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KUNSTHAUS BREGENZ<br />
FORTSETZUNG<br />
Sie sitzen mit dem Kurator Hans-Ulrich<br />
Obrist in einer gemeinsamen Jury.Ist er<br />
tatsächlich ein solcher Maniac?<br />
Mit ihm könnten Sie ein solches Gerauf.<br />
Vielleichtwerden Siedie Künstler<br />
in New York, Amsterdam oder<br />
Berlin wieder sehen, aber Sie werden<br />
sie nicht in dieserEinzigartigkeit erleben,<br />
indiesem großartigen Gebäude,<br />
mit diesereinmaligen Setzung.<br />
Die Besucher sehen immer nur die fixfertige<br />
Ausstellung, dabei ist es wohl<br />
auch spannend, was in den Wochen davor<br />
passiert. Dagibt es doch sicher die<br />
eine oder andereerzählenswerte Anekdote?<br />
Ich erinnere mich gut an Adrián Villar-Rojas.<br />
Damals haben wir es geschafft,<br />
ein 13 Meter langes permanentes<br />
Feuer zu installieren. Daswäre<br />
in einem amerikanischen Museum<br />
undenkbar. Beim ersten Test war das<br />
Feuer nur eineinhalb Meter lang, der<br />
Kohlenmonoxidwert lag beim 90-fachen<br />
des Erlaubten! Unsere Fachleute<br />
haben nicht lockergelassen –und am<br />
Ende hatesgeklappt.<br />
Ich kenneeine Besucherin,der beidieser<br />
Ausstellung übel geworden ist.<br />
Ich denke, dabei kam die Psyche ins<br />
Spiel, denn die Messwerte waren niemals<br />
nur annähernd anden erlaubten<br />
Grenzen. Es war warm, dunkel,<br />
schwül und ineinem Geschoß nachtschwarzwie<br />
in einer Höhle.Temperaturunterschiede,<br />
Barometerwerte und<br />
Gestimmtheiten waren ja Teil der<br />
Ausstellungsidee. Kunst ist kein seelenloses<br />
Betrachten, es ist ein physischesErleben.<br />
Halten Sie sich gerne im leeren KUB<br />
auf?<br />
Natürlich. Ich liebe besonders das<br />
Stiegenhaus, die Lichtstimmungenin<br />
den Sälen, die architektonische Dramaturgie.<br />
Obwohl es sich umeinen<br />
Kubus handelt, ist der Weg durch die<br />
Geschoße der einer Spirale. In den<br />
Stiegenhäusernergibtsich eine Pause<br />
–wie bei einer Symphonie. Und geht<br />
es wiederhinunter, erlebt man sich als<br />
ein anderer. Also janie mit dem Lift<br />
hinab!<br />
Fotos: Mathis Fotografie<br />
STECK<br />
BRIEF<br />
·········································································································································<br />
Der Begriff des Kuratierens ist in den<br />
letzten Jahren sehr modisch geworden…<br />
…und gleichzeitig wird erjetzt attackiert.<br />
Inder aktuellen Berliner Diskussion<br />
ist er zum Schimpfwort geworden.<br />
Theateranhänger sagen,man<br />
brauche keinen Kurator wie Dercon.<br />
Wie auchimmer,imEnglischenwird<br />
besonders viel kuratiert –von Schokoladeauswahl<br />
bis zu Hochzeitsmessen.<br />
Unsere Aufgabe ist es, Künstler und<br />
Werkezuidentifizieren,die wir als relevant<br />
erachten. Manche Kuratoren<br />
gehen tatsächlich zu weit, vergessen,<br />
was sie auswählen und haben nur sich<br />
selbst im Fokus –das ist ein manierierter<br />
Auswuchs. Am Ende geht es<br />
aber umdas Kunstwerk, umQualität<br />
und das persönliche Erleben, da bin<br />
ich optimistisch.<br />
Geboren 1967 in Bruck a.d. Mur,<br />
Steiermark, Studium der Musik,<br />
Kunstgeschichte und Philosophie in<br />
Graz.Gründer des AteliersAugarten,<br />
von2012 bis 2015 Direktor der<br />
Kunsthalle Mainz.Seit 2015 Direktor<br />
des Kunsthaus Bregenz.Verheiratet<br />
und Vater dreier Töchter.<br />
spräch nicht führen. Währenddessen<br />
schickt er nebenbei Textnachrichten,<br />
Emails und klebt Post-its auf. Obrist<br />
würde ich aber nicht vorwerfen, nur<br />
sich selbst im Fokus zu haben.Erliebt<br />
die Künstler, er liebt die Kunst –und<br />
er hört doch zu, selbst wenn man das<br />
nicht merkt.<br />
In jüngster Zeit kam es zu vielen Debatten,<br />
in denen political correctness auf<br />
Kunst trifft. Eswird gefordert, Bilder<br />
aus Galerien zu entfernen und Gedichte<br />
vonHochschulfassaden zu kratzen. Wie<br />
beobachten Sie diese Debatte?<br />
Ich sehe durchaus eine Gefährdung.<br />
Kunst muss die Freiheithaben,Dinge<br />
zu sagen, die nicht opportun sind.<br />
Was suchen wir im Theater? Geschichten<br />
von Verzweiflung, Rache,<br />
Liebe, Begierden, Abgründe usw.! Regulieren<br />
wir unsere Sprache, sodass<br />
etwas nicht mehr gesagt werden darf,<br />
werden sich diese Bedürfnisse woanders<br />
hinschleichen. Dafür haben wir<br />
die Kunst:damit wir auf der Bühne je-<br />
8<br />
s’Magazin