E_1930_Zeitung_Nr.106
E_1930_Zeitung_Nr.106
E_1930_Zeitung_Nr.106
Erfolgreiche ePaper selbst erstellen
Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.
2 ÄÜtÖMOBIL-ttEVUE 19S0 —<br />
chanischer Kippvorrichtung wurde sogar auf<br />
11,8 Tonnen erhöht. Umgekehrt findet sich<br />
eine Reihe von Bestimmungen, die derüber-<br />
•mässigen Beanspruchung der Strassen durch<br />
•zu hohe Flächendrücke der Räder vorzubeugen<br />
suchen.<br />
So wurde vor allem bestimmt, dass alle<br />
Kraftwagen mit Luftreifen versehen sein<br />
müssen. Natürlich sind auch hier Uebergangsbestimmungen<br />
vorgesehen und Ausnahmen<br />
zugelassen, immerhin so, dass nachdem<br />
1. April 1935 nur noch mit Luftreifen versehene<br />
Automobile dem Verkehr zugelassen<br />
•werden. In allen Fällen darf die mitgeführte<br />
•Nutzlast bei zweiachsigen Kraftwagen fünf<br />
Tonnen, bei dreiachsigen Kraftwagen zehn<br />
Tonnen nicht übersteigen. Dabei ist eine besondere<br />
Vorschrift aufgestellt worden, welche<br />
die Polizei berechtigt, jedes Lastautomobil<br />
daraufhin zu prüfen, ob das zulässige<br />
Gewicht eingehalten wird, wobei deT Polizei<br />
das Recht eingeräumt wird, den Besitzer eines<br />
überlasteten Lastwagens zum Entfernen<br />
des Uebergewichtes zu zwingen und bis zu<br />
dessen Durchführung das Weiterfahren zu<br />
verhindern.<br />
Den dreiachsigen Lastwagen ist ebenfalls<br />
eine gewisse Erleichterung zugestanden<br />
worden, indem das bis heute vorgeschriebene<br />
Höchstgewicht von 15 Tonnen auf 16<br />
Tonnen erhöht wurde und als höchste Achsbelastung<br />
5,5 Tonnen zugelassen werden.<br />
Den Anhängerwagen wird die Vollgummibereifung,<br />
allerdings nur die hochelastische,<br />
zugestanden. Immerhin versucht man auch<br />
hier die Luftbereifung zu fördern, indem bei<br />
solchen höhere Gesamtgewichte zugelassen<br />
werden, und zwar für einachsige Anhänger<br />
5,5 Tonnen, für zweiachsige 10 Tonnen und<br />
für dreiachsige 15 Tonnen, gegenüber 4, bzw.<br />
7,5, bzw. 10,5 Tonnen. Aus den erwähnten<br />
Bestimmungen geht die Tendenz mit aller<br />
Deutlichkeit hervor, der deutschen Industrie<br />
durch wesentliche Erleichterungen zu helfen<br />
und dem Güterverkehr auf der Strasse<br />
nicht unnötige Hindernisse in den Weg zu<br />
legen.<br />
Auch die Bestimmungen über die zulässigen<br />
Höchstgeschwindigkeiten sind für uns<br />
von Interesse. Sie sind im gleichen Qeiste<br />
gehalten wie diejenigen über die" Höchstgewichte.<br />
Während Wagen mit Vollgummibereifung<br />
innerhalb der geschlossenen Ortschaften<br />
nicht mehr als 25 km Stundengeschwindigkeit,<br />
mit Genehmigung der Verwaltungsbehörde<br />
bis zu 30 km/Std., zulässig<br />
sind, wird für Omnibusse mit Luftbereifung<br />
bis zu 40 km gestattet. Ausserhalb der geschlossenen<br />
Ortschaften besteht für Wagen<br />
mit Luftreifen überhaupt keine Geschwindigkeitsvorschrift,<br />
währenddem für solche mit<br />
Vollgummireifen auf 25 km/Std. beschränkt<br />
ist FÜT Lastzüge betragen die zulässigen<br />
Geschwindigkeiten innerhalb geschlossenen<br />
Ortschaften 16 km/Std. bei Vollgummi- und<br />
25 km/Std. bei Luftbereifung.<br />
Zum Kapitel Beleuchtung darf erwähnt<br />
werden, dass auch hier nicht unwesentliche<br />
Verbesserungen angebracht wurden, die sieh<br />
zum Teil mit den schweizerischen vollauf<br />
decken. Erwähnt sei bloss, dass Automobile<br />
unbeleuchtet auf der Strasse stehen gelassen<br />
werden dürfen, wenn sie durch die Strassenlaternen<br />
beleuchtet werden und dass in Ortsteilen,<br />
deren Beleuchtung auf 25 m Entfernung<br />
kein deutliches Sehen gestattet, man<br />
auch stark wirkende Scheinwerfer spielen<br />
lassen darf.<br />
Summarisch darf hervorgehoben werden,<br />
dass die neue deutsche « Kraftverkehrsregelung»<br />
dem Automobil in weitgehendem<br />
Masse entgegenkommt und dass darin der<br />
Wille zum Ausdruck kommt, dem modernen<br />
Verkehrsvehikel, kraft seiner Ueberlegenheit,<br />
die Bahn freizugeben und es als gleichberechtigtes<br />
Transportmittel neben die Bahnen<br />
zu stellen. Die deutschen verantwortlichen<br />
Behörden waren jedenfalls gut beraten.<br />
An hindernden und hemmenden Einflüssen<br />
von bahnamtlicher Seite dürfte es nicht gefehlt<br />
haben. Allein die Ansicht hat sich<br />
durchgerungen, dass es sich in Deutschland<br />
nicht um das hinfällige Problem «Eisenbahn<br />
oder Automobil», sondern um das grundlegende<br />
Prinzip der leichten, angenehmen,<br />
billigen, zweckentsprechenden Verkehrsart<br />
handeln kann. Und es muss trotz allen<br />
Sträubens und trotz aller retardierender<br />
Momente schlussendlioh doch das Automobil<br />
den Sieg davontragen.<br />
D<br />
Der Goldstrom der<br />
amerikanischen Autotouristik.<br />
Die amerikanische Autotouristik hat sich<br />
zu einem Wirtschaftsfaktor entwickelt, dessen<br />
Umsätze in Milliarden Dollar gehen.<br />
Eine schwache Probe, um welche Riesensummen<br />
es sich handelt und wie durch diese Entwicklung<br />
der Goldstrom des Fremdenverkehrs<br />
zu Ungunsten Europas beeinflusst wird,<br />
zeigt eine vom amerikanischen Handelsministerium<br />
im Rahmen der Erhebungen über die<br />
Zahlungsbilanz des Jahres 1929 vorgenommene<br />
Untersuchung über den wirtschaftlichen<br />
Effekt des Verkehrs mit Kanada, der<br />
ja nur einen kleinen Bruchteil der amerikanischen<br />
Autotouristik bildet. Alle folgenden<br />
Zahlen sind der Veröffentlichung dieses Ministeriums<br />
«The Balance of International<br />
Paymonts of the United States in 1929»<br />
entnommen und lediglich auf Schweizerfranken<br />
umgerechnet.<br />
Im Jahre 1929 überschritten 4Ü Millionen<br />
Automobile die kanadische Grenze, und<br />
zwar 3,4 Millionen mit Aufenthaltserlaubnis<br />
für einen Tag, 1,1 Millionen mit Aufenthaltserlaubnis<br />
bis 60 Tage, 1200 mit Aufenthaltserlaubnis<br />
bis sechs Monate. Dieses «Pemiit»<br />
für eine bestimmte Zeit ist das einzige Papier,<br />
das zum Passieren der Grenze erforderlich<br />
ist. Einen Passzwang gibt es nicht<br />
an dieser langen Grenze, die von einem Meer<br />
.bis zum andern reicht. Einkäufe bis zürty<br />
Werte von 100 Dollar sind zollfrei:1D^<br />
Verkehr hat einen märchenhaften Aufschwung<br />
genommen. 1923 kamen erst 1 Million amerikanische<br />
Automobile nach Xanada, 1925 2,<br />
1927 3, 1928 3%, 1929 4M Millionen.<br />
Die Gründe dieses Aufschwungs sind die<br />
Billigkeit, Prohibition, kanadischer Dienst am<br />
Kunden beim Grenzübertritt. Ein Auto, das<br />
für einen Tag nach Kanada fährt, durchschnittlich<br />
mit 3,2 Personen besetzt ist und<br />
durchschnittlich 180 km in Kanada macht,<br />
gibt etwa Fr. 80.— an diesem Tag aus. Ein<br />
Auto mit 60-Tage-Permit, das durchschnittlich<br />
sechs Tage bleibt, 800 km macht und<br />
ebenfalls mit 3,2 Personen besetzt ist, gibt<br />
auf der ganzen Autotour nach Kanada 750<br />
Franken aus, also 240 Fr. pro Kopf und 40<br />
I Franken pro Tag und Kopf. Demgegenüber<br />
«Dies ist also Ihre erste Reise nach Aegypten?»<br />
fragte der Prinz.<br />
«Ich besitze ein Haus in Kairo und werde<br />
es mir zur Ehre schätzen, Sie dort bei mir<br />
zu sehen. Wo werden Sie wohnen?»<br />
«Mitten in der Stadt,» antwortete sie. Sie<br />
habe diese zentrale Lage gewählt, weil sie<br />
beabsichtige, nur ein paar Tage in Kairo zu<br />
bleiben, um dann nach Luksor weiterzureisen.<br />
«Man erzählte mir, dass es im Januar in<br />
Kairo noch recht kalt sein könnte, und ich<br />
sehne mich so nach der Sonne.»<br />
Der Prinz nickte. «Nur wer den Sonnenaufgang<br />
in Luksor gesehen hat, vermag zu<br />
verstehen, warum die alten Aegypter Ammon<br />
Ra, den Sonnengott, als höchste Gottheit anbeteten.<br />
In Luksor hat man den Nil und die<br />
Berge, aber ohne Sonne sind sie nichts. Die<br />
Sonne kleidet sie in ihre Schönheit — Ammon<br />
Ra, der Leben spendet, wie die Inschriften<br />
auf den Gräbern lauten.»<br />
Er sprach lebhaft und fesselnd und seine<br />
Augen sprühten.' Diese Augen waren das<br />
Merkwürdigste an ihm, dachte Joan bei sich.<br />
Von rötlichem Schimmer, die Wimpern goldgelb<br />
und die dichten Brauen lohfarben auf der<br />
glatten weissen Stirn. Die Augen schienen das<br />
Licht einzufangen wie jene Steine, die man<br />
Katzenaugen nennt, und wechselten im Spiel<br />
von Licht und Schatten die Farbe von Topasgelb<br />
bis Rotbraun.<br />
«Interessieren Sie sich für Aegyptologie?»<br />
fragte er weiter.<br />
«Ich habe eine Menge Bücher darüber, die<br />
! ch jetzt nachlesen werde...»<br />
«Falsch, gänzlich falsch!» seufzte er mit<br />
gespielter Verzweiflung. «Den Kopf voll wüster<br />
Namen und Daten, werden Sie sich in<br />
Luksor einen Führer nehmen und van Grabmälern<br />
zu Tempeln und von Tempeln zu<br />
Grabmälern pilgern, und der Führer wird<br />
Ihre Gedanken mit den unverdauten Brocken<br />
seiner Wissenschaft nur noch mehr verwirren.<br />
Niemand kann in der Spanne eines Menschenlebens<br />
die ganze Bedeutung des pharaonischen<br />
Aegyptens völlig erfassen. Warum also<br />
versuchen es die Wintertouristen? Lassen Sie<br />
die geschichtlichen Tatsachen beiseite, verehrte<br />
Frau Averil, suchen Sie nur die Schönheit<br />
im Leben dieses merkwürdigen Volkes,<br />
dessen Dasein in der Sonne wurzelte!»<br />
«Ich fürchte, ich bin nicht sehr gebildet,»<br />
erwiderte sie lächelnd, «und ausserdem bin<br />
ich furchtbar faul. Ich werde gewiss lieber im<br />
Sonnenschein sitzen und träumen, als in den<br />
muffigen alten Grabkammern herumzusteigen.»<br />
«Sie wissen Schönheit zu würdigen, das<br />
sehe ich. Ihr entzückendes Kleid — aber das<br />
ist ja ägyptisch! Solch enganliegendes Gewand<br />
mit um die Hüften geschlungener<br />
Schleife war die Nationaltracht der Frauen<br />
im alten Aegypten. Genau diese Kleider in gerade<br />
so lebhaften und glänzenden Farben wie<br />
Ihr Goldstoff werden Sie, trotzdem die Künstler<br />
seit dreitausend Jahren tot sind, auf den<br />
Wänden der Gräber, im Tale der Könige eingraviert<br />
finden.»<br />
«Sie erinnern mich an etwas, das mir ein<br />
Aegypter sagte, den ich heute mittag bei<br />
Tisch kennenlernte. Ein Mann namens Ismail;<br />
es ist ein Pariser Kunsthändler. Sind Sie vielleicht<br />
mit ihm bekannt?»<br />
Die Luchsaugen flammten sonderbar. Die<br />
Finger des Prinzen, mit einem hellen Flaum<br />
bedeckt, stahlen sich zu dem Gekräusel seines<br />
kurzgeschnittenen Haares, das an den<br />
Schläfen schon- etwas angegraut war, «Ismail<br />
betragen die Kosten einer Europareise 6000<br />
Franken, davon 1500 Fr. für Schiffskarten,<br />
alles pro Kopf. Dieselbe Partie, welche in<br />
sechs Tagen in Kanada 750 Fr. ausgibt,<br />
müsste auf einer allerdings mindestens zehnmal<br />
so lange dauerenden Europätour 20,000<br />
Franken ausgeben. Ausser der Billigkeit<br />
wirkten noch andere Momente. Jeder Staatsbürger<br />
hat einmal im Jahre das kostspielige<br />
Bedürfnis, sich von einigen unliebsamen Besonderheiten<br />
seines Heimatlandes zu erholen.<br />
Das ist in allen Ländern gleich, nur die<br />
Besonderheiten wechseln. In Amerika ist die<br />
Besonderheit die Prohibition. Der trockengelegte<br />
Amerikaner braucht nur anzukurbeln,<br />
sich an der Grenze ein kanadisches Permit<br />
zu nehmen und im nächsten Moment bekommt<br />
er soviel Alkohol erster Qualität zu vernünftigen<br />
Preisen und offen verkauft als er nur<br />
will. Der dritte Grund ist aber, dass Kanada<br />
diesen so überaus rentablen Autotouristenverkehr<br />
von allen Beschränkungen befreit<br />
hat, die nur halbwegs entbehrlich sind.<br />
Man hat den festen Vorsatz, auf alle kleinen<br />
Auflagen, Gebühren und Schikanen zu verzichten,<br />
damit die Leute nur hereinkommen<br />
und das Geld in dicken Strömen im Lande<br />
ausgeben. Ein Zollbeamter, der — wie es<br />
z. B. in Mitteleuropa geschieht — einen Kampinganhänger<br />
extra verzollt, wäre im kanadischen<br />
Staatsdienst nicht einen halben Tag<br />
mehr möglich.<br />
Die Summen, welche dieseT Verkehr «Inträgt,<br />
sind ungeheuer. Amerikanische Touristen<br />
gaben letztes Jahr in Kanada 1,5 Milliarden<br />
Schweizerfranken aus. Davon entfielen<br />
eine Milliarde auf Autotouristen, nur<br />
y> Milliarde auf Leute, die mit der Bahn oder<br />
mit Dampfern reisen. Die Ausgaben amerikanischer<br />
Motortouristen in Kanada stiegen<br />
von 1927 bis 1929 um 55 Prozent, dagegen<br />
die Ausgaben der mit Bahn oder Schiff nach<br />
Kanada Reisenden nur um 14 Prozent und<br />
die Ausgaben der Europareisenden nur um<br />
10 Prozent.<br />
Amerika entdeckt Amerika und vergisst<br />
Europa. Die amerikanische Touristik wendet<br />
sich von Europa langsam ab und beginnt<br />
die unendlichen Prärien und Urwälder, Seen,<br />
Flüsse und Felsengebirge Amerikas aufzusuchen.<br />
1929 fuhren nach Europa nicht ganz<br />
400,000 amerikanische Touristen, aber 14%<br />
Millionen mit Autos nach Kanada. Auf einen<br />
Mann, der nach Europa fuhr, kamen 40, die<br />
nach Kanada fuhren. Das ist für Europa eine<br />
sehr fatale Entwicklung, denn die Ausgaben<br />
amerikanischer Touristen bedeuten für Europa<br />
ungeheuer viel. Sie betrugen im Jahre<br />
:j§29 rund 422 Millionen Dollar, also weit<br />
über zwei Milliarden Schweizerfranken. Von<br />
diesem Betrag wurden ausgegeben: in Frankreich<br />
680 Millionen, in Deutschland 210 Millionen,<br />
in England 180 Millionen, in Italien<br />
150 Milionen, in der Schwez 48 Millionen, in<br />
Oesterreich 15 Millionen, in der Tschechoslowakei<br />
6% Millionen Fr. Der Gesamtbetrag<br />
zeigt aber von 1927 auf 1929 nur noch die<br />
der Konjunkturentwicklung entsprechende<br />
Zunahme, er hat keinen eigenen Auftrieb<br />
mehr, wie er in der Autotouristik nach Kanada<br />
so ungeheuer wirksam ist. Da die Konjunkturentwicklung<br />
ins Gegenteil umgeschlagen<br />
ist und abwärts geht, muss nunmehr mit<br />
wesentlichen Verminderungen der Einnahmen<br />
Europas aus dem Besuch amerikanischer<br />
Touristen gerechnet werden. Die Leute<br />
ist ein sehr gewöhnlicher Name in Aegypten,»<br />
entgegnete er.<br />
Joan erzählte dem Prinzen von Herrn Ismails<br />
Begeisterung für die Edelsteine im Museum<br />
von Kairo.<br />
«Er hat ganz recht,» bemerkte der Prinz.<br />
«Es ist eine ganz einzigartige Sammlung.<br />
Aber ein Museum ist ein Leichenhaus der<br />
Schönheit. Ich hielt einmal das kleine Bildnis<br />
eines ägyptischen Königs in Händen, für das<br />
ich nicht alle Mumien, alle Sarkophage und<br />
alle Schatztruhen des Museums eintauschen<br />
würde. Der wahre Anbeter der Schönheit<br />
füllt sein Faii