Wochen-Kurier 13/2018 - Lokalzeitung für Weiterstadt und Büttelborn
Lokalzeitung für die Stadt Weiterstadt und die Stadtteile Braunshardt, Schneppenhausen, Gräfenhausen und Riedbahn sowie Gemeinde Büttelborn mit Ortsteilen Klein-Gerau und Worfelden. Amtliches Bekanntmachungsorgan der Stadt Weiterstadt.
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Mittwoch, den 28. März <strong>2018</strong> Seite 7<br />
OSTERN<br />
Von der Zerbrechlichkeit der Gesellschaft<br />
Eine Betrachtung zu Ostern von WOLFGANG BASSENAUER<br />
Die Alhambra ist eine bedeutende Stadtburg (kasbah) auf dem Sabikah-Hügel von Granada in Spanien, die als eines der bedeutendsten Beispiele des maurischen<br />
Stils der islamischen Kunst gilt. Sie ist eine der meistbesuchten Touristenattraktionen Europas <strong>und</strong> seit 1984 Weltkulturerbe. Die Burganlage der Alhambra ist etwa<br />
740 Meter lang <strong>und</strong> bis zu 220 Meter breit. wb-foto<br />
Es liegt immer so nahe, an Festtagen<br />
das Weltgeschehen <strong>für</strong> einen Augenblick<br />
anhalten zu wollen, auf dass<br />
sich wenigstens zum trostreichen Schein<br />
Ideal <strong>und</strong> Wirklichkeit einander nähern.<br />
Nach Gründen braucht man dann auch<br />
gar nicht erst zu suchen, nach denen<br />
Vollkommenheit zwar angestrebt, aber<br />
nicht erreicht werden kann. So gewohnt<br />
dieses Bestreben sein mag, es fruchtet<br />
nicht <strong>und</strong> führt am Kern des österlichen<br />
Geschehens eher vorbei als zu ihm hin.<br />
Gewiss kann sich die österliche Botschaft<br />
nur dem Gläubigen erschließen,<br />
doch in einem Land, das vor „Getauften”<br />
nur so wimmelt, gilt ein Christ als<br />
solcher ja nicht gerade als exotische Ausnahme,<br />
sondern nach vielfachem eigenem<br />
Bekenntnis als die Regel. Deutschland<br />
ist seit weit über einem Jahrtausend<br />
ein christianisiertes Land. In der westlichen,<br />
christlich geprägten Welt haben<br />
sich Rechtsstaat <strong>und</strong> Demokratie über<br />
Jahrh<strong>und</strong>erte hinweg entwickelt. Im<br />
Christentum wurzeln die Gr<strong>und</strong>werte<br />
von Ethik <strong>und</strong> Moral – sie sind das F<strong>und</strong>ament<br />
einer humanen <strong>und</strong> sozialen Gesellschaft.<br />
Dazu gehören Menschenwürde,<br />
Freiheit, Nächstenliebe <strong>und</strong> das Streben<br />
nach Frieden. Das ist die Botschaft<br />
des Christentums! Und diese Verkündigung<br />
büßt keinesfalls an Bedeutung ein,<br />
wenn Menschen diesem Anspruch nicht<br />
genügen können oder gänzlich an ihm<br />
scheitern.<br />
Ob deshalb die unterschiedlichen<br />
politischen Feststellungen „der Islam<br />
gehört zu Deutschland“ oder „der Islam<br />
gehört nicht zu Deutschland“ einen zielführenden<br />
Sinn haben, ist zu bezweifeln.<br />
Wer maßt sich an, darauf eine schlüssige<br />
<strong>und</strong> glaubwürdige Antwort parat zu<br />
haben? Denn unser Abendland hat sich<br />
nicht nur herausgebildet aus den Einflüssen<br />
verschiedener Kulturen, Religionen<br />
<strong>und</strong> vieler Völker, sondern die<br />
christlich geprägten westeuropäischen<br />
<strong>und</strong> die islamischen Länder verfügen<br />
über eine Jahrh<strong>und</strong>erte andauernde gemeinsame<br />
Geschichte.<br />
Viele Regionen, die geografisch zum<br />
europäischen Kontinent gehören, standen<br />
lange Zeit unter islamischer Herrschaft.<br />
Dazu zählen Sizilien, große Teile<br />
des heutigen Portugals <strong>und</strong> Spaniens, vor<br />
allem das arabische Al-Andalus im Süden<br />
mit der berühmten Alhambra in Granada<br />
<strong>und</strong> der Mezquita Moschee <strong>und</strong> Kathedrale<br />
in Córdoba. Istanbul, die Hauptstadt<br />
des Osmanischen Reichs, liegt auf zwei<br />
Kontinenten, Europa <strong>und</strong> Asien.<br />
Diese gemeinsame Geschichte war<br />
zwar von vielen kriegerischen Auseinandersetzungen<br />
begleitet, aber auch geprägt<br />
von intensivem Handel, diplomatischem<br />
<strong>und</strong> kulturellem Austausch. Im Verlauf<br />
der Geschichte wuchs natürlich das beiderseitige<br />
Wissen über die jeweils „andere“<br />
Kultur, <strong>und</strong> führte zu gegenseitigem<br />
Austausch. Unstreitig lässt sich belegen,<br />
dass bereits seit den 50er <strong>und</strong> 60er Jahren<br />
des vorigen Jahrh<strong>und</strong>erts zunehmend<br />
Menschen islamischen Glaubens aus verschiedenen<br />
Gründen in die B<strong>und</strong>esrepublik<br />
Deutschland eingewandert <strong>und</strong> zum<br />
Teil zahlenstarke Minderheiten in Parallelgesellschaften<br />
entstanden sind. Daraus<br />
ergibt sich natürlich die Frage nach einer<br />
gemeinsamen Identität als Gr<strong>und</strong>lage<br />
einer erfolgreichen Integration.<br />
Während viele seit Jahren hier leben,<br />
sogar die Deutsche Staatsbürgerschaft<br />
besitzen, haben andere Muslime – vorwiegend<br />
als Flüchtlinge <strong>und</strong> Asylsuchende<br />
aus dem nahen <strong>und</strong> mittleren<br />
Osten <strong>und</strong> aus Afrika – hier Aufnahme<br />
gef<strong>und</strong>en. Darunter gibt es Menschen,<br />
die wieder zu ihren Angehörigen in ihre<br />
Heimat zurückkehren wollen, andere –<br />
wohl die Mehrzahl – will bleiben, nicht<br />
zuletzt aus wirtschaftlichen Gründen.<br />
Mit diesen muss ein – sicherlich nicht<br />
einfacher – „modus vivendi“ des gemeinsamen<br />
Miteinanders <strong>und</strong> des Zusammenlebens<br />
gef<strong>und</strong>en werden. Sie müssen die<br />
Sprache lernen, damit wir ihnen unsere<br />
Gesetze erklären können <strong>und</strong> ihnen erläutern,<br />
dass wir das Einhalten von Regeln<br />
konsequent einfordern müssen. Und<br />
wir müssen ihnen unsere ethischen <strong>und</strong><br />
moralischen Werte von Gewaltfreiheit,<br />
von Gleichberechtigung von Mann <strong>und</strong><br />
Frau, unsere Traditionen, Sitten <strong>und</strong> Gebräuche<br />
deutlich machen. Und ihnen erklären,<br />
dass Toleranz <strong>und</strong> Akzeptanz die<br />
beiden Seiten einer Medaille bedeuten,<br />
dass wir unter Religionsfreiheit verstehen,<br />
dass jeder Mensch seinen Glauben leben<br />
kann, aber eine Staatsreligion wie den terroristischen<br />
IS <strong>und</strong> das Gesetz der Scharia<br />
in aller Deutlichkeit ablehnen.<br />
Angesichts von Krieg <strong>und</strong> Zerstörung<br />
in Vergangenheit <strong>und</strong> Gegenwart, aber<br />
auch im Hinblick auf die Flüchtlingskrise<br />
<strong>und</strong> die Terroranschläge in Frankreich,<br />
in Belgien oder auch hierzulande, gilt es,<br />
diese Wertegemeinschaft zu erhalten <strong>und</strong><br />
zu festigen – sie darf nicht abgleiten auf<br />
die Ebene rein wirtschaftlicher Interessen.<br />
Auch wenn zuweilen Zweifel auch bei jenen<br />
aufkommen, die sich mit Herz <strong>und</strong><br />
Hand <strong>für</strong> den Europäischen Gedanken<br />
einsetzen.<br />
Die Ostergeschichte mit dem Mahl am<br />
Abend des Gründonnerstag zeigt, wie<br />
zerbrechlich auch die Gemeinschaft der<br />
Jünger war, als es zum Verrat durch Judas<br />
Ischariot kam. Für unsere offene Wertegesellschaft<br />
besteht deshalb ebenfalls die<br />
Gefahr des Scheiterns, wenn das Vertrauen<br />
in den Rechtsstaat, in die Solidarität,<br />
die Loyalität <strong>und</strong> die Hilfsbereitschaft der<br />
Menschen untereinander zu schwinden<br />
droht. Mit dem Glauben an die österliche<br />
Botschaft verbindet sich <strong>für</strong> Christen die<br />
Zuversicht, dass Gewalt, Terror <strong>und</strong> Tod<br />
nicht die Oberhand gewinnen <strong>und</strong> das<br />
letzte Wort behalten werden.<br />
In diesem Sinne Ihnen, liebe Leser, ein<br />
frohes Fest.