E_1938_Zeitung_Nr.075
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M AUTOMOBIL-REVUE FRUHÄG, 16; SEPTEMBER WS8 — N*<br />
Der Weiterausbau des<br />
bernischen Strassennetzes.<br />
In der Mittwochsitzung behandelte der<br />
Grosse Rat des Kantons Bern das vom neuen<br />
Baudirektor, Regierungsrat Grimm, im August,<br />
dieses Jahres vorgelegte Ausbauprogramm<br />
des bernischen Strassennetzes. Der<br />
Baudirektor ergänzte einleitend seinen wohldokumentierten<br />
Vortrag vom August dieses<br />
Jahres über den'Weiterausbau des bernischen<br />
Strassennetzes. Von den 2292 km des Qesamtstrassennetzes<br />
sind 44 % oder 1001 km<br />
ausgebaut. Die hiefür aufzuwendenden Baukosten<br />
wurden zu 42,6 % durch ordentliche<br />
Budgetkredite, durch allgemeine Staatsmittel<br />
und zu 33,7 fo durch Automobilsteuern gedeckt,<br />
an 'Bundesbeiträgen konnten 11,6 %<br />
eingesetzt werden, während auf Anleihen<br />
und Vorschüsse des Staates 5,1 %, auf Vorschüsse<br />
der Gemeinden 1,4 % und auf Beiträge<br />
von Gemeinden, SBB und andere Beiträge<br />
5,4 % entfielen.<br />
Recht aufschlussreich waren die Bemerkungen<br />
über die Vorbelastung der Automobilsteuern.<br />
Nach Auffassung des bernischen<br />
Baudirektors ist der Ertrag der Autosteuern<br />
im Sinken begriffen und überdies auf Jahre<br />
hinaus beträchtlich vorbelastet, und zwar<br />
niit insgesamt nicht weniger als 11,7 Mill. Fr.<br />
Auch der kantonale Benzinzollanteil sei eine<br />
unbestimmte Grosse und überdies ebenfalls<br />
im Sinken begriffen. Für den Weiterausbau<br />
des, bernischen Strassennetzes werden 38,7<br />
Mill, Fr. benötigt, und zwar 16,1 Mill. für die<br />
erste dringliche Bauetappe, 6,8 Mill. für die<br />
zweite und 15,7 Mill Fr. für die dritte Bauetappe.<br />
In diesen Kosten sind aber die Passund<br />
Alpenstrassen, mit Ausnahme der Grimsel,<br />
nicht inbegriffen, da hiefür Spezialkredite<br />
zur Verfügung stehen. Nach Auffassung<br />
von Regierungsrat Grimm sei es möglich,<br />
mit den gleichen Mitteln mehr Strassen als<br />
bis anhin zu bauen. Im weitern wird die Erstellung<br />
von Radfahrwegen postuliert, deutlich<br />
abgetrennt von der Hauptstrasse. Für<br />
deren Finanzierung sei an eine zweifränkige<br />
Velosteuer gedacht worden. Das gefährliche<br />
System der Gratisvorschüsse der Gemeinden<br />
sei in Zukunft zu beseitigen, desgleichen<br />
die Praxis der Ünternehmerkredite. Bei der<br />
Arbeitsvergebung sei im weitern auf die<br />
Steuerleistunjsen Rücksicht zu nehmen, hätten<br />
doch bisher Leute Staatsaufträge erhalten,<br />
die keinen Rappen versteuerten! Im<br />
laufenden Jahre werde es allerdings ohne<br />
Kreditüberschreitungen nicht abgehen, doch<br />
soll im Monat November ein Reorganisationsplan<br />
für die Baudirektion vorliegen.<br />
In Uebereinstimmung mit der Staatswirtschaftskommission,<br />
für die Winzenried referierte,<br />
lautet der regierungs rätliehe Antrag<br />
wie folgt:<br />
Der Grosse Rat nimmt Kenntnis von dem durch<br />
die kantonale Baudirektion dem Regierungsrat über<br />
den Weiterausbau des bernischen Strassennetzes<br />
erstatteten Bericht vom 1. August <strong>1938</strong>. Er billigt<br />
die in diesem Bericht entwickelten Grundsätze und<br />
gewärtigt im Zusammenhang mit dem Budget 1939<br />
bestimmte Vorschläge über die Neugestaltung der<br />
finanziellen Grundlagen für den Strassenausbau und<br />
über die erforderlichen organisatorischen und administrativen<br />
Aenderungen. Für das Jahr 1939 erfolgt<br />
die Ordnung mit den Nachkrediten für dieses Jahr.<br />
In der von einigen Grossräten benützten<br />
Aussprache kam u. a. die Auffassung zum<br />
Ausdruck, dass gute Strassen für das Ansehen<br />
eines Kantons wichtig seien. Nachdem<br />
Baudirektor Grimm kurz auf die verschiedenen<br />
Voten antwortete und die gefallenen<br />
Anregungen zur Prüfung entgegenahm, fanden<br />
Bericht und Antrag Zustimmung des<br />
Rates.<br />
Im weitern hatte sich der Rat mit der Abänderung<br />
des Grossratsbeschlusses vom 10.<br />
Mai 1927 bezüglich Beseitigung von Niveauübergängen<br />
in dem Sinne zu beschäftigen,<br />
Wehrbereitschaft und Arbeitsbeschaffung<br />
Der damals zu diesem Zwecke geforderte<br />
Ergänzungskredit betrug schätzungsweise 35<br />
Millionen Franken. In der Gesamtwertung der<br />
notwendigen Erweiterungen unseres Alpenstrassenausbaues<br />
stand<br />
in vorderster Linie eine Strassenverbindung<br />
aus dem Kanton Glarus ins Vorderrheintal<br />
(Schlusi von Seite 1.)<br />
und es wurden zu diesem Zwecke Bundesmittel<br />
in Höhe von 20—25 Millionen Franken<br />
in Aussicht gestellt, während für den Ausbau<br />
der Oberalpstrasse und eventueller anderer<br />
bündnerischer Paßstrassen 5—10 Millionen<br />
Franken zur Einsetzung kamen.<br />
Die Notwendigkeit, den Kanton Graubünden<br />
nach der Verschiebung der deutschen<br />
Reichsgrenze vom obern Bodenseebecken bis<br />
hinauf nach Martinsbruck ausser der Sarganser<br />
Talstrasse noch mit einer weitern,- ganzjährig<br />
befahrbaren und vor allem leistungsfähigen<br />
Strasse mit dem übrigen Teil der<br />
Eidgenossenschaft zu verbinden, sollte keiner<br />
erneuten Erläuterungen bedürfen. Wie aber<br />
soll der vernünftige Bürger verstehen können,<br />
dass bei Strassenbauten, welche der<br />
Bund mit mehr als 50% der Bausumme subventioniert<br />
und deren rascheste Ausführung<br />
die Sicherheit des Landes erheischt» kantonale<br />
anstatt eidgenössische Gesichtspunkte<br />
den Ausschlag zu geben vermögen? Der Bundesrat<br />
handelt für seine Begriffe unbegreiflich,<br />
wenn er auf lokalpolitische Auseinandersetzungen<br />
zugunsten einer Segnes-, Panixeroder<br />
Kistenpassroute und am Ende gar um<br />
eine Bahnverbindung aus dem Tavetsch ins<br />
Andermatter Becken resp. in die Schöllenen<br />
Rücksichten nimmt<br />
Eidgenössische Interessen verlangen gebieterisch<br />
die sofortige Inangriffnahme der Erstellung<br />
einer schnee- und lawinensichern<br />
Strassenverbindung zwischen Glarnerland<br />
und Vorderrheintal;<br />
damit aber sollte die Stellungnahme des<br />
Bundesrates in dieser Sache auch schon entschieden<br />
sein. Von der Generalstabsabteilung<br />
ihrerseits erwartete man das Indiewagschalewerfen<br />
des erlösenden Paßstichwortes!<br />
Auf Grund taktischer und operativer Ueber?<br />
legungen dürfte sie ihre Karten doch nach*<br />
srerade SA wfiit revidierf hahe.n iinsc<br />
als die dafür vorgesehenen Kredite von<br />
250.000 Fr. für andere Strassenzwecke Verwendung<br />
finden sollen. Der Rat stimmte<br />
auch diesem Vorschlag bei, wobei der Baudirektor<br />
bezüglich dem gefährlichen Strassenübergang<br />
bei Lyss eine Regelung versprach.<br />
Ausbau der Strasse Bern-Schwarzenburg.<br />
Im Schösse des bernischen Grossen Rates begründete<br />
Gasser (Schwarzenburg) eine Motion; äie<br />
den Ausbau der Strasse Bern-Schwarzenburg verlangt,<br />
wobei es sich hauptsächlich um den Aushau<br />
des Teilstückes der Staatsstrasse von Schwarzwasserbrücke<br />
nach Mamishaus handelte. Der bernisehe<br />
Baudirektor nimmt die Motion mit einer kleinen<br />
formellen Abänderung zu Händen des 1939er<br />
Bauprogrammes entgegen, während der Rat sie einstimmig<br />
als erheblich erklärte.<br />
Ausbau der Gürbetalstrasse.<br />
In einer weitern Motion verlangt Grossrat<br />
Schneider (Seftigen) den heförderlichen Ausbau der<br />
Strasse Bern-Belp-Thun. Baudirektor Grimm anerkennt<br />
die Notwendigkeit der Instandstellung die-'<br />
ser Strasse, doch könne wegen mangelnden Mitteln<br />
der Ausbau auch hier nur in beschränktem Masse<br />
erfolgen. Stillschweigend erklärt der Rat auch diese<br />
Motion als erheblich» ..,<br />
f.<br />
klarer Entscheid, ausgerichtet einzig nach<br />
eidgenössischen Interessen, keine Schwierigkeiten<br />
mehr bereiten sollte. Anstatt dessen<br />
liegt man sich im Bündnerland in den Haaren,<br />
parlamentiert hin und her, ob<br />
a) eine Bahnverbindung von Rueras nach<br />
dem Urnerloch durch einen 12 km langen<br />
Tunnel und anschliessender Fortsetzung<br />
der Linie in Kehrtunnels durch<br />
die Schöllenen bis Bahnhof Göschenen,<br />
b) ein£ solche von Tschatnutt direkt nach<br />
Andermatt mit 6 km langem Tunnel<br />
und Erstellung eines zahnradlosen<br />
Trasses bis Göschenen, oder<br />
c) durch Verbesserung und Elektrifikation<br />
der bestehenden Bahnlinie über die<br />
Oberalp<br />
die günstigste Lösung dieses wichtigen militärischen<br />
Verkehrsproblems darstellen würde.<br />
Lässt die gegenwärtige Entwicklung in<br />
Europa wirklich darauf schlissen, dass uns<br />
noch Jahrzehnte zur Vervollständigung unserer<br />
militärischen Bereitschaft zur Verfügung<br />
stehen — und hiezu zählt nicht zuletzt das<br />
eben erwähnte Problem einer bessern Verbindung<br />
des Kantons Graubünden mit der<br />
übrigen Schweiz — oder lehrt sie nicht eher,<br />
dass jeder weitere Zeitverlust Schwächung<br />
bedeutet ?<br />
Die demokratischen Staatswesen werden<br />
heute viel verlästert. Für eines jedenfalls haben,<br />
sie den Beweis zu erbringen: dass diese<br />
Regierungsform die richtige Wertung der<br />
Zeichen der Zeit nicht verunmöglicht, dass<br />
sie rasches Handeln nicht ausschliesst und<br />
von den Ereignissen nicht überrumpelt werden<br />
kann. Dürfen wir das von uns noch mit<br />
gutem Gewissen behaupten? Nachdem im<br />
Juni dieses Jahres zwar die Erkenntnis von<br />
der Notwendigkeit grosszügigen Handelns,<br />
der Wille zur Tat vorhanden gewesen, heute<br />
aber ausgerechnet auf dem Gebiete der<br />
Wehrwirtschaft und Arbeitsbeschaffung wieder<br />
gekrebst werden soll? Und ausgerechnet<br />
den Streit um den Nibelungenschatz der Nationalbank<br />
nimmt man zum Vorwand! Als ob<br />
dieses Thema nicht recht eigentlich schon<br />
seit dem Herbst 1936 zur Diskussion stände,<br />
als ob nicht Jeder -unerschütterliche Wille<br />
auch einen Weg, fände!, -, Wy.<br />
Touv^siraus<br />
Gültigkeitsdauer und Verwendung der<br />
Gutscheine im deutsch-schweizerischen Reiseverkehr.<br />
Zahlreiche an uns gerichtete Anfragen lassen<br />
erkennen, tlass immer noch Unklarheit darüber besteht,<br />
ob Bar- und Sachgutscheine, die durch Aufdruck<br />
auf den 31. August <strong>1938</strong> befristet wurden,<br />
auch nach diesem Datum gültig seien. Demgegenüber<br />
weisen wir erneut darauf hin, dass die unveränderte<br />
Beibehaltung des Gutscheinsystems im<br />
neuen deutsch-schweizerischen Reiseverkehrsabkoinmen<br />
vom 30. Juni <strong>1938</strong> es gestattet, solche Gutscheine<br />
weiterhin zu verwenden. Bar- und Sachgutschelne,<br />
deren Gültigkeitsdauer auf den 31. August<br />
<strong>1938</strong> oder auch auf einen früheren Termin<br />
befristet worden IsU bleiben somit zusammen mit<br />
neu herauskommenden Scheinen bis zum 31. August<br />
1939 gültig, an welchem Datum sie allerdings<br />
dem Schweizerischen Fremdenverkehrsverband zur<br />
Einlösung eingereicht sein müssen.<br />
Bei dieser Gelegenheit machen wir nochmals mit<br />
allem Nachdruck darauf aufmerksam, dass die<br />
Reisegutscheine nur zu den auf den Scheinen selbst<br />
ausdrücklich vermerkten Zwecken benutzt werden<br />
dürfen. Insbesondere ist eine Verwendung der<br />
Sachgutscheine zu Einkäufen in Ladengeschäften<br />
Aul<br />
sfisch er<br />
Unsere Alpenstrassen als Teststrecken.<br />
Dem englischen «Motor» schreibt ein Leser<br />
aus Ander matt, die britischen Automobilfabriken<br />
sollten sich's überlegen, ob es nicht<br />
angezeigt wäre, ihre Wagen auch auf Alpenpässen<br />
auszuprobieren, um ihnen das Kochen<br />
beim Befahren von Bergstrassen abzugewöhnen.<br />
Der San Bernardino würde sich<br />
dazu prächtig eignen.<br />
Mehr Licht auf den Fernverkehrsstrassen.<br />
England soll beabsichtigen, 16.000 km wichtiger<br />
Durchgangsstrassen mit modernen Beleuchtungsanlagen<br />
zu versehen. In Frankreich<br />
sind bereits vier Strecken von insgesamt 220<br />
km Länge beleuchtet, wovon 106 km auf die<br />
Cote d'Azur entfallen. Die Anlagekosten dafür<br />
wurden mit rund 25—28.000 -Fr. pro km angegeben,<br />
der jährliche Stromverbrauch mit<br />
20.000—30.000 kWhlkm.<br />
Der Mann mit den 70 Wagen.<br />
Indische Maharadscha pflegten bisher den<br />
«Ruhm» für sich in Anspruch zu nehmen,<br />
die Besitzer der grössten Privatwagenparks<br />
zu sein. Sie alle werden indessen durch einen<br />
ebenfalls in Indien lebenden englischen<br />
Grossgrundbesitzer in den Schatten gestellt.<br />
Mr. Mullik aus Kalkutta behauptet nämlich,<br />
auf seinen diversen Gütern ungefähr 70 Autos<br />
stehen zu haben (wieviel es genau sind,<br />
weiss er selbst nicht). Wie andere Porzellan<br />
oder Münzen, sammelt er Wagen. Nicht etwa<br />
neue, sondern nur gebrauchte, sogar Vorkriegsmodelle.<br />
Vierzig Stück schmücken<br />
seine Kollektion in Kalkutta, darunter 18<br />
Rolls Royze (!), ein Napier Jahrgang 1911,<br />
ein Mors, ein 16-Zylinder-Renault, zwei<br />
Isotta-Fraschini, ein Cubitt (???), ein Fiat,<br />
sehr hochbeinig und besonders für «Hochwasserfahrtenit<br />
konstruiert, sowie ein ganzes<br />
Schock landläufiger Modelle. Zwei der<br />
Rolls Royce hat sich Mr. Mullick zu Staatskarossen<br />
umgebaut, mit Silberthronen, Sammetsitzen<br />
und den dazugehörenden seidenen<br />
Sonnenschirmen.<br />
untersagt. Dagegen hat der deutsche Reisende die<br />
Möglichkeit, Anschaffungen des täglichen Reisebedarfs,<br />
Arztrechnungen, Skikurs- und Bergführertaxen,<br />
sowie ähnliche Auslasen durch Hingabe von<br />
Sachgutscheinen an die Hotels oder Pensionen<br />
durch diese bezahlen zu lassen. Wer Reisegutscheine<br />
diesen Bestimmungen zuwider entgegennimmt<br />
oder verwendet, kann mit Busse bis auf<br />
Fr. 10.000— oder Gefängnis bis auf 12 Monate bestraft<br />
werden. (Mitget vom Schweiz. Fremdenverkehrsverband.)<br />
Reduktion des Tourlstenbenzinpreises in<br />
Italien. Nach einer Mitteilung des staatlichen<br />
Verkehrsamtes ist der Benzinpreis für ausländische<br />
Automobilisten auf Grund der<br />
Benzingutscheine von 1,50 Lire auf 1,28 Lire<br />
pro Liter reduziert worden.* Gleichzeitig<br />
würde die Mindestzahl der Hotelgutscheine,<br />
deren Erwerb bekanntlich Voraussetzung für<br />
die Ueberlassung des verbilligten Touristenbenzins<br />
ist, von 5 auf 3 Stück ermässigt. In<br />
Verbindung mit diesen touristischen Erleichterungen<br />
ist auch eine Reduktion des Benzmund<br />
Rohölpreises für ausländische Autobusse<br />
auf 1,30 Lire bzw. auf 1 Lire verfügt worden.<br />
Diese Preisreduktionsmassnahme auf Touristenbenzin<br />
dürften aller Wahrscheinlichkeit<br />
nach ^mit der nicht gerade guten <strong>1938</strong>er<br />
Fremdensaison in Italien zusammenhängen.<br />
George schüttelte den Kopf und wurd«<br />
wieder ganz unglücklich. « Ich fürchte, dass<br />
ich das nicht tun kann», entgegnete er.<br />
« Sehen Sie, dann ist kein • Mensch da, der<br />
die Kinder wäscht. »<br />
Fünfzehntes Kapitel.<br />
Am nächsten Tage teilte er mir mit, dass<br />
die Pflegerin nicht gekündigt habe, Fräulein<br />
Wood: aber entlassen würde, bevor er nach<br />
London reise, und dass er nach seiner Rückkehr<br />
in bezug auf die Erziehung der Kinder<br />
Veränderungen vornehmen werde. Er bedankte<br />
sich für meine Zusage, die Kinder im<br />
Auge zu behalten, er könne nur nicht sehen,<br />
wie ich es angesichts der Eifersucht der<br />
Kinderpflegerin ausführen werde. In einer<br />
Woche aber, so lange würde er fort sein,<br />
könnte nicht viel Uebles geschehen. So<br />
meinte er.<br />
Ich dachte mir, dass die Dinge in diesem<br />
Hause übel genug standen, seit seine Frau<br />
tot war, allerdings nicht so beängstigend<br />
wie in der letzten Zeit. Der Gedanke, dass<br />
diese drei Kinder in der Obhut einer solchen<br />
Pflegerin, waren, beunruhigte mich. Ich<br />
wusste, dass sie ungezogen und wild waren,<br />
und befürchtete Unfälle, oder dass sie das<br />
Haus in Brand setzten. Aber am Tage, nachdem<br />
George abgereist war, erschien Fräulein<br />
Wood bei mir und machte mir den Kopf<br />
über die Zustände in seinem Hause so voll,<br />
dass ich gleichermassen ängstlich und ungeduldig<br />
wurde.<br />
« Haben Sie das alles Herrn Vincent erzählt<br />
? ><br />
« Nein. Ich hatte mir vorgenommen, alles,<br />
was sich da abspielt, bei mir zu behalten.<br />
Ich habe eine entsetzliche Angst vor dem<br />
Gericht. Und wenn dieses entsetzliche Weib<br />
mich verklagt, kann ich noch verurteilt werden<br />
und die Kosten tragen. Das wäre<br />
schlimm wegen meiner armen Mutter; Sie<br />
verstehen.»<br />
Ich wusste, was sie meinte. Diese arme,<br />
bedrückte Person hatte einen Teil zum Unterhalt<br />
ihrer gelähmten Mutter beizutragen,<br />
und ich bin überzeugt, dass sie die Halbtagsstellung<br />
bei George nicht aufgegeben hätte,<br />
wenn sie nicht in einer solchen Zwangslage<br />
gewesen wäre; Ich war auch überzeugt,<br />
dass sie nicht fachsüchtig sei. :<br />
« Ich nehme 1 an, dass Sie das* "Was Sie<br />
sagen, beweisen können ?» fragte ich. ,< •<br />
«Nur wenn die andern-• Dienstleute und 'die'<br />
Kinder die Wahrheit sagen.- Es-gibt ^ehrwenig<br />
Dinge, die man vor Gericht beweisen<br />
kann. Ich hätte auch lieber geschwiegen,<br />
aber ich habe Angst, dass sie Kenneth zu<br />
Tode misshandelt, wenn er ihr nicht weggenommen<br />
wird. Sie hat direkt einen Hass<br />
gegen ihn, und dieser Junge ist nicht so kräftig<br />
wie Rose und Dermot. Die Kinder sind<br />
hicht mehr dieselben, seit sie im Hause ist.»<br />
Das war richtig, das hatten wir alle festgestellt.<br />
« Ich werde an Herrn Vincent schreiben »,<br />
sagte ich zu Fräulein Wood.<br />
« Aber versprechen Sie mir, dass Sie meinen<br />
Namen nicht erwähnen werden. Herr<br />
Vincent hat als Rechtsanwalt natürlich eine<br />
höhere Meinung von der Gerichtsbarkeit.<br />
Aber ich muss in dieser Sache weit vom<br />
Schuss bleiben. ><br />
Ich kann mich nicht entsinnen, je einen<br />
Menschen getroffen zu haben, der sich so<br />
vor dem Gericht fürchtete und gleichzeitig<br />
eine solche Verachtung davor empfand. Sie<br />
betrachtete es als einen bösen Seepolypen,<br />
der sein Leben damit fristete, Verwicklungen<br />
herbeizuführen, um Unschuldige zu verschlingen.<br />
So weit gehe ich für meine Persorr<br />
nicht Ich erkundigte mich noch, wie<br />
sich die andern beiden Hausangestellten zu<br />
den Misshandlungen der Kinder stellen. Sie<br />
sagte, dass sie wohl immer tuscheln und das<br />
Verhalten der Pflegerin missbilEgen, dass<br />
aber bei Gericht wahrscheinlich nicht viel<br />
mit ihnen anzufangen sein würde. Sie ging<br />
nun auf Einzelheiten ein und erzählte, dass<br />
die Kinder umhergestossen und eingeschüchtert,<br />
mit Nahrungsentziehung bestraft, an<br />
einem Bettpfosten angebunden, gebeutelt und<br />
mit schlimmeren Dingen bedroht werden, für<br />
den Fall, dass sie davon zu sprechen wagten.<br />
Eine von der Pflegerin bevorzugte Bestrafungsmethode<br />
wäre, den Kopf eines Kindes<br />
so lange unter die Wasserleitung zu halten,<br />
bis es vollständig durchweicht und zitternd<br />
vor Kälte sei.<br />
Ich verstand zu viel von Kindern, um<br />
überrascht zu sein, dass die drei nicht direkt<br />
zu ihrem Vater gegangen waren und die sofortige<br />
Entlassung dieser Frau verlangt hatten.<br />
Kinder handeln nie so." Sie ertragen<br />
alles von denen, die sich eine Herrschaft<br />
über sie anmassen.<br />
«Kenneth ist krank >, sagte Fräulein<br />
Wood. « Haben Sie ihn gesehen ? »<br />
Nein, ich hatte ihn nicht gesehen. Und als<br />
sich Fräulein Wood empfohlen hatte, ging<br />
ich direkt zur Spalte in der Hecke und<br />
spähte in Georges Garten hinüber. Ich hoffte,<br />
dass die Kinder dort spielen würden. Aber<br />
ich konnte weder jemand sehen noch hören.<br />
(Fortsetzung folgt.)