E_1934_Zeitung_Nr.082
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Schutz problematisch wäre). Wie viel es dann<br />
aber brauchen würde, um diese Vorschriften<br />
wieder zu ändern, ist kaum auszudenken. Es<br />
liegt daher im Interesse der anständigen Fahrer,<br />
ihrerseits alles zu einer Besserung Dienliche<br />
beizutragen.<br />
In Erwägung könnte die Einführung einer<br />
Anzeigepflicht für jeden Motorfahrzeuglenker<br />
gegenüber jedem Motorfahrzeuglenker in Fällen<br />
schwerer Verkehrsgefährdung gezogen<br />
werden. Ohne eine Anzeigepflicht Privater an<br />
die Behörden zu befürworten, sollten es sich<br />
die Automobilverbände zur Pflicht machen,<br />
wenigstens ihren Mitgliedern eine Anzeigepflicht<br />
an die Verbandsorgane aufzuerlegen.<br />
Die letzteren hätten es dann in der Hand,<br />
rücksichtslose Fahrer ein erstes Mal, je nachdem<br />
auch noch ein zweites Mal, zu verwarnen<br />
und im Wiederholungsfalle den Behörden<br />
anzuzeigen, sie hätten es aber auch in der<br />
Hand, unberechtigt erscheinende Anzeigen<br />
nicht weiter zu beachten. Die Anzeigen müssten<br />
registriert werden. Schliesslich wäre auch<br />
noch die Möglichkeit vorhanden, eine<br />
schwarze Liste unter den Mitgliedern zu<br />
veröffentlichen. Sicherlich wäre die «Vorstrafenkontrolle<br />
» der Verkehrsverbände gefürchteter<br />
als die staatliche Kontrolle bezüglich<br />
der Verkehrsvergehen. Es ist hier nicht<br />
der Ort, sich im Detail über die Ausgestaltung<br />
dieser im Grunde nicht neuen Anregung zu<br />
verbreiten; es sollte hier nur mit aller Deutlichkeit<br />
darauf hingewiesen werden, dass die<br />
Motorfahrer in ihrem eigenen Interesse<br />
zu einer Selbsthilfeorganisation kommen müssen,<br />
wenn sie die Einführung unzweckmässiger<br />
Vorschriften verhüten wollen.<br />
Es ist aber auch sinnlos, wenn für Gefährdungstatbestände<br />
(nicht für Uebertretungen<br />
blosser Ordnungsvorschriften und dgl.) Geldbussen<br />
resp. Strafen von ein paar Franken<br />
ausgefällt werden, wie dies immer und immer<br />
wieder der Fall ist. In solchen Fällen können<br />
nur spürbare Beträge, nötigenfalls unbedingte<br />
Freiheitsstrafen, abschreckend für die Zukunft<br />
wirken. Es ist verkehrt, unanständige Fahrer<br />
mit niedrigen Bussen oder Strafen in anständiger<br />
Weise belehren zu wollen. Hier kann<br />
nur noch die abschreckende Wirkung der<br />
Strafe etwas nützen. Erfahrungsgemäss wird<br />
im allgemeinen eine unbedingte Freiheitsstrafe<br />
noch mehr gefürchtet als der zeitweise<br />
Entzug des Führerausweises, besteht doch im<br />
letzteren Falle immer noch in vielen Fällen<br />
die Möglichkeit, jemanden anderes mit der<br />
Führung des Fahrzeuges zu beauftragen. Bei<br />
der Behandlung verkehrsgefährdender Fahrer<br />
wird sowohl seitens der andern Strassenbenützer<br />
als auch seitens der Behörden vielfach<br />
viel zu viel auf den durch das Verhalten<br />
des Fehlbaren äusserlich herbeigeführten Erfolg<br />
abgestellt und übersehen, dass «blosse><br />
Gefährdungen sehr oft auf einen rücksichtsloseren<br />
Fahrer schliessen lassen, als unter<br />
Umständen Unfallsituationen mit schwerwiegenden<br />
Folgen für die Beteiligten.<br />
Zwei Wünsche zu Händen der Eisenbahnen.<br />
Bald kommt wieder die Zeit, wo die<br />
Alpenstrassen wiederum dem Automobil geschlossen<br />
sind und man für den Nord-Südverkehr<br />
zum Bahntransport Zuflucht nehmen<br />
muss. Und da dürfte es angezeigt sein,<br />
den interessierten Bahnunternehmen zwei<br />
Wünsche in Erinnerung zu rufen, die sich<br />
aus den letztjährigen Erfahrungen heraus<br />
zur Vermehrung dieser Transporte geltend<br />
gemacht haben.<br />
Qewiss, die S.B.B, haben letzten Winter<br />
in verdankenswerter Weise eine Herabsetzung<br />
der Transporttaxe für den Autotransport<br />
durch den Gotthardtunnel auf die Einheitstaxe<br />
von 25 Fr. pro Wagen bis zu 2000<br />
Schweizerische Rundschau<br />
Auto<br />
Skandinavische Automobilprojekte.<br />
Schon seit mehreren Jahren werden Projekte<br />
ventiliert, nach welchen in den skandinavischen<br />
Ländern die Errichtung einer eigenen<br />
Automobilindustrie angestrebt werden<br />
soll. Bis heute hat sich aber gezeigt, dass der<br />
Gründung eigener Automobilfabriken in den<br />
skandinavischen Ländern gewisse Schwierigkeiten<br />
entgegenstehen. Neuerdings sind nun<br />
in Schweden und Norwegen Verhandlungen<br />
au!genommen worden, denen die Errichtung<br />
einer eigenen Automobilindustrie zugrunde<br />
liegt. Als Initianten dafür kommt vor allem<br />
die Maschinenindustrie in Frage, die gemeinsam<br />
mit bestehenden kleineren Motorradfabriken<br />
den Bau von Personenwagen aufnehmen<br />
will. Die in Dänemark geführten Verhandlungen<br />
über die Errichtung von Automobilwerken<br />
kommen nicht vom Fleck, da die Rentabilitätsaussichten<br />
auf einer nur kleinen Anfangsproduktion<br />
nicht als besonders gut<br />
betrachtet werden. Eine Verschlechterung der<br />
Rentabilitätsgrundlage ergibt sich für die<br />
skandinavischen Märkte auch hinsichtlich<br />
verstärkter Exportbemühungen der ausländischen,<br />
besonders der englischen, deutschen,<br />
amerikanischen und japanischen Automobilindustrie.<br />
Zur bessern Beurteilung der skandinavischen<br />
Verhältnisse ist noch darauf zu verweisen,<br />
dass in der Nähe Stockholms eine<br />
grössere Lastwagenfabrik besteht und in<br />
Göteborg eine Anlage, in welcher Personenwagen,<br />
kleinere Lastautos und Omnibusse<br />
montiert, wogegen die Motoren in einer<br />
Tochtergesellschaft fabriziert werden. Die<br />
General Motors verfügen zudem im Stockholmer<br />
Freihafen über eine Montagewerkstätte,<br />
während Ford nur ein Lager unterhält.<br />
AUTOMOBIL-REVUE <strong>1934</strong> - N« 82<br />
nistischer<br />
Spaniens Automobileinfuhr.<br />
Im ersten Halbjahr <strong>1934</strong> wurden in Spanien<br />
5737 (4667) Personenwagen im Werte<br />
von 13,2 (12,8) Mill. Goldpesetas eingeführt.<br />
An der Einfuhr waren vor allem Frankreich<br />
mit 1671 (1330), Grossbritannien mit 1359<br />
(1317), Deutschland mit 1189 (371), Kanada<br />
mit 847 (1038) und die Vereinigten Staaten<br />
von Amerika mit 194 (94) beteiligt. An Lastwagen<br />
wurden im Berichtsabschnitt 4504<br />
Einheiten eingeführt im Werte von 12,3 Mill.<br />
Goldpesetas. In der vorjährigen Vergleichsetappe<br />
betrug der Import von Lastwagen<br />
nur 1685 Stück, die einen Wert von 5,8 Mill.<br />
Goldpesetas repräsentierten. Im Lastwagengeschäft<br />
sind vor allem die Vereinigten Staaten<br />
von Amerika führend, die mit 3041 (1170)<br />
Wagen einen Wert von 7,7 Mill. (3,36) Goldpesetas<br />
repräsentieren. Aus England wurden<br />
755 (219), aus Deutschland 466 (105), aus<br />
Frankreich 218 (123) und aus Kanada 1 (33)<br />
Lastwagen importiert.<br />
Das deutsche Lastwagengeschält.<br />
In den ersten 8 Monaten des laufenden<br />
Jahres wurden 4048 Wagen mit einer Nutzlast<br />
bis 1 Tonne zugelassen, 3344 Einheiten<br />
kg Maximalgewicht vorgenommen. Sicherlich<br />
ein bemerkenswertes Entgegenkommen,<br />
wenn man bedenkt, dass die Taxe für Reisegepäckgut<br />
vorher auf 41 Fr. 60 stand. Nuir<br />
zeigte es sich aber an Hand der ausgeführten<br />
Osterextrazüge, dass wohl auch eine<br />
Taxe von 17 Fr. recht angemessen wäre,<br />
oder die frühere Frachtguttaxe von 18 Fr.<br />
sehr wohl genügt hätte. Bei Berücksichtigung<br />
der Retourfracht macht eben eine Ersparnis<br />
von 16 Fr. schon viel aus, und man-<br />
Dr. M. Volland, Untersuchungsrichter.<br />
cher Fahrer würde via Gotthard nach dem<br />
Süden fahren und den auch diesen Winter<br />
offenen Julier beiseite lassen, wenn der Eisenbahntransport<br />
durch den Gotthard für ihn<br />
wirtschaftlich noch erträglicher gestaltet<br />
werden könnte. Zu den Wagentransportkosten<br />
kommen eben noch die Billettauslagen<br />
für die Insassen, und diese stellen sich<br />
pro einfache Fahrt für vier Personen auch<br />
noch auf 6 Fr. 60 für 3. Klasse. Der Wunsch<br />
der Automobilisten an die S.B.B. geht daher<br />
auf Herabsetzung der Einheitstaxe auf 18 Fr.<br />
Die Billettkosten aber bilden just den Anlass<br />
für den zweiten Wunsch. Die Rhätischen<br />
Bahnen dürften sich wohl auch dieses<br />
Jahr bereit erklären, für den Fall der vorübergehenden<br />
Sperrung der Julierstrasse,<br />
den Transport von Bergün nach den oberengadiner<br />
Stationen zur reduzierten Taxe<br />
von 25 Fr. pro Auto vorzunehmen. Nur hat<br />
die Sache für den Automobilisten eben den<br />
unangenehmen Beigeschmack, dass die Insassen<br />
die sehr hohen Auslagen für die Billetts<br />
zu gewöhnlichen Ansätzen zu tragen<br />
haben. Vier Billetts Bergün-Bevers einfach<br />
3. Klasse stellen sich auf 16 Fr. 40, dazu<br />
25 Fr. Autotransport, total 41 Fr. 40. Diese<br />
unangenehme Ueberraschung müssen sich<br />
die Julierfahrer bei ungünstiger Witterung<br />
immer vor Augen halten, und es ist wohl<br />
auch auf dieses Hindernis zurückzuführen,<br />
wenn der winterliche Verkehr über den Julier<br />
nicht schon im ersten Jahr grössere Dimensionen<br />
angenommen hat. Die Rhätische<br />
Bahn sollte ihr Entgegenkommen nicht nur<br />
zu einer halben Sache machen, sondern mit<br />
einer entsprechenden Lösung solchen unangenehmen<br />
Ueberraschungen vorzubeugen suchen.<br />
Wer einmal als Automobilist in Bergün<br />
der Hereingefallene war, merkt sich die<br />
Sache und wird in solchen Zeiten die Julierroute<br />
meiden, was aber ja nicht der Zweck<br />
des verdienstvollen und erhebliche Kosten<br />
mit sich bringenden Vorgehens der Bündner<br />
Regierung für die Offenhaltung der Julierstrasse<br />
war. Die Bündner Automobilisten,<br />
Hotelier- und Verkehrsverbände sollten sich<br />
dieses wunden Punktes annehmen, um bei<br />
den Autotouristen hierüber die nötige Beruhigung<br />
schaffen.<br />
V<br />
dow Kanfonen<br />
Die Urner wehren sich. Im Kampfe um die<br />
Standortsfrage einer zweiten schweizerischen<br />
Pneufabrik, wobei Altdorf als Sitz der<br />
Schweizerischen Draht- und Gummiwerke<br />
und Pratteln wegen seiner günstigen Industrielage<br />
miteinander konkurrieren, hat es<br />
den Anschein, als ob die Urner durch die<br />
kürzlich abgehaltene Aufklärungsversammlung<br />
über die Bedeutung des neuen Industriezweiges<br />
für ihren Kanton Klarheit erlangt<br />
hätten. Um einen positiven Entscheid<br />
des Souveräns herbeizuführen, war auf den<br />
gestrigen Sonntag eine Gemeindeversammlung<br />
in Altdorf einberufen worden, welche<br />
darüber zu entscheiden hatte, ob dem Gemeinderat<br />
die notwendigen Kompetenzen<br />
eingeräumt werden sollen, um die Verhandlungen<br />
zwecks Errichtung einer neuen Pneufabrik<br />
führen zu können. Zur Abklärung verschiedener<br />
Missverständnisse sei jedoch daran<br />
erinnert, dass es sich beim neuen Unternehmen<br />
um eine selbständige Gesellschaft<br />
handelt, die sich vollkommen auf schweizerische<br />
Interessenten stützt und von einer<br />
amerikanischen Pneufabrik nur die Fabrikationslizenzen<br />
auswertet. Der Entscheid der<br />
ausserordentlich stark besuchten Gemeindeversammlung<br />
war denn auch im Hinblick<br />
auf die mit der Einführung neuer Industrien<br />
verbundenen Vorteile in dem Sinne ausgefallen,<br />
dass alle Hebel in Bewegung gesetzt<br />
werden sollen, um für Altdorf das neue Unternehmen<br />
zu sichern.<br />
bis 2 Tonnen Nutzlast, 4271 bis 3 t, 1021 bis<br />
Das Gesuch der Schweizerischen Drahtund<br />
Gummifabrik wurde in ruhiger und sach-<br />
41, 669 bis 5 t und 171 Wagen mit einer Nutzlast<br />
von über 5 t. Insgesamt stellen sich solicher<br />
Weise behandelt, wobei der Versammlung<br />
seitens des Gemeinderates ein Doppelvorschlag<br />
unterbreitet worden war. Der<br />
mit die Lastwagenzulassungen in den ersten<br />
8 Monaten auf 13,500 Einheiten, wovon 12,253Mehrheitsantrag ging auf Erteilung weitgehender<br />
Vollmachten an den Gemeinderat, um<br />
Einheiten deutsche und 1247 ausländische<br />
Marken repräsentieren. Das Ergebnis der nach seinem Gutfinden dem Gesuche der<br />
Berichtsperiode übersteigt den Absatz des Firma um einen Steuererlass für eine Anzahl<br />
gesamten Vorjahres um 17°?° und denjenigenvon Jahren zu entsprechen und auch die andern<br />
Wünsche der Firma zu erledigen. Der<br />
von 1932 um 92%, das Jahresergebnis von<br />
1931 bereits um 160%, während im Vergleich Minderheitsantrag wollte dem Gemeinderat<br />
zum Jahre 1930 ein Rückstand um 15% zu nur ein weiteres Ueberprüfungsrecht einräumen<br />
mit nachfolgender Unterbreitung der<br />
verzeichnen ist.<br />
definitiven Vorschläge an eine neue Gemeindeversammlung.<br />
Mit grossem Mehr wurde<br />
jedoch dem Mehrheitsantrag zugestimmt und<br />
dem Gemeinderat die gewünschte Generalvollmacht<br />
eingeräumt. Nach der vorliegenden<br />
Abmachung über die Landerwerbung<br />
hätten somit Kanton und Gemeinde Altdorf<br />
die Preisdifferenz im Betrage von 103,000 Fr.<br />
zu übernehmen, d. h. der neuen Firma die<br />
Steuerzahlung zu erlassen, bis diese Summe<br />
durch den Erlass kompensiert ist.<br />
Obwohl im Urnerland dann und wann politische<br />
Ueberlegungen Tein wirtschaftlichen<br />
gegenüber oft obenauf schwingen, so hat es<br />
sich gestern aber dennoch erwiesen, dass die<br />
Gefahr grösserer Arbeitslosigkeit überall erkannt<br />
wurde, speziell dann, wenn die von den<br />
Schweiz. Draht- und Gummiwerken erstellte<br />
Wohnkolonie bezugsbereit sein wird. Auch in<br />
der Bauernsame machen sich Anzeichen grösserer<br />
Arbeitslosigkeit bemerkbar. Auf dem<br />
Wege eines teilweisen Steueraufschub'es sollen<br />
nun die aus dem Landankauf sich ergebenden<br />
Preisdifferenzen einen Ausgleich finden.<br />
Für den Fabrikbau werden keine Leistungen<br />
verlangt, wie dies z. B. die Gemeinde<br />
Pratteln auf sich genommen hatte. Mit dem<br />
Entscheid der gestrigen Gemeindeversammlung<br />
haben die Altdorfer ermöglicht, dass<br />
die Arbeitslosen nicht aus öffentlichen Mitteln<br />
unterstützt werden müssen, nachdem<br />
diese in einem privatwirtschaftlichen Industriebetrieb<br />
Unterhalt und Verdienst erhalten<br />
können.<br />
-myalternder<br />
Artisten erleben wolle? Und ihr<br />
Beruf sei zudem noch so gefährlich, dass sie<br />
ihrem Schöpfer danken müsse, wenn ihr so<br />
eine Gelegenheit geboten würde, in einem<br />
sicheren Hafen zu landen.<br />
Lange hat Bux geredet. Cillys Gesicht ist<br />
immer ernster geworden, und schliesslich<br />
sind ihr schwere Tränen über die Wangen<br />
gelaufen. Aber nicht ein Wort hat Bux ihr<br />
zu entreissen vermocht. Auf alle Fragen hat<br />
sie beharrlich geschwiegen. Sie hat nicht<br />
gesagt, ob sie Pieter Hemsterhuis mag oder<br />
nicht, — hat keine Antwort auf die Frage<br />
nach dem Grund ihrer Tränen gegeben.<br />
Und nun wird das Gespräch unterbrochen:<br />
Cilly wird zu Frau Direktor befohlen.<br />
Als sie dem Wohnwagen des Direktors<br />
entgegengeht, ist ihr ganz schwindlig zumute:<br />
Ihr Onkel Bux, an dem sie mit ganzer<br />
Seele hängt, den sie so lieb hat wie keinen<br />
Menschen sonst, der will sich also von ihr<br />
trennen! Er hat ihr zugeredet, den Zirkus<br />
zu verlassen und zu heiraten, obwohl er doch<br />
weiss, dass es eine Trennung für immer bedeutet,<br />
wenn sie als Frau eines holländischen<br />
Kaufmanns in Amsterdam wohnen<br />
wird. Nicht einmal erwähnt hat er etwas von<br />
der Schmerzlichkeit einer solchen dauernden<br />
Trennung! Ganz selbstverständlich schien<br />
sie ihm! — Und sie hatte gedacht, dass er<br />
sie ebenso lieb habe, wie sie ihn!<br />
Von Frau Direktor Kreno hört Cilly fast<br />
Wort für Wort das gleiche, was ihr schon<br />
Bux gesagt hat. Es rauscht an ihren Ohren<br />
vorüber. Sie braucht kaum hinzuhören, sie<br />
weiss schon: Vornehme Familie, gute Menschen,<br />
ungeheuer reich. Ungewissheit und<br />
Gefährlichkeit des Artistenlebens und so<br />
weiter und so weiter. Nur zum Schluss<br />
kommt etwas, das Cilly tief ans Herz greift:<br />
«Und du würdest damit den innigsten<br />
Wunsch deiner seligen Mutter erfüllen, Kind,<br />
— deiner guten, tapferen Mutter, die keinen<br />
andern Gedanken hatte, als dir einmal ein<br />
sicheres Leben, fern von dem unruhigen Zirkusgetriebe,<br />
zu schaffen, und die in dem<br />
Kampf für deine Zukunft ihr Leben gelassen<br />
hat.»<br />
Noch eine Weile steht Cilly stumm. Dann<br />
sagt sie leise: «Ich will's mir überlegen.<br />
Aber, bitte, bitte, lassen Sie mir noch...<br />
ein wenig Zeit, — wenigstens bis zum April,<br />
bis ich achtzehn bin.» —<br />
T?<br />
Zirkus Kreno hat, bevor er nach Deutschland<br />
zurückkehrte, noch die holländischen<br />
Städte Utrecht und Arnheim .mitgenommen'.<br />
Am Vormittag des vorletzten Spieltages geht<br />
Fee allein in die Stadt, angeblich, um Besorgungen<br />
zu machen. Sie fährt aber schnurstracks<br />
zum Postamt und fragt, ob vielleicht<br />
etwas postlagernd unter .Orizaba' da sei. Der<br />
Beamte gibt ihr einen Brief von ihrem<br />
Freund Otto von Kroidt. Sie reisst ihn hastig<br />
auf. Es sind nur wenige, aber inhaltsschwere<br />
Zeilen:<br />
Liebe Fee! — Höre und staune! Mein Plan<br />
ist geglückt: Die Direktion des Zoologischen<br />
Gartens in Berlin ist bereit, Dr. Buchsbaum<br />
ein festes Engagement als Tierarzt anzubieten.<br />
Das Gehalt wird so sein, dass Ihr sehr<br />
gut damit in Berlin auskommen könnt. Ehe<br />
man offiziell an ihn herantritt, soll ich aber<br />
erst einmal sondieren, ob er Neigung hat, die<br />
Stellung anzunehmen. Die Entscheidung<br />
braucht nicht überstürzt zu werden. Aber<br />
schieb es nicht zu lange hinaus. Tue alles,<br />
was in Deinen Kräften steht, dass er akzeptiert,<br />
und gib bald Nachricht<br />
Deinem treuen Otto von Kroidt.<br />
Fees Wangen glühten vor freudiger Erregung.<br />
Sie sucht einen Lunch-Room in einer<br />
einsamen Strasse auf, späht erst vorsichtig<br />
umher, ob nicht Leute aus dem Zirkus Jm Lokal<br />
sind. Dann setzt sie sich in eine Ecke,<br />
lässt sich Schreibzeug und Papier bringen<br />
und schreibt in fliegender Hast:<br />
Lieber Otto! — Soeben Deine Nachricht<br />
erhalten. Das ist ja fabelhaft! Ich weiss<br />
nicht, wie ich dir danken soll! Ich muss aber<br />
sehr vorsichtig und langsam zu Werke gehen.<br />
Die Chancen für den Plan stehen nicht<br />
schlecht: Ein wichtiger Hinderungsgrund für<br />
meinen Mann, dem Zirkus Lebewohl zu sagen,<br />
ist ja bereits erledigt, da er nun nicht<br />
mehr für seine Eltern zu sorgen hat. Der<br />
zweite Hinderungsgrund scheint auch zu<br />
fallen: Ich glaube, dass sich Cilly Berndt<br />
bald mit einem jungen Holländer verheiraten<br />
wird, so dass auch Willys .Vormundschaftspflichten'<br />
damit erledigt wären. Bleiben<br />
also nur noch die Tiere, von denen er sich<br />
nicht trennen will. Aber vielleicht findet<br />
sich da auch ein Ausweg. — Ich hätte Dir<br />
übrigens heute so wie so geschrieben, denn<br />
auch ich habe eine grosse Neuigkeit: Heute<br />
morgen hat sich eine Sache entschieden, die<br />
schon seit Wochen schwebte. Aber ich wollte<br />
nicht eher schreiben, als bis es perfekt ist:<br />
In fünf Tagen trifft Zirkus Kreno zu einem<br />
Gastspiel von drei bis vier Wochen in Berlin<br />
ein! Was sagst Du dazu? Fein, was? Auch für<br />
unsern Plan scheint mir das sehr günstig.<br />
Vielleicht regelt sich durch mündliche Besprechungen<br />
dann alles viel schneller, als<br />
wir denken. — Für heute nochmals tausend<br />
Dank und auf baldiges frohes Wiedersehen!<br />
Deine Freundin Fee.<br />
(Fortsetzung folgt.)<br />
Der<br />
AUTLER-FEIERABEND<br />
muss diese Woche ausnahmsweise auf die<br />
Freitagnummer verschoben werden.