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s'Magazin usm Ländle, 22. April 2018

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KUNSTHAUS BREGENZ<br />

FORTSETZUNG<br />

Sie sitzen mit dem Kurator Hans-Ulrich<br />

Obrist in einer gemeinsamen Jury.Ist er<br />

tatsächlich ein solcher Maniac?<br />

Mit ihm könnten Sie ein solches Gerauf.<br />

Vielleichtwerden Siedie Künstler<br />

in New York, Amsterdam oder<br />

Berlin wieder sehen, aber Sie werden<br />

sie nicht in dieserEinzigartigkeit erleben,<br />

indiesem großartigen Gebäude,<br />

mit diesereinmaligen Setzung.<br />

Die Besucher sehen immer nur die fixfertige<br />

Ausstellung, dabei ist es wohl<br />

auch spannend, was in den Wochen davor<br />

passiert. Dagibt es doch sicher die<br />

eine oder andereerzählenswerte Anekdote?<br />

Ich erinnere mich gut an Adrián Villar-Rojas.<br />

Damals haben wir es geschafft,<br />

ein 13 Meter langes permanentes<br />

Feuer zu installieren. Daswäre<br />

in einem amerikanischen Museum<br />

undenkbar. Beim ersten Test war das<br />

Feuer nur eineinhalb Meter lang, der<br />

Kohlenmonoxidwert lag beim 90-fachen<br />

des Erlaubten! Unsere Fachleute<br />

haben nicht lockergelassen –und am<br />

Ende hatesgeklappt.<br />

Ich kenneeine Besucherin,der beidieser<br />

Ausstellung übel geworden ist.<br />

Ich denke, dabei kam die Psyche ins<br />

Spiel, denn die Messwerte waren niemals<br />

nur annähernd anden erlaubten<br />

Grenzen. Es war warm, dunkel,<br />

schwül und ineinem Geschoß nachtschwarzwie<br />

in einer Höhle.Temperaturunterschiede,<br />

Barometerwerte und<br />

Gestimmtheiten waren ja Teil der<br />

Ausstellungsidee. Kunst ist kein seelenloses<br />

Betrachten, es ist ein physischesErleben.<br />

Halten Sie sich gerne im leeren KUB<br />

auf?<br />

Natürlich. Ich liebe besonders das<br />

Stiegenhaus, die Lichtstimmungenin<br />

den Sälen, die architektonische Dramaturgie.<br />

Obwohl es sich umeinen<br />

Kubus handelt, ist der Weg durch die<br />

Geschoße der einer Spirale. In den<br />

Stiegenhäusernergibtsich eine Pause<br />

–wie bei einer Symphonie. Und geht<br />

es wiederhinunter, erlebt man sich als<br />

ein anderer. Also janie mit dem Lift<br />

hinab!<br />

Fotos: Mathis Fotografie<br />

STECK<br />

BRIEF<br />

·········································································································································<br />

Der Begriff des Kuratierens ist in den<br />

letzten Jahren sehr modisch geworden…<br />

…und gleichzeitig wird erjetzt attackiert.<br />

Inder aktuellen Berliner Diskussion<br />

ist er zum Schimpfwort geworden.<br />

Theateranhänger sagen,man<br />

brauche keinen Kurator wie Dercon.<br />

Wie auchimmer,imEnglischenwird<br />

besonders viel kuratiert –von Schokoladeauswahl<br />

bis zu Hochzeitsmessen.<br />

Unsere Aufgabe ist es, Künstler und<br />

Werkezuidentifizieren,die wir als relevant<br />

erachten. Manche Kuratoren<br />

gehen tatsächlich zu weit, vergessen,<br />

was sie auswählen und haben nur sich<br />

selbst im Fokus –das ist ein manierierter<br />

Auswuchs. Am Ende geht es<br />

aber umdas Kunstwerk, umQualität<br />

und das persönliche Erleben, da bin<br />

ich optimistisch.<br />

Geboren 1967 in Bruck a.d. Mur,<br />

Steiermark, Studium der Musik,<br />

Kunstgeschichte und Philosophie in<br />

Graz.Gründer des AteliersAugarten,<br />

von2012 bis 2015 Direktor der<br />

Kunsthalle Mainz.Seit 2015 Direktor<br />

des Kunsthaus Bregenz.Verheiratet<br />

und Vater dreier Töchter.<br />

spräch nicht führen. Währenddessen<br />

schickt er nebenbei Textnachrichten,<br />

Emails und klebt Post-its auf. Obrist<br />

würde ich aber nicht vorwerfen, nur<br />

sich selbst im Fokus zu haben.Erliebt<br />

die Künstler, er liebt die Kunst –und<br />

er hört doch zu, selbst wenn man das<br />

nicht merkt.<br />

In jüngster Zeit kam es zu vielen Debatten,<br />

in denen political correctness auf<br />

Kunst trifft. Eswird gefordert, Bilder<br />

aus Galerien zu entfernen und Gedichte<br />

vonHochschulfassaden zu kratzen. Wie<br />

beobachten Sie diese Debatte?<br />

Ich sehe durchaus eine Gefährdung.<br />

Kunst muss die Freiheithaben,Dinge<br />

zu sagen, die nicht opportun sind.<br />

Was suchen wir im Theater? Geschichten<br />

von Verzweiflung, Rache,<br />

Liebe, Begierden, Abgründe usw.! Regulieren<br />

wir unsere Sprache, sodass<br />

etwas nicht mehr gesagt werden darf,<br />

werden sich diese Bedürfnisse woanders<br />

hinschleichen. Dafür haben wir<br />

die Kunst:damit wir auf der Bühne je-<br />

8<br />

s’Magazin

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