der<br />
Förderung des Individualismus.“<br />
Aus diesem Prinzip entsprängen die meisten normativen<br />
Ideen, welche die aufgeklärte europäische Moderne<br />
ausmachen. Dazu gehören laut Safranski Meinungsund<br />
Gewissensfreiheit, Toleranz, Gerechtigkeit und<br />
Recht auf körperliche Unversehrtheit.<br />
Liberalismus lenkt durch den Wettbewerb<br />
Das Prinzip des Individualismus ist dabei keines, das<br />
nach Aussagen des Philosophen für alle Kulturen gilt.<br />
Vielmehr sei es eine Besonderheit der europäischen<br />
bzw. abendländischen Tradition. Eine unverwechselbare<br />
Person zu werden bedeute, die eigene Freiheit als<br />
Entwicklungsmöglichkeit zu entdecken und Gebrauch<br />
davon zu machen. Kein Menschenbild sei vorgeschrieben,<br />
nur sozialverträglich sollte es sein.<br />
„Nun wäre es ja schön, wenn die Individuen friedlich<br />
nebeneinander und miteinander ihre Eigentümlichkeit<br />
entwickeln und ihren je eigenen Zwecken folgen. Aber<br />
so ist es nicht. Man müsste sehr lebensfremd sein,<br />
wenn man nicht das Entsetzliche sehen wollte, das<br />
sich Menschen antun können“, entwickelte Safranski<br />
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