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Medical Tribune 15/2018

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<strong>Medical</strong> <strong>Tribune</strong> j Nr. <strong>15</strong> j 11. April <strong>2018</strong><br />

MEDIZIN<br />

13<br />

HPV überleben im Biofilm<br />

ALIGENEC ■ Die Besiedlung des Rachenraums<br />

mit dem humanen Papillomavirus<br />

(HPV) gilt als wichtiger Risikofaktor<br />

für Kopf-Hals-Karzinome.<br />

Forscher entdeckten nun den „Rückzugsort“<br />

der Viren nach einer Akutinfektion:<br />

Sie sitzen im Biofilm der<br />

Tonsillen und entkommen dadurch<br />

über längere Zeit der Immunabwehr.<br />

Versteck in den Krypten<br />

Gefährliche Wühlmausfallen<br />

GARTENUNFÄLLE ■ Das LKH-<br />

Univ.- Klinikum Graz warnt vor dem<br />

Aufstellen sogenannter Schussfallen,<br />

die Wühlmäusen den Garaus machen<br />

sollen. Demnach haben sich in<br />

den vergangenen zehn Jahren 27 Personen<br />

beim Hantieren mit diesen Fallen<br />

massive Handverletzungen zugezogen.<br />

„Die Explosion ist stark genug,<br />

um Sehnen, Gefäße, Nerven und<br />

Knochen zu zerstören“, erklärt der<br />

Brinskelle (Mitte) und Lumenta<br />

(rechts) mit einer Patientin, der<br />

Finger amputiert werden musste.<br />

Nachdem die Rolle von Hochrisiko-<br />

HPV wie Typ 16 und 18 bei der Entwicklung<br />

von Zervixkarzinomen bereits<br />

gut erforscht ist, fokussiert man<br />

nun auf oropharyngeale Plattenepithelkarzinome.<br />

So suchten Forscher<br />

nach dem Aufenthaltsort der Viren<br />

und wurden im bakteriellen Biofilm<br />

der Cryptae tonsillae fündig. Dort<br />

überdauern HPV gut geschützt vor<br />

den Angriffen der Immunabwehr.<br />

Untersucht hatten die Wissenschaftler<br />

entnommene Tonsillen<br />

von 102 ansonsten gesunden Probanden<br />

im Alter von 20 bis 39 Jahren.<br />

4,9 % der Proben waren in der<br />

Polymerase kettenreaktion HPV-positiv,<br />

3,9 % enthielten die Hochrisiko-Typen<br />

16 und 18. Die Immunhistochemie<br />

ließ die Viren dann sichtbar<br />

werden: Sie befanden sich in der von<br />

Bakterien gebildeten Glycocalyxmatrix<br />

vor allem in den Krypten der Tonsillen,<br />

aber auch außerhalb der Epithelschicht.<br />

Die in der retrospektiven Studie gefundenen<br />

HPV-Infektionsraten sind<br />

vergleichbar mit denen anderer Studien,<br />

resümieren die Autoren. Unter<br />

welchen Umständen die Viren sich<br />

aus der schützenden, aber auch inaktivierenden<br />

Matrix befreien, ist nicht<br />

klar. Diese Reaktivierung und anschließende<br />

Infektion der Basalepithelzellen<br />

des Rachenraums spielt<br />

wahrscheinlich eine entscheidende<br />

Rolle für die Entwicklung von Oropharynxkarzinomen.<br />

BK<br />

Rieth KKS et al., JAMA Otolaryngol Head Neck<br />

Surg; 144(3): 231–237. <strong>2018</strong> Mar 01<br />

plastische Chirurg Priv.-Doz. Dr. David<br />

Lumenta. Er vergleicht die Fallen<br />

mit Handgranaten und seine Kollegin<br />

Ass.-Arzt Dr. Petra Brinskelle konkretisiert:<br />

„Sie sind mit Platz- und Gaspatronen<br />

bestückt, die beim Auslösen<br />

derart viel Energie erzeugen, dass<br />

Nagetiere getötet werden können.“ Es<br />

gebe zwar Sicherheitsmechanismen<br />

wie einen Bügel, „allerdings ver rutscht<br />

dieser leicht und die Falle kann gerade<br />

bei unvorsichtiger Handhabung versehentlich<br />

ausgelöst werden.“<br />

Bleibende Schäden<br />

Die betroffenen Patienten waren im<br />

Durchschnitt 60 Jahre alt, und rund<br />

drei Viertel davon sind Männer. Über<br />

zwei Drittel der Patienten trugen<br />

letztlich bleibende Schäden davon.<br />

Ihnen mussten Fingeranteile amputiert<br />

werden oder sie leiden nach wie<br />

vor unter Sensibilitätsstörungen oder<br />

kämpfen generell mit Bewegungseinschränkungen.<br />

<br />

RED<br />

So leben FH-Patienten länger<br />

KARDIOLOGIE ■ Eine Behandlung mit Alirocumab reduzierte die Gesamtmortalität von<br />

Patienten mit familiärer Hypercholesterinämie (FH) laut Studie um <strong>15</strong> Prozent.<br />

MICHAEL KRASSNITZER<br />

Die familiäre Hypercholesterinämie<br />

(FH) ist eine angeborene Störung des<br />

Lipidstoffwechsels, die durch eine<br />

starke Erhöhung des LDL („low density“-Lipoprotein)-Cholesterins<br />

im<br />

Blut charakterisiert ist. Selbst bei optimaler<br />

diabetischer sowie maximaler<br />

lipidsenkender Therapie können<br />

die erforderlichen LDL-Cholesterin-<br />

Zielwerte nicht erreicht werden.<br />

Lange Zeit war die Lipoproteinapherese,<br />

also ein extrakorporales Blutreinigungsverfahren<br />

zur Entfernung von<br />

LDL-Cholesterin und weiteren Faktoren<br />

aus dem Blut, die einzige Behandlungsmöglichkeit.<br />

Dann allerdings<br />

wurde belegt, dass PCSK9-Inhibitoren<br />

(Evolocumab, Alirocumab)<br />

eine gute Wirkung bei Patienten mit<br />

heterozygoter FH haben. „Nun konnte<br />

erstmals gezeigt werden, dass FH-Patienten,<br />

die mit Alirocumab behandelt<br />

werden, länger leben“, bekräftigt Assoc.<br />

Prof. Priv.-Doz. Dr. Walter Speidl<br />

von der Abteilung für Kardiologie der<br />

Universitätsklinik für Innere Medizin<br />

II der MedUni Wien.<br />

Deutliche Risikoreduktion<br />

In der kürzlich bei der Jahrestagung<br />

<strong>2018</strong> des American College of Cardiology<br />

(ACC) präsentierten placebokontrollierten<br />

Odyssey-Outcomes-Studie<br />

mit fast 19.000 Patienten reduzierte<br />

die Behandlung mit Alirocumab über<br />

36 Monate das Risiko für Herztod,<br />

Herzinfarkt, Schlaganfall und instabile<br />

Angina um <strong>15</strong> Prozent. „Nach einer<br />

dreijährigen Therapie wurde auch<br />

die Gesamtmortalität um <strong>15</strong> Prozent<br />

reduziert“, ergänzte Speidl bei einem<br />

Vortrag im Rahmen einer Veranstaltung,<br />

auf der ausgewählte Themen des<br />

2. Europäischen Apheresekongresses<br />

präsentiert wurden. Der Kongress fand<br />

von 22. bis 24. März in Wien statt.<br />

FH ist auf eine genetische Mutation<br />

zurückzuführen, wodurch die<br />

Aufnahme des LDL-Cholesterin in<br />

den Hepatozyten deutlich verringert<br />

wird. Verantwortlich dafür ist das Enzym<br />

PCSK9, das an den LDL-Rezeptor<br />

bindet, wodurch die Leberzellen kein<br />

LDL-Cholesterin mehr aufnehmen<br />

können. PCSK9-Hemmer binden nun<br />

an das im Blut zirkulierende PCSK9<br />

und verhindern deren Bindung an die<br />

LDL-Rezeptoren. Dadurch wird auch<br />

die Zahl der LDL-Rezeptoren an der<br />

Zellmembran erhöht. Wie die Odyssey-Escape-Studie<br />

vor zwei Jahren<br />

zeigte, können unter zweiwöchentlicher<br />

Gabe von <strong>15</strong>0 mg Alirocumab 63<br />

Prozent der Patienten die LDL-Apherese<br />

komplett beenden, bei 92 Prozent<br />

ließ sich die Apherese-Frequenz um<br />

mindestens die Hälfte reduzieren.<br />

Unbehandelt stirbt die Hälfte der<br />

männlichen und <strong>15</strong> Prozent der weiblichen<br />

Betroffenen vor dem 60. Lebensjahr<br />

an einer atherosklerotischen<br />

Herz-Kreislauf-Erkrankung wie<br />

Herzinfarkt oder Schlaganfall. In Österreich<br />

sind von der heterozygoten<br />

Form der FH schätzungsweise 25.000<br />

Menschen betroffen. „Tatsächlich<br />

werden nur rund fünf Prozent dieser<br />

,genetischen Risikobomben‘ diagnostiziert“,<br />

erklärt Prim. Prof. Dr.<br />

Herbert Laimer, emeritierter Leiter<br />

des PVA-Rehabilitationszentrums Bad<br />

Tatzmannsdorf. Die Diagnose erfolgt<br />

meist zufällig, etwa bei einer Gelegenheitsuntersuchung,<br />

oder nach einem<br />

kardiovaskulären Ereignis.<br />

„Rettet die Enkel“<br />

Die Österreichische Apheresegesellschaft<br />

fordert daher unter dem<br />

Motto „Rettet die Enkel“ ein Familienscreening<br />

aller Blutsverwandten<br />

von jungen Atherosklerose-Patienten.<br />

„Mit der Erkennung eines solchen<br />

Indexpatienten lassen sich etwa<br />

50 Prozent der Familienangehörigen<br />

als Betroffene identifizieren und der<br />

notwendigen Behandlung zuführen“,<br />

sagte Laimer auf der Vortragsveranstaltung<br />

„Highlights des 2. Europäischen<br />

Apheresekongresses – Was die<br />

Apherese alles kann“ im Billrothaus<br />

der Gesellschaft der Ärzte in Wien.<br />

FOTO: S. MÖSTL / LKH-UNIV. KLINIKUM GRAZ<br />

■ ERRATUM<br />

■ SERVICE<br />

Die Lange Nacht der Forschung geht<br />

am 13. April an zahlreichen Standorten<br />

in ganz Österreich über die Bühne.<br />

Ausstellerorganisationen an über 260<br />

Standorten erlauben einen einmaligen<br />

Im Artikel „Standardimpfung bei<br />

MenB?“ (MT 13/<strong>2018</strong>) berichteten<br />

wir lediglich über erwachsene<br />

Risiko gruppen.<br />

Wir ergänzen, dass laut Impfplan<br />

die Impfung gegen invasive Meningokokken-B-Infektionen<br />

für Kinder möglichst<br />

früh ab dem vollendeten 2. Lebensmonat<br />

und Jugendliche empfohlen<br />

wird. Die Impfung kann weiters<br />

allen Erwachsenen empfohlen werden,<br />

die sich schützen wollen, insbesondere<br />

Personen mit erhöhtem Erkrankungsrisiko<br />

(Immundefekt, v.a.<br />

Komplement-/Properdindefekte, Hypogammaglobulinämie,<br />

Asplenie,<br />

Splenektomie), Personen mit engem<br />

Kontakt zu Meningokokken-B-Erkrankten<br />

und Laborpersonal mit Kontakt<br />

zu Meningokokkenisolaten. Die<br />

Impfung kann für Personal im Gesundheitswesen<br />

erwogen werden.<br />

Quelle: Impfplan <strong>2018</strong>,<br />

www.bmgf.gv.at/home/Impfplan<br />

Blick hinter die Kulissen. Rund 6.000<br />

Forscherinnen und Forscher sind seit<br />

Monaten im Einsatz, um Forschung<br />

eine Nacht lang erlebbar zu machen.<br />

www.langenachtderforschung.at<br />

MEDICAL<br />

TRIBUNE<br />

*Artikel „Schmerz an der Wurzel gepackt“,<br />

über die Zervikale Radikulopathie<br />

MT 14/<strong>2018</strong>, Seite 10<br />

www.medonline.at<br />

MT_<strong>15</strong>_18_s13.indd 13 06.04.<strong>2018</strong> 10:11:45

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