MMM_Dokumentation_02_017
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55. <strong>MMM</strong>-KONGRESS<br />
V. l.: Burgis-Geschäftsführer<br />
Timo Burger,<br />
Hans-Wilhelm Schröder<br />
(DreiMeister) und Wilfried<br />
Schmidt (Dubai FZCo).<br />
Die bedrohliche Gesamtlage in Europa und der Welt<br />
stelle das Friedensprojekt EU vor neue Herausforderungen<br />
und vor neue Aufgaben. Aufgaben, denen es<br />
zurzeit nur bedingt gewachsen erscheine: Die europäische<br />
Identität sei geschwächt, durch die Finanzkrise<br />
sei das Auseinanderklaffen der Lebensstandards und<br />
der Erwartungshorizonte beschleunigt worden. Die<br />
Griechenlandkrise habe zudem ein grelles Licht auf die<br />
Fehlkonstruktion einer Währungsunion ohne politische<br />
Bodenhaftung geworfen. Der Philosoph Jürgen Habermas<br />
habe mit Recht auf die Gefahren einer Situation<br />
hingewiesen, in der man die Volksvertreter eines eurobringend<br />
gewesen, weil er nicht moralisierend auf die Untaten<br />
vermeintlicher Bösewichte fokussiert gewesen sei,<br />
sondern das ganze Spannungsgeflecht der Mächte ins<br />
Blickfeld integriert habe. Dagegen führten stark moralisierende<br />
Eins-zu-eins-Analogien wie „das moderne China<br />
gleicht Kaiser-Deutschland“, „Saddam Hussein gleicht<br />
Adolf Hitler“, „Wladimir Putin gleicht Adolf Hitler“ fast<br />
immer in die Irre, weil sie die Komplexität der Gegenwart<br />
und der Vergangenheit einfach ausblendeten.<br />
Das Licht der Geschichte erhellt die Zukunft<br />
Doch auch wenn wir aus der Geschichte weder universale<br />
Gesetze noch spezifische Lehren ableiten könnten,<br />
heiße das nicht, dass wir der Geschichte, geschweige<br />
denn der Vergangenheit, einfach den Rücken zuwenden<br />
könnten oder sollten. „Wir beziehen unsere Weisheit,<br />
insofern wir sie überhaupt besitzen, doch aus der Vergangenheit,<br />
weil wir keine andere Wahl haben, wir sind<br />
der Zukunft gegenüber blind“, sagte Clark und zitierte<br />
den englischen Dichter Samuel Taylor Coleridge: „Das<br />
Licht, welches unsere Erfahrung abgibt, ist eine Hecklaterne,<br />
die lediglich die Wellen hinter unserem Boot<br />
beleuchtet.“<br />
Welches Licht diese Hecklaterne auf die Zukunft des<br />
Freiheitsprojekts Europa werfe, stellte Clark als Frage<br />
in den Raum. Zunächst müsse man feststellen, dass<br />
es beinahe provokativ erscheine, gerade heute von der<br />
Zukunft Europas als Projekt zu sprechen. Das Wort<br />
Projekt sei in der europäischen Aufklärung entstanden<br />
und impliziere eine fortschrittliche, planende, vernunftorientierte,<br />
vorwärtsdenkende Weltauffassung, die<br />
heute vielerorts radikal angefeindet werde.<br />
In Russland und in der Türkei – beides strategisch<br />
enorm wichtige Nachbarn, sogenannte illiberale Demokratien,<br />
seien eigentlich autoritäre Ein-Mann-Regimes<br />
entstanden. In manchen Staaten würden die Institutionen<br />
der freien Zivilgesellschaft konsequent angegriffen<br />
und unterminiert. Innerhalb und außerhalb der EU desavouiere<br />
man die Werte dieser Staatengemeinschaft<br />
und greife sie systematisch an.<br />
„Die bedrohliche<br />
Gesamtlage in Europa<br />
und der Welt stellt<br />
das Friedensprojekt<br />
EU vor neue Herausforderungen<br />
und vor<br />
neue Aufgaben.“<br />
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