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E_1931_Zeitung_Nr.105

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Bern, Dienstag, 29. Dez. <strong>1931</strong> ///. Blatt der „Automobil-Revue" No. 105<br />

Leitspruch für 1932!<br />

1 Wir wünschen uns zum Beginn des neuen<br />

Jahres — ja, was nicht alles? Vieles, vieles<br />

streift unsere Sehnsucht, das wir gern erlangen,<br />

vieles unsere Hoffnung, das wir gern<br />

erreichen, vieles unsere Liebe, das wir behalten<br />

möchten. Dabei steht, bewusst oder<br />

ünbewusst, vielleicht bei der Mehrzahl wenigstens<br />

der reiferen Menschen, ein Wunsch<br />

Händig im Hintergrunde und spricht bei<br />

lllem mit, was unsere Gedanken ausmalen:<br />

väre es doch wie früher, als wir noch nicht<br />

ihnten, welch' schwere Zeiten uns bevoritehen,<br />

als die Saat des Misstrauens noch<br />

rieht so dicht gestreut war, als die Völker<br />

freundlich voneinander dachten und friedlich<br />

ieistige wie materielle Werte austauschten.<br />

Ms wir noch glauben durften an den Aufstieg<br />

der Menschen! Was das Schicksal uns<br />

euch an persönlichen Gütern schenken mag,<br />

jmes Glück, das wir als selbstverständlich<br />

Hnnahmen, ist verloren. Wir können uns<br />

heuen an dem, was der Tag bringt, können<br />

m Freude und Erfolg der anderen teilmhmen.<br />

Aber tief im Herzensgrunde weint<br />

tad klagt es um einen Niedergang, für den<br />

vir kein Wiedererstehen hoffen. Oder doch?<br />

Bedeutet die Krise, in der wir uns befinden,<br />

utbedingten Niedergang? Fehlt es nicht auch<br />

m uns; am Vertrauen, am inneren Halt, am<br />

Wissen um Werte, die nichts mit materiellen<br />

B-wägungen zu tun haben? Uns scheint, hier<br />

mchen wir es uns sehr leicht. Zu leicht!<br />

Tun wir recht? «Was dahin ist, kehrt nicht<br />

v),eder,r> freilich. In eben der Gestalt kehrt<br />

nichts Gestorbenes wieder. Aber wir sehen<br />

ei nicht nur alljährlich in der Natur, wir<br />

kamen es bei einigem Nachdenken auch im<br />

Lfoen der Menschheit beobachten: der Kern,<br />

de Begriff alles Seienden taucht nur unter,<br />

un über kurz oder lang in neuer Form wiede<br />

aufzutauchen. Vielleicht müssen wir<br />

laige^ dQTQUf_JMaLtgtk-~Xielleicht reicht'unser<br />

leben kaum dazu aus, aber wiederkehren<br />

vird das Verlorene ganz gewiss. Wenn wir<br />

ins nur daran gewöhnen könnten, nicht bloss<br />

nit, sondern auch ein wenig über den Dinlen<br />

zu leben! Eben reichen sich altes und<br />

neues Jahr die Hände als Glieder einer Kette,<br />

die Unendlichkeit heisst. Wem hallt in der<br />

Silvesternacht beim zwölften Glockenschlag<br />

nicht ein Ton aus Ewigkeitsfernen mit? Davon<br />

müsste etwas in uns weiterklingen, eine<br />

tröstliche Begleitmusik aller wechselnden<br />

Ereignisse.<br />

Wir sind im Weltengrunde verankert, an<br />

ewige Gesetze geknüpft, und müssen ans<br />

dessen würdig erweisen. Wir wünschen, wir<br />

wünschen zum neuen Jahre... an uns müssen<br />

wir unsere ernstesten Wünsche richten.<br />

Wer sich nur vom Zufall abhängig glaubt,<br />

ja, der steht und fällt mit dem Zufall. Wer<br />

sich aber einbegriffen fühlt in ein harmonisches<br />

Ganzes, der darf nicht anders als<br />

den edlen Gesetzen der Harmonie gemäss<br />

handeln. Dazu gehört, dass er mitwirkt<br />

an allem Sich-neu-Gebärenden, Aufbauenden,<br />

und nicht nutzlos Kraft verschwendet mit<br />

Klagen um Erschüttertes, Zusammengebrochenes.<br />

Zweifelt man, dass unter dem Schutt<br />

des Umsturzes bereits neue Segenskeime<br />

sprossen? Sahen wir nie, wenn das welke<br />

Laub fortgeräumt wurde, zarte grüne Spitzen<br />

von Krokus und Schneeglöckchen aus der<br />

Erde lugen, die dort lange schon heimlich<br />

geschafft haben? Gerade wir, die wir noch<br />

die schönen Bilder des Zertrümmerten vor<br />

Augen haben, können dazu mitwirken, dass<br />

sie neu in angemessener — einer anderen Zeit<br />

angemessener — Gestalt wieder erstehen.<br />

Die Jugend sucht, tastet, irrt. Die Ueberlieferang<br />

kann ihr Stütze sein. Oft auch<br />

Mass und Vorbild, aber das müssen wir dem<br />

Wachstum des Neuen überlassen. Wir sollen<br />

nur nicht meinen, wir müssten schon ganz<br />

beiseite treten, das neue Geschlecht wolle ja<br />

doch alles ganz anders einrichten. Es wird<br />

noch längst nicht jeder abgelehnte Ratschlag<br />

verworfen, und nicht jede mit Widerspruch<br />

aufgenommene Mahnung verweht der Wind.<br />

Wir dürfen uns nur nicht zur verderblichen<br />

Hemmung neuen Wachstums machen. Gerade<br />

wer etwas vom Klang ewiger Harmonie in<br />

sich vernimmt, wird Verständnis haben für<br />

die Verschiedenheit der neu sich bildenden<br />

und seiner längst festgelegten, erprobten<br />

Auffassung. Und mit Verstand, Nachsicht,<br />

Festigkeit und gutem Willen kann er in<br />

seinem Kreis eine regulierende Kraft vertreten,<br />

die für den Aufbau von unschätzbarem<br />

Wert ist.<br />

Und siehe, was steigt ihm dann allmählich den Tisch in der Silvesternacht für zwei<br />

in der Ferne herauf? Ein neues Gedeihen<br />

der Menschheit, der Völker. Ein Blühen nach<br />

Leid und Kampf, dessen schwere Kosten er<br />

getragen hat. Waren nicht seine Wünsche<br />

die Keime dieses Glückes?<br />

Silvester<br />

Von Etta Federn-Kohlhaas.<br />

Der ernste Heilige und Papst Silvester hat<br />

sicher nicht geahnt, dass der letzte Tag des<br />

Jahres, der nach ihm genannt wird, einmal<br />

die Gelegenheit zu so viel Fröhlichkeit und<br />

Uebermut geben würde, wie ihn jetzt der<br />

Silvesterabend in den grossen Städten entfesselt<br />

Und auch in der Literatur finden wir<br />

im allgemeinen diesen Uebermut nicht begründet.<br />

Es erscheint seltsam, wie wenig Dichter<br />

sich eigentlich mit dem letzten Abend des<br />

Jahres in ihren Werken beschäftigt haben.<br />

Vielleicht hat das seinen Ursprung in dem<br />

unmittelbaren Naturgefühl der Dichter. In<br />

einem seiner tiefen und schönen Märchen<br />

lässt Andersen die frierenden Spatzen im<br />

Januar sagen, vielmehr piepsen, dass die<br />

Menschen mit ihrem Kalender unrecht hätten.<br />

Das neue Jahr könne noch nicht geboren<br />

sein, denn man friere noch schlimmer<br />

als im alten. Und das neue Jahr beginnt erst<br />

wirklich, wenn die Störche auf ihrem Rücken<br />

den jungen König und die Königin des Jahres<br />

hereintragen ins Land, wenn der Frühling<br />

einzieht. Dieses unmittelbare und echte<br />

Naturgefühl mag es sein, das die Dichter<br />

hindert, mitten im kalten Winter in der<br />

dunklen Zeit der «Zwölf Nächte» den Jahreswechsel<br />

zu besingen.<br />

Diese «Zwölf Nächte» stammen aus dem<br />

alten Germanenglauben, der in der Sonnenwendzeit<br />

des Winters Wotans Jagd durch<br />

die Wälder und über die Felder stürmen<br />

lässt. Wotans Jagd, das «Wilde Heer», aus<br />

dem schliesslich in falscher Wortableitung<br />

das «wütende» Heer wurde. Sie spielen eine<br />

Rolle in manchem alten Volksglauben und<br />

Aberglauben, und es ist nicht verwunderlich,<br />

Prosit Neujahr!<br />

dass diese Volksüberlieferungen manchem<br />

Dichter Stoff zu Gestaltungen gegeben hat.<br />

Da ist zunächst der den Berlinern und unserer<br />

heutigen Zeit nächststehende Dichter<br />

Fontane, der in seiner deutschen Ballade<br />

«Silvester-Nacht» schildert, wie die Tochter<br />

deckt, weil sie, während die Mutter schläft,<br />

die Erscheinung des zukünftigen Freiers erwartet.<br />

Sie sitzt am Tisch, da es Mitternacht<br />

schlägt und starrt auf die Tür in bitterster<br />

Angst, aber niemand tritt ein, und sie will<br />

schon erleichtert aufatmen — da sitzt der<br />

schreckliche Gast neben ihr, der spricht:<br />

« Heut nacht noch bist du mein!<br />

Ich bin ein stürmischer Gesell,<br />

ich wähle rasch und freie schnell!<br />

Ich bin der Bräut'gam, du die Braut<br />

und bin der Priester, der uns traut! »<br />

Sie schreit auf, da er sie packt, — die Mutter<br />

kommt, aber zu spät, der Wein ist verschüttet,<br />

die Tochter ist tot — und allein.<br />

Diesem Volksglauben nahe verwandt, wenn<br />

auch weniger entsetzlich, ist die Ueberlieferung<br />

aus den Pyrenäen, die Annette<br />

von Droste-Hülshoff in ihrem Gedicht<br />

«Silvesterfei» darstellt. Da hat die Mutter,<br />

die Hausfrau, die Tafel gedeckt, weil die<br />

Silvesterfei in der Nacht das Glück und das<br />

Unglück durch die Häuser führt, und wo der<br />

Tisch rein und wohl bestellt ist, da setzt sich<br />

das Glück zu Tisch. Wo aber etwas zu tadeln<br />

ist, da weint das Unglück. Manon hat alles<br />

wohl bereitet und liegt in Angst und mit zugepressten<br />

Augen, um das Glück nicht zu<br />

verscheuchen, aber trotzdem hat sich das<br />

Unglück bei ihr eingefunden. Das Kind, der<br />

Knabe, ist unruhig und fiebernd; es ist ins<br />

Haus gekommen als krankes Kind.<br />

Nicht an Volksglauben, sondern an die<br />

seltsame Dichtung Chamissos von Peter<br />

Schlehmihl, der seinen Schatten verlor,<br />

schliesst sich E. Th. A. Hoffmann an, der die<br />

«Abenteuer der Silvesternacht» als phantastische,<br />

schreckhafte Rahmenerzählung ge-<br />

Sonne in Klosters<br />

Vornehmes Familien- und<br />

Wasser in allen Zimmern.<br />

Ganz soignierte Küche..<br />

Zur Jahreswende.<br />

Geht das Jahr auch still zur Neige<br />

über einem Tannenzweige,<br />

über einem kleinen Licht,<br />

über vielem, was wohl leicht ist,<br />

über manchem, das voll Arglist,<br />

schwer und mühsam an Gewicht,<br />

weiss man doch, dass dieses Leben,<br />

wechselnd zwischen Nehmen, Geben,<br />

nie ganz dunkel, nie ganz fielle,<br />

wie des Meeres blaue Welle,<br />

voll von Glanz ist und Gesicht...<br />

Gertrud Bürgi.<br />

staltet hat, um von dem Manne zu berichten,<br />

der sein Spiegelbild an die schöne, verführerische<br />

Giulietta, die dämonische Gestalt<br />

der Julia, von der Hofimann, der Enthusiast,<br />

begeistert ist, auf Verlangen des Doktors und<br />

Charlatans Dapertutto hingibt. Dapertutto,<br />

das ist der Sandmann-Coppelius, das ist der<br />

Graf S-i, das ist das böse Element in all den<br />

abenteuerlichen, gespenstischen Erzählungen<br />

des 'von grauenvollen Phantasien gemarterten,<br />

tollen, phantastischen, trinkenden,<br />

musizierenden, seelenkranken, elend unglücklichen<br />

Juristen Hoffmann.<br />

An die Vorstellung eines wirklichen Jahresendes,<br />

eines Einschnittes, eines Aufhörens,<br />

erinnert das wundervolle Andersen-Märchen<br />

vom «Kleinen Mädchen mit den Schwefelhölzchen».<br />

Der Kleinen erscheint im Licht<br />

der brennenden Zünder nach beglückenden<br />

Weihnachtsvisionen die Gestalt der toten<br />

Grossmutter, der Einzigen, die zu dem verlassenen<br />

Kinde gut gewesen war, und sie<br />

holt die arme erfrorene Kleine hinauf in den<br />

Himmel, wo im Sternenschein der ewige<br />

Weihnachtsbaum leuchtet. Ein Widerschein<br />

dieses Glanzes bleibt auf ihrem Gesicht.<br />

Auch die Dichterin Droste-Hülshoff hat<br />

diesen Einschnitt im Leben zum Anlass eines<br />

anderen Gedichtes genommen, einer schweren<br />

und wehmütigen Betrachtung. Arn leczten<br />

Abend des Jahres denkt sie an die Toten<br />

des Jahres zurück und fragt sich, da vielleicht<br />

auch ihr Sargbaum schon gefällt ist,<br />

wer dann ihrer wohl'gedenken werde, wenn<br />

sie gestorben sein wird. Bekannte, Freunde<br />

und Verwandte, ja selbst die Geschwister<br />

werden Gründe haben, sie zu vergessen. Nur<br />

die Mutter wird sie in jedem Grabe wieder<br />

sehen, wird ihre Stimme im Rauschen des<br />

Haines vernehmen. «Oh, vergessen kann<br />

eine Mutter von zwanzig Kindern nicht<br />

ein's!» Das ist der letzte Schluss dieser<br />

Silvesterüberlegung.<br />

Aber die anderen Dichter, Goethe an der<br />

Spitze, haben lieber den Neujahrstag zum<br />

Gegenstand eines Liedes genommen- Kaum<br />

einer ist, der nicht diesen Anfang, diesen<br />

Uebergang zu etwas Neuem gefeiert hätte.<br />

Besonders innig und tief hat es Möricke in<br />

seinem herrlich schönen «Kirchengesang<br />

zum neuen Jahr» getan:<br />

Wie heimlicherweise<br />

Ein Englein leise<br />

Mit rosigen Füssen<br />

Die Erde betritt,<br />

So nahte der Morgen.<br />

Jauchzt ihm, ihr Frommen<br />

Ein heilig' Willkommen,<br />

Ein heilig' Willkommen!<br />

Herz, jauchze du mit!<br />

in ihm sei's begonnen,<br />

Der Monde und Sonnen<br />

An blauen Gezeiten<br />

Des Himmels bewegt.<br />

Du, Vater, du rate!<br />

Lenke du und wende!<br />

Herr, Dir in die Hände,<br />

Sei Anfang und Ende,<br />

Sei alles gelegt!<br />

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Propr. E. Helblinq.

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