E_1934_Zeitung_Nr.066
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Gleichung einsetzen. Die Wucht, mit der unser<br />
Wagen in die Mauer rennt, entspricht<br />
der gleichen Wirkung, wenn der Wagen von<br />
einer 13,5 m hohen Brücke auf eine harte<br />
Unterlage hinunterstürzt. Vergleichsweise<br />
ergibt sich für 120 km eine Fallhöhe von 33<br />
Metern.<br />
Es bleibt nun jedem einzelnen anheimgestellt,<br />
sich die Wirkung zu vergegenwärtigen,<br />
indem er sich auf eine solche Höhe stellt<br />
und sich den Fall vor Augen führt.<br />
Diese Wirkungen ergeben sich, wenn nur<br />
ein Fahrzeug gegen ein stillstehendes Hindernis<br />
rennt. Stellen wir uns aber vor, dass<br />
z. B. zwei Wagen unter den gleichen Voraussetzungen<br />
gegeneinanderfahren, dann summieren<br />
sich die Geschwindigkeiten und dementsprechend<br />
auch die Wirkungen, d. h., wiederum<br />
auf unser Beispiel übertragen, dass<br />
dann jener Wucht eine Fallhöhe von 33 m<br />
entspricht.<br />
Ebenso verhält es sich mit der Zentrifugaloder<br />
Schleuderkrait in der Kurve, wo sich<br />
dieselben Kräfte in dem Sinne auswirken,<br />
dass entweder der Wagen schleudert oder,<br />
was wohl weniger der Fall ist, umkippt. Auch<br />
hier genügt es, die Wucht in PS ausgedrückt,<br />
sich vorzustellen, um zu erkennen, dass auch<br />
die durch die Lenkung übersetzte und gesteigerte<br />
menschliche Kraft nicht ausreicht,<br />
um die entgegengesetzten Kräfte zu meistern.<br />
Ganz abgesehen davon, dass es sich nicht<br />
vorwiegend um diese Problemstellung handelt,<br />
sondern dass sich hier zwei Naturkräfte,<br />
Adhäsion und Schwungkraft, gegenüberstehen.<br />
Wohl kann hier die Geschicklichkeit<br />
in der Kräfteverteilung korrigierend<br />
eingreifen. Aber nur dann, wenn z. B. eine<br />
Kurve Raum genug bietet, wie z. B. bei Rennen,<br />
niemals aber dann, wenn dem Fahrer<br />
nur die schmale rechte Strassenseite zur<br />
Verfügung steht.<br />
Mit diesen knappen Ausführungen soll nur<br />
angedeutet sein, welche enormen Kräfte, tödlichen<br />
und vernichtenden Energien im Fahrzeug<br />
versteckt sind. Vor allem aber darf<br />
der Fahrer nie vergessen, dass sein Körper<br />
niemals nur annähernd eine verhältnismässig<br />
gleiche Kraft aufzubringen vermag. Seine<br />
einzige Kraft, die ihn befähigt, diese technischen<br />
Energien zu meistern, ist die Gabe, sie<br />
zu kennen und berechnen zu können, ihre<br />
Wirkung in geordnete Bahnen zu zwingen,<br />
kraft seiner geistigen Ueberlegenheit. Diese<br />
einzige Kraft versetzt ihn in die Lage, Herrscher<br />
über andere Kraft zu sein, sie zu zähmen<br />
und zu zügeln. Erst das Verstehen<br />
schafft auch hier die Vorsicht. Davon hängt<br />
das Leben Tausender ab, wir dürfen damit<br />
nicht spielen.<br />
Für uns alle gilt als Warnung eine Stelle<br />
aus Schiller:<br />
Doch furchtbar wird die Himmelskraft,<br />
wenn sie der Fessel sich entrafft. E. F.<br />
Venedig, 10. August.<br />
Die gefürchtete vierte Etappe hat, wie<br />
man erwartete, unter den strafpunktfreien<br />
Fahrern, die in St. Moritz noch in ganzen<br />
Scharen eingelaufen waren, ziemlich schwer<br />
gehaust. Sehr viele sind es, die heute ihre<br />
Hoffnungen auf eine strafpunktfreie Alpenfahrt<br />
fahren lassen mussten, und sie müssen<br />
froh sein, wenn sie heil bis München durchhalten.<br />
Die eigentliche 550 km lange Fahrt<br />
von St. Moritz aus bis nach Venedig konnte<br />
an und für sich den Wagen und Fahrern nicht<br />
Förderung der französischen Automobil-Ausfuhr.<br />
Seit einiger Zeit wird von der französischen<br />
Automobilindustrie heftige Klage gegen die<br />
hohen inländischen Gestehungskosten geführt,<br />
indem nur mit starken finanziellen Verlusten<br />
das Ausfuhrgeschäft entwickelt werden könne.<br />
Die französische Regierung ist nun bestrebt,<br />
durch Schaffung einer Exportprämie<br />
diesen Uebelständen nach Möglichkeit abzuhelfen.<br />
Ein besonderes Dekret ordnet vorläufig<br />
vom 1. August bis 31. Dezember <strong>1934</strong><br />
einen weitgehenden Erlass aller Steuern an,<br />
die vornehmlich den Automobilexport belasten.<br />
Die in Betracht kommenden Steuersätze<br />
werden zu einem Pauschalsatz von Urs<br />
1.50 pro Kilo zusammengefasst, was gegenüber<br />
den bisherigen Steuersätzen für mittlere<br />
französische Wagen an den Ausfuhrmärkten<br />
eine Verbilligung um rund 350—400 sfr. bedeuten<br />
dürfte.<br />
Beschränkung des deutschen Tankstellennetzes.<br />
Nach einer Jüngsten Anordnung des Reichswirtschaftsministers<br />
bedarf die Errichtung<br />
neuer und die Erweiterung der Leistungsfähigkeit<br />
bestehender Tankstellen bis zum<br />
30. Juni 1935 der Einwilligung der zuständigen<br />
Reichsstelle. Die Reichsautobahnen bedürfen<br />
auf den von der Gesellschaft betriebenen<br />
Autobahnen keiner obrigkeitlichen Bewilligung.<br />
Soweit jedoch Tankstellen durch<br />
andere Unternehmen auf diesen Bahnen errichtet<br />
oder erweitert werden sollen, ist an<br />
Stelle der Zustimmung seitens des Reichswirtschaftsministers<br />
diejenige des Generalinspektors<br />
für das deutsche Strassenwesen<br />
erforderlich. Tankstellen im Sinne der deutschen<br />
Anordnung sind Verkaufsstellen von<br />
Brennstoff, die mit eingebauten Tanks und<br />
mit Abfüllvorrichtungen versehen sind. Die<br />
Anordnung ist am 25. Juli in Kraft getreten.<br />
Bevorstehende russische Automobilexportoifensive?<br />
Zwischen der Regierung und Vertretern der<br />
Automobilwerke sollen unlängst in Moskau<br />
Verhandlungen stattgefunden haben, um eine<br />
grosse russische Exportoffensive einzuleiten.<br />
Zwischen den verschiedenen russischen Automobilfabriken<br />
sind Abmachungen getroffen<br />
worden, die auf eine Produktions-Spezialisierung<br />
hinauslaufen, und zwar in dem Sinne, dass<br />
in den einzelnen Fabriken lediglich eine be-<br />
Sportnachrichten<br />
Die internationale Alpenfahrt<br />
Die vierte Etappe.<br />
viel anhaben, um so schwerer hatten die<br />
meisten Konkurrenten mit der Bergprüfung<br />
auf das Stilfserjoch zu schaffen, die schon in<br />
früheren Jahren zum gefürchtetsten Punkt<br />
der ganzen Alpenfahrt wurde. Die am<br />
Schluss der heutigen Etappe eingeschaltete<br />
Gesch-windigkeitsprüfung auf der Autostrasse<br />
Padua-Mestre erwies sich dafür als<br />
eine ziemlich harmlose Angelegenheit, auch<br />
wenn sich hier einige Fahrer eine Schlappe<br />
in Form von Strafpunkten holten.<br />
Wie noch in der letzten Nummer gemeldet,<br />
war der Fahrtbeginn in St. Moritz von 4 Uhr<br />
früh auf 5 Uhr verschoben worden. Die Kon-<br />
AUTOMOBIL-REVUE <strong>1934</strong> -<br />
istischer<br />
stimmte Zahl von Automobilbestandteilen<br />
produziert wird, die alsdann in den Automobilwerken<br />
von Nishninovgorod montiert werden<br />
sollen. Bei der geplanten Exportoffensive,<br />
hinter deren Erfolg wir fedoch noch ein grosses<br />
Fragezeichen stellen wollen, handelt es<br />
sich vornehmlich um die Ausfuhr von Personenautomobilen,<br />
wobei Preissätze von 750-<br />
1000 Fr. verlangt werden sollen. Bei solchen<br />
Preisen wird es vornehmlich der russischen<br />
Industrie möglich sein, den Konkurrenzkampf,<br />
vor allem mit der japanischen Automobilindustrie,<br />
aufzunehmen.<br />
Automobilstrasse von Oslo zum Weissen<br />
Meer.<br />
Die norwegische Regierung plant den Bau<br />
einer Autostrasse von der Landeshauptstadt<br />
Oslo zu der ungefähr auf der Höhe von Hammerfest<br />
liegenden Stadt Vadsö, resp. Kirkenes<br />
am Varangerfjord. Der Ausbau der zirka<br />
1500 km langen Nord-Süd-Verbindung, für<br />
die eine Strassenbreite von 8 Meter Vorgesehen<br />
ist, soll in Anwendung der neuesten<br />
Errungenschaften der Strasseribautechnik erfolgen<br />
und wird vor allem aus handelspolitischen<br />
Gründen erstellt. Diese Verbindungsstrasse<br />
soll die grossen Materialtransporte<br />
aus dem hohen Norden, wie Kabeljau, Dorsch,<br />
Heringe, Walfische und Hummer etc., erleichtern<br />
und den wichtigen Holzhandel in den<br />
Hanptumschlagplätzen im _ äussersten Nordosten<br />
Norwegens mit den finnischen und russischen<br />
Handelsplätzen am Weissen Meere<br />
fördern. Auch für den Touristenverkehr aus<br />
dem In- und Ausland wird diese Nord-Süd-<br />
Route von grösster Bedeutung sein.<br />
Aus der polnischen Automobilindustrle.<br />
Das polnische Verkehrsministerium hat<br />
kürzlich den staatlichen Ingenieurwerken in<br />
Warschau eine Lieferung von über 200 Autobussen<br />
in Auftrag gegeben. Diese für den<br />
Autobusbetrieb vorgesehenen Wagen sollen<br />
vornehmlich dem weitern Ausbau des polnischen<br />
Strassenverkehrs dienen. Da die bisherigen<br />
Einrichtungen der Ingenieurwerke<br />
kaum genügen dürften, um den Auftrag innert<br />
nützlicher Frist erledigen zu können,<br />
'soll nach entsprechender Vorbereitung eine"<br />
starke Erweiterung der polnischen Automobil-Montagewerke<br />
durchgeführt werden. Bekanntlich<br />
erstreckt sich die Tätigkeit der<br />
Warschauer Firma vornehmlich auf die Montage<br />
von Saurer- und Fiat-Automobilen.<br />
kurrenten wären über diese zusätzliche Stunde<br />
Schlaf nicht unglücklich, auch wenn sich dafür<br />
die Ankunft in Venedig bis in die Nacht<br />
hinein verzog. Ueber den Bergen wurde<br />
eben die erste Helle des Tages sichtbar, als<br />
die Wagen sich in der Richtung Zernez-Ofenpass<br />
zur Fahrt aufmachten. Keine Hitze und<br />
kein Regen störte die Reise, so dass Fahrer,<br />
Kommissäre und Presseleute mit dem gleichen<br />
Vergnügen die Schönheiten des im frühen<br />
Morgendunste liegenden Engadins bewundern<br />
konnten. Der Nationalpark wurde<br />
im Fluge passiert und der Ofenpass in Angriff<br />
genommen. Der Uebertritt auf italienisches<br />
Gebiet vollzog sich ohne jede Schwierigkeit.<br />
Auf der letzten schweizerischen Teilstrecke<br />
hatten die Konkurrenten im übrigen<br />
noch einmal die Vorzüglichkeit der schweizerischen<br />
Streckenbewachung bewundern können.<br />
Ueber Sluderno und Spondigna wurde Trafoi<br />
erreicht, wo die Stilfserjoch-Bergprüfung<br />
begann. Die Teilnehmer hatten entsprechend<br />
der Stärke ihrer Wagen Durchschnitte von<br />
35 bis 40 km/St, innezuhalten. Wenn man<br />
das Stilfserjoch selber kennt, so weiss man,<br />
was diese (Mittel von Fahrer und Wagen verlangen.<br />
Die Kurven scheinen überhaupt nicht<br />
mehr aufzuhören, und die Geduld des Fahrers,<br />
der um seinen Wagen bangt, wird auf<br />
eine harte Probe gestellt. Eine Erleichterung<br />
bedeutete für die Piloten der weit vorgeschrittene<br />
Ausbau der Passstrasse, die an vielen<br />
Stellen schön verbreitert und zementiert<br />
ist. Nur eine enge Kurve war heute wegen<br />
vorhergegangenem Regen stark aufgeweicht<br />
und schlecht befahrbar. Bei einer Bergprüfungsfahrt<br />
auf das Stilfserjoch kommt es<br />
gleichmässig auf die Uebersetzung, das Schalten,<br />
die 1 Fahrkunst und schliesslich auch auf<br />
den Zus'and des Wagens überhaupt an, der<br />
nacn drei Tagen der Hetzjagd durch die Alpen<br />
Europas nicht mehr unbedingt hervorragend<br />
zu sein braucht. Die Prüfung wurde<br />
von einer Reihe von Ford-Wagen eröffnet,<br />
die das Ziel erreichten, ohne wie eine Lokomotive<br />
zu kochen. Ein Delahaye des Teams<br />
blieb wegen Getriebebruch auf der Strasse<br />
liegen, damit wurde diese Mannschaft gesprengt;<br />
auch einen Renault sah man mit Motorschaden<br />
an der Strasse warten. Der<br />
schnellste der grossen Gruppe war der<br />
Hotchkiss von Trevoux, der die 18 km lange<br />
Bergstrecke in 26'21'' erledigte. Nur vier<br />
Wagen der grössten Klasse erhielten Strafpunkte.<br />
In der zweiten Gruppe bis 3000 ccm<br />
bekamen sechs Konkurrenten Strafpunkte<br />
aufdiktiert, u. a. auch englische S. S.-Wägen.<br />
Von den 14 Einzelfahrern der 2000-ccm-<br />
Klasse wurden sieben gebüsst, während die<br />
Teams den Durchschnitt innehalten konnten.<br />
Sehr bemerkenswert ist die Tatsache, dass<br />
bei den kleinen Wagen bis 1500 ccm teilweise<br />
gleiche Zeiten wie die grössten Maschinen<br />
erreicht wurden. In der 1100-ccm-<br />
Klasse kamen mehrere Maschinen nicht zur<br />
rechten Zeit auf der Passhöhe an. Insgesamt<br />
wurden 27 Fahrer beim Stilfserjoch wegen<br />
Zeitverlusten gebüsst. Das Wetter hatte sich<br />
sehr günstig gehalten und auch dieses Jahr<br />
fanden sich längs der Strecke und auf der<br />
Passhöhe viele Zuschauer ein.<br />
Ueber Bormio erreichten die Alpenfahrer<br />
dann das Addatal und Tirano. Langsam verschwanden<br />
die Berge im Hintergrund, und<br />
die italienische Tiefebene nahm die Alpen-<br />
Reisenden auf. Mit voller Schnelligkeit<br />
wurde auf den schönen Strassen losgelegt.<br />
Die Geschwindigkeitsprüfung auf der<br />
Autostrasse zwischen Padua und Mestre<br />
wurde von den meisten Fahrern ohne Mühe<br />
erledigt. Nur sieben Konkurrenten konnten<br />
die vorgeschriebenen Mindestdurchschnitte<br />
von 95 bis 110 Wst. nicht innehalten.<br />
Insgesamt ergab dieser Tag den Ausfall<br />
von 10 Konkurrenten, nämlich des deutschen<br />
Wanderer-Team-Fahrers Graumüller, der bei<br />
Santa Maria in einer Geröllkurve ausrutschte<br />
und gegen einen Strassenstein prallte, ferner<br />
Perrot (Frankreich) auf Delahaye, Negrel<br />
(Frankreich) auf Renault, Loenholdt (Frankfurt)<br />
auf N. A, G., Malanciano (Frankreich)<br />
auf Ford, und Real (Frankreich) auf Renault,<br />
alle wegen Zeitüberschreitungen, Falmbigl<br />
(Oesterreich) auf Bugatti, wegen Schwierigkeiten<br />
mit der Bremse, Light (England) auf<br />
SS., Miss Allan (England) auf Lancia, und<br />
Mrs. Petre (England) auf Singer. Insgesamt<br />
sind in Venedig 108 Fahrer eingetroffen.<br />
Die fünfte Etappe.<br />
Bux hatte die Zeilen nur flüchtig überflogen.<br />
Dann griff er nach den Briefen. Der<br />
erste war von seiner Mutter. Sie schrieb:<br />
«Mein lieber Junge! Wir haben Dein Telegramm<br />
aus Florenz erhalten. Vater sagte<br />
gleich, dass ihr dort wohl nicht allzu lange<br />
bleiben würdet. Florenz war immer eine<br />
schlechte Zirkusstadt. Die Leute sind steifer<br />
als die anderen Italiener. Neapel und<br />
Mailand sind in Italien immer die besten Geschäfte.<br />
Ich schreibe Dir also (heute nach<br />
Rom. Hoffentlich trifft Dich mein Brief bei<br />
guter Gesundheit an. Wir haben uns gefreut<br />
zu hören, dass es dem lieben Alten gut geht.<br />
Hoffentlich hast Du nicht Unannehmlichkeiten<br />
davon gehabt, dass er der deutschen Dame<br />
so übel mitgespielt hat. Dhakjee soll doch<br />
besser aufpassen und ihm nicht alles durchgehen<br />
lassen. Aber ich weiss ja: Alles, was<br />
Brahma tut, it in Dhakjees Augen wohlgetan!<br />
Wir freuten uns auch sehr, dass Deine<br />
Judith wieder ganz gesund ist und dass es<br />
allen Tieren und Tom und Dhakjee gut geht.<br />
Von uns ist nicht viel zu berichten. Wir sind<br />
alle gesund. Vater lag allerdings drei Tage<br />
mit einer Erkältung, aber heute ist er wieder<br />
wohlauf und will abends auch wieder zu<br />
seinem Skat in den Stern gehen. Von Anna<br />
bekamen wir einen Brief aus Tokio. Sie und<br />
ihr Mann sind gesund; ihre Nummer gefällt<br />
in Japan sehr gut. Sie gehen, bevor sie nach<br />
San Franzisco reisen, erst noch nach den<br />
Philippinen zu einer sehr guten Gage. Hoffentlich<br />
ist die Sache dort sicher! Es ist<br />
doch hart, wenn man seine beiden Kinder so<br />
weit entfernt von sich weiss! Die neuen Gardinen<br />
für Deinen Wagen habe ich Ende der<br />
Woche fertig. Ich schicke sie nach Neapel.<br />
Hoffentlich hast Du nicht mit dem Zoll Aerger.<br />
Vater und ich sprechen noch viel von<br />
Deinem leider so kurzen Besuch hier. Vater<br />
lässt dich vielmals grüssen; er wollte<br />
selbst ein paar Zeilen schreiben, aber er ist<br />
immer so schreibfaul, das weisst Du ja.<br />
Es grüsst und küsst Dich innig<br />
Deine Mutter.<br />
«Du Gute!» sagte Bux leise vor sich hin<br />
und faltete den Brief mit einer zärtlichen<br />
Bewegung zusammen. Dann nahm er den<br />
zweiten Brief, sah die unbekannte Handschrift<br />
der Adresse und öffnete den Umschlag<br />
ohne besondere Neugier. Aber gleich<br />
darauf wusste er, von wem der Brief wa»-,<br />
denn das feine Papier zeigte oben links in<br />
farbloser Pressung die Buchstaben F. v. P.<br />
und darunter ein Wappen. Und dieser Brief<br />
lautete:<br />
Florenz, ...<br />
Liebster Freund! Ich wollte Dir schon<br />
längst schreiben, denn seit unserer Trennung<br />
sind schon drei und ein halber Tag vergangen,<br />
und das finde ich furchtbar lange!<br />
Aber ich konnte ja nicht früher schreiben,<br />
weil ich doch den ganzen Tag mit Papa zusammen<br />
bin und mit unseren Florentiner<br />
Verwandten. Und abends war ich dann immer<br />
so müde. Jetzt ist es nach Tisch, und<br />
da hat sich Papa endlich mal ein bisschen<br />
hingelegt, und ich bin unbeobachtet. Mir ist<br />
eingefallen, dass Du so gut wie nichts von<br />
mir weisst. Ich werde Dir allmählich alles<br />
von mir erzählen, aber auf einmal ist es zuviel.<br />
Ich habe Dir erzählt, dass Mama nicht<br />
mehr lebt. Das ist aber nicht wahr. Sie ist<br />
lange von Papa geschieden und mit einem<br />
andern verheiratet. Ich sehe sie nie. Die Eltern<br />
wurden während des Krieges geschieden,<br />
1915, als ich elf Jahre war. Schreib<br />
mir postlagernd unter «Brahma» — ja? Denn<br />
den Namen vergesse ich sicher nicht! Wir<br />
wohnen allein, Papa und ich. Papa war früher<br />
sehr wohlhabend, aber jetzt geht es uns<br />
gar nicht mehr so gut. Immerhin hält sich<br />
Papa noch ein Pferd, und ich reite es auch<br />
oft — natürlich im Herrensitz! — Papa, hat<br />
Zagreb, 11. August.<br />
Die fünfte, 440 km lange Etappe von Venedig<br />
nach Zagreb stellte für die Alpenfahrer<br />
ein Novum dar. Noch nie hatte diese Könnoch<br />
viele alte Vorurteile, während ich natürlich<br />
moderner denke. Er ist auch etwas<br />
verbittert, weil er gegen früher nicht mehr<br />
viel zu sagen hat. Er war nämlich sehr<br />
streng und scharf im Dienst, wie ich von<br />
Offizieren weiss, die in seiner Abteilung waren.<br />
Die neue Zeit ist sehr ungerecht und gewöhnlich,<br />
aber manches gefällt mir doch<br />
daran: zum Beispiel, dass die jungen Mädchen<br />
viel mehr Freiheit haben. Das soll ja<br />
früher fürchterlich gewesen sein. Papa findet<br />
zwar die heutigen Sitten unmöglich und<br />
möchte mir vieles verbieten, aber er kann<br />
eben doch nicht gegen die Zeit an! Gott sei<br />
Dank!<br />
Ich würde Dir gern schreiben, wie ich<br />
Dich liebe, aber Du bist ja so komisch und<br />
willst vorläufig nur, dass wir gute Freunde<br />
sind. Deshalb schreibe ich nicht, wie ich<br />
möchte. Aber eins muss ich Dir doch sagen:<br />
Die Fahrt mit Dir in Deinem Wohnwagen<br />
hat es mir so angetan, dass ich jetzt noch<br />
sofort mit Dir fliehen würde. Du hättest<br />
dann in einem anderen grossen Zirkus Engagement<br />
angenommen, und ich hätte vielleicht<br />
als Schulreiterin auftreten können! Das<br />
wäre herrlich gewesen!<br />
(Fortsetzung im zAutler-Felerdbend».)