19.04.2018 Aufrufe

DIG_MAG 1_2018_5778

Erfolgreiche ePaper selbst erstellen

Machen Sie aus Ihren PDF Publikationen ein blätterbares Flipbook mit unserer einzigartigen Google optimierten e-Paper Software.

Politik<br />

Der palästinensische Menschenrechtsaktivist<br />

Bassem Eid (r.) und Michael<br />

Spaney, <strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg e.V.<br />

Foto: Mideast Freedom Forum Berlin<br />

ägyptischen Sinai-Halbinsel. Durch eine entsprechend strenge<br />

Kontrolle der Grenze zu Gaza wolle Ägypten die regierende<br />

Hamas unter Druck setzten und langfristig destabilisieren,<br />

damit die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) unter ihrem<br />

derzeitigen Präsidenten Mahmud Abbas wieder die volle Kontrolle<br />

über die Enklave am Mittelmeer übernehmen könne. Hilfe<br />

könnten die Bewohner Gazas deswegen auch nicht von der PA<br />

erwarten. Diese setze wie Ägypten auf ein Versagen der Hamas.<br />

Israel habe grundsätzlich Interesse an einem Wiederaufbau<br />

der durch die Militäroffensive von 2014 zerstörten Gebäude in<br />

Gaza, stünde aber vor dem Problem, dass die Hamas dringend<br />

benötigtes Baumaterial lieber zum Ausbau ihrer militärischen<br />

Infrastruktur nutze, als es der Bevölkerung Gazas zukommen zu<br />

lassen.<br />

Misstrauen gegenüber der palästinensischen Führung<br />

Anschließend wandte sich Eid den innerpalästinensischen<br />

Konflikten zu. Den zuletzt nach außen demonstrierten und<br />

durch ein neues Abkommen unterstrichenen Einigungswillen<br />

der größten palästinensischen Parteien Fatah und Hamas hält<br />

Eid für eine mediale Inszenierung. In den letzten Jahren habe<br />

die Welt sechs solcher Vereinbarungen gesehen und nichts<br />

habe sich an der gegenseitigen Feindschaft beider Gruppen<br />

geändert. Dadurch verlören beide Parteien immer weiter an<br />

Rückhalt in der Bevölkerung. Es herrsche insgesamt ein starkes<br />

Misstrauen gegenüber der palästinensischen Führung. Sie sei<br />

mehr am eigenen Vorteil interessiert als an einer Verbesserung<br />

der Situation ihrer Bevölkerung. Statt nach Fortführung des<br />

unnachgiebigen Dauerkonflikts mit Israel sehnten sich die<br />

meisten Palästinenser heute vor allem nach einem sicheren Job,<br />

einem festen Einkommen, einer guten medizinischen Versorgung<br />

und einer zukunftsreichen Ausbildung ihrer Kinder.<br />

Kritik an Einflussnahme von BDS-Hochschulgruppen<br />

Abschließend kritisierte Eid den Versuch europäischer und<br />

nordamerikanischer Campus-Gruppen als Teil der sogenannten<br />

BDS-Bewegung (Boycott, Divestment and Sanctions) Einfluss<br />

auf den palästinensisch-israelischen Konflikt zu nehmen. Tatsächlich<br />

würde der Versuch israelische Waren zu boykottieren<br />

lediglich zur Zerstörung tausender palästinensischer Arbeitsplätze<br />

führen und damit geradezu dem Gegenteil entsprechen,<br />

was die palästinensische Bevölkerung heute verlange. Die BDS-<br />

Kampagne sei deswegen ein selbstgefälliges Unternehmen, das<br />

sich zwar als Teil einer Lösung des palästinensisch-israelischen<br />

Konfliktes verstehen möchte, in Wirklichkeit aber die Palästinenser<br />

zu Geiseln einer von Grund auf falschen politischen<br />

Strategie nehme. Ganz ähnlich verhielte es sich mit internationalen<br />

Organisationen wie der United Nations Relief and Works<br />

Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA). Die<br />

ursprünglich 1949 ins Leben gerufene UN-Institution zur Koordinierung<br />

von Hilfsleistungen ausschließlich für palästinensische<br />

Flüchtlinge zementiere nach Eid den Konflikt nicht nur ein,<br />

sondern hätte heute selbst ein Interesse an dessen Fortbestand,<br />

um weiterhin hunderte Millionen Dollar an internationalen<br />

Hilfsgeldern zu beziehen.<br />

Zahlungen an Palästinenser an Bedingungen knüpfen<br />

Ein zentrales Problem sieht Eid auch in der Einmischung anderer<br />

Staaten in den Konflikt. Der schädliche Einfluss des Irans<br />

und Katars sei offensichtlich. Aber auch die internationalen<br />

Zahlungen an die Palästinensische Autonomiebehörde seien<br />

höchst problematisch. Er macht dabei klar: Solange die Zuwendungen<br />

der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten<br />

unkonditioniert gewährt würden, könne sich am fatalen Status<br />

quo der palästinensischen Gebiete nichts ändern – im Gegenteil.<br />

Wolle man tatsächlich eine Lösung für den palästinensischisraelischen<br />

Konflikt voranbringen und die Lebensbedingungen<br />

der palästinensischen Bevölkerung grundlegend verbessern,<br />

dann müsse man die Hilfszahlungen an die Palästinensische<br />

Autonomiebehörde an demokratische rund friedlicher Grundbedingungen<br />

knüpfen. Die PA müsse sich endlich von Gewalt<br />

und Hass distanzieren und sich zu einer friedlichen Koexistenz<br />

mit Israel und einer demokratischen Öffnung nach Innen verpflichten.<br />

Eid ist sich sicher: Die Einmischung anderer Staaten in den<br />

Konflikt müsse genauso zurückgedrängt werden wie der<br />

destruktive Einfluss von BDS-Gruppen und internationalen<br />

Institutionen wie der UNWRA. Eine friedliche Lösung könne nur<br />

vor Ort gefunden werden. Schließlich komme »es allein auf uns<br />

Israelis und Palästinenser an. Auf niemanden sonst!«.<br />

Alexander Steder<br />

Historiker und Politikwissenschafter,<br />

Universität Marburg/Mideast Freedom Forum Berlin<br />

<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 33

Hurra! Ihre Datei wurde hochgeladen und ist bereit für die Veröffentlichung.

Erfolgreich gespeichert!

Leider ist etwas schief gelaufen!