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Look4 April 2018

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FASZIEN<br />

Fitnesshype oder hoffnungsvolle Schmerztherapie?<br />

Man kann sie jetzt allerorts in<br />

Fitness- und Yogastudios<br />

trainieren: die Faszien.<br />

Das muskuläre Bindegewebe<br />

kann Auslöser für Rückenschmerzen<br />

sein.<br />

Was früher von Chirurgen als reines „Verpackungsmaterial“<br />

im Körper betrachtet und bei Operationen<br />

achtlos weggeschnitten wurde, steht heute im<br />

Zentrum der Aufmerksamkeit bei Medizinern, Sportlern und<br />

Therapeuten. „Die Faszien sind unser wichtigstes Sinnesorgan<br />

für den sogenannten sechsten Sinn, also für den Körpersinn“,<br />

sagt Faszien-Papst Dr. Robert Schleip, Humanbiologe an der<br />

Universität Ulm. Das Bindegewebe umhüllt unsere Muskeln<br />

und jedes einzelne Muskelfaserbündel. Es verbindet den Muskel<br />

mit dem Knochen und den benachbarten Muskeln. Es bildet<br />

stützende Bindegewebsplatten, es unterteilt den Körper in ein<br />

Labyrinth von Hüllen und Kammern – wie ein dreidimensionales<br />

Spannungsnetz. Das gibt Muskeln, Knochen, Organen,<br />

Nerven und Gehirn Halt und Orientierung und dient zugleich<br />

als Stoßdämpfer. Bestehend aus verschiedenen Zellen, wie Fibroblasten,<br />

Mast- und Fettzellen sowie Kollagen, Elastin, Wasser<br />

und Nervenfasern, sorgt es dafür, dass wir beweglich sind, sich<br />

im Körper alles dehnen und wieder zusammenziehen kann.<br />

Wie konnte etwas, das derart vielfältige Aufgaben in unserem<br />

Körper übernimmt, bislang in der Medizin so vernachlässigt<br />

werden? Dank eines neuartigen, hochauflösenden Ultraschallgerätes<br />

konnten Forscher die Faszien erst vor einigen Jahren sichtbar<br />

werden lassen. Seitdem erhalten sie seitens der Forschung<br />

die nötige Beachtung. Zudem rücken die Faszien im täglichen<br />

Leben, beim Sport und bei der Schmerzprophylaxe ins Bewusstsein.<br />

Sie haben das Potenzial, Lösungsansätze bei chronischem<br />

Rückenschmerz zu liefern.<br />

„Wer sich nicht bewegt, verklebt“<br />

„Muskeln sind nicht für kleine wiederholte Bewegungen gemacht.<br />

Sie wollen sich in alle Richtungen dehnen, strecken und<br />

zusammenziehen. Auch wenn es noch nicht genau erforscht<br />

ist – wahrscheinlich werden durch unzureichende Muskelaktivität<br />

auch die Faszien steif und unbeweglich“, erklärt Professor<br />

Siegfried Mense von der Medizinischen Fakultät Mannheim der<br />

Universität Heidelberg, der seit vielen Jahren zur Entstehung<br />

von Rückenschmerzen forscht. Er hat bei seinen Forschungen<br />

eine große Zahl von potenziellen Schmerzrezeptoren in der<br />

Rückenfaszie entdeckt. Mittlerweile ist bekannt, dass sich das<br />

Bindegewebe verändern, wuchern oder verkleben kann. Dadurch<br />

werden Nerven eingeklemmt, was wiederum Schmerzen<br />

verursacht. Einseitige Bewegungsabläufe, Schonhaltungen bei<br />

Schmerzen oder gänzlich fehlende Bewegung, wie nach Operationen,<br />

führen zu Verklebungen zwischen der Faszie und umliegenden<br />

Geweben, wie Haut oder Muskeln. Aber auch Stress<br />

kann die Faszien schädigen. Bei ständigem Stress erhöht sich der<br />

fasziale Tonus, das Zusammenziehen der Faszien. Dies kann zu<br />

Verspannungen oder Steifheit in ganzen Körperregionen führen.<br />

Faszien-Yoga oder Faszien-Fitness helfen<br />

Im Fitnessbereich ist zunächst jede neue Trainingsidee willkommen.<br />

Doch hier nur von einem Trend oder Hype zu sprechen,<br />

wäre verfehlt. Ein Training mit gezielter Einflussnahme der<br />

Faszien ermöglicht Leistungssteigerungen sowie eine verbesserte<br />

Regeneration. Zusätzlich wird die Annahme, dass elastische<br />

Faszien für straffe Haut sorgen, ein weiterer Grund für das große<br />

Interesse sein. Neben einer bewussten und korrekten Körperhaltung<br />

ist regelmäßige Bewegung wichtig, um das Bindegewebe zu<br />

stärken beziehungsweise wieder geschmeidig werden zu lassen.<br />

Ein spezielles Fazientraining beinhaltet Gymnastikübungen,<br />

die den sogenannten Asanas im Yoga sehr ähneln. Kombiniert<br />

werden die Dehn- und Schwungübungen mit einer faszialen<br />

Druckmassage mit Schaumstoffrollen und sogenannten Triggerpunktbällen.<br />

Allerdings braucht man etwas Geduld und Durchhaltevermögen:<br />

„Es dauert bis zu zwei Jahren, bis die Schmerzen<br />

beim Faszienrollen nachlassen und erst dann kann man davon<br />

ausgehen, dass sich das Training positiv bemerkbar macht“,<br />

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