E_1929_Zeitung_Nr.031
E_1929_Zeitung_Nr.031
E_1929_Zeitung_Nr.031
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
Rücksicht aui die finanziell prekäre Lage des<br />
Staatshaushaltes. Am Landsgemeindesonntag<br />
vom 28. April wird nun dem Volke diese Vorlage<br />
zur Qutheissung empfohlen, und wir<br />
zweifeln keinen Augenblick, dass ihr der Souverän<br />
nicht sofort zustimmen wird, dies um<br />
so mehr, nachdem Regierung und Kantonsrat<br />
von einer Erhöhung der Steuern absahen, die<br />
der Vorlage zweifelsohne zum Verhängnis<br />
geworden wäre.<br />
Das Obwaldnervolk wird sich der Einsicht<br />
vor den grossen Bedürfnissen der Zeit nicht<br />
verschliessen können, wenn auch der Ausbau<br />
der stark frequentierten interkantonalen<br />
Durchfahrtsstrasse des Brünig ein fast unerschwingliches<br />
Opfer bedeutet.<br />
Das kantonale Strassennetz umfasst 55<br />
Kilometer, wobei auf die Brünigstrasse 35<br />
Kilometer entfallen. Im letzten Jahr verausgabte<br />
man für den ordentlichen Unterhalt<br />
der Kantonsstrassen 110 000 Franken, was<br />
auf den Kilometer, inklusive der ausserordentlichen<br />
Aufwendungen für Verbesserungen,<br />
ca. 3000 Fr. ausmacht. Diese ausserordentlich<br />
hohen Verausgabungen nur für den<br />
Strassenunterhalt vermögen dennoch nicht<br />
die Tatsache von der Hand zu weisen, dass<br />
der bisherige Unterhalt doch nur Flickarbeit<br />
war und trotz der hiefür gehabten Aufwendungen<br />
dennoch nichts bleibendes und zweckmässiges<br />
geschaffen werden konnte. Teilorts,<br />
wo die Kantonsstrasse durch Gemeinden<br />
führt, hat man bereits erfolgreich mit der<br />
Asphaltierung begonnen und hiefür im letzten<br />
Jahr 55 528 Fr. verausgabt, für Staubbekämpfung<br />
allein noch 17635 Fr.<br />
Man wird darauf dringen müssen, den<br />
Strassenausbau so rasch wie möglich durchzuführen,<br />
doch immerhin im Verhältnis zu<br />
den zur Verfügung stehenden Mitteln. Das<br />
Benzinzoügeschenk hat hier stark enttäuscht,<br />
denn die 57 630 Fr. stehen in gar keinem<br />
Verhältnis zu den bereits für den Strassenunterhalt<br />
in den letzten vier Jahren verausgabten<br />
Summen. Nachdem die kantonalen<br />
Durchfahrtstaxen vom Benzinzollanteil in<br />
Abzug gebracht wurden, musste man sich<br />
mit dem zur Verfügung gestellten Betrage<br />
zufrieden geben, andererseits aber muss auch<br />
gesagt werden, dass der Verteilungsmodus<br />
zu Ungleichheiten führte, denn die ohnehin<br />
Hnanzarmen Bergkantone mit dem langen<br />
Strassennetz sind gegenüber den grossen<br />
Kantonen ganz schlecht weggekommen.<br />
Dies beweisen uns schon die nachfolgenden<br />
Zahlen, hat doch beispielsweise Baselstadt<br />
auf den Strassenkilometer 35 000 Fr., Genf<br />
17500 Fr., Tessin aber nur 1860 Fr., Obwalden<br />
1640 Fr, und Nidwaiden gar nur 770 Fr.<br />
erhalten. Künftighin soll nun der Verteilungs^<br />
rnodus geändert werden, auch kommen für<br />
uns die Durchfahrtsgebühren nicht mehr in<br />
Abzug, und dennoch lässt diese Verteilungsart<br />
zu wünschen übrig, den bei zwei Dritteln<br />
Auslagen und ein Drittel Strassenlänge kommen<br />
die kleinen Kantone wieder zu kurz;<br />
gerechter wäre allerdings die Formel: ein<br />
Zweitel Strassenlänge und ein Zweite! Auslagen.<br />
Durch den bedeutenden Ausfall der<br />
aufgehobenen Durchfahrtsgebühren erleidet<br />
der Staat eine empfindliche Einbusse und<br />
ein Ausgleich wird hier kaum je erreicht<br />
werden können.<br />
Dies rechtfertigt aber noch keineswegs eine<br />
auch nur teilweise Sistierung der bereits in<br />
Aussicht genommenen Strassenverbesserungen,<br />
noch eine Verschiebung der akuten<br />
Strassenbaufragen, denn die wirtschaftlichen<br />
Interessen schon bedingen eine rasche Verwirklichung<br />
der Strassenausbauprojekte. Obwalden<br />
ist auf Handel und Verkehr angewiesen<br />
und d'.tse wiederum auf den Autoverkehr.<br />
Man darf hier mit einem sich bedeutend<br />
steigernden Automobilverkehr rechnen, denn<br />
schon die Aufhebung der Durchfahrtstaxen<br />
berechtigt zu dieser Annahme, Die Bedeutung,<br />
die dem modernen Verkehrsmittel zukommt,<br />
darf nicht unterschätzt werden, das<br />
Auto hat sich heute zu einem wichtigen wirtschaftlichen<br />
Faktor heraufgearbeitet und man<br />
wird sich auch in Obwalden mit dieser unwiderleglichen<br />
Tatsache abfinden müssen.<br />
Anmerkung der Redaktion : Die empfindliche<br />
Einbusse des Kantons könnte leicht<br />
eingeholt werden, wenn den Kantonen nicht<br />
nur ein Viertel des Benzinzolls, sondern der<br />
ganze Benzinzoll zugehalten werden könnte.<br />
Dies bezweckt "die am 12. Mai zur Abstirrimung<br />
gelangende Strassenverkehrsinitidiive.<br />
Sie will dem Volke geben was dem Volke<br />
gehört. Sie möchte den Qebirgskantonen mit<br />
einer Tat helfen, nicht nur mit schönen Worten<br />
! Es liegt deshalb im ureigensten Interesse<br />
aller Obwaldner, der Initiative geschlossen<br />
zum Darchbruch zu verhelfen!<br />
Die Automobilfalle<br />
Frauenkappelen.<br />
Di« Automobilfalle, die im Sommer 1928 * in<br />
Frauenkappelen ihr Unwesen trieb, war weit über<br />
die Kantonsgrenzen hinaus bekannt. Weit -und<br />
breit empörte man sich berechtigter Weise über die<br />
versteckte Kontrolle der Polizeiorgane und die oft.<br />
erst nach Wochen unerwartet plötzlich zugestellten<br />
Bussenverfügungen<br />
Es ist ein Verdienst des Rechtskonsulenten der<br />
Sektion Bern des A. G S. Herrn Dr. R. v. Stürler<br />
Advokat in Bern sich dieser Kontrolle näher angenommen<br />
zu haben, für 8 Angeschuldigte hat<br />
er gegen erlassene Strafmandate Einspruch erhoben<br />
und das Gerichtsverfahren durchgeführt.. Der<br />
Erfolg war ein durchschlagender, indem von 8 Angeschuldigten<br />
6 infolge Mangelhaftigkeit der Kontrolle<br />
und des Kontrollsystems überhaupt freigesprochen<br />
worden sind. In beiden Fällen, in denen<br />
ein Freispruch nicht erfolgt ist, wurde in vollem<br />
Einverständnis mit dem erstinstanzlichen,. Richter<br />
die Appellation erklärt, um bei dieser Gelegenheit<br />
auch dem obersten kantonalen Gerichtshöfe' die<br />
Mängel dieser versteckten und ungenauen Kontrollen<br />
vor Augen t\s führen. - ••.,:.•• •"-•••J"<br />
Die polizeilichen Kontrollorgane pflegten...sich<br />
jeweils wie folgt aufzustellen: Eine elektrische<br />
Klingeleinrichtung verband vier Beobaentiiiigspoentläng<br />
aufgestellt waren; Die beiden- aiissbrkWft*<br />
Posten funktionierten als Vörwarnef, J nrtenY"si"fr *aW<br />
heranfahrenden Wagen durch zweimaliges Kingeln<br />
zu signalisieren hatten, ein Signal, das alle<br />
4 Posten hörten Die Messstrecke befand sieh zwischen<br />
den 2 innern Posten. Wenn nun der sig- ;<br />
nalisierte Wagen die Endmftrke dB?! Messstrecke<br />
überfuhr, so klingelte der dortige Posten einmal,<br />
worauf alle 4 Posten ihre Stoppuhren in Bewegung<br />
setzten. Durchfuhr dann der Wagen die andere<br />
Endmarke der Strecke wo sich det zweite innere<br />
Posten befand, so gab dieser wiederum durch klingeln<br />
das Zeichen zum Abstoppen der Uhren. Die<br />
zwischen den beiden innern Posten befindliche,<br />
Mesastrecke betrug 213. Meter. Die..eine Endmarke<br />
bestand in einem Mauerende mit Markstein am<br />
jenseitigen Strassenrande. auf den der hinter<br />
einem Scheunentor versteckte, durch einen SpaH<br />
AirrOMOBn.-RFvt/E 1029 - 31<br />
hinäusschauende Kontrollposten unter einem Winkel<br />
von 20° beobachtete, so dass schon allein aus<br />
dieser schiefen Beobachtung eine Verkürzung der<br />
Messstrecke von 10 Mr.ter oder ein Messfehler von<br />
ö% zu ungunsten der Automobilisten resultierte.<br />
Der andere Kontrollposten, ca. 15 Meter von der<br />
Strässe entfernt, beobachtete' hinter einem MisU<br />
naufen hervor, zudem noch von unten hinauf auf<br />
eine Linie auf der Strasse, welche den Steinpflasterbelag<br />
vom Teerschotterbfclag trennte! Die Grosse des<br />
durch diese Beobachtung hervorgerufenen Messfehlers<br />
war überhaupt zahlenmässig nicht festzustellen.<br />
Die Messstrecke befand sich am Dorfausiang,<br />
direkt voi Beginn der offenen Strecke, d. h.<br />
an einer Stelle wo jeder nicht besonders ortskundige<br />
Fahrer glauben musste, auf offener Strecke<br />
zu'.sein Die Kontrollorgane waren — trotz der<br />
Behauptungen des kantonalen .Polizeidirektors, die<br />
Kontrollen würden durch Polizisten in Uniform<br />
ausgeführt — in Zivil.<br />
-Seitens des Verteidigers war beim erstinstanzlichen<br />
Richter eine Expertise über die Genauigkeit<br />
des Messverfahrens verlangt worden. Die vom<br />
Kantonsgeometer, Herrn Hünerwadel, vorgenommenen<br />
umfassenden Untersuchungen betr Reaktionszeiten<br />
der einzelnen Beobachter ergaben zum<br />
Teil ganz .erhebliche Fehlerquellen. Dass diese<br />
Fehlerquellen mU der. Kompliziertheit des Verfahrens<br />
und mit der. Zahl der Kontrollorgane beständig<br />
.wachsen, ist ohne weiteres klar, denn je mehr<br />
Augen, Hände und Ohien jedesmal in Bewegung<br />
gesetzt werden müssen, desto grösser eben jedesmal<br />
die Möglichkeit Vor Fehlern, die sich notwendigerweise<br />
zu Ungunsten des Automobilisten verr<br />
grössern müssen, indem jede kleine Verzögerung<br />
des einzelnen Kontrollorgane« die Sekundenzahl —-<br />
auf, die Messstrecke bezogen — zu Ungunsten des<br />
Automobilisten verkleinert, d. h. einer Verkürzung<br />
der Messstrecke gleichkommen.<br />
r<br />
Die Tatsache, dass mit 4 Beobachtern und<br />
4 Uhren gleichzeitig gearbeitet, resp. kontrolliert<br />
wird, berechtigt nun aber keineswegs etwa zu der<br />
Annahme, als ob es sich dabei um 4 von einander<br />
unabhängige Messungen handeln würde. Diese<br />
Schlussfolgerung wäre absolut falsch Wohl werden<br />
4 verschiedene Zeitmessungen erhalten. Diese<br />
basieren aber alle auf ein und denselben Beobachtungen<br />
und Klingelzeichen, d h. es handelt sich<br />
um eine einzige Messung Der Kantonsgeometer<br />
ist nach langen und eingehenden praktischen Versuchen<br />
zum Schlüsse gelangt, dass das in Frauenkappelen<br />
monatelang zur Anwendung gelangte geheime<br />
Kontrollsystem, da3 übrigens auch von fast<br />
allen andern geheimen Kontrollen angewendst wird,<br />
Fehlerquellen von mindestens 30% in sich<br />
schliesst, ohne dass etwa Gewähr dafür bestehen<br />
w'ürde/dass die Fehlerquelle nicht gegebenenfalls<br />
noch ganz erheblich grösser ist<br />
Die beste. Gewähr, die Genauigkeit der Kontrollmessungen<br />
zu heben und die Wahrscheinlichkeit<br />
von Fehlermessüngen zu vermindern, würde ein.<br />
mal in der Verlängerung der Messstrecke liegen.<br />
Bei gleichbleibenden Messungssicherheiten würden<br />
damit die effektiv zu erwartenden Fehler geringer.<br />
Eine weitere, noch weit wirksamere Verbesserung<br />
der Genauigkeit könnte erreicht werden, wenn die<br />
Messungen derart angeordnet würden, dass mindestens'<br />
zwei, oder drei voneinander unabhängige<br />
Messungen, die auf unabhängig voneinander gerr<br />
achten .Beobachtungen beruhen, gemacht würden.<br />
^Sobald es sich darum handelt, auf Grund von<br />
Messungen oder Angaben von Polizeiörgänen die<br />
Pührer-i^ "MotDTftfhrafeug'eii; vÖr~üericht zursfellen,<br />
zu verurteilen oder freizusprechen, 'so darf dies<br />
alChl!rilclfi5lingeT i wel8¥'nW"WürUfünd'Von' : Messungen<br />
geschehen, die eine absolute Garantie für deren<br />
Richtigkeit bisten und grössere oder kleinere Fehlerquellen,<br />
d. h. eine Fehlerquelle von Anfang an<br />
ausschße'.sen Diese Gewähr ist aber nur gegeben<br />
durch mehrere voneinander unabhängige, gestützt<br />
auf unabhängige Beobachtungen gemachte Messungen<br />
Solche Messverfahren und Apparate bestehen,<br />
sie brauchten bloss in Anwendung gebracht zu werden<br />
1 Solange dies nicht der Fall ist. wird die Beurteilung<br />
für den Richter immer eine schwierige<br />
Aufgabe sein, denn es fehlt ihm die absolute Sicherheit,<br />
sein Urteil.,auf unumstössliche Tatsachen zu<br />
basieren.<br />
Gestützt auf das vom Kantonsgeometer abgegebene<br />
Gutachten nahm der Richter eine Fehlerquelle<br />
von 30% zugunsten der Angeschuldigten an.<br />
In den- beiden Fällen, In denen eine Verurteilung<br />
erfolgte, genügte die angenommene Fehlerquelle von<br />
30% nicht, um die gemessene Geschwindigkeit auf<br />
das gesetzliche MMR ZU reduzieren. Dagegen sprach,<br />
der Richter selbst den Wunsch aus. es möchte doch<br />
die Appellation erklärt werden, damit einmal auch,<br />
höhern Orts zu dem heute angewendeten, mit einer<br />
Menge von Fehlern und Fehlerquellen behafteten<br />
Kontrollsystem grundsätzlich Stellung genommen<br />
werden müsste.<br />
Wir sind überdies- überzeugt, dass nicht suletzt<br />
auch die Polizeiorgane, denen die Durchführung<br />
derartiger versteckter Kontrollen seitens ihrer Oberbehörde<br />
zugemutet wird, eine Aufhebung dieser<br />
heimlichen, mit ungeeigneten Instrumenten durchgeführten,<br />
ungenauen Kontrollen be^rüßsen werden.<br />
Es isi dem Stand und der Würde unstres bernischen<br />
Polizeikorps unwürdig, wenn von ihm verlangt<br />
wird, dass es. wie Landstreicher hinter Büschen,<br />
Scheunentoren und Misthaufen versteckt, den<br />
Automobilisten aufpassen soll, um diese, ohne dass<br />
sie sich irgendwie nur 7u der Anzeige aussern<br />
könnten, heimlich und ohne sich zu erkennen TU geben,<br />
dem Richter zu überweisen. Es ist das an unsere<br />
Polizeiorgane seitens der Oberbehörden gestellt« Ansinnen<br />
— wir wiederholen es — eine Zumutung<br />
den Männern gegenüber, wis sie das bernische Polizeikörps<br />
glücklicherweise srösstenteils enthält nn»<br />
würdig, ihr Ansehen herabmindernd und im höchsten<br />
Grade entehrend und unschicklich- •<br />
f Lord Montague of Beaulieu. Im Alter<br />
von 60 Jahren ist nach langer Krankheit der<br />
Präses des englischen Automobilclubs, Lord.<br />
Montague of Beaulieu, gestorben. Als Oxford-Student<br />
war er Schlagmann der siegreichen<br />
Rudermannschaft des Jahres 1887.<br />
Dann bereiste er als Ingenieur die halbe<br />
Erde, gründete und redigierte die bekannt«<br />
Auto-<strong>Zeitung</strong> «The Autocar» und hat als<br />
Gründer des Königlichen Automobile] ubs und<br />
Oberhausmitglied sich führend an der fortschrittlichen<br />
Ausbildung der Automobilgesetzgebung<br />
und der besonders von Lloyd George<br />
gepflegten grosszügigen Wegebaupolitik beteiligt.<br />
SPORTLICHES<br />
Neue Weltrekorde. Der Engländer Kay<br />
Don hat mit einem Sunbeam-Fünfliter-Wagen<br />
im Autodrom von Brooklands den 5-, 10- und<br />
50-km-Rekord gebrochen, und zwar mit folgenden<br />
Stundenmitteln :<br />
5 km in 209,870 km, 10 km in 209,430 tan,<br />
50 km in 198,420 km.<br />
Königsal-Jilowltsch-Rennen. Für das am<br />
28. April stattfindende Internationale Automobilrennen<br />
bei Prag haben sich neben Caracciola<br />
(Mercedes-Benz), Neugebauer-Brieg<br />
(Meroedes-Benz), Macher (D.K.W.), Hirth.<br />
(Mercedes-Benz), und ein Hanomag gemeldet<br />
: . .<br />
für das italienische Mille MitUa-Rennen<br />
isi die Nennungszahl 100 bereitsr Überschritten<br />
worden. Das gigantische Ueberlandrennen<br />
wird, alle grossen Rennfahrer der Halbinsel<br />
am Starte sehen. Die über 1670 km führende<br />
Strecke ist folgende :<br />
Brescia, Parma, Bologna, Futa-Paas, Florenz,<br />
Siena, Viterbo. Rom, Civita Castellana. Terni. Perugia,<br />
Macerata, Ancona, Bologna, Rovijfo, Padu»,<br />
Trevisa, Feltre, Primolano, Vicensa, .Verona,<br />
Brescia.<br />
Der Tag des Austrages (13.-14. April) wird<br />
in der italienischen Presse als Qrosstag nationalen<br />
Automobilsportes bezeichnet Die<br />
Veranstaltung, die vom Autocnobilclub von<br />
Brescia organisiert wird, steht unter dem<br />
unter die Räder. Triumphal dröhnte das<br />
Poltern des Zuges. Er hatte sie übertahren!<br />
Und doch nicht. Schon schob sich vor der<br />
Lokomotive ein seltsamer Rumpf hin und<br />
flatterte mit zwei Tüchern! Der Wind riss<br />
an ihnen. Die Schienen ächzten auf der ganzen<br />
Länge des Zuges. Es tanzte im Dunst —<br />
wie auf einer Schnur aufgehängt — ein ungeheurer<br />
und verkrüppelter Bajazzo. Ein<br />
Bajazzo-Gespenst.<br />
Maschinist und Heizer schauten — von der<br />
Höhe der Lokomotive — mit bewusstlosen<br />
Augen auf ihren unsachlichen, furchtbaren<br />
Traum ... Blind war nur das Rasen des<br />
Zuges! Blind und gleichgültig die Drehungen<br />
der Räder!<br />
Im gespenstischen Schein der Scheinwerfer<br />
blähte sich auf der graublauen Filmleinwand<br />
eine ungeheuerliche Maske. Sie barst. Riesige<br />
Windmühlenflügel rotierten vor der Lokomotive.<br />
Immer rascher — immer rascher.<br />
Sie flössen mit dem Hintergründe zusammen.<br />
Nebel. Man sah nichts mehr.<br />
Der Zug keuchte schwer. Er lief in die<br />
Nacht mit der langen Lawine der Wagen.<br />
— Ein Geist .. — stotterte der nur noch<br />
halblebcndige Heizer.<br />
Der Maschinist machte eine unentschlossene<br />
Geste. Regungslos blieben sie auf der<br />
Stelle stehen. Wie dieser Zug zittert ...<br />
Plötzlich rückte Andreas Bryla ab.<br />
Einige Meter vor der dahinfliegenden Lokomotive<br />
wuchs aus dem schwarzen Graben<br />
ein hageres Gespenst mit erhobenen Armen.<br />
Es hing einen Augenblick lang schräg. Dann<br />
drängte es gewaltsam unter die Räder des<br />
Zuges! Heizer und Maschinist standen still,<br />
wie versteinert. Dann stürzten sie gleichzeitig<br />
an den Hebel.<br />
Der Zug wankte.<br />
Gegendampf! Krachen und Knirschen aller<br />
Wagen. Die Räder begannen sich mit furchtbarem<br />
Gewimmer rückwärts zu drehen. Noch<br />
lief die Lokomotive vorwärts. Aber es war<br />
das Laufen des zu Tode getroffenen Ungeheuers.<br />
Mit jeder Sekunde zerbrach der<br />
furchtbare Impetus des Eisens ...<br />
Schliesslich siegte der kleine, schwarze<br />
Maschinist.<br />
Der Zug stand still. Einige Meter vor der<br />
Lokomotive stand das Gespenst und kreuzte<br />
die Arme.<br />
Der Zug stand inmitten eines totenstillen<br />
Feldes.<br />
— Ich werde hingehen! — Hess sich eine<br />
junge Stimme aus einer kleinen Schar von<br />
Reisenden vernehmen, die sich neben der<br />
Lokomotive zusammengeballt hatte. Manch<br />
einer blickte hinter sich, auf die Linie der<br />
schweigenden Wagen.<br />
In den leeren, von den Scheinwerfern beleuchteten<br />
Raum, trat ein junger Mensch. Ei<br />
begann auf das im Dunst hängende Gespenst<br />
loszugehen. Aus dem schweigenden Kreise<br />
der Reisenden fiel ein kurzer, erstickter<br />
Schrei. Die Gestalt des Wagehalses verschwamm<br />
bereits inmitten des vom stumpfen<br />
Schein beleuchteten Nebels. Schon war er am<br />
Rande des beleuchteten Raums. Dahinter lag<br />
die Nacht.<br />
— Es ist niemand da! —Die bei der Lokomotive<br />
Stehenden hörten die gedämpften:<br />
Worte. Die Gestalt des Sprechers verschwand<br />
aus den Augen der Reisenden. An<br />
der Stelle, wo er verschwunden war, ragte<br />
die Erscheinung regungslos in die Höhe. Unfassbar!<br />
Endlos larnre Minuten schleppten sich dahin,<br />
angefüllt vom Aechzen der Lokomotive<br />
Immer stärker zog sich der unsichtbare Gürtel<br />
der Angst zusammen. Aus der Tiefe der<br />
schrecklichen Nacht schlichen sich Schritte<br />
heran ...<br />
Der junge Reisende kehrte nicht zurück.<br />
Das Warten wurde unerträglich.<br />
— Gehen wir — schrie man in der Masse.<br />
Da stiess der bisher regungslose Schatten<br />
riesige Konturen in den Raum. Panik warf<br />
die Menschen zur Erde.<br />
Ein einzelner, hysterischer Schrei. Auch er<br />
verstummte.<br />
Stille.<br />
Plötzlich knirschte der Kies unter raschen<br />
Schritten.<br />
— Die Brücke ist auf den Geleisen durchbrochen!<br />
...<br />
Aus dem Schatten löste sich die Gestalt<br />
eines Menschen.<br />
Die Menschenmasse drängte vorwärts.<br />
Stimmen sprudelten los. Die ängstliche Verwirrung,<br />
beherrschte eine kräftige, aber zitternde<br />
Stimme:<br />
— Unweit von hier befindet sich ein Fluss.<br />
Eine tiefe Schlucht. Man hört das Rauschen<br />
des Wassers. Die Hälfte der Brücke ist<br />
durchgebrochen! ... Welcher Zufäll! Noch<br />
eine Minute. Fahrt ...<br />
Der junge Mensch schwieg. "Niemand antwortete.<br />
Tiefe Stille entstand, während deren<br />
jeder einen Augenblick lang im Innern das<br />
furchtbare-Krachen der in den Abgrund der<br />
wilden Schlucht stürzenden Wagen erlebte...<br />
In die Stille drang abermals ein Schrei.<br />
Dann herrschte wiederum Schweigen.<br />
Tief auf der Erde lastete das Echo der unenträtselten<br />
Nacht ... Ihre riesigen Flügel<br />
flatterten über der menschlichen Masse.<br />
Im Nebeldunst schwankte das Gespenst.<br />
Der geheimnisvolle Schatten wurde immer<br />
ungeheuerlicher ...<br />
Die Stille drang durch die Menschen ..<br />
Sie nahm die Gestalt von etwas Unbekann<br />
tem an<br />
Plötzlich fiel ein Laut des Erstaunens. Die<br />
Menschen erzitterten.<br />
Ich hab's, schrie einer der Reisenden, der<br />
sich über den Scheinwerfer an der Lokomotive<br />
beugte. — Das Rätsel ist gelöst! Aller<br />
Augen richteten sich auf den schreienden<br />
Menschen.<br />
Schaut her! — schrie der Reisende. Er<br />
streckte die Hände aus.<br />
Hinter dem Glas des Scheinwerfers flatterte<br />
— durch einen seltsamen Zufall verirrt<br />
— ein Nachtfalter! Er hieb mit den<br />
Flügeln an die Scheibe. Der Schatten dieser<br />
Flügel fiel, ins Ungeheuerliche gesteigert, auf<br />
die Nebelfilmwand.<br />
Lärm des Erstaunens erhob sich — und<br />
erstarrte plötzlich.<br />
Der Maschinist! Wo ist der Maschinist?<br />
... — Hess sich jemand vernehmen.<br />
Andreas Bryla stand ein wenig abseits von<br />
der Lokomotive. Abgeborstene, seitliche<br />
Lichtstrahlen fielen direkt in sein Antlitz.<br />
Das war eine aschfahle, von der Grimasse<br />
ungeheuerlicher Angst verzerrte Maske.<br />
Ein Falter ...<br />
Der leblose Blick schweifte über die zu<br />
Tode erschrockenen Gesichter der Reisenden<br />
— blickte auf den nun regungslosen Rumpf<br />
der Lokomotive — und das Auge bohrte sich<br />
plötzlich in die Nacht. Er sah den hunderte<br />
von Kilometer zurücklegenden Zug. der nun<br />
plötzlich über dem Abgrund Halt gemacht<br />
hatte.<br />
Wer hatte das Signal gestellt ?<br />
Wenn es ein Mensch nicht vorausgesehen<br />
und berechnet hatte — ...?<br />
Andreas Bryla erzitterte.<br />
Vom fernen und unbegreiflichen Ufer der<br />
Nacht brachte das Echo das Stöhnen des Ermordeten.<br />
Der Mörder war geflohen. Niemand<br />
hatte es gesehen!<br />
Jetzt — in einem einzigen Erzittern des<br />
Herzens — zerfloss seine Sicherheit ...<br />
Zum erstenmal seit vielen, vielleicht 0M*ezählten<br />
Jahren erschrak Andreas Bryla vor<br />
dem Blick — Gottes.