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Medical Tribune 15/2018

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<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> j Nr. <strong>15</strong> j 11. April <strong>2018</strong><br />

NEUROLOGIE<br />

11<br />

Sieht aus wie ein Schlaganfall, ist aber keiner<br />

DIAGNOSTIK ■ Beim Schlaganfall drängt die Zeit. Doch rasches Handeln erhöht die Wahrscheinlichkeit einer Fehldiagnose.<br />

Ein Neurologe erklärt, wie sich dies verhindern lässt. Tomographie und FAST-Test minimieren Fehldiagnosen.<br />

DR. DOROTHEA RANFT<br />

Nicht alles, was aussieht wie ein<br />

Apoplex, muss auch einer sein.<br />

Differenzialdiagnostisch unterscheidet<br />

man grob zwischen<br />

zwei Formen: Um Stroke Mimics<br />

(SM) handelt es sich immer<br />

dann, wenn andere Erkrankungen<br />

fälschlich als Hirninsult eingestuft<br />

werden. Dadurch kommt<br />

es zu falsch positiven Schlaganfalldiagnosen,<br />

schreibt Prof. Dr.<br />

Frank Erbguth, Universitätsklinik<br />

für Neurologie, Klinikum<br />

Nürnberg.<br />

Präklinisch liegt die<br />

Fehlerquote bei 50 %<br />

Übersehen Kollegen hingegen<br />

einen Apoplex und diagnostizieren<br />

stattdessen etwas anderes,<br />

spricht man von einem Stroke<br />

Chamäleon (SC), also einem falsch<br />

negativen Befund.<br />

Fehlerhafte Einschätzungen ereignen<br />

sich vor allem am Anfang der<br />

Diagnostik. So rechnet man in der<br />

präklinischen Phase mit einer Rate<br />

von knapp 50 % für SM, diese reduziert<br />

sich bei der Indikationsstellung<br />

für die Thrombolyse auf 2–10 %.<br />

Auch die präklinische Rate an SC verringert<br />

sich von rund 50 % auf 2–5 %<br />

in Stroke Units. Insbesondere die CTund<br />

MRT-Diagnostik minimiert die<br />

Quote der Fehldiagnosen.<br />

Als häufigste Stroke Mimics gelten<br />

Migräne, epileptische Anfälle<br />

und psychogene Störungen (z.B. Depression).<br />

Auch Hypoglykämien,<br />

Hirntumoren und Pseudolähmungen<br />

(z.B. Schenkelhalsfraktur)<br />

oder sich verschlechternde<br />

Residualsymptome eines vorangegangenen<br />

Schlaganfalls verkennt<br />

man leicht als SM.<br />

In manchen Einrichtungen<br />

lysieren Kollegen bis zu 20 %<br />

der Schlaganfallpatienten. Dadurch<br />

steigt auch der Anteil der<br />

ohne Hirninsult Behandelten auf<br />

2–10 %. Dennoch liegt die Komplikationsrate<br />

unter 1 %. Erbguth<br />

warnt jedoch ausdrücklich davor,<br />

um die höchste Thrombolysequote<br />

und die kürzeste „Door<br />

to Needle Time“ zu wetteifern.<br />

Er empfiehlt stattdessen, die SM-<br />

Quote anzuheben und so eine unangemessene<br />

Indikationsstellung<br />

aufzudecken.<br />

In der Praxis wird es kniffliger: Die<br />

Merkmale, die im Gruppenvergleich<br />

prädiktiv für eine SM-Fehldiagnose<br />

sind, verleiten gleichzeitig dazu, einen<br />

echten Schlaganfall zu übersehen. Besonders<br />

bei jungen Menschen, Frauen<br />

und Personen ohne Risikofaktoren für<br />

einen Insult sollte man genauer hinsehen.<br />

Auch Patienten mit Bewusstseinsstörungen<br />

und fehlenden fokalen<br />

Symptomen fallen unters Raster.<br />

In einer finnischen Registerstudie<br />

wurde der Hirninsult bei 14 % der unter<br />

50-Jährigen übersehen. Als Fehldiagnosen<br />

dominierten Alkoholintoxikation<br />

(verwaschene Sprache, Taumeln),<br />

Migräne, peripher-vestibuläre Störungen<br />

und unspezifischer Schwindel.<br />

Hochgerechnet auf Deutschland<br />

würden 700 der jährlich 5.000 Schlaganfälle<br />

in derselben Gruppe verpasst,<br />

schreibt Erbguth.<br />

Jeder hundertste Herzinfarkt<br />

stellt sich als Insult heraus<br />

Einer Studie zufolge verbirgt sich hinter<br />

7 % der in der Notaufnahme diagnostizierten<br />

Verwirrtheitszustände<br />

und in 4 % der Synkopen ein Apoplex.<br />

Schmerzhafte Sensibilitätsstörungen<br />

im linken Arm führen leicht zu kardialen<br />

Fehldiagnosen. So kommt es,<br />

dass sich 1 % der akuten Koronarsyndrome<br />

unter der Lupe als zerebrale Insulte<br />

erweisen.<br />

Mit speziellen Screening-Instrumenten<br />

wie dem FAST-Test (Face-<br />

Arm-Speech-Time) lässt sich die Rate<br />

der nicht-identifizierten Schlaganfälle<br />

im Sinne eines SC deutlich senken,<br />

allerdings um den Preis vermehrter<br />

falsch positiver Befunde (SM). Juristisch<br />

werden Unterlassungen häufiger<br />

vorgeworfen als Therapiekomplikationen.<br />

Entsprechend führen SC öfter zu<br />

Haftungsansprüchen als SM.<br />

<br />

Erbguth F, Fortschr Neurol Psychiatr 2017;<br />

85: 747–764<br />

Plötzlich heftige Kopfschmerzen? Zum CT!<br />

Mit einer Rate von 5–20 % kommen falsch negative oder verzögerte Befunde bei der<br />

Subarachnoidalblutung häufig vor. Als besonders gefährdet gelten Patienten, die nur<br />

über Kopfschmerzen klagen. Diese Beschwerden deuten Kollegen oft als Migräne<br />

oder Spannungskopfschmerz. Zusätzliches Erbrechen lenkt den Verdacht primär auf<br />

eine gastrointestinale Ursache, begleitende EKG-Veränderungen lassen an ein kardiales<br />

Ereignis denken. Um Fehldiagnosen zu vermeiden, muss bei ungewöhnlichen<br />

bzw. heftigen Kopfschmerzen unbedingt eine CT-Diagnostik erfolgen.<br />

Das Thrombektomie-Fenster<br />

wurde in AHA-Leitlinie größer<br />

SCHLAGANFALL ■ Studien zufolge ist eine erfolgreiche Behandlung<br />

bis zu 24 Stunden nach stattgehabtem Ereignis möglich.<br />

Im Vorfeld der Jahrestagung referierte<br />

Univ.-Doz. Dr. Elisabeth Fertl,<br />

Präsidentin der ÖGN und Leiterin<br />

der Neurologischen Abteilung, Krankenanstalt<br />

Rudolfstiftung, über einen<br />

Paradigmenwechsel in der Schlaganfallbehandlung.<br />

„Mit der Thrombektomie,<br />

bei der Blutgerinnsel im Gehirn<br />

mechanisch entfernt werden,<br />

haben wir seit einigen Jahren die<br />

Möglichkeit, auch größere Gefäßverschlüsse<br />

zu entfernen. Bisher galt dabei<br />

die Maxime, dass eine erfolgreiche<br />

Behandlung nur in einem Zeitfenster<br />

von sechs bis acht Stunden<br />

nach dem Schlaganfall möglich sei“,<br />

fasste sie den Status quo zusammen.<br />

Bildgebung erweitern<br />

Fertl berichtete, dass neuen Studien 1,2<br />

zufolge die Thrombektomie auch bis<br />

zu 24 Stunden nach dem Ereignis erfolgreich<br />

sein kann. „Die wichtigste<br />

Voraussetzung dafür ist, dass wir die<br />

bildgebende Diagnostik erweitern“,<br />

sagte Fertl. „Während wir bisher<br />

nur sehen mussten, ob der für den<br />

Schlaganfall verantwortliche Thrombus<br />

in einem Bereich der Hirnarterien<br />

sitzt, der mit dem Katheter erreicht<br />

werden kann, müssen wir bei<br />

sehr spät einsetzender Behandlung<br />

zusätzlich herausfinden, ob die betroffenen<br />

Gehirnteile noch zu retten<br />

oder bereits abgestorben sind.“<br />

Die American Heart Association<br />

(AHA) habe aufgrund dieser neuen<br />

Erkenntnisse in ihren Leitlinien 3 das<br />

Zeitfenster für die endovaskuläre<br />

Therapie bereits erweitert. Die europäischen<br />

Leitlinien werden wohl<br />

folgen, erwartet die Neurologin. „Das<br />

wird die Zahl der Schlaganfallpatienten,<br />

die wir retten und denen wir ein<br />

Leben mit Behinderungen ersparen<br />

können, deutlich erhöhen.“<br />

Rahmenbedingungen<br />

Allerdings sei es dazu erforderlich,<br />

auch technische (und datenschutztechnische)<br />

Anpassungen vorzunehmen<br />

und nicht nur medizinische.<br />

Was dem Einsatz einer erweiterten<br />

Bildgebungsdiagnostik für<br />

alle Patienten heute entgegenstehe,<br />

seien technische Hürden, wenn Bilder<br />

zwischen Bundesländern oder<br />

Krankenhausträgern ausgetauscht<br />

werden sollten. „Wenn wir die neuen<br />

Chancen für unsere Patientinnen<br />

und Patienten nutzen wollen, müssen<br />

wir hier rechtzeitig für entsprechende<br />

Rahmenbedingungen sorgen“,<br />

mahnte Ferstl.<br />

1<br />

Nogueira RG et al., N Engl J Med <strong>2018</strong>; 378:<br />

11–21, doi: 10.1056/NEJMoa1706442<br />

2<br />

Albers GW et al., N Engl J Med <strong>2018</strong>; 378:<br />

708–18, doi: 10.1056/NEJMoa1713973<br />

3<br />

Powers WJ et al., Stroke <strong>2018</strong>,<br />

doi.org/10.1161/STR.0000000000000<strong>15</strong>8<br />

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Erstellungsdatum: 03/<strong>2018</strong> | CVS/SDZ/<strong>2018</strong>/4/4<br />

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