Auszug aus GIESSEREI 4-2018
Eisen-, Stahlguss, Impfmittel, Einsatzstoffe
Eisen-, Stahlguss, Impfmittel, Einsatzstoffe
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AKTUELLES<br />
Drei Fragen an...<br />
Wolfgang Ernst, Geschäftsführer der Datec GmbH, einem<br />
Ausrüster für die Elektronik in der Sandaufbereitung. Ernst<br />
moderierte eine Vortragsreihe des Formstoffforums, bei<br />
dem am 7. und 8. März in Aachen 420 Gießereiexperten<br />
zusammenkamen. Seit einiger Zeit beklagt Ernst einen Entwicklungsrückstand<br />
beim Nassgießen gegenüber anderen<br />
Verfahren (siehe hierzu auch <strong>GIESSEREI</strong> 2-<strong>2018</strong>, S. 44 ff.).<br />
Die <strong>GIESSEREI</strong> sprach ihn in Aachen auf das Thema an.<br />
FOTO: ANDREAS BEDNARECK<br />
Herr Ernst, das Kernpaketverfahren<br />
für dünnwandige Automobilteile wird<br />
weiterentwickelt, das Nassgießen<br />
kaum. Gerade in der Sandaufbereitung<br />
können die Verfahrensvorteile bis<br />
dato also nicht genutzt werden. Ist der<br />
Wunsch nach einer Weiterentwicklung<br />
der Grund, warum Sie sich so sehr für<br />
das Nassgießen stark machen?<br />
Es gibt eine Leidenschaft für diesen mineralischen<br />
Rohstoff. Und ich finde es<br />
spannend, daran zu arbeiten und Erkenntnisse<br />
weiterzuentwickeln. Bei oberflächlicher<br />
Betrachtung denkt man vielleicht,<br />
daran kann man nichts optimieren. Wenn<br />
man näher schaut, zeigt sich aber, dass<br />
es sehr wohl Ansatzpunkte gibt, wo man<br />
mit neuer Mess- und auch Steuerungstechnik<br />
Dinge realisieren und umsetzen<br />
kann, die vor 20 Jahren noch undenkbar<br />
waren. Und dieser Reiz, immer neue<br />
Schritte nach vorne zu gehen, ist für mich<br />
der Motor. Hinzu kommt, dass ich beobachte,<br />
dass diesem Verfahren ein Grab<br />
geschaufelt wird, weil die Entwicklung<br />
stagniert. Bei einem Vortrag heute Nachmittag<br />
hieß es: „Mensch, da muss ich ja<br />
richtig viel in Messtechnik investieren.“<br />
Und das stimmt, aber wenn ich 40 Jahre<br />
nichts getan habe, stehe ich bei Null und<br />
dann wird es eben teuer. In den Gießereien<br />
gibt es, wenn es z. B. um die Bemaßung<br />
von Gussteilen geht, sehr hochwertige<br />
Messeinrichtungen. Aber beim Nassgießen,<br />
wenn es um das Sandlabor geht, wird<br />
mit uralten Geräten gearbeitet und die<br />
Hülsen sind im schlimmsten Fall auch<br />
noch verrostet.<br />
Dünnwandigkeit ist ja im Trend und für<br />
den Leichtbau im Automobilbau auch<br />
durch<strong>aus</strong> erforderlich. Hierfür wird das<br />
Kernpaketverfahren eingesetzt. Große<br />
Gussteile wie Windradnaben werden<br />
durch das Gießen in Furanharzformen<br />
hergestellt. Welche Gussteile betrifft<br />
das Nassgießen heute?<br />
Laut etwas älterer Zahlen sind es noch gut<br />
drei Viertel der Gussprodukte in Deutschland.<br />
Das wird sich allerdings verschoben<br />
haben, denn mit dem Trend zu steigender<br />
Komplexität hat sich das Kernpaketverfahren<br />
mehr und mehr durchgesetzt. Das Verfahren<br />
gibt es seit 10 Jahren, es ist aber<br />
vergleichsweise teuer. Die Großserie hat<br />
da an der Stelle eine sehr starke Stellung.<br />
In Gießereien, die sehr kundenspezifisch<br />
mit kleinen Serien arbeiten, dominiert das<br />
Nassgießen wie eh und je, denn es ist wegen<br />
seines Preisvorteils weiterhin ein verbreitetes<br />
Verfahren. Im Vergleich zum Kokillengießen,<br />
wo sie für eine einzelne Form<br />
richtig viel bezahlen müssen und auch<br />
nicht mit einer Form <strong>aus</strong>kommen, hat das<br />
Nassgießen einen Riesenvorteil. Sie haben<br />
nur wenige Einstandskosten, um eine Form<br />
zu erstellen. Wenn die Form zerstört wurde,<br />
können Sie das Ganze wieder neu nutzen.<br />
Das ist ein ungeheurer Prozessvorteil.<br />
Beim Kernpaketverfahren gibt es Zyniker,<br />
die vom Groschengrab sprechen, weil die<br />
Themen Kernpakete und Sandverfahren<br />
noch immer nicht ganz gelöst sind und<br />
sich dadurch wohl noch höhere Kosten ergeben.<br />
Wenn es für das Nassgießen gelingen<br />
würde, eine neue Sandaufbereitung<br />
zu entwickeln, könnte das Verfahren seine<br />
Preisvorteile in die Waagschale werfen.<br />
Eines der Kernanliegen des Entwicklungsrückstands<br />
beim Nassgießen ist<br />
es, die Messverfahren für den Formsand<br />
zuverlässiger zu machen. Hierzu<br />
hielt Hubert Kerber vom ÖGI beim<br />
Formstoffforum einen Vortrag. Wie beurteilen<br />
Sie seine Vorschläge?<br />
Wir befinden uns in der Verlegenheit, dass<br />
wir für unsere ganzen Messsysteme im<br />
Sandlabor überhaupt keine Methoden entwickelt<br />
haben, um zu sagen, diesem Messwert<br />
vertraue ich. Die Entwicklungen, die<br />
für andere messtechnische Aufgaben<br />
stattgefunden haben, wurden nicht auf das<br />
Sandgießen übertragen. Wenn ich jetzt einen<br />
Messwert wie 18 N/cm 2 für eine<br />
Druckfestigkeit habe: Wie kann ich diesem<br />
Messwert vertrauen, wie kann ich dem<br />
Messgerät glauben, dass es in Ordnung<br />
ist, oder ob der Bediener richtig damit umgegangen<br />
ist. Das Problem ist nämlich,<br />
dass bei den Messungen sehr große Streuungen<br />
erkennbar sind. Die Ringversuche,<br />
über die Hubert Kerber vom österreichischen<br />
ÖGI in seinem Vortrag gesprochen<br />
hat, sind Teil einer Strategie, uns auf den<br />
Stand der Technik der allgemeinen Messtechnik<br />
zu bringen. Das erfordert neue<br />
Überlegungen. Die Angleichung der Messverfahren<br />
und auch eine Angleichung bei<br />
der Prüfung der Geräte. Wenn wir die<br />
Streuungen in den Messwerten verstehen,<br />
verstehen wir auch die Ursachen für die<br />
Ausreißer in der Sandaufbereitung besser.<br />
Die Frage muss beantwortet werden, wie<br />
ich zu einer Messmittelfähigkeit komme.<br />
Das ist auch nötig, weil den Gießern externe<br />
Auditoren von Kunden durch<strong>aus</strong> auf<br />
die Füße treten, und die Messverfahren in<br />
Frage stellen. Für uns geht es schlicht und<br />
ergreifend darum, her<strong>aus</strong>zufinden, wie den<br />
Messwerten geglaubt werden kann und<br />
wie sie vergleichbar werden. Da haben wir<br />
uns in der Vergangenheit <strong>aus</strong> der Verantwortung<br />
gestohlen. Es ist ein schwieriges<br />
Thema, dem wir uns aber stellen müssen.<br />
So sehr ich aber davon überzeugt bin,<br />
dass es die Potenziale des Verfahrens gibt,<br />
so sehr ist mir auch die merkwürdige Zurückhaltung<br />
in Mitteleuropa bei der Weiterentwicklung<br />
des Nassgießens aufgefallen.<br />
Möglicherweise kommen die Impulse<br />
dafür in Zukunft <strong>aus</strong> dem asiatischen<br />
Raum, denn dort geht man noch mit einer<br />
ganz anderen Aufgeschlossenheit an diese<br />
Fragen heran. Dort sieht man manchmal<br />
den Glanz in den Augen der Ingenieure, in<br />
diesem Bereich noch etwas zu erreichen.<br />
Ja, wir können Potenziale entwickeln. Aber<br />
ich habe die Sorge, dass die Notwendigkeit<br />
und die Möglichkeiten hier bei uns nicht<br />
erkannt werden.http://datec.org<br />
24 <strong>GIESSEREI</strong> 105 04/<strong>2018</strong>