E_1928_Zeitung_Nr.076
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76 - <strong>1928</strong> ÄÜTÖMOBIt-REVUC<br />
Dies und das vom Automobil.<br />
Von William N. Lass.<br />
Lord Rothermere, der englische <strong>Zeitung</strong>skönig,<br />
wird wohl bald der glückliche Besitzer<br />
des teuersten Automobils der Welt sein.<br />
Das Gestell wird aus reinem Silber bestehen,<br />
mit gehämmertem Gold eingelegt, während<br />
die Motorhaube in Goldbuchstaben die Worte<br />
aufweisen wird «Veritas vincit — die Wahrheit<br />
siegt». Dieser Wagen, der den Puls eines<br />
jeden Automobildiebes schneller schlagen<br />
Sassen wird, wird 200,000 Dollar kosten.<br />
Der Maharadscha von Patiala besitzt einen<br />
Tourenwagen, der 30,000 Dollar kostete. Er<br />
war für die Jagd auf Grosswild bestimmt,<br />
die Aussenseite geschickt der Natur angeglichen,<br />
während er zugleich mit Gewehren,<br />
wie ein Tank, gespickt war. Das Innere bestand<br />
aus Mahagoni, wobei Hebel und Griffe<br />
aus Elfenbein hergestellt waren. Der Wagen<br />
war aber tatsächlich für praktischen Gebrauch<br />
bestimmt und nicht zu Ausstellungszwecken<br />
gebaut.<br />
Die meisten Motoristen indessen interessieren<br />
sich wahrscheinlich wesentlich mehr<br />
für den billigsten, als für den teuersten Wagen.<br />
Hierzu gehört ein Wagen «Passion» genannt,<br />
der im Jahre 1915 von einem Universitätsstudenten<br />
in Columbia für 12 Dollar gekauft<br />
wurde, und der heute noch, nachdem er<br />
75,000 hinter sich hat, gut läuft. Dieses «Luxusautomobil»<br />
wurde zum grössten Teil aus<br />
Autogerümpel zusammengebaut, dann schön<br />
angemalt und dekoriert. Sein Besitzer rühmt<br />
sich 100 km pro Stunde damit fahren zu<br />
können.<br />
Von den Automobüfabrikanten wird die<br />
durchschnittliche Lebensdauer eines gewöhnlicen<br />
Wagens auf 8 Jahre angeben, aber viele<br />
Fahrzeuge, die wesentlich älter sind, strafen<br />
diese Behauptung Lügen. Bei einem kürzlichen<br />
Wettfahren alter Wagen in England wurde<br />
der Sieg von einem Panhard Modell aus dem<br />
Jahre 1893 davongetragen, das die 60 Meilen<br />
lange Strecke von London nach Brighton mit<br />
einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 29<br />
Meilen per Stunde zurücklegte. Der älteste<br />
französische Wagen, die bekannte «Antoinette»<br />
des Abbe Gavois, von ihm 1895 erworben,<br />
ging jetzt zu einem höheren als dem Kostpreis,<br />
in den Besitz eines Museums über.<br />
Jahr um Jahr, seit der Erfindung des<br />
«Pferdlosen Wagens» vor etwa 40 Jahren,<br />
hat man ständig an der yerbesserung des ursprünglichen<br />
Entwurfes gearbeitet. Es gab<br />
dampfgetriebene Wagen, elektrische Autos<br />
Die originelle Vase aus Continental-Autopneus, für die wohl jeder Automobilist beste Verwendung<br />
fände, am Zürcherkorso.<br />
und Wagen, die Holz, Späne, Kohle und Alkohol<br />
als Triebkraft verwerteten. Doch von den<br />
30 Millionen Autos, die es heute in der Welt<br />
gibt, sind fast alle nach denselben Prinzipien,<br />
die Elwood Haynes in 1893 niederlegte, gebaut<br />
worden.<br />
Das erste selbsttätig getriebene Fahrzeug,<br />
der von Richard Dudgeon 1855 erbaute «Feurige<br />
Drachen», lebt noch heute und zwar in<br />
Oyster Bay N. Y. Es ist eine seltsame Kreuzung<br />
zwischen Lokomotive und Leiterwagen,<br />
und wurde von einer Dampfmaschine milt<br />
Kohlenfeuerung 'getrieben. Seine Stundengeschwindigkeit<br />
betrug 70 Meilen, aber es .war<br />
dann unmöglich, die Steuerung zu führen. Elwood<br />
Haynes patentierte zuerst den Gasolinomotor,<br />
doch der Schmied Charles H.<br />
Black aus Indianapolis erfand gleichfalls etwa<br />
1891 ein Gasolinautomobil. Als er es beim<br />
Patentamt anmelden wollte, hatte gerade<br />
zwei Wochen vorher der deutsche Erfinder<br />
des Gasolinomators auf seine Entdeckung ein<br />
Patent genommen.<br />
Die jüngsten Entwicklungen im Automobilwesen<br />
machen sich auf dem Gebietei des<br />
Kleinwagens geltend, der besonders praktisch<br />
im Kampf gegen die zunehmende Vejrkehrsfülle<br />
ist. Einer der kleinsten Wagen ist<br />
ein deutsches Modell von torpedoähnlicher<br />
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seinen 60 Pfund an Gewicht fährt es 28 Meilen<br />
pro Stunde. Der letzte englische Zwergwagen<br />
ist der Austin. Zwei Personen können<br />
bequem darin Platz finden, wobei der<br />
Wagen 1 Meile pro Minute leistet.<br />
- Das grösste bisher entworfene Automobil<br />
ist ebenfalls die Erfindung eines Deutschen.<br />
Es ist ein gewaltiges Wüstenschiff, wie ein<br />
Ueberseedampfer ausgerüstet, fast 300 Fuss<br />
lang und 50 Fuss hoch. Dieser Wagen soll<br />
300 Gäste nebst 50 Tonnen Gepäck aufnehmen.<br />
Er wird von 250 PS Gasolinmotoren<br />
getrieben, die Räder haben einen Durchmesser<br />
von 40 Fuss, und das ganze Fahrzeug bewegt<br />
sich mit 20 Meilen pro Stunde durch<br />
den Sand. Die Inneneinrichtung besteht aus<br />
Einzelzimmern, Badestuben und Küche, ausserdem<br />
hat man ein kleines Geschütz zur Abwehr<br />
feindseliger Araberstämme oder dergl.<br />
Dieses Wagenmonstrum muss aber erst noch<br />
gebaut werden.<br />
Geschwindigkeit ist bei manchem Rennwagen<br />
derart entwickelt, dass man heute darin<br />
sogar die Flugzeuge übertrifft. Der schnellste<br />
Wagen der Welt gehört Ray Keech, der mit<br />
seinem 36-Zylinder Triplex auf Daytona<br />
Beacn über eine Strecke von 2 Meilen mit<br />
hwindigk<br />
von 207,6 Meilen pro<br />
Les selles, sieges-arriere et repose-pieds<br />
Stunde dahinfegte. Dieser Wagen besitzt<br />
drei Motore, von denen sich zwei vor und<br />
einer hinter dem Fahrer* befinden. Etwas<br />
höher als die Hinterräder befinden sich zwei<br />
weitere Reifen, also ein wenig über dem Erdboden<br />
liegend, für den Fall, dass der Wagen<br />
zu tief in den Sand einsinkt. Alsdann würden<br />
sie in Tätigkeit treten. Der Besitzer behauptet<br />
mit seinem Auto 250 Meilen per Stunde<br />
leisten zu können. Ein anderer bekannter<br />
Rennwagen gehört Major H. O. D. Segrave,<br />
der mit seinem Sunbeam einen früheren Rekord<br />
von 203,79 Meilen aufstellte.<br />
Gewisse Automobilfirmen, besonders in<br />
Deutschland, wetteifern in der Schaffung<br />
eigenartiger neuer Typen. So erschien kürzlich<br />
in Berlin ein Wagen mit zwei Vorderteilen,<br />
jedes hatte seinen eigenen Motor und<br />
eigene Steuerung. Ein anderer, sehr seltsam<br />
anzuschauender Wagen ist der Amphibienwagen,<br />
der sowohl auf dem Land, wie im<br />
Wasser Verwendung finden kann, und mit<br />
grossem Erfolg in Alaska bei einer kürzlichen<br />
Expedition gebraucht wurde.<br />
Das seltsamste Automobil aber ist von den<br />
Italienern erfunden worden, die die sogenannte<br />
«Motoruota» erbauten, ein mechanisch<br />
getriebenes Rad «Auto» besteht aus einem<br />
Riesenrad mit einem Durchmesser von ungefähr<br />
8 Fuss, dessen äusserer Rand in Rotation<br />
versetzt wird. Der Motor und der Fahrer<br />
befinden sich in der Mitte des Kreises,<br />
von wo aus die Triebskraft auf den Rand des<br />
grossen «Rades übertragen wird. Das Gewicht<br />
des Fahrers verhindert ihn am Umkippen und<br />
die Steuerung dieses Ungeheuers erfolgt<br />
durch Bewegung des Körpers nach der einen<br />
oder anderen Seite.<br />
Eine ungefähre Vorstellung von dem, was<br />
uns die Zukunft nach auf dem Gebiet des<br />
Automobilsportes bringen mag, ist mit dem<br />
durch Radiowellen gelenkten Wagen von<br />
Francis P. Houdina gegeben. Er Hess sein<br />
Radiomobil eines Tages durch Radiowellen<br />
gesteuert, die Fünfte Avenue in New York<br />
herunterfahren. Der Wagen stellte selbsttätig<br />
die verschiedenen Gänge ein, gab Gas, fuhr<br />
schneller und bremste, als ein Schutzmann<br />
pfiff. In der Tat lebte dieses Wunderwerk<br />
ein Eigenleben, und das einzige, was man<br />
vermissen konnte, wäre eine Unterhaltung mit<br />
dem Schutzmann gewesen. Doch ehe nicht<br />
der Fernsichtradio vollkommen ist, wird der<br />
Besitzer eines solchen Wagens stets in der<br />
Nähe sein müssen, um eine sichere Kontrolle<br />
ausüben zu können.<br />
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