... der steirer land... 2018 / 1. AUSGABE
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W ie <strong>der</strong> Palmwedel<br />
seine„Kätzchen“ verlor<br />
Mag. Helmut Kirchengast<br />
Ombudsmann <strong>der</strong> steirischen Katholischen Kirche<br />
Noch gut kann ich mich daran erinnern,<br />
wie am Palmsamstag – so nannten wir<br />
den Samstag vor dem Palmsonntag –<br />
mein Vater am späten Nachmittag sich<br />
daranmachte, die Palmbuschen zu binden.<br />
Als kleiner Bub beobachtete ich, während ich<br />
über die flauschig weichen „Kätzchen“, die ich<br />
liebte, strich, wie er mit geschickten Händen<br />
die Weidenzweige – wir sagten damals „Polmkatzerl“<br />
dazu – zusammenhielt, ein paar Buchsbaumzweige<br />
dazusteckte und das Ganze mit<br />
einer abgeschälten Weidenrinde umwickelte und<br />
fixierte. Je nach Größe des Buschens gab es ein,<br />
zwei o<strong>der</strong> drei „Weidenrinden-Bän<strong>der</strong>“. Da wir<br />
damals eine große Familie waren (ich hatte drei<br />
Brü<strong>der</strong> und meine Oma wohnte auch bei uns zu<br />
Hause), wurden immer mindestens sechs Buschen<br />
gebunden: vier für uns Buben, einer für die Oma<br />
und einer für die Eltern. Die Buschen waren unterschiedlich<br />
groß – <strong>der</strong> größte für die Eltern, für<br />
mich <strong>der</strong> kleinste. Jedes Jahr war ich aufs Neue<br />
gespannt, wie es meinem Vater wohl gelingen<br />
würde, so unterschiedliche und doch immer<br />
gleich schöne Buschen zu binden. Und jedes Jahr<br />
gelang die Übung. Am Palmsonntag trug ich dann<br />
stolz „meinen“ Buschen zur Palmweihe und ließ<br />
ihn erst los, als ich ihn nach <strong>der</strong> Messe zu Hause<br />
in meinem Zimmer über dem Bett an einem Nagel<br />
an <strong>der</strong> Wand aufhängte. Der alte wurde meiner<br />
Mutter übergeben, die ihn mit den an<strong>der</strong>en alten<br />
Palmbuschen am Karsamstag im damals noch<br />
vorhandenen Tischherd „einheizte“, um mit dem<br />
geweihten Feuer – dessen Weihe sich durch die<br />
„Weichfeuerträger“ noch erhöhte, wenn sie ihren<br />
glosenden „Zun<strong>der</strong>“ ins Ofentürl schmissen – das<br />
Osterfleisch, auch „Weichfleisch“ genannt, zu<br />
kochen.<br />
Jahr für Jahr wie<strong>der</strong>holte sich dieses Ritual, das<br />
mir sehr viel bedeutete. Und wenn ich bei <strong>der</strong><br />
Palmweihe das Evangelium hörte, in dem erzählt<br />
wurde, dass die Leute Jesus mit Palmzweigen<br />
begrüßten, und wir dann in einer feierlichen Prozession<br />
in die Kirche einzogen, war ich <strong>der</strong> festen<br />
Überzeugung, es konnte vor 2.000 Jahren nicht<br />
an<strong>der</strong>s gewesen sein – nur <strong>der</strong> Esel ging mir etwas<br />
ab. Dass die Palmwedel, von denen im Johannesevangelium<br />
berichtet wird, vom Aussehen<br />
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