E_1930_Zeitung_Nr.078
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Bern, Dienstag 16. September <strong>1930</strong> HL Blatt der „Automobil-Revue" No. 78<br />
Zeitberufe<br />
Von H. B.-B.<br />
Der Eintänzer.<br />
Er tanzt nicht aus Passion, — es ist sein<br />
Beruf. — Eine feudale Tanzdiele, Smokings<br />
und kostbare Toiletten, die Luft umspielt<br />
vom Hauch zarter Parfüms, Damen der<br />
Welt und Gesellschaft: vom gertenschlanken<br />
Garbotyp bis zur voluminösen Rundung, vom<br />
Backfisch bis zum ergrauten Fräulein, von<br />
der Metzgersfrau bis zur Fabrikantengattin,<br />
allen, jeder steht er, der Eintänzer, bereitwilligst<br />
zur Verfügung. Im erstklassig geschnittenen<br />
Frack, bügelnahtfester Hose,<br />
dem schneeweissen Tanzhemd, aus dem ein<br />
Adonishaupt emporragt, macht er gute Figur.<br />
Gestrichen liegt das dunkle Haar nach hinten,<br />
die Stirn ist jungenhaft frisch, die Augen<br />
umschleiert, erfüllt von einer undefinierbaren<br />
Sehnsucht, der Mund lächelt diskret,<br />
der Amorsbogen ist gewölbt; sein ganzer<br />
Habitus besitzt jenes gewisse Etwas, das die<br />
Frauen glücklich macht, den Sex appeal!<br />
Mit akademischen Manieren, mit gepflegten,<br />
langen, schmalen Händen führt er die Partnerin<br />
über das glatte Parkett; er ist Kavalier,<br />
Gent, begehrt, beliebt, höflich, zu allem<br />
bereit. — Warum? — Er wird bezahlt!<br />
Der Autogigolo.<br />
Er fährt meist einen kleineren Wagen,<br />
aber raffiniert ausstaffiert, jede Schikane erfüllt,<br />
Puder und Lippenstift als Reserve im<br />
Necessaire. Er wird ausschliesslich von<br />
Damen — gemietet. Er ist Fahrer, Lehrer,<br />
Tänzer, Gesellschafter, er ist — Gattenersatz.<br />
— Er fährt an den Rhein, die Mosel,<br />
durch die Mark, in die Schweiz, er fährt überall<br />
hin, je nach Wunsch und — Bezahlung.<br />
Sein Konto ist gross, die Summen pauschal,<br />
ja, er arbeitet im Abonnement, erfüllt jeden<br />
Wunsch, ist jederzeit und zu allem bereit,<br />
Tag und Nacht, bei Sonnenschein und Regenwetter.<br />
— Warum auch nicht, es ist sein Beruf,<br />
er ist Autogigolo, er vermietet sich und<br />
seinen Wagen, — nicht als Chauffeur, nicht<br />
als Taxi, nein, er ist alles in allem! Eine<br />
Probe aufs Exempel!<br />
Der Reisebegleiter.<br />
Er begleitet die grossen Cars. Dreissig-,<br />
vierzigplätzig, alles besetzt, überfüllt, eng,<br />
gedrängt, beim Chauffeur hat er seinen Platz.<br />
Er ist nicht zu beneiden. — «Meine Damen<br />
und Herren, — Mesdames et Messieurs, —<br />
Miladys and Gentlemen, — Signore e Signori,»<br />
— in vier Sprachen erklärt er die<br />
Geschicke dieser oder jener Burg, die Industrie<br />
dieses oder jenes Landstriches, nennt<br />
Zacken und Gipfel, jongliert mit Zahlen und<br />
Statistiken, er ist ein reisendes Informationsbureau,<br />
der rollende Kastellan des zwanzigsten<br />
Jahrhunderts — «Wirklich, janz hübsch,<br />
— oui, tres jolie, — yes, indeed, very nice, —<br />
si, si, molto bello,» — im Chor eines internationalen<br />
Sprachchaos antworten ihm die<br />
Gäste, er ist für alle da, und wenn er abends<br />
auch müde Stimmbänder hat, einen Tagelohn<br />
hat er verdient! —<br />
Der Verkehrspolizist.<br />
Er ist ein uniformierter Lehrer, er erteilt<br />
voll amtlicher Würde und von erhöhter Warte<br />
aus praktischen Verkehrsunterricht. Wie ein<br />
Leichtathlet schwingt er in rhythmischen<br />
Bewegungen, — von denen jede ein Gesetz<br />
darstellt — seine Arme zum Takt der Autohupen.<br />
Er ist immun, auch das süsseste<br />
Lächeln einer Schönen am Volant bringt ihn<br />
nicht aus der Ruhe, auch der raffinierteste<br />
Betörungsversuch zieht keine raschere Passage<br />
nach sich, er ist im Amt. Mitten im<br />
Wirbel des Verkehrs, als König in seinem<br />
Reich, schwitzt er durch die Knopflöcher<br />
seines viel zu warmen Waffenrockes, — er<br />
«regelt» trotzdem pflichtgetreu: «Go — and<br />
— stop».<br />
Der Graphologe.<br />
Er arbeitet nicht mit Apparaten, nein, ein<br />
Stück Papier, mindestens zwanzig Zeilen<br />
Handschrift und — daraus formt er sein Urteil.<br />
— Winkel, Steilstellung, Druck und<br />
Stoss, alles, jede Kleinigkeit, Schwung, Ansatz,<br />
Schnörkel, Punkte, auch das Nebensächlichste<br />
birgt für ihn Interesse und Sinn.<br />
Er ist kein Zauberer aus dem Reiche der<br />
vierten Dimension, nein, er ist ein Künstler<br />
der neuerstandenen graphologischen Wissenschaft.<br />
Mit einfachen Schlüsseln öffnet er die<br />
rostigen Türen zum Innern verschlossener<br />
Menschen, guckt hinein in das Grau der<br />
Seele, in die Sphäre des Geistes, er tendiert,<br />
relativiert, assoziiert, formt und analysiert,<br />
kennt keine Höflichkeit, ist oft verletzend<br />
wahr, man darf es ihm nicht übel nehmen,<br />
es ist eben sein Beruf!<br />
Die Zeiten sind schlecht. Bei der Firma<br />
«Achsenbruch & Co.» wurde seit einer<br />
Woche kein Auto verkauft; wenn das so<br />
weiter geht, kann man zusperren. Sagt der<br />
Chef zur Sekretärin:<br />
«Mary, was tun wir, um ein Auto zu verkaufen?»<br />
Mary färbt sich die Lippen, Mary pudert<br />
ihr Naschen, Mary schlägt die schlanken<br />
Beine übereinander und sagt:<br />
«Wir werden inserieren, dass wir übermorgen<br />
die letzten fünf billigen Autos verkaufen<br />
werden, jedes um ein Fünftel des tatsächlichen<br />
Preises. Wenn wir alle fünf verkaufen,<br />
haben wir ein neues Auto verkauft.<br />
Nun?»<br />
«Niemand kauft einen alten Kasten!»<br />
«Lassen Sie nur mich machen, Herr Chef,»<br />
sagt Mary und zieht ein Butterbrot aus der<br />
Lade...<br />
Das Inserat erscheint am nächsten Tag;<br />
nach weiteren 24 Stunden kommt Mary,<br />
schöner, süsser, reizender als sonst. Der<br />
Chef blickt sie traurig an.<br />
«Bitte, lassen Sie mich allein! Gehen Sie<br />
spazieren, setzen Sie sich ins Kaffeehaus.<br />
Heute bin ich Chef!» Und sie lächelt.<br />
Der Chef von «Achsenbruch & Co.» nickt,<br />
nimmt den Hut, wirft einen Blick auf die<br />
Groteske von Josef Robert Harrer.<br />
Der Barmixer.<br />
Er braut, rührt, mischt, schüttelt, rüttelt,<br />
— grün, gelb, braun, rot, weiss, — alle Farben<br />
und Getränke definiert er nach eigenen<br />
geheimen Rezepten, er ist der Alchimist des<br />
heutigen Jahrhunderts. Er betört jung und<br />
alt mit seinen Cocktails, er weckt den fehlenden<br />
Sex, er bringt den alten Jüngling in den<br />
Johannistrieb, die alte Dame in versprechende<br />
Backfischstadien, er ist ein wahrer<br />
Hexenmeister, der aber — seine Künste gut<br />
bezahlen lässt. — Klebrig, dünn, geronnen<br />
und konserviert, Flüssigkeit um Flüssigkeit<br />
entnimmt er seinen bauchigen, schlankhalsigen<br />
und gestielten Flaschen, er braut<br />
einen Trank, der — für Stunden — den Menschen<br />
ins Reich der Götter führt!<br />
Fünf billige Autos sind zu verkaufen<br />
«Sehr richtig, mein Herr!»<br />
«Und was kosten alle fünf Autos?»<br />
«Sie kosten zusammen 5000 Mark, also<br />
eben soviel wie ein neues Auto, das alle<br />
guten Eigenschaften besitzt.» ,<br />
«Da würde ich tatsächlich besser tun,,<br />
gleich ein neues Auto statt der fünf alten<br />
Autos zu kaufen!»<br />
«Sehr richtig, mein Herr! Und wenn ich<br />
-Ihnen einen ehrlichen Rat geben darf, so<br />
würde ich Ihren letzten Vorsatz nur bestärken.»<br />
Mary muss wieder die Lippen färben, sie<br />
pudert das Naschen und schlägt die schlan-<br />
.ken Beine übereinander. Der Herr blinzelt<br />
,mit einem Auge auf die Beine, mit dem anderen<br />
in die Brieftasche. -<br />
«Ja, Fräulein, ich kaufe ein neues Auto.<br />
Es ist doch immer am sichersten, neue<br />
Sachen zu kaufen. Hier sind die 5000 Mark,<br />
schönes Fräulein. Lassen Sie mir das neue<br />
Auto, das dort bei der Türe steht, heute noch<br />
zustellen. Guten Tag und auf Wiedersehen!»<br />
Mary steckt das Geld ein und atmet glücklich.<br />
.Ihr Plan ist gelungen... Da kommt<br />
eine Dame und sagt:<br />
«Sie haben den Verkauf von fünf billigen<br />
Autos inseriert.»<br />
Zehn Minuten später ist wieder ein<br />
fünf bereitgestellten alten Autos, welche<br />
Mary heute an den Mann oder an die Trau Frau ^ neues Auto verkauft...<br />
bringen will. Der Chef ist innerlich verzweig , Mittags- kommt der Chef, sieht die fünf<br />
feit; denn die fünf Autos gewähren einen An-!'"alten Autos, flucht, wirft den Hut zu Boden<br />
blick, bei dem auch ein Rekordoptimist und meint:<br />
weinen könnte. Dann geht er.<br />
«Ihr feiner Plan! Schade um das Geld für<br />
Zehn Minuten später betritt ein Herr den die Inserate!»<br />
Verkaufssaal.<br />
«Ich habe bis jetzt sieben neue Autos verkauft.»<br />
«Sie haben den Verkauf von fünf billigen<br />
Autos inseriert!»<br />
Der Chef fällt in einen Sessel; ein neuer<br />
«Gewiss, mein Herr,» sagt Mary und Käufer erscheint...<br />
lächelt einladend, während sie mit der<br />
Zunge die Lippen befeuchtet. ' Sie ist die<br />
lebende Verführung. «Hier sind die fünf<br />
Autos! Wählen Sie aus! Jedes kostet nur<br />
1000 Mark.»<br />
Der Herr besichtigt die Autos; sein Gesicht<br />
wird allmählich länger und länger, bis<br />
das Kinn die Brust berührt. Mary lächelt.<br />
«Vielleicht darf ich Ihnen die Vorzüge der<br />
fünf billigen Autos erklären, mein Herr! Hier<br />
Nummer eins; es hat einen sanften, leisen<br />
Motor, niemand wird gestört, wenn man ihn 1<br />
laufen lässt.» ,,<br />
«Aber die Pedale funktionieren nicht!»<br />
«Dann würde ich Nummer zwei empfehlen;'<br />
der Motor hat zwar eine gewaltige Klangfülle,<br />
die vielleicht nervös macht, dafür aber<br />
besitzt es die besten Pedale der Welt.»<br />
«Aber es steht auf sehr schwachen Rädern,<br />
sehen Sie nur!»<br />
«Vielleicht gefällt Ihnen Nummer drei besser,<br />
wenn Sie auf starke Räder Wert legen.<br />
Nummer drei steht wie auf Eisen!»<br />
«Stimmt, in der Tat! Aber dieses Auto<br />
macht von aussen einen armseligen Eindruck.»<br />
«Bitte, werfen Sie Ihre Aufmerksamkeit<br />
auf Nummer vier; dieses Auto ist von aussen<br />
so schön wie ein Engel.»<br />
«Es ist schön... Aber es hat keine Zylinder,<br />
Fräulein, und keinen Benzinbehälter.»<br />
«Wenn Sie auf derlei Kleinigkeiten Gewicht<br />
legen, mein Herr, würde ich Nummer<br />
fünf anraten.»<br />
«Aber bei Nummer fünf bewegt sich das<br />
Lenkrad nicht.»<br />
«Daran gewöhnt man sich, mein Herr...<br />
Sie sehen, jedes dieser fünf Autos hat für<br />
sich eine hervorragende, gute Eigenschaft,<br />
wodurch es sich von selbst empfiehlt... Bedenken<br />
Sie nur, dafür kostet es nur den<br />
fünften Teil eines, neuen Autos. Sie kaufen<br />
vollständig reell, mein Herr. Wird Ihnen<br />
vielleicht die Wahl schwer?»<br />
Der Herr blickt von einem Auto zum anderen;<br />
dann sagt er:<br />
«Wenn ich mir zum Beispiel alle fünf<br />
Autos kaufe, so habe ich sämtliche guten<br />
Eigenschaften eines guten Autos gekauft.»<br />
Moderne Landstrassenromantik<br />
Auch der Zirkus, der doch die Romantik<br />
gepachtet hat und somit, wie die landläufige<br />
Meinung berichtet, keiner Neuerung zugänglich<br />
sein darf, hat den grossen Schritt von<br />
der Eisenbahnlinie auf die Landstrasse gewagt...<br />
Wer es nicht glaubt, der lasse einmal<br />
auf der Landstrasse diese moderne<br />
Karavane an sich vorbeirollen, die über 200<br />
Wagen mit Anhängern besitzt und weissschimmernd<br />
sich durch Städte und Dörfer<br />
unseres Landes zieht, eine Vision einer<br />
neuen Zeit, und über allen Wagen breit und<br />
schreiend hingeworfen: Sarasini!<br />
Der erste Zirkus, der durch Autolastzüge<br />
sich vorwärtsbewegt! Stumm und verschlossen<br />
rollen Wagen um Wagen vorüber,<br />
schwer schütternd, — Raubtiere, Nilpferde,<br />
Seelöwen, Stangen, Gerüste, Hunde, Handwerkzeug,<br />
Bureaux, Affen, Bären, Flitterzeug,<br />
Theaterrequisiten, Werkstätten, Futter,<br />
Pferde, alle Dinge, die zu den zaubervollen<br />
Requisiten des Zirkus gehören, werden auf<br />
der Strasse transportiert. Vorüber die Zeiten,<br />
da breitstampfende Elefanten die Wagen<br />
vom Bahnhof her nach dem Spielplatze<br />
schleppten, wo Dampfschlepper heulten —><br />
heute gleitet alles leise singend vorüber —<<br />
fast wie ein Spuk. Die meisten Autos von<br />
Sarasini, dem rollenden Zirkus, sind Transportwagen,<br />
Bureaux, Werkstätten, Raubtier-<br />
Wohnungen. Die Strasse wird vor der Abfahrt<br />
besonders signalisiert und bezeichnet,<br />
nachts sind die Pfeile, die die Richtung weisen,<br />
beleuchtet. Eigene ständige Patrouillenfahrer<br />
mit kleinen wendigen Automobilen<br />
jagen neben der Karavane her und bringen<br />
Ordnung in den langen Zug. Bleibt eines der<br />
schweren Lastautos stecken, kommen besondere<br />
Raupenschlepper zu Hilfe, die auf besonders<br />
konstruierten Kippwagen rasch<br />
transportiert werden können. So zieht dieser<br />
.jnoderne Zirkus von Stadt zu Stadt, und<br />
bleibet doch immer eine Angelegenheit des<br />
Flitter.und Glanzes, jener ewigen Romantik,<br />
,dle.uns heute beinahe ganz abhanden gekom-»<br />
men ist.<br />
auf den menschlichen Organismus kannte man, seitdem<br />
der Kaffee aus seiner Heimat Arabien zu uns<br />
gekommen ist Erst um 1830 hat ein deutscher Chemiker<br />
das Goffein als den erregenden Stoff im Kaffee<br />
feststellen können.. 77 Jahre lang hat sich die Wissenschaft<br />
mit dem Problem des coffeinfrei zu machenden<br />
Kaffees befasst. Den Anstrengungen von Generationen<br />
ist in unserer Zeit des wissenschaftlichen und technischen<br />
Fortschritts ein voller Erfolg beschieden gewesen.<br />
Geniale Männer haben der Menschheit die längst ersehnte<br />
Wohltat des coffeinfreien Kaffees geschenkt.<br />
Der coffeinfreie Kaffee Hag hat in den 22 Jahren seiner<br />
Existenz die Kulturwelt erobert. Jetzt trinken Millionen<br />
Menschen Kaffee Hag, leben coffeinfrei, weil sie da.<br />
durch die oft sehr lästigen Coffeinwirkungen meiden,<br />
weil sie mehr Genuss und bessere Gesundheit haben.<br />
Machen Sie sich diese segensreiche Errungenschaft<br />
zunutze, gönnen auch Sie sich und Ihren Angehörigen<br />
von Stund an die bessere, die coffeinfreie Lebensweise.<br />
bo.