E_1934_Zeitung_Nr.057
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Dadurch kommt man in das offene Eismeer;<br />
Eisschollen allerdings treiben hier keine, im<br />
Gegenteil, Petsamo ist infolge des Golfstromes<br />
der einzige Hafen Finnlands, der ganzjährig<br />
eisfrei ist! — Der mittlere und südliche<br />
Teil Finnlands ist fast ganz flach. Um<br />
einen Ueberblick über die landschaftliche<br />
Vielgestaltigkeit des finnischen Seengebietes<br />
zu erlangen, empfiehlt es sich, eine der beiden<br />
einzigen Erhebungen aufzusuchen: die<br />
Puijo-Höhe«(234 m) bei Kuopio oder die Koli-<br />
Berge (336 m) nördlich von Joensuu; beide<br />
Erhebungen können mit dem Motorfahrzeug<br />
«bestiegen» werden; die Aussicht ist überwältigend.<br />
Die Gastfreundschaft in diesen nördlichen<br />
Gebieten ist hervorragend; die Sicherheitsverhältnisse<br />
bezüglich Person und Eigentum<br />
übertreffen jene im übrigen Europa; die<br />
Strassen sind gut, doch vielfach sandig; alle<br />
Gebildeten sprechen deutsch; Finnland ist<br />
unerhört billig; die Betriebsstoffe sind nicht<br />
klopffest, weshalb sich eine Zurückstellung<br />
der Zündung empfiehlt.<br />
Fortsetzung folgt.<br />
Zur Frage des Notstandes<br />
beim Automobilvergehen.<br />
Art. 25 des Bundesgesetzes über den Motorfahrzeug-<br />
und Fahrradverkehr macht es dem Führer<br />
zur Pflicht, sich seines Fahrzeuges so zu bedienen,<br />
dass er dasselbe ständig beherrscht<br />
Der Begriff der Fahrlässigkeit bedeutet daher<br />
eine Verletzung dieser Pflicht, d. h. dieses pflichtwidrige<br />
Verhalten ist notwendig, um die Fahrlässigkeit<br />
zu begründen. Aber schon daraus ist ersichtlich,<br />
dass die Pflichtwidrigkeit an und für<br />
sich noch nicht einen strafwürdigen Tatbestand zu<br />
stipulieren vermag. In dieser Erscheinung ist es<br />
zweifellos eine Uebertretung eines Gebotes oder<br />
Verbotes.<br />
Um den Kriminaltatbestand zu erfüllen, gehört<br />
der rechtswidrige Erfolg dazu. Mit andern Worten,<br />
es muss tatsächlich eine .Schädigung von Leib, Leben<br />
und Gesundheit ergeben. Aber auch hierin<br />
stellt sich die Frage, ob der Täter den Erfolg<br />
seiner Pflichtwidrigkeit hätte voraussehen können.<br />
Nach dem Wortlaut des Gesetzes müsste jedes<br />
Ereignis, das der Führer nicht absichtlich herbeiführt,<br />
als Delikt empfunden werden. Aber schon<br />
beim Versuch, deutlicher auszusprechen, unter welchen<br />
Voraussetzungen von einem völligen Beherrschen<br />
die Rede sein könne, entstehen Zweifel, weil<br />
letzten Endes erst aus einem Ereignis objektives<br />
Nichtbeherrschen abgeleitet werden kann.<br />
Jed-er Fahrer weiss aus seiner Praxis, wie sehr<br />
der Begriff des Beherrschens variieren kann. Dabei<br />
ergibt sich nun auch die Tatsache, dass aus der<br />
Befolgung oder Nichtbefolgung von Verkehrsvorscbriften<br />
wohl auf vorsichtiges oder unvorsichtiges<br />
Fahren geschlossen werden darf, nicht aber, dass<br />
Befolgung Schuldlosigkeit und Nichtbefolgung<br />
Schuld bedeute.<br />
Erfahrungsgemäss ergibt sich nämlich, dass unter<br />
Umständen gerade die Nichtbefolgung, d. h. die<br />
Pflichtverletzung ein Schadenereignis zu verhüten<br />
vermag oder dieses wenigstens als wahrscheinlich<br />
voraussehen lässt. Wenn nun aber trotzdem, entgegen<br />
dem Willen und aller Voraussicht ein krimineller<br />
Erfolg eintritt, dann dürfte entsprechend den<br />
allgemeinen Lehren des Strafrechtes das Vorliegen<br />
eines Notstandes eingehend gewürdigt werden.<br />
Ich will versuchen, im Nachfolgenden zur Notstandsfrage<br />
speziell beim Automobilvergehen Stellung<br />
zu nehmen.<br />
Der Notstand wird im Strafrecht dahingehend<br />
definiert, dass es sich um einen unverschuldeten<br />
Zustand handelt, zu dessen Befreiung nur die augenblickliche<br />
Verletzung eines strafrechtlich geschützten<br />
Rechtßgutes dienen kann.<br />
Während nun aber bei der Notstandshandhrag<br />
allgemein der Grundsatz Geltung hat, dass die Gefahr<br />
auf andere Weise nicht zu beseitigen gewesen<br />
wäre, ist es gerade beim Automobilunfall die ausserordentlich<br />
rasche Abwicklung, die eine weitergehende<br />
Auslegung erfordert. Die wenigsten Fahrer<br />
können für sich in Anspruch nehmen, dass sie<br />
selbst in Fällen höchster Gefahr ruhig Blut bewahren.<br />
Gleichzeitig darf aber Geistesgegenwart<br />
nicht etwa mit Beherrschung eines Notstandes verwechselt<br />
werden. Es zeugt von Geistesgegenwart,<br />
wenn der Fahrer ohne grosse Schreckzeit z. B. die<br />
von und gründeten eigene Truppen, so dass<br />
die Berndts immer wieder von vorne beginnen<br />
mussten und oft monatelang ohne Engagement<br />
waren. So beschlossen sie endlich,<br />
nur noch zu zweien zu arbeiten. Sie waren<br />
von da ab zwar immer besetzt, aber die<br />
kleine Nummer kam auch nur noch für kleinere<br />
Varietes in Betracht, und die Gagen<br />
waren dementsprechend niedrig.<br />
Nun aber hingen die Berndts mit inniger<br />
Liebe an ihrem einzigen Kind. Der Gedanke,<br />
dass Cilly vielleicht einmal als alleinstehende<br />
Artistin ihr Brot verdienen müsse, war ihnen<br />
unerträglich. Frau Berndt, seit ihrem zwölften<br />
Jahr verwaist, hatte vor ihrer Heirat<br />
selbst so viel Kummer und Sorgen durchmachen<br />
müssen, dass sie ihr Kind vor solchem<br />
Los bewahren wollte; Cilly sollte einmal<br />
einen Mann mit einem sicheren bürgerliehen<br />
Beruf heiraten. Wer aber nahm ein<br />
armes Mädchen? Man musste also für Cilly<br />
ein kleines Vermögen ersparen, und das war<br />
wieder bei den niedrigen Gagen unmöglich.<br />
So kamen die Berndts auf die Idee, eine Sensationsnummer<br />
herauszubringen: Radfahrakt<br />
auf dem Hochseil.<br />
Jahre und Jahre probten sie. Dann endlich<br />
war das grosse Ziel erreicht. Seit fünf Jahren<br />
waren sie nicht mehr ohne Engagement,<br />
und jeden Monat konnten die sparsamen<br />
Leute ein paar hundert Mark für ihr Kind<br />
beiseitelegen. Aber ohne es zu ahnen, hatten<br />
sie Cillys Leben zu einem Martyrium gemacht:<br />
Zwei Jahre lang hatten Berno und Berna<br />
Auto<br />
Dynamo-Anker mit Cellophan-Isolierung.<br />
Eine amerikanische Firma bringt neue, für<br />
besonders hohe Leistungen bestimmte Auto-<br />
Dynamo-Anker heraus, deren Wicklungen<br />
ausser durch Emaille- und Nitrolack mit Cellophan<br />
isoliert sind. Das Cellophan bildet dabei<br />
die Isolationsschicht, der Nitrolack die<br />
Aussenschicht.<br />
Versicherung nach Fahrtleistune.<br />
Eine grössere Pariser Versicherungsgesellschaft<br />
fasste den Beschluss, die Höhe der<br />
Automobil-Versicherungsprämien künftig nach<br />
der Fahrtleistung zu staffeln. Die Versicherung<br />
ist nicht zeitlich beschränkt, sondern<br />
ihre Dauer richtet sich nach der Zahl der zurückgelegten<br />
Kilometer, Die Versicherung<br />
erstreckt sich auf jeweils 2500 km und ist im<br />
voraus zu bezahlen. Das neue Versicherungssystem<br />
hat in Kreisen der französischen Verkehrswirtschaft<br />
grösste Zustimmung ausgelöst.<br />
Georges Sizaire gestorben.<br />
In Frankreich starb dieser Tage Georges<br />
Sizaire, ein Altmeister des französischen Automobilbaues,<br />
der jahrelang auch auf eigenen<br />
Wagen erfolgreiche Rennen bestritt. Die<br />
von Sizaire konstruierten Wagen liefen ursprünglich<br />
unter der Marke Sizaire-Naudin,<br />
dann Sizaire-Berwick und schliesslich Sizaire<br />
Bremsen in Tätigkeit setzt oder wenn er auszuweichen<br />
versteht. Wichtig ist aber gerade in diesen<br />
Fällen der Umstand, dass er nicht den Erfolg,<br />
den seine Handlung herbeiführen kann, beurteilt.<br />
Man kann ruhig die Behauptung vertreten, dass<br />
die Fälle äusserst selten sind, in denen ein Fahrer<br />
tatsächlich mit Vorsatz die Befreiung herbeiführt.<br />
Sein Bestreben ist im Gegenteil ganz instinktiv,<br />
eine Verletzung Von Rechtsgütern zu vermeiden.<br />
Wollten wir unter diesem Gesichtspunkt<br />
allein die Automobildelikte beurteilen, dann würden<br />
alle für sich den Notstand anrufen. Wir können<br />
mit dem allgemeinen Strafrecht nur jene Fälle darunter<br />
verstehen, wo der Notstand ein unverschuldeter<br />
ist. Nicht darauf berufen kann eich selbstverständlich<br />
derjenige, der in einem unsinnigen<br />
Tempo z. B. in eine Kurve fährt, wobei er genau<br />
weiss, dass seine Macht nicht ausreichen wird;,um<br />
die Maschine auf der rechten Strassenseite zu; halten.<br />
Für ihn gibt es keinen Notstand. Die Anrufung<br />
der Notstandsbestimmungen scheint'''mir<br />
ebenso ungerechtfertigt in den meisten Kinderunfällen,<br />
denn auch hier, wo man mit Handlungen<br />
entgegen aller menschlichen Voraussicht rechnen<br />
muss, müssen die Kräfte des Fahrzeuges derart<br />
eingedämmt sein, dass sie der Fahrer tatsächlich<br />
für jeden Fall beherrscht. Anders natürlich die<br />
Fälle, bei denen man von der Anwesenheit von<br />
Kindern tatsächlich nichte weiss oder wissen<br />
konnte.<br />
Eine wichtige Bestimmung zivilrechtlicher Natur,<br />
die aber in den meisten Fällen mit Sachschaden<br />
zur Anwendung kommen dürfte, ist der Artikel<br />
701 ZGB.<br />
« Kann jemand einen drohenden Schaden<br />
oder eine gegenwärtige Gefahr nur dadurch<br />
von sich oder andern abwenden, dass er in<br />
das Grundeigentum eines Dritten eingreift, so<br />
ist dieser verpflichtet, den Eingriff zu dulden<br />
...»<br />
Nach meinem Dafürhalten könnte allerdings<br />
diese Bestimmung auch Geltung haben in denjenigen<br />
Fällen, wo der Gefahrszustand ein selbstverschuldeter<br />
ist. Natürlich kann es sich dann nicht<br />
darum handeln, dass man Notstand annimmt,<br />
doch wird sich das in der zivilrechtlichen Auseinandersetzung<br />
über den eingetretenen Schaden auswirken.<br />
ihre halsbrecherischen Künste gezeigt, ohne<br />
einen ernsteren Unfall zu erleiden, und Cilly<br />
war es eigentlich nie in den Sinn gekommen,<br />
in welcher Gefahr die geliebten Eltern täglich<br />
schwebten. Doch eines Abends war das<br />
Unglück geschehen: Das Kind hatte es mitangesehen,<br />
wie bei dem Haupttrick, der Fahrt<br />
mit dem Tandem über das Drahtseil, der<br />
Vater ein Pedal verlor und die Eltern in die<br />
Manege abstürzten. Zwar waren Berno und<br />
Berna nach langen Wochen wieder völlig<br />
von ihren Verletzungen genesen, aber von<br />
nun an stand Cilly allabendlich vor Angst<br />
zitternd im Hintergrund des Reiterganges<br />
und wandte keinen Blick von den Eltern, 'bis<br />
sie wieder sicher auf den Füssen im Sand<br />
der Manege standen. Kein Mensch ahnte,<br />
was das Kind durchmachte, um so weniger,<br />
als Cilly für ihre eigene Person keinerlei<br />
Furcht kannte und bei allen Zirkusleuten für<br />
besonders mutig galt. Die Eltern aber zu<br />
bitten, ihre gefährliche Nummer aufzugeben,<br />
— so eine Idee lag völlig ausserhalb von Cillys<br />
Gedankengängen. Als echtem Zirkuskind<br />
erschien ihr die Arbeit der Eltern als eine<br />
schwere, aber unabweisbare Pflicht, zu der<br />
ein hartes und unerbittliches Schicksal sie<br />
nun einmal berufen hatte.<br />
Auch an diesem Abend stand Cilly an ihrem<br />
gewohnten Platz und beobachtete die<br />
Eltern iriit angstvoll klopfendem Herzen bei<br />
ihrer gefährlichen Arbeit. Alles war gut abgelaufen<br />
bis auf den Schlusstrick, der gerade<br />
vorbereitet wurde: das Drahtseil, das sich<br />
zwischen zwei kleinen Plattformen hoch<br />
AUTOMOBIL-REVUE <strong>1934</strong> - N° 57<br />
ifistischer<br />
Frares. Sizaire war einer der ersten Konstrukteure,<br />
der das Prinzip der unabhängigen<br />
Radabfederung anwandte und dabei bahnbrechend<br />
für eine heute vielgeschätzte Neuerung<br />
eintrat.<br />
Holzgas-Autobusse für den Stadtverkehr!<br />
Wie wir erfahren, soll der gesamte städtische<br />
Autobuspark Pressburgs auf Holzgasbetrieb<br />
umgestellt werden. Zur Zeit werden<br />
etwa 20 Autobusse für den Holzgasantrieb<br />
hergerichtet; sie werden bereits in allernächster<br />
Zeit in Betrieb genommen werden. Dem<br />
Vernehmen nach soll auch der Prager Autobuspark<br />
auf Holzgasbetrieb umgestellt werden.<br />
Butter als Getriebeschmiermittel ?<br />
Der Tiefstand der Butterpreise in Littauen<br />
soll nach Blättermeldungen aus Kowno manche<br />
üttauischen Automobilisten zur Verwendung<br />
von Butter als Getriebeschmiermittel<br />
veranlasst haben. Ob die üblichen Butterkonservierungsmethoden<br />
ausreichen, um das<br />
Ranzigwerden der Getriebe zu vermeiden,<br />
wird leider nicht angegeben. Für Autler, die<br />
sieht nur mit trockenem Brot bewaffnet, zu<br />
irgendwelchen Zwecken in sibirische Einöden<br />
begeben wollen, ist jedoch die neue<br />
Schmierart bestimmt nicht ohne Reiz.<br />
Um nun aber die konkreten Fälle des Notstandes<br />
zu würdigen, sollen einige typische Fälle herangezogen<br />
werden, deren Charakter die Merkmale<br />
der Fahrlässigkeit, nämlich Pflichtwidrigkeit und<br />
Voraussehbarkeit, aufweisen, wo aber Notstand geltend<br />
gemacht werden kann.<br />
Wenn ich eingangs die Kinderunfälle herangezogen<br />
habe, und nochmals darauf "zu sprechen<br />
komme, dann nur deshalb, weil mir dort der Begriff<br />
Voraussehbarkelt in anderer Tragweite erscheint.<br />
Nehmen wir aber den zahlreichen Fall, wo<br />
ein erwachsener Mensch, der den herannahenden<br />
Wagen zweifellos bemerkt hat, ohne einen vernünftigen<br />
Grund das Trottoir verlässt und in die Fahrbahn<br />
des Wagens tritt. Nun mag man ihm den<br />
Vorwurf machen, dass er eben zu schnell gefahren<br />
sei und somit sein Fahrzeug nicht beherrscht<br />
habe, Man wird auf Grund des Art. 25 auf alle<br />
Fälle recht haben, der Fahrer hat sein Fahrzeug<br />
nicht beherrscht. Aber eine, einfache Üeberlegung<br />
sagt uns, dass Art. 25 nicht ein Strafartikel sein<br />
kann und dass nicht dessen Verletzung massgebend<br />
.ist, sondern strafrechtliches Verschulden überhaupt.<br />
Man wird in all diesen Fällen, wo durch<br />
offensichtliches Verschulden eines Dritten ein Unglückfall<br />
entsteht, eben auch dessen Verantwortlichkeit<br />
als Verkehrssubjekt heranziehen müssen.<br />
Diese Praxis ist übrigens geübt.<br />
Für unsern, Fall wollen wir aber annehmen,<br />
dass der Automobilist arigMicht« dieser unvermittelt<br />
auftretenden Gefahr die Folgen gefühlsrnässig<br />
verhindern will und dadurch seinen Wagen in eine<br />
Zone lenkt, in welcher nun trotzdem ein Unglück<br />
mit gänzlich Unbeteiligten entsteht.<br />
Ohne Zweifel macht er sich der fahrlässigen Tötung<br />
schuldig, wenn er nun hiebei einen Velofahrer<br />
überfahren hat. Wenn er aber vom Moment des<br />
Auftauchens der Gefahr an, ununterbrochen Pflichtverletzungen<br />
begangen hat, dadurch dass er z. B.<br />
auf eine Verkehrsinsel fährt, so wäre es doch verfehlt,<br />
ihm diese Verletzungen zum Verschulden anzurechnen.<br />
Denn es muss ihm zugestanden werden,<br />
dass er in guter Absicht gehandelt hat. Dabei<br />
spielt nun der Umstand keine Rolle, dass die Abwehrmassnahme<br />
unter Umständen vollständig verfehlt<br />
war, denn man kann im Moment höchster<br />
Gefahr nicht verlangen, dass der Fahrer in einem<br />
Bruchteil einer Sekunde zum gleichen Schluss<br />
über der Arena spannte, wurde soweit gelockert,<br />
dass es nun einen grossen Bogen bildete<br />
und sich in der Mitte bis auf drei Meter<br />
dem Boden näherte.<br />
Jetzt stiess Cillys Vater einen kurzen, hellen<br />
Laut aus, Frau Berndt antwortete mit<br />
demselben Ton, als Zeichen, dass sie bereit<br />
sei.<br />
.Lieber Gott, lass es gut gehen!' betete<br />
Cilly im Geiste, wie sie es jeden Abend tat.<br />
Im gleichen Augenblick traten die beiden in<br />
die Pedale. Das Tandem raste auf dem Seil<br />
hinab und wieder hinauf. In drei Sekunden<br />
war alles vorbei: sicher hielten Berno und<br />
Berna auf der anderen Plattform. Applaus<br />
und Tusch brachen los.<br />
.Lieber Gott, ich danke dir! 1 betete Cilly.<br />
Die Spannung ihrer Nerven löste sich. Und<br />
nun konnte sie mit Ruhe die Tiernummer von<br />
Bux ansehen, die gleich an die Reihe kommen<br />
musste.<br />
Als der Dressurakt zu Ende war und die<br />
Tiere hinausgeführt wurden, flatterte Mohrchen,<br />
der Rabe, wie stets, "auf Brahmas Rükken><br />
um sich von dem Elefanten sicher in<br />
den Stall tragen zu lassen.<br />
Im Aufsitzraum drängten sich schon die<br />
Artisten mit ihren Wagen und Pferden für<br />
das römische Rennen durcheinander. Auch<br />
Jack Benson hatte bei dieser Nummer mitzuwirken.<br />
Als Brahma, von seinem Wärter<br />
Dhakjee geleitet, an dem Amerikaner vorbeikam,<br />
Hess dieser das Ende seiner langen<br />
Peitsche nach Mohrchen schnellen. Er traf<br />
den Raben zwar nicht — und das hatte wohl<br />
kommt, wie die Untersuchungsbehörde, die mit aller<br />
Gründlichkeit einen Sachverhalt rekonstruieren und<br />
durchdenken kann.<br />
Ich bin mir durchaus bewusst, dass diese Ueberlegungen<br />
zu dem Vorwurf führen, dass damit die<br />
Ueberechreitung des Notstandes beim Automobilvergehen<br />
praktisch ausgeschaltet ist. Damit taucht<br />
auch eine weitere Frage auf, die von verschiedenen<br />
Seiten durch Spezialgerichtsbarkeit beantwortet<br />
werden soll, nämlich, wie weit man im konkreten<br />
Fall vom Fahrer vernünftiges Handeln verlangen<br />
kann.<br />
Ich möchte in diesem Rahmen nicht dem Verkehrsgericht<br />
rufen, sondern gerade, wünschen, dass<br />
der Notstandsbegriff bei der Beurteilung von Fahrlässigkeit<br />
eine weitgehende Würdigung erfährt.<br />
Nach meinem Dafürhalten könnte dadurch eine<br />
gewisse Bestimmtheit in der Beurteilung aller<br />
Automobilvergehen erreicht werden, die durch die<br />
Gesetzgebung, insbesonders durch den Art. 25 übergangen<br />
wird.<br />
Jeder Automobilist wird solange behaupten, dass<br />
er sein Fahrzeug beherrsche, bis ein Erfolg eintritt.<br />
Gerade dieser Umstand schafft ja der Geschwindigkeitsfreigabe<br />
die grössten Gegner, denn<br />
den Aufsichtsorganen bleibt keine Möglichkeit, die<br />
Nichtbeherrschung zu beweisen. Der vernünftige<br />
Fahrer, der das notwendige Verantwortungsgefühl<br />
und Disziplin in sich hat, wird zwar nicht vor Unfällen<br />
verschont sein, aber er wird doch immer<br />
seine Maschine beherrschen, soweit man ihm eine<br />
Voraussicht zumuten kann. Er wird aber vor allem<br />
nie eine Kollision selbst verschulden und daher<br />
von allem Anfang an Notstand geltend machen<br />
können. Mit Recht trifft ihn dann die Straffreiheit.<br />
Nicht so aber der Draufgänger, der nur behauptet,<br />
dass er ständig sein Fahrzeug beherrsche,<br />
der aber immer seine Notlage selbstverschuldet.<br />
Ihm muss das Recht abgesprochen werden, Notlage<br />
geltend zu machen und ihn wird also die<br />
Pflichtverletzung an und für sich schon treffen. Ja<br />
es sollte sogar möglich sein, im Interesse der Verkehrssicherheit<br />
mit Strafe einzusetzen, bevor ein<br />
Unglück entstanden ist. Das würde bedingen, dass<br />
man nicht eine blosse Uebertretung. sondern strafbares<br />
Vergehen annimmt. Denn der Zustand ist<br />
unbefriedigend, dass man einer andauernden<br />
schweren Gefährdung der öffentlichen Sicherheit<br />
zuschauen muss, von der man weiss, dass sie früher<br />
oder später Menschenleben vernichtet, ohne<br />
dagegen einschreiten zu können. Nicht die Geschwindigkeitsbegrenzung<br />
schafft hier Recht, denn<br />
dort wird nur der disziplinierte Fahrer wiederum<br />
betroffen, sondern die Bestrafung der Gefährdung<br />
an und für sich. Damit gibt man den Aufsichtsorganen<br />
die Möglichkeit dahin zu arbeiten, dass<br />
nicht jedesmal ein Leben, geopfert werden mnsi<br />
um zu einer Bestrafung zu kommen. Es bedeutet<br />
sicherlich den Schutz Unwürdiger, wenn man gegen<br />
die Strafbarkeit der Pflichtverletzung plädiert.<br />
Das kommt am besten bei den sog. Kinderunfällen<br />
zum Ausdruck. Das Charakteristikum dieser<br />
Unfallart ist entweder ausgesprochener Notstand,<br />
wenn der Fahrer gar nicht wissen konnte, dass ein<br />
Kind in seine Fahrbahn treten kann, oder aber<br />
ein sträflicher Leichtsinn, mit dem der Fahrer auf<br />
gut Glück, trotz Warnung durchzwängt. Was hilft<br />
es, wenn nach eingetretenem Unglück der Fahrer<br />
•gestraft wird? Man gibt damit der Mutter das<br />
Kind nicht wieder. Also einsetzen, bevor das Unglück<br />
geschaffen ist. Man trifft unbedingt die<br />
Richtigen, denn der Fahrer, der gegenüber' dem<br />
Kinde fahrlässig ist, ist es in ebensolchem Masse<br />
gegenüber dem ganzen Verkehr. Meistens wissen<br />
dabei die « Fahrer > gar nicht, welche Vernichtungskraft<br />
in ihrer Maschine steckt. Sie gehören<br />
darum nicht ans Steuer einer Maschine. Gegen<br />
diese Kategorie wendet sich nicht nur die Oeffentlichkeit,<br />
die sorgfältigen Fahrer, die Behörden, sondern<br />
unser Gewissen. Sie sind ohne Alkohol hemmungslos.<br />
Wenn man schon die Hemmungslosigkeit<br />
zufolge Alkoholgenusses strafwürdig bezeichnet,<br />
dann muss man es in konsequenter Weise<br />
überhaupt gegen jede Hemmungslosigkeit tun. "^<br />
Darum bin ich der Auffassung, dass in allen<br />
Fällen, in denen nicht Notstand und damit Straffreiheit<br />
vorliegt, nicht erst der Enderfolg bestraft<br />
wird, sondern die Vorbereitungshandlung, nämlich<br />
das unbeherrschte Fahren. Dabei sollen alle Strafen<br />
Anwendung finden, angefangen beim Entzüge<br />
der Führerbewilligung, bis zur Gefängnisstrafe.<br />
Was die Fahrprüfung nicht zeigt, zeigt der Vorkehr.<br />
Er soll andauernd eine Prüfung bedeuten. Dabei soll<br />
auch die Behörde in der Ausübung ihrer Pflicht<br />
von dar Vernunft geleitet sein, die sie vom Fahrer<br />
verlangt.<br />
E. F., cand. jur.<br />
auch nicht in seiner Absicht gelegen, — doch<br />
er erschreckte ihn so, dass er von Brahmas<br />
Rücken herabflatterte und sich zwischen den<br />
Hufen der stampfenden Pferde hindurch<br />
ängstlich in einen Winkel flüchtete. Weder<br />
Dhakjee noch Tom hatten es bemerkt, weil<br />
sie beide mit den grösseren Tieren beschäftigt<br />
waren; und Bux selbst war noch in der<br />
Arena, um für den nicht endenwollenden Beifall<br />
zu danken. So wurde Mohrchen erst im<br />
Stallzelt vermisst und vergeblich gesucht.<br />
Das römische Rennen begann. Der Aufsitzraum<br />
hatte sich geleert. Nur ein kleiner brauner<br />
Bär war noch darin; er war in der Vorstellung<br />
ungezogen gewesen, hatte nach dem<br />
Dresseur gebissen und sollte deshalb nach<br />
Schluss nochmals vorgenommen werden.<br />
Sein Wärter, der das Tier an langer Kette<br />
hielt, hatte ihm den Rücken zugewendet und<br />
sich in die neuen Anschläge am schwarzen<br />
Brett vertieft.<br />
Cilly kam gerade vom Reitergang her in<br />
den Aufsitzraum, als der kleine braune Bär<br />
einen wütenden Ton ausstiess, dem ein<br />
angstvoller Vogelschrei folgte: Mohrchen,<br />
der sich hinter den Requisiten versteckt gehalten,<br />
hatte sich eben hervorgewagt, um<br />
den Weg zum Stallzelt auf eigene Faust zu<br />
suchen. Der kleine Bär hatte ihn entdeckt<br />
und mit blitzschnellem Griff zwischen die<br />
Klauen gezogen. Der Wärter fuhr herum<br />
und blieb vor Ueberraschung wie angewurzelt<br />
stehen. Im nächsten Augenblick musste<br />
der Rabe zerfleischt sein.<br />
(Fortsetzung folgt.)