E_1929_Zeitung_Nr.082
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u AUTOMOBIL-REVUE <strong>1929</strong>— N r 82<br />
sacher, müssen uns aber damit abfinden, solange<br />
der Luftweg nicht zum Gemeingut geworden<br />
ist. Immerhin lässt sich der erfahrene<br />
Weltmann durch derartige unangenehme<br />
Zufälle nicht alterieren, denn auf jeder<br />
cinigermassen ordentlichen Strasse finden<br />
sich Ausweichgeleise.<br />
Der Normalfall ist der, wo der Mensch<br />
allein auf der Strasse wandelt; geht er zu<br />
zweit, so ist er entweder verlobt, verheiratet,<br />
verhaftet oder betrunken. Sammeln sich viele<br />
Leute an, so ist entweder ein Pferd umgefallen<br />
oder es ist eine öffentliche Volksversammlung.<br />
Leute, welche die Strasse messen, heissen<br />
Katastergeometer und stehen mit ihr auf<br />
gespanntem Fusse. Wehe dir, Balthasar<br />
(Kaudel), wenn du in später Abendstunde mit<br />
unsicherem Gang zu Hause eintriffst; eine<br />
geharnischte Gardinenpredigt harrt deiner.<br />
Diesmal hättest du der Eingebung, auf die<br />
Strasse zu gehen, widerstehen sollen!...<br />
Berlin badet. . .<br />
Eine Leserin schickt uns aus dem Ausland<br />
folgende amüsante Skizze :<br />
«Auf den Sonntag freu''ick mir...» —<br />
denn da geht jeder Berliner, der die paar<br />
Groschen auftreiben kann, mit seiner Familie<br />
hinaus ins Grüne, und (gar bei dieser Hitze,<br />
da wird natürlich gebadet! Gelegenheit ist<br />
Da wären wir auch wieder beim Baden<br />
angelangt. Am allerherrlichsten ist es wirklich,<br />
wenn man so richtig mit den Sturmzeuges.<br />
Nun, es war ein Grammophon! Ausgezeichnet,<br />
übrigens. In dem Grammophon<br />
befand sich eine Platte.<br />
Eine einzige Grammophonplatte, verstehen<br />
Sie wohl, kein Dutzend Platten, sondern<br />
eine. Da ich mich nicht mehr mit einer<br />
Menge von Dingen zu beschäftigen hatte,<br />
die den Gebrauch einer Uhr bedingen, so<br />
drehte ich das Grammophon auf... Oh,<br />
diese Stimme, meine lieben Freunde, diese<br />
Stimme auf der verlassenen Insel, unter den<br />
blühenden Kokospalmen...<br />
Oh, wiege uns — wiege uns in deinen Armen<br />
!» Tagelang, Monde, Jahre, fünf<br />
Jahre! Stunde für Stunde! Entsetzlich!»<br />
«Aber Turney, es wäre doch so einfach gewesen,<br />
das Grammophon nicht aufzudrehen.»<br />
«Sie können ebensogut zu einem Chinesen<br />
sagen: Sauge nicht mehr an deinem Bambusrohr;<br />
oder zu einem Morphinisten: Nimm<br />
keine Spritze mehr. Je wütender ich war,<br />
desto mehr drehte ich die unzerbrechliche<br />
genügend da: Zum Wannsee, Tegelsee,<br />
Stölpkensee, Müggelsee und wie alle die kleinen<br />
und grossen Verbreiterungen der Havel<br />
heissen, strömen die Scharen aus dem «steinernen<br />
Meer», um sich in muntere Süsswasserfische<br />
zu verwandeln. Na, süss ist das<br />
Wasser ja eigentlich nicht, aber doch recht<br />
«gehaltvoll» — namentlich am Sonntagabend,<br />
z.B. im Wannseebad, wo sich den Tag durch<br />
75,000 Menschen in den Wellen tummelten !<br />
An einem heissen Sonntag kann man sich<br />
dort auf dem weiten, herrlichen Sandstrand<br />
nicht setzen, ohne mit dem Nachbar in Konflikt<br />
zu kommen; man steht eben, wenn man<br />
gerade nicht schwimmt. Aehnlich geht es einem<br />
in den übrigen «Freibädern» (so heissen<br />
sie bloss, weil sie im Freien sind, nicht<br />
etwa, weil der Eintritt frei ist; so gut haben<br />
wir's wohl nur in Bern). Viele ziehen aber<br />
die poetische Stille eines Schilfdickichts oder<br />
eines einsamen Sandufers am Waldrand der<br />
«Masse Mensch» vor, und so sind bald die<br />
ganzen Ufer umsäumt von badenden, abkochenden,<br />
grammophonspielenden, photoigraphierenden<br />
und photographiertwerdenden<br />
Familien. Die meisten sind im Boot gekommen:<br />
die einen im rassigen Motorboot, die<br />
andern im Ruderkahn, aber am allerhäufigsten<br />
sind die Paddler, die zu Hunderten herumgondeln,<br />
zum Aergernis der vornehmern<br />
Motor-, Segel- und Dampfboote, denen sie<br />
dauernd in den Weg kommen und obendrein<br />
noch von ihren Wellen profitieren. Dafür<br />
werden sie auch von den Besitzern eines<br />
«vernünftigen Bootes» mit der den «Proletariern<br />
der Schiffahrt» gebührenden Verachtung<br />
behandelt — wie kann man auch nur<br />
sein Boot auf dem Rücken heimtragen, lächerlich!<br />
Nichtsdestoweniger vergnügt sich<br />
so ein Faltbootfahrer königlich in seinem anspruchslosen<br />
Kahn, und am meisten freut er<br />
sich, wenn so ein eingebildeter Ratterkasten<br />
mit Motorpanne hilflos mitten auf dem See<br />
liegt und wartet, bis man ihn abschleppt,<br />
oder wenn abends die stolzen, eleganten Segelschiffe<br />
bei völliger Windstille heimgerudert<br />
werden müssen — das geht bei ihm<br />
schon leichter! Und überhaupt, segeln! Das<br />
kann der Paddler auch: er steckt seinen<br />
Mast an den Bug und hisst sein Segel, und<br />
ist der Wind gut, so kommt er dabei wunderschön<br />
vorwärts. Doch der Wind ist launisch<br />
auf den Berliner Gewässern: alle Augenblicke<br />
springt er um, unverhofft, besonders<br />
abends, legt er sich völlig oder er erhebt<br />
sich zu ganz gehöriger Stärke, ja zum<br />
Sturm und bläst im Nu die Segelboote um,<br />
die nicht mehr Zeit hatten, die Segel einzuholen.<br />
Dann gibt es auch tüchtige Wellen<br />
mit schneeweissen Schaumkronen — was für<br />
ein Spass für den Faltböötler und den guten<br />
Schwimmer!<br />
Maschine auf. Hingeworfen auf den Sand,<br />
schwor ich, Fräulein Pioupiotte den Erwürgungstod.<br />
Nach einer schlaflosen Nacht entschloss<br />
ich mich eines Morgens zur Sühne:<br />
Als Pioupiotte zum zweitausendsten Male<br />
den Ozean anflehte, sie zu wiegen, schleuderte<br />
ich sie mit einem Fusstritt in sein©<br />
«weissen Arme».<br />
Jetzt wähnte ich, auf immerdar befreit zu<br />
ufern ausverkauft ist. Im Freibad Wannsee<br />
steht ein grosser Turm, der nur einen Ofen<br />
zur Verbrennung der vielen Zentner täglichen<br />
Papierabfalls enthält. Durch die Menge<br />
der Badenden winden sich 'Männer in abenteuerlichem<br />
Aufzug, mit grossen Sombreros<br />
und andern absonderlichen Kleidungsstücken<br />
behaftet; über die Schulter haben sie sich<br />
eine Stange gelegt, an deren Enden je ein<br />
ter Dichtern ergeben, von denen ungefähr<br />
grosser Kessel hängt. Diese Männer schreien<br />
vierzig Prozent angaben, dass ihnen im<br />
beständig in singendem Tone: «Saure Guuurken,<br />
saure Guuurkenbrüüüh !» Immer sind<br />
Schlafe oft gute, wenn nicht die besten Ge-,<br />
danken einfielen. Der englische Staatsmann<br />
sie von Kauflustigen umringt, wie auch der<br />
Melbourne behauptete : « Wer mehr als sechs<br />
Obstmann mit seinem Korb: «Pflaumen, Birnen,<br />
Trauben... und ausgerechnet Bana-<br />
Stunden Schlaf braucht, ist nicht wert, dass<br />
er die andern achtzehn Stunden lebt.» Dass<br />
nen!». Diese Leute gehören ebenso zum<br />
kleine Kinder mehr Schlaf brauchen als alto<br />
Strandbadbetrieb wie der Photograph, die<br />
und gar steinalte Leutchen, das ist jedem<br />
Strandkörbe und die Wasserrutschbahn.<br />
bekannt. Aber es gibt auch dabei extreme<br />
Draussen aber, bei den abgrenzenden Bojen,<br />
Fälle; so weiss man von sechzig- und siebzigjährigen<br />
Leuten, dass sie vierzehn bis sieb-<br />
kreuzen die. sieben Sanitätsboote, um Ertrinkende<br />
zu retten. .Trotzdem fordert jeder<br />
heisse Sonntag in Berlin acht bis zehn<br />
Was tischt Ihr mir auf, Ihr Un-Menschenleben, denn allzuviele sind noch<br />
sein<br />
glücklichen, kaum dass ich gelandet bin,<br />
noch ehe ich mit der Veröffentlichung meiner<br />
Arbeiten über die Kaffern begonnen habe!<br />
Wen, zum Teufel: Fräulein Pioupiotte! Sie<br />
verstehen, dass die Gelegenheit zu günstig<br />
war, sie zum zweiten Mal in die «milchweissen<br />
Arme» zurückzuschicken. Ich hoffe,<br />
sie wird diesmal nicht mehr daraus zurückkehren.»<br />
«Sie wird sich mit einem steifen Hals aus<br />
der Geschichte ziehen», sagte ich ihm.<br />
Da senkte Marc Turney leise den Kopf<br />
und verschied.<br />
wellen kämpfen, bald siegreich auf dem<br />
Kamme thronen, bald im Tale versinken<br />
kann! Das stärkt und erfrischt! Wonnig ist es<br />
natürlich auch, sich auf einem Gummipolster<br />
(ein alter Autoschlauch tut den Dienst auch!)<br />
von den Wogen schaukeln und von derBeantwortung ist indes sehr schwierig. Es<br />
Sonne braten zu lassen; dabei kann nian so gibt z. B. geistige Arbeiter, die brauchen<br />
schön die prächtige Aussicht über den mitzehn und elf Stunden Schlaf, um erfrischt zu<br />
weissen Segeln geschmückten See mit denwerden, während andere nicht mehr als sechs<br />
Schilfufern und der dunkelgrünen Kiefernwaldumrandung<br />
geniessen oder in den blauen<br />
Himmel hinaufstaunen, wo ab und zu eine<br />
Möve silbern aufblitzt oder ein Raubvogel<br />
kreist, der es auf die Taucher und Blässhühner<br />
abgesehen hat, die beschaulich fischen<br />
oder ihre Jungen vor das Schilf spazieren<br />
führen.<br />
Doch der Berliner hat nicht allzuviel Sinn<br />
für's Poetische; auch kann er ohne seine <strong>Zeitung</strong><br />
kaum einen Tag auskommen. Das weiss<br />
das «Berliner Tageblatt» und hält sich darum<br />
ein eigenes Motorboot, das von Badeplatz<br />
zu Badeplatz fährt und den braungebrannten<br />
Wilden die neuesten Nachrichten der Weit<br />
für zehn Pfennige überbringt. Ebenso blüht<br />
natürlich in diesen Hundstagen ein schwungvoller<br />
Handel zur See mit Eiswaffeln, Eiskrehm<br />
(so wird es dort geschrieben) und<br />
Schokoladeneis; mit lautem Jubel wird überall<br />
das flinke Boot mit dem grossen Eiskasten<br />
begrüsst, und in kurzem ist es, wie Paul<br />
Simmel sagt: Das Volk starrt in Waffeln!<br />
Ueberhaupt, gefuttert wird dauernd: in der<br />
Gartenwirtschaft, wo es heisst: «Hier können<br />
Familien Kaffee kochen» mit mitgebrachten<br />
Stullen und in den vornehmen Restaurants<br />
bei Kaffee und Kuchen, der nach fünf<br />
Uhr in sämtlichen Wirtschaften an den See-<br />
des Schwimmens unkundig urfd begeben sich<br />
unvorsichtig ins Wasser. Die Jugend aber<br />
lernt jetzt schon in den ersten Schuljahren<br />
sich frei im Wasser zu tummeln. In welcher<br />
Grossstadt wäre auch dazu so herrlich Gelegenheit<br />
wie in Berlin mit seinem prächtigen<br />
Seenkranz? Tr. G.<br />
«Vater, man sagt doch, wir seien auf der<br />
Welt, um den anderen zu helfen?»<br />
«Jawohl, mein Junge, das sind wir auch.»<br />
«Aber wozu sind dann die anderen da?»<br />
Wie viel Schlaf braucht<br />
der Mensch ?<br />
Das ist eine nicht unwichtige Frage. Die<br />
oder höchstens sieben Stunden schlafen dürfen,<br />
um nicht durch zuviel Schlaf faul und<br />
bequem, also wieder müde zu werden. Tatsächlich,<br />
es ist möglich, durch zuviel Schlafen<br />
müde zu werden! Das kann jeder feststellen<br />
und versuchen, er braucht nur einmal<br />
eine Zeitlang täglich zwei Stunden länger zu<br />
ruhen als sonst, er wird bald merken, dass er<br />
von Tag zu Tag weniger gern aufsteht und<br />
sich immer « unausgeschlafener » fühlt. Heinrich<br />
Heine blieb z. B. oft viele Tage im Bett,<br />
schlief halbe Tage und ganze Nächte hindurch,<br />
arbeitete im Bett und schuf dabei seine<br />
besten Werke. Zola schrieb ebenfalls, nach<br />
gründlichem Schlaf, im Bett. Walter Scott<br />
schlief wenigstens zehn Stunden. Georg III,<br />
König von England, hat den Satz geprägt:<br />
« Ein Narr braucht acht Stunden, ein Philosoph<br />
neun Stunden Schlaf.» Dagegen hat der<br />
General Wellington einmal gesagt: «Der<br />
Mensch soll sich niederlegen, wenn ihn die<br />
Müdigkeit befällt, und sobald er sich das<br />
erstemal umdreht, muss er aufstehen, denn<br />
dann hat er genug geschlafen.»<br />
Goethe hat einmal ganz ernsthaft versucht,<br />
ohne Schlaf auszukommen, und es ist ihm<br />
auch gelungen, einige Wochen lang nur mit<br />
täglich zwei bis drei Stunden Schlaf auszureichen.<br />
Aber es ging nicht auf die Dauer,<br />
Goethe wurde bald krank, seine Nerven versagten<br />
den Dienst.<br />
Es ist nicht möglich, eine bestimmte Schlafenszeit<br />
für jedermann festzusetzen; so brauehcn<br />
oft geistige Arbeiter mehr Schlaf als<br />
Handarbeiter, weil sie auch im Schlafe denken<br />
und überlegen. Die Wahrheit dieser alten<br />
Erfahrung hat eine kürzliche Rundfrage un-<br />
zehn und gar neunzehn Stunden am Tage<br />
schlafen müssen. Friedrich der Grosse hat<br />
einmal einem Kammerdiener gesagt, der ihn<br />
morgens fragte, wann er zu schlafen gedäclite:<br />
«Ich habe keine Zeit müde zu sein !»<br />
Die beste Regel für einen gesunden Schlaf<br />
ist die : ruhig ausschlafen und nicht wecken,<br />
aber täglich zu einer bestimmten Zeit zu<br />
Bette gehen (dann ist es auch gleichgültig,<br />
wann sich jemand niederlegt) und sofort aus<br />
dem Bette springen, wenn man munter wird.<br />
Dann gewöhnt sich der Körper an ein bestimmtes<br />
Schlafquantum, und man wird jeden<br />
Tag ohne Wecken fast um die gleiche Stunde<br />
munter. Natürlich sind die Stunden vor Mitternacht<br />
die besten, « sie zählen doppelt»,<br />
sagt ein altes Sprichwort. J. F.<br />
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