E_1930_Zeitung_Nr.040
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HDBBi &X.WSE<br />
Das schöne Heim<br />
Plaudereien von Kleinkram und! anderen Dingen.<br />
Luft, Licht, Sonne, — das sind heute die<br />
Schlachtrufe der modernen Architekten. Sehr gut<br />
und richtig bemerkt! Aber wo bleibt vor lauter<br />
Technik die Seele des Hauses? Wird nicht das<br />
Heim entpersönlicht, durch die technischen Errungenschaften<br />
wohl praktisch verbessert, aber ärmer<br />
an Innigkeit? Da darf man wohl angesichts dieser<br />
Fragen, die durchaus ungelöst sind, ein wenig sich<br />
des alten Zaubers des beseelten Heimes erinnern<br />
und von der Vergangenheit - träumen, die erst in<br />
stillen Träumen zur vollen Schönheit erwächst.<br />
Joseph August Lux will im «N. W. J.> deshalb für<br />
das vielbelachte «traute Heim» ein Wort einlegen;<br />
und wer muss ihm eigentlich nicht recht geben?<br />
In irgendeiner Beziehung ist das Heim immer<br />
ein Abbild der eigenen Seele, zuweilen ist es auch<br />
Verräter und Ankläger. Hypermoderne Architekten<br />
behaupten zwar, dass technische Typisierung<br />
künftig das Wohnwesen bestimme und persönliche<br />
Note ausschliesse. Aber wir wissen, dass Technik<br />
allein nicht glücklich macht; der glänzend funktionierende<br />
Wohnapparat ist wohl moderne Voraussetzung,<br />
aber nicht Erfüllung. Erst die Beseelung<br />
macht das Heim, die sich in persönlich gewählten<br />
Dingen ausdrückt und eine sinnvoll ordnende Hand<br />
verrät. Der matte Lichtschirm der Tischkerzen,<br />
der herb duftende grüne Mikadotee in dünnwandigen<br />
Porzellantassen, niedrige, weite, bequeme Stühle,<br />
die trauliche Geborgenheit des cosy corner, der gemütlichen<br />
Plauderecke — hier kann Seele ihre<br />
Emanationen entsenden und zu Seele finden im intimen<br />
Zwiegespräch, des Alltags entladen.<br />
Mag sonst kalte Zweckmässigkeit herrschen, hier<br />
in der Sitzecke, dem trauten Ruhepunkt des Hauses,<br />
walte persönliche Note. Die schön gebundenen<br />
Lieblingsbücher in greifbarer Nähe, ein paar alte<br />
Erbstücke im Raum sparsam verteilt — wo alles<br />
blitznagelneu ist, hat man leicht den Eindruck von<br />
allzu jungem Wohlstand, der keine Tradition besitzt.<br />
Und ein bisschen Tradition, das möchte wohl<br />
jeder, nicht wahr? Einen Stempel von Vornehmheit.<br />
Den unauffälligen aristokratischen Zug. Das<br />
gewisse Etwas, das die allzu moderne Note abtönt.<br />
Auf dem Schränkchen oder der Vitrine ein<br />
paar Sammelgegenstände, chinesische Terrakotten,<br />
alte Gläser, Gewebe, Spitzen, Kleingerät, Kopenhagener<br />
Porzellan, Wiener Keramik oder Gmundner,<br />
ein paar Erlesenheiten zum Zeichen, dass man<br />
up to date ist und um das Geheimnis moderner<br />
Kultur weiss. Was es für ein Geheimnis sei? Edle<br />
Einfachheit — abef bedenken Sie wohl, sie ist nicht<br />
einfach, sie ist das Allerkomplizierteste! Sie ist<br />
trotzdem nicht unbedingt Neues: man denke an die<br />
' Interieurbilder von Schwind, aber sie sind gleichwohl<br />
das Modernste, sie sind das Merkmal kultivierter<br />
Seelen. Das hat mit Reichtum nichts zu<br />
tun, sondern mit jenem inneren Kräftestrahl, der<br />
auch im bescheidenen Raum Wunder wirken kann.<br />
Die stummen Dinge um uns haben eine Sprache<br />
und erzählen alle Geheimnisse ihres Wesens.<br />
Kleinkram.<br />
Nicht wahr, das ist ja der Zweck des erlesenen<br />
Kleinkrams, dass er schön sei und kein verkappter<br />
Schund, Erinnerungszeichen von lieber Hand, Symbol<br />
verständnisreichen Gedenkens und für den gestaltenden<br />
Sinn etwas, womit er sichbare Gedachte<br />
schafft, bildgewordene Ausschnitte der Seele, novellistische<br />
Studien, phantasiegeborene Stilleben,<br />
stumme Lieder, Fragmente voll geheimer Deutung...<br />
Ist es Mangel an Pietät, liebe Freundin, dass<br />
ich selbst Geheiligtes entferne, wenn es Kitsch ist,<br />
und darum auch Ihr Angebinde wegräume, weil<br />
meine Liebe Sie nur in wirklich edlen Dingen verewigt<br />
sehen will — ist das nicht vielmehr die<br />
höchste Pietät ?<br />
AUTOMOBIL-REVUE<br />
Wandtischchen.<br />
Auf kleinen, alten Wandtischchen — oh. man<br />
kann nicht genug Wandtischchen haben in jeder<br />
Form und Gestalt! — stelle ich Reliquien auf in<br />
einer Umgebung, die solcher Heiligkeiten würdig<br />
ist; darüber hängen in barockgeschwungenen Rahmen<br />
matronenhafte Spiegel, die so alt sind und soviel<br />
gesehen haben, dass sie fast blind sind, vom<br />
Alter rauchblau überhaucht wie Amethyst, und<br />
selbst das Antlitz wie ein altes Pastell in zaTten,<br />
verschwommenen Tönen herausschaut, wie ein verblasster<br />
Boucher, zeitlich entrückt, fremdartig und<br />
zugleich vertraut wie jemand, den man einmal<br />
liebte... Und die Girandolen daneben mit brennenden<br />
echten Wachslichtern, die dem Pfeiler die rechte<br />
Weihe geben<br />
Herbei, ihr Schatten alter Lieben, die blaue<br />
Stunde ist da!<br />
Uhren.<br />
erlebt man das Alte wieder neu, und, nicht wahr?<br />
Diese schlagenden Herzen der Stille und Ein-samkeit, die in verschollenen braunen und bronzenen «Es ist wahr, die Gewohnheit tötet die Einbil-<br />
auf das Erlebnis kommt es an?!»<br />
Gewändern einhertrippeln und Staat machen, mit dungskraft oder die Erlebniskraft — also töte man<br />
Spiegeln und vergoldetem Zierat, mit Alabastersäu-<br />
lieber die Gewohnheitl»<br />
len und mythologischen Szenen auf getriebenem<br />
Messing, wie Grossmütterchen, die ihren altmodisch<br />
gewordenen künstlerischen Jugendidealen nachträumen!<br />
Mit gebrechlichen Stimmen rufen sie einander<br />
die Stunden zu, und wenn sie zu klingen anfangen<br />
von Zimmer zu Zimmer, erwacht die Vergangenheit,<br />
deren rührender Abglanz auf ihren<br />
Stirnen liegt; «Hero und Leander>. «Die Braut von<br />
Messina> — die süss tragische Muse wird lebendig<br />
— Geisterstunden, wenn die zitternden Uhrenherzen<br />
tönen, die wie ein menschliches ergreifen<br />
Und nun, Teure, lass uns reden von allem, was<br />
wir geliebt haben, einmal...!<br />
Rund um das Zimmer.<br />
«Was machen Sie nur, liebste Freundin, dass<br />
mir die bekannten Dinges Ihres Salons immer wieder<br />
neu vorkommen, jedenfalls anders und so, als<br />
ob ich sie zum erstenmal sähe. Dieses Konsoltischchen<br />
am Pfeiler stand nicht hier — oder irre ich<br />
mich? Nie ist es mir so aufgefallen. Und gar diese<br />
Lichtschirme an den Kerzenleuchtern mit Architekturen<br />
und Landschaften, transparent wie auf alten<br />
Brunnengläsern, und schwarzweiss wie auf kostbarem<br />
Geschirr — sehr apart! Ich bin neugierig,<br />
was ich noch alles entdecken "werde, wenn ich<br />
nächstens wiederkomme.. .><br />
«Ich mache dasselbe, was Sie tun, ich verändere.<br />
Die Gewohnheit stumpft bekanntlich ab; um<br />
die Einbildungskraft zu beleben, geht man ja auf<br />
Reisen; aber das kann ich nicht- mehr, also lasse<br />
meine Sachen reisen, rund um das Zimmer, dabei<br />
Denken Sie — ich bin unmodern!<br />
Lieber Charly, schlagen Sie sich bitte<br />
Ihre Hoifünuingen aus Ehrem intelligenten<br />
Köpfchen. loh habe midi nämlich heute zu<br />
dem Entschluss durchgerungen, d,ass wir<br />
besser Schluss machen, noch ehe wir arogefangien<br />
halben. Sie brauchen ein sehr modernes,<br />
flottes Mädel als Kameradin, und ich<br />
bin nun leider eine völlig unmoderne Frau,<br />
die nicht umsonst den altmodischen Namen<br />
Gertrud trägt, den Sie immer so 'Spiessig<br />
fanden. Ich gehöre auch nicht zu dem von<br />
Ihnen mit Recht so geliebten «Jahrgang<br />
1902», sondern bin 1899 gebaren. Die paar<br />
Jahre machen mich sicher nicht älter, das<br />
weiss ich wohl, aber es hat gewiss seine<br />
Bedeutung» dass ich noch im vorigen Jahrhundert<br />
geboren bin, ich gehöre wahrscheinlich<br />
eben dorthin. Also machen Sie keine<br />
moderne Gerti aus miir, sondern nennen Sie<br />
mich bei meinem alten, grässlich sittenstrengen<br />
Namen Gertrud.<br />
Ich wünsche Ihnen eine gertenschlanke,<br />
hübsche Kameradin, plaudert im der «Voss»<br />
die'se «unmoderne, veraltete Gertrud», die<br />
so erzsympatMsch ehrlich ist, weiter...<br />
V\ßs midi betrifft, habe ich für diese Art<br />
des erotischen Sports gar nichts übrig» ich<br />
goutierte die Sachlichkeit in der Liebe ebensowenig<br />
wie eine Dusche am Morgeta und<br />
rationierte Frühstückskalorien. Ich leiste mir<br />
noch den Luxus, mich gut auszuschlafen und<br />
mit reichlicher Zeitversohwendunig verliebt<br />
zu .sein. Zwischen einer Lektion bei dem<br />
Tennis-Trainer und einer Bridgepartie oder<br />
einem Kostümfest kann ich derartige Angelegenheiten,<br />
die mi,r komischerweise wirklich<br />
Herzensaingelegeniheiten sind, nicht erledigein.<br />
Vom Gertrud Isotmii<br />
Sie werden gewiss bemerkt haben, dass<br />
üch ganz unmodernerweise eine ziemliche<br />
Körperfülle besitze und irjeiehlicb, ja irait eiher<br />
gewissen Geeiosserfreude, meine drei<br />
Mahlzeiten einnehme, dass ich gern und viel<br />
Kuchen esse, ohne Rücksicht auf die moder- ;<br />
ne Linie. So lasse ich mir auch für die<br />
Liebe unzweckmässSg viel Ruhe und Zeit.<br />
Ich kultiviere meine Empfindungen und Gelühlchen,<br />
wie meine AHersgenossinnen ihren<br />
Fedhtkhib oder ihre tägliche Massage.<br />
Denken Sie nur, wie unmodern ich bin!<br />
Ich schreibe noch lange Briefe und sogar<br />
ida, wo ich meine HerzensentschTüsse riiit<br />
knappen Telefongesprächen abtun könnte,<br />
önd leiste mir ausserdem den täglichen<br />
Luxus eines langen, verträumten Spazierganges,<br />
verzichte auf die banale Fixigkeit<br />
meines Wagtens. Seihst zu chauiffieren., würde<br />
nie mein Wunsch oder Ziel sein. Selbst<br />
wenn ich es lernte, möchte ich Ihnen nicht<br />
raten, sich mir anzuvertrauen. Ich würde<br />
gewiss mitten im grössten Verkehr und Gewühl<br />
zu träumem anfangen und in der wichtigstein<br />
Sftrasse plöfz'lich stehenbleiben. Sagen<br />
Sie selbst, verachten Sie nicht als moderner<br />
üuniger Mann mit Führe-rsohein und<br />
Saehlidhfceitsfiimmlel jede Frau, die nicht<br />
sportlich und kameradschaftlich ist, die<br />
nicht mit Ihnen beruflich in jeder Weise<br />
konkurrieren kann? Sehen Sie, da bin ich der<br />
ganze Kontrast Ihres Ideals. Ich biii viel zu<br />
weiblich, — nennien Sie das nur in Ihrer<br />
<strong>1930</strong> — W40<br />
geschäftlichen Sprache: « Hundertprozentig<br />
weiblich», — um eine gute Kameradin abgeben<br />
zu können. Ich hasse jede Kameradschaftlichkeit<br />
zwischen Mann und Frau, hailtte'<br />
sie ausserdem 'für eine schöne un!d dumme<br />
Lüge. Ich werde mir auch von Ihnen<br />
meine geliebte und verhätschelte Sentimentalität,<br />
meine echt weibliche Gefühlsduselei<br />
.und Unlogik nicht nehmen lassen.<br />
Auch geistig bin ich in Ihren Augen gewiss<br />
ganz unzeitgemäss. Ich habe nie das<br />
neueste Buch, über das man in allen Salons<br />
spricht, gelesen, ich bin noch so altmodisch,<br />
Verse von Goethe und Heine wirklich zu lesen<br />
und zu liehen iund mir aus den allermodernsten<br />
Theater-Inszenierungen nichts zu<br />
machen. Ich analysiere niemals meine Seelenverfassurig<br />
und meine Minderwertigkeitskomplexe<br />
und mache die 1 Jagd auf prominente<br />
Bekanntschaften und gute Beziehungen<br />
nicht mit, nicht etwa aus Stolz, sondern<br />
weil ich gar nicht wüsste, was ich mit imeinen<br />
guten Beziehungen anfangen sollte. Natürlich<br />
istosse ich überall an, darum rate ich<br />
auch (Ihnen dringend ab, sich mit mir zu blamieren,<br />
denn der Mann von heute, der etwas<br />
auf sich hält', muss selbstverständlich<br />
neben seiner erstklassigen Automarke und<br />
dem exquisiten Schneider, bei dem er arbeiten<br />
Tässt, auch auf den Zuschnitt der Frau<br />
etwas halten, mit der er sich sehen lässt.<br />
Sie verstehen, dass' aus unserer Verbindung<br />
nichts werden kann. Sie ahnen ja gar<br />
nicht, wie unmodern und grauenhaft normal<br />
ich bin. Lassen Sie sich das nur von dem<br />
Arzt, in dessen Sanatorium ich neulich war,<br />
bestätigen.<br />
Ich wünsche Hinten von 1 ganzem Herzen<br />
den allerneuesten Typ, den Sie brauchen,<br />
das letzte Automodell und den '«Dernier<br />
cri » in Mädchenfabrikaten...<br />
Ein Erinnerungstag.<br />
(Siehe Seite 17 „Wir fragen Sie!«<br />
25. Frage : Kennen Sie diesen Mann? Die gebildete<br />
Welt wird sich bald wieder seiner erinnern. Wer<br />
ist auf diesem Bude dargestellt, und was für ein<br />
Erinnerungstag ist gemeint ?<br />
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