TE KW 09

M ENSCHEN IM GESPRÄCH
„Laninger“ Kunibert Krismer feierte seinen 80. Geburtstag
Zu diesem Anlass bat die RUNDSCHAU den Hersteller der Telfer Fasnachtsplakette zum Gespräch
In der Marktgemeinde kennt man den Telfer Kunibert Krismer
einerseits als erfolgreichen Unternehmer, andererseits aber auch
als begeisterten Fasnachter. Das weit über die Region hinaus bekannte
Schleicherlaufen ist untrennbar mit Gruppen wie den Herolden,
den Wilden, den Schleichern und den Laningern verbunden.
Letztere haben es dem pensionierten Kunstgießer besonders
angetan. Seit 1975 ist er fixer Bestandteil der Fasnachtsgruppe, die
mit ihren Auftritten an jenes fahrende Volk erinnert, das früher
als Pfannenflicker, Scherenschleifer oder Keschtnbrater durch die
Lande zog. Der Ehrenlaninger Kunibert Krismer feierte vor wenigen
Tagen seinen 80. Geburtstag und erzählt im RUNDSCHAU-
Gespräch von der Faszination der Telfer Fasnacht.
Von Wolfgang Rives
„Ich bin seit dem Jahre 1975 Mitglied
bei den Laningern. Bis in die
frühen 1970er-Jahre haben nur wir
die Fasnacht eröffnet. Die anderen
Traditionsgruppen haben sich dann
aber nach und nach dazu gesellt
und beschenken seitdem beim sogenannten
'Weisen' den Naz, eine
besondere Symbolfigur der Telfer
Fasnacht, mit kleinen Gaben. Der
weitum bekannte Naz ist das liabste
Kind der Laninger. Er wird im Fünf-
Jahres-Rhythmus unter großer Anteilnahme
der Bevölkerung jeweils
am Abend des Drei-Königs-Tages
ausgegraben. Der 'Bua' wird dabei
aus einem Kieshaufen geschaufelt
und damit wird gleichzeitig der
Auftakt der großen Fasnacht eingeleitet“,
erzählt Kunibert Krismer, der
selbst drei Mal als Gruppenführer
eine wesentliche Rolle beim Schleicherlaufen
spielte.
DIE LANINGER. EIN ENT-
WURZELTES VOLK IM KAMPF
GEGEN DIE OBRIGKEIT. Doch
wer sind eigentlich die Laninger und
was fasziniert daran so besonders?
„Die Laninger sind eine Traditionsgruppe
der Telfer Fasnacht. Telfs
war ja früher eigentlich ein richtiges
Laningerdorf. Dieses fahrende Volk
galt als freiheitsliebend und lehnte
jede staatliche Autorität ab. Die
besitzlose und arbeitsscheue Gruppierung
der Laninger stellte früher
eine Belastung für die Gemeinden
dar, weil sie nicht arbeiten und keine
Steuern zahlen wollten. Ein Teil
der Laninger ließ sich anno dazumal
in Telfs nieder, die Gemeinde musste
ungewollt für sie aufkommen. Im
Rahmen der Fasnacht wird an dieses
Volk erinnert. Neben dem Naz sind
die Muater, der Voter und die Kindsdirn
wichtige Figuren der Gruppe.
Aber auch etliche Hegl (Männer)
und Moschn (Frauen) ergänzen das
bunte Bild, wenn mit dem Karren
durch die Gemeinde gezogen wird.
Ich selbst fahre bei den Auftritten als
Kunibert Krismer (Bildmitte) übergab den Betrieb mittlerweile an seine Söhne Wolfgang
(l.) und Roland (r.). Hier wird weiterhin „Kunst gegossen“. RS-Fotos: Rives
Nale (Großmutter) mit dem Kinderwagen
herum und hüte sozusagen
die Kinder“, so Krismer.
BRONZEGUSS FÜR TELFS
UND DIE GANZE WELT. So
ausgelassen und spaßig Kunibert
Krismer die Fasnacht lebt, so ernsthaft
betrieb er über viele Jahrzehnte
seinen Kunstgussbetrieb in Telfs.
1960 eröffnete er seine Werkstatt, in
der über die Jahre hinweg unzählige
Skulpturen in Bronze gegossen
wurden. „Hauptsächlich gaben und
geben Künstler ihre Werke bei uns
in Auftrag. So hatten wir unter anderem
die Ehre, für die Künstlerin
Lotte Ranft eine Kaffeebohne mit
einer Höhe von fünf Metern und
einem Gewicht von drei Tonnen
zu gießen. Das Exponat steht nun
in der als Umschlagplatz für Kaffee
bekannten Stadt Hamburg. Darüber
hinaus lieferten wir auch eine vier
Meter hohe Mozartstatue nach Tokio
und etliche weitere Skulpturen
in alle Teile dieser Welt“, berichtet
der pensionierte Unternehmer, der
die Geschicke der Firma mittlerweile
an seine beiden Söhne Roland
und Wolfgang übergeben hat.
Doch auch im Brotberuf zeigt sich
die Leidenschaft zur Telfer Fasnacht
und schließt hierbei den berühmten
Kreis. Im Jahr 1975 erschien anlässlich
des Schleicherlaufens erstmals
eine Plakette, die bis ins Jahr 2000
vom mittlerweile verstorbenen
Künstler Martin Gundolf gestaltet
und anschließend von Krismer in
Bronze gegossen wurde. Zur nächsten
großen Fasnacht im übernächsten
Jahr wird dann schon zum
zehnten Mal ein weiteres Kunstwerk
in Plakettenform die Gießerei verlassen.
Und eines scheint jetzt schon
klar. Der Ehrenlaninger Kunibert
Krismer wird mit Sicherheit ein weiteres
Mal mit seinem „fahrenden
Volk“ durch die Gemeinde ziehen.
Die von Lotte Ranft entworfene und in
Telfs gegossene Kaffeebohne aus Bronze
wiegt mehr als drei Tonnen.
28. Februar/1. März 2018
Anlässlich des Schleicherlaufens wird
eine Plakette hergestellt. 2015 wurde
der „Naz“in den Mittelpunkt gerückt.
Kunibert Krismer (r.) auf einer alten Aufnahme. Beim traditionellen Telfer Schleicherlaufen
ist er immer in der Gruppe der Laninger anzutreffen. Früher als Moschn
(Frau), heute als Nale (Großmutter).
Fotos: Repro Wolfgang Rives
RUNDSCHAU Seite 35