12.03.2018 Aufrufe

... der steirer land... 2018 / 1. AUSGABE

Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.

YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.

W ie <strong>der</strong> Palmwedel<br />

seine„Kätzchen“ verlor<br />

Mag. Helmut Kirchengast<br />

Ombudsmann <strong>der</strong> steirischen Katholischen Kirche<br />

Noch gut kann ich mich daran erinnern,<br />

wie am Palmsamstag – so nannten wir<br />

den Samstag vor dem Palmsonntag –<br />

mein Vater am späten Nachmittag sich<br />

daranmachte, die Palmbuschen zu binden.<br />

Als kleiner Bub beobachtete ich, während ich<br />

über die flauschig weichen „Kätzchen“, die ich<br />

liebte, strich, wie er mit geschickten Händen<br />

die Weidenzweige – wir sagten damals „Polmkatzerl“<br />

dazu – zusammenhielt, ein paar Buchsbaumzweige<br />

dazusteckte und das Ganze mit<br />

einer abgeschälten Weidenrinde umwickelte und<br />

fixierte. Je nach Größe des Buschens gab es ein,<br />

zwei o<strong>der</strong> drei „Weidenrinden-Bän<strong>der</strong>“. Da wir<br />

damals eine große Familie waren (ich hatte drei<br />

Brü<strong>der</strong> und meine Oma wohnte auch bei uns zu<br />

Hause), wurden immer mindestens sechs Buschen<br />

gebunden: vier für uns Buben, einer für die Oma<br />

und einer für die Eltern. Die Buschen waren unterschiedlich<br />

groß – <strong>der</strong> größte für die Eltern, für<br />

mich <strong>der</strong> kleinste. Jedes Jahr war ich aufs Neue<br />

gespannt, wie es meinem Vater wohl gelingen<br />

würde, so unterschiedliche und doch immer<br />

gleich schöne Buschen zu binden. Und jedes Jahr<br />

gelang die Übung. Am Palmsonntag trug ich dann<br />

stolz „meinen“ Buschen zur Palmweihe und ließ<br />

ihn erst los, als ich ihn nach <strong>der</strong> Messe zu Hause<br />

in meinem Zimmer über dem Bett an einem Nagel<br />

an <strong>der</strong> Wand aufhängte. Der alte wurde meiner<br />

Mutter übergeben, die ihn mit den an<strong>der</strong>en alten<br />

Palmbuschen am Karsamstag im damals noch<br />

vorhandenen Tischherd „einheizte“, um mit dem<br />

geweihten Feuer – dessen Weihe sich durch die<br />

„Weichfeuerträger“ noch erhöhte, wenn sie ihren<br />

glosenden „Zun<strong>der</strong>“ ins Ofentürl schmissen – das<br />

Osterfleisch, auch „Weichfleisch“ genannt, zu<br />

kochen.<br />

Jahr für Jahr wie<strong>der</strong>holte sich dieses Ritual, das<br />

mir sehr viel bedeutete. Und wenn ich bei <strong>der</strong><br />

Palmweihe das Evangelium hörte, in dem erzählt<br />

wurde, dass die Leute Jesus mit Palmzweigen<br />

begrüßten, und wir dann in einer feierlichen Prozession<br />

in die Kirche einzogen, war ich <strong>der</strong> festen<br />

Überzeugung, es konnte vor 2.000 Jahren nicht<br />

an<strong>der</strong>s gewesen sein – nur <strong>der</strong> Esel ging mir etwas<br />

ab. Dass die Palmwedel, von denen im Johannesevangelium<br />

berichtet wird, vom Aussehen<br />

8

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!