DIG_MAG 1_2018_5778
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Nachruf<br />
Trauer um Wolfgang Wende<br />
»Herr es ist Zeit. Der Sommer war sehr stark.<br />
Leg’ Deinen Schatten auf die Sonnenuhren.« Man<br />
muss an diese Worte Rilkes denken, wenn man um<br />
Wolfgang Wende trauert. Vor wenigen Monaten<br />
erst haben wir seinen 80. Geburtstag gefeiert und<br />
glaubten mit ihm, dass nun der goldene Herbst seines<br />
Lebens beginnen werde. Das war ihm nicht vergönnt.<br />
Er verstarb unerwartet am Abend des 9. Oktober 2017.<br />
Wolfgang Wende (1937 – 2017)<br />
Foto: Jürgen Sterzenbach<br />
Wolfgang Wende hat ein an Erfüllung reiches Leben<br />
gehabt. Als Jugenddekan der Fliedner-Diakonie in Saarbrücken<br />
und in Bonn, als Vorsitzender des Landjugendringes,<br />
im Bundesjugendring, als Leiter der Evangelischen<br />
Jugendkammer des Rheinlandes und Westfalen und im<br />
Rundfunkrat des WDR, ausgezeichnet von Johannes Rau<br />
mit dem Verdienstorden des Landes Nordrhein-Westfalen,<br />
wovon er in der ihm eigenen Zurückhaltung nie Aufhebens<br />
machte.<br />
Wenn wir an Wolfgang Wende denken, dann sehen wir<br />
ihn bei uns, lebendig und geduldig, freundlich und optimistisch,<br />
mit seinem schneeweißen Haar, wir hören ihn<br />
sprechen, immer selbstbeherrscht, und wenn man mit ihm<br />
sprach, dann wusste man, dass er sich seinem Gesprächspartner<br />
wirklich zuwendete, dass er ihm aufmerksam<br />
zuhörte, dass er aber gleichzeitig erwartete, etwas von ihm<br />
zu hören, was seine Aufmerksamkeit auch verdiente. Er<br />
hatte in seiner zurückhaltenden Art die Gabe, Gespräche<br />
geduldig auf den Punkt hinzuführen, den er sich vorgenommen<br />
hatte, auf den man sich verständigen konnte<br />
und der gleichzeitig eine Perspektive eröffnete, was man<br />
nun gemeinsam machen und unternehmen wollte.<br />
Die Jugend und Israel waren seine Themen, die ihn erfüllten.<br />
Er fuhr 1968 auf Einladung der Evangelischen Kirche<br />
des Rheinlandes zum ersten Mal nach Israel und es ging<br />
ihm dabei wie jedem von uns: man kann sich von dem,<br />
was man dort sieht und erlebt, von den Gesprächen die<br />
man dort führt, nicht mehr lösen und fährt immer wieder<br />
dorthin. Man begreift, welche bleibende Verantwortung<br />
wir Älteren dafür haben, dass auch die nachkommenden<br />
Generationen verinnerlichen, dass sich die unsäglichen<br />
Verbrechen des Holocaust nicht wiederholen können und<br />
dürfen, und dass wir trotz aller Zivilisation, auf die wir so<br />
stolz sind, auf einer nur sehr dünnen Decke über Brutalität,<br />
Unterdrückung, Egoismen und Grausamkeiten leben.<br />
Auf diese Decke werden wir uns noch weniger verlassen<br />
können, wenn wir uns von der Erfahrung unserer Vergangenheit<br />
lösen würden.<br />
Diese Aufgabe bleibt. Und sie ist sowohl in Deutschland<br />
als auch in Israel und in den Staaten des Nahen Ostens<br />
nicht leichter geworden: in Deutschland durch diejenigen,<br />
die sich von unserer Vergangenheit lossagen wollen, als<br />
handele es sich um einen nun gottlob erledigten Betriebsunfall<br />
vergangener Generationen, und im Nahen Osten<br />
durch politische Repräsentanten, die nicht begreifen<br />
können oder ihren Bürgern nicht erklären wollen, dass<br />
ihre Völker eine gute Zukunft nur in einer gemeinsamen<br />
Zusammenarbeit ihrer Jugend haben werden.<br />
Sorgen haben wir uns auch um die Zukunft der Deutsch-<br />
Israelischen-Gesellschaft gemacht, die ihre politische<br />
Aufgabe mit ihren divergierenden Arbeitsgemeinschaften<br />
nur gemeinsam bewältigen und erfüllen kann. Die Hauptversammlung<br />
in Baden-Baden, auf die er sich als Delegierter<br />
zuletzt intensiv vorbereitet hatte, konnte er nun nicht<br />
mehr miterleben.<br />
Wolfgang Wende führte zahllose Gespräche mit namhaften<br />
Vertretern Israels und seiner Gesellschaft, er organisierte<br />
unermüdlich Veranstaltungen, Begegnungen und<br />
Besuche. Wie werden wir in unserer Arbeitsgemeinschaft<br />
Düsseldorf, zu deren Gründern 1982 Wolfgang Wende<br />
gehörte und deren Vorsitz er seit damals ununterbrochen<br />
innehatte, ohne ihn zurechtkommen? Es wird lange dauern,<br />
bis die Tauer allmählich ersetzt werden wird durch<br />
die Erinnerung daran, wie gut es war, ihn gekannt und mit<br />
ihm zusammengearbeitet zu haben. Er hat sich um uns<br />
alle verdient gemacht.<br />
Dr. Dr. h.c. Burkhard Hirsch<br />
Vizepräsident der <strong>DIG</strong> von 1989 bis 2000<br />
<strong>DIG</strong> <strong>MAG</strong>AZIN Nr. 1 <strong>2018</strong>/<strong>5778</strong> | 79