DIG_MAG 1_2018_5778
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Politik<br />
Der palästinensische Menschenrechtsaktivist<br />
Bassem Eid (r.) und Michael<br />
Spaney, <strong>DIG</strong> Berlin und Brandenburg e.V.<br />
Foto: Mideast Freedom Forum Berlin<br />
ägyptischen Sinai-Halbinsel. Durch eine entsprechend strenge<br />
Kontrolle der Grenze zu Gaza wolle Ägypten die regierende<br />
Hamas unter Druck setzten und langfristig destabilisieren,<br />
damit die Palästinensische Autonomiebehörde (PA) unter ihrem<br />
derzeitigen Präsidenten Mahmud Abbas wieder die volle Kontrolle<br />
über die Enklave am Mittelmeer übernehmen könne. Hilfe<br />
könnten die Bewohner Gazas deswegen auch nicht von der PA<br />
erwarten. Diese setze wie Ägypten auf ein Versagen der Hamas.<br />
Israel habe grundsätzlich Interesse an einem Wiederaufbau<br />
der durch die Militäroffensive von 2014 zerstörten Gebäude in<br />
Gaza, stünde aber vor dem Problem, dass die Hamas dringend<br />
benötigtes Baumaterial lieber zum Ausbau ihrer militärischen<br />
Infrastruktur nutze, als es der Bevölkerung Gazas zukommen zu<br />
lassen.<br />
Misstrauen gegenüber der palästinensischen Führung<br />
Anschließend wandte sich Eid den innerpalästinensischen<br />
Konflikten zu. Den zuletzt nach außen demonstrierten und<br />
durch ein neues Abkommen unterstrichenen Einigungswillen<br />
der größten palästinensischen Parteien Fatah und Hamas hält<br />
Eid für eine mediale Inszenierung. In den letzten Jahren habe<br />
die Welt sechs solcher Vereinbarungen gesehen und nichts<br />
habe sich an der gegenseitigen Feindschaft beider Gruppen<br />
geändert. Dadurch verlören beide Parteien immer weiter an<br />
Rückhalt in der Bevölkerung. Es herrsche insgesamt ein starkes<br />
Misstrauen gegenüber der palästinensischen Führung. Sie sei<br />
mehr am eigenen Vorteil interessiert als an einer Verbesserung<br />
der Situation ihrer Bevölkerung. Statt nach Fortführung des<br />
unnachgiebigen Dauerkonflikts mit Israel sehnten sich die<br />
meisten Palästinenser heute vor allem nach einem sicheren Job,<br />
einem festen Einkommen, einer guten medizinischen Versorgung<br />
und einer zukunftsreichen Ausbildung ihrer Kinder.<br />
Kritik an Einflussnahme von BDS-Hochschulgruppen<br />
Abschließend kritisierte Eid den Versuch europäischer und<br />
nordamerikanischer Campus-Gruppen als Teil der sogenannten<br />
BDS-Bewegung (Boycott, Divestment and Sanctions) Einfluss<br />
auf den palästinensisch-israelischen Konflikt zu nehmen. Tatsächlich<br />
würde der Versuch israelische Waren zu boykottieren<br />
lediglich zur Zerstörung tausender palästinensischer Arbeitsplätze<br />
führen und damit geradezu dem Gegenteil entsprechen,<br />
was die palästinensische Bevölkerung heute verlange. Die BDS-<br />
Kampagne sei deswegen ein selbstgefälliges Unternehmen, das<br />
sich zwar als Teil einer Lösung des palästinensisch-israelischen<br />
Konfliktes verstehen möchte, in Wirklichkeit aber die Palästinenser<br />
zu Geiseln einer von Grund auf falschen politischen<br />
Strategie nehme. Ganz ähnlich verhielte es sich mit internationalen<br />
Organisationen wie der United Nations Relief and Works<br />
Agency for Palestine Refugees in the Near East (UNRWA). Die<br />
ursprünglich 1949 ins Leben gerufene UN-Institution zur Koordinierung<br />
von Hilfsleistungen ausschließlich für palästinensische<br />
Flüchtlinge zementiere nach Eid den Konflikt nicht nur ein,<br />
sondern hätte heute selbst ein Interesse an dessen Fortbestand,<br />
um weiterhin hunderte Millionen Dollar an internationalen<br />
Hilfsgeldern zu beziehen.<br />
Zahlungen an Palästinenser an Bedingungen knüpfen<br />
Ein zentrales Problem sieht Eid auch in der Einmischung anderer<br />
Staaten in den Konflikt. Der schädliche Einfluss des Irans<br />
und Katars sei offensichtlich. Aber auch die internationalen<br />
Zahlungen an die Palästinensische Autonomiebehörde seien<br />
höchst problematisch. Er macht dabei klar: Solange die Zuwendungen<br />
der Europäischen Union und ihrer Mitgliedstaaten<br />
unkonditioniert gewährt würden, könne sich am fatalen Status<br />
quo der palästinensischen Gebiete nichts ändern – im Gegenteil.<br />
Wolle man tatsächlich eine Lösung für den palästinensischisraelischen<br />
Konflikt voranbringen und die Lebensbedingungen<br />
der palästinensischen Bevölkerung grundlegend verbessern,<br />
dann müsse man die Hilfszahlungen an die Palästinensische<br />
Autonomiebehörde an demokratische rund friedlicher Grundbedingungen<br />
knüpfen. Die PA müsse sich endlich von Gewalt<br />
und Hass distanzieren und sich zu einer friedlichen Koexistenz<br />
mit Israel und einer demokratischen Öffnung nach Innen verpflichten.<br />
Eid ist sich sicher: Die Einmischung anderer Staaten in den<br />
Konflikt müsse genauso zurückgedrängt werden wie der<br />
destruktive Einfluss von BDS-Gruppen und internationalen<br />
Institutionen wie der UNWRA. Eine friedliche Lösung könne nur<br />
vor Ort gefunden werden. Schließlich komme »es allein auf uns<br />
Israelis und Palästinenser an. Auf niemanden sonst!«.<br />
Alexander Steder<br />
Historiker und Politikwissenschafter,<br />
Universität Marburg/Mideast Freedom Forum Berlin<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 33