Wochen-Kurier 20/2017 - Lokalzeitung für Weiterstadt und Büttelborn

Mittwoch, den 16. Mai 2018 Seite 4
Besinnen auf die Sache mit dem Geist
Eine Betrachtung zu Pfingsten von W O L F G A N G B A S S E N A U E R
Pfingsten ist ein
Fest zum Genießen:
Ein zusätzlicher
freier Tag – ein
langes Wochenende –
und das in der schönsten
Jahreszeit! Was will
man mehr? Was hat
es mit diesem christlichen
Fest und seinen
jüdischen Wurzeln auf
sich? In der Reihe der
kirchlichen Feste mit
Weihnachten und Ostern
macht Pfingsten
den Abschluss. Aber
für dieses Fest gibt es
keine vorgedruckten
Glückwunschkarten,
keine Pfingstgrüße,
keine Geschenke.
Während wir Weihnachten
mit viel Aufwand
feiern, mit
Tannenbaum, Weihnachtsgans
und jeder
Menge Geschenke;
sich die Kirche herausputzt,
die Wirtschaft
alles daransetzt, die
Geburt Jesu zum Highlight
des Jahres zu machen
und die Politik mit
Ansprachen zum Fest
bis in die Wohnstuben
vordringt, sich also alle
ordentlich ins Zeug legen,
geht es an Ostern
schon etwas lockerer
zu, hoppelt allenfalls
der goldene Schokohase
von Lindt und
das lila Langohr von
Milka über den Rasen
im Garten. Und dann
kommt Pfingsten! Aber
was fangen wir nur mit
dem Heiligen Geist an?
Was ist an Pfingsten so
wichtig?
Der Ursprung des
Festes ist zwar uralt,
aber dennoch topaktuell
wie gerade die Entwicklung
in jenen Ländern
zeigt, in denen
sich die biblische Geschichte
abspielte.
In den historischen
Überlieferungen werden
die Grundlagen
des Zusammenlebens
formuliert. Pfingsten
sollte das Fest sein, an
dem wir uns auf die Lebenswerte
besinnen,
auf die Sache mit dem
Geist. ,,Wozu denn
noch dieser schwierige
Heilige Geist?“ – fragen
sich viele Menschen:
,,Pfingsten ist
zu schwierig, ich verstehe
es nicht.“ Weihnachten
oder Ostern
dagegen lässt sich viel
leichter einordnen – da
passiert etwas, da wird
ein Kind geboren, und
an Ostern steht ein Gekreuzigter
wieder auf.
Tatsächlich hat
man mit dem bevorstehenden
Fest sein
Verständnisproblem.
Laut einer Umfrage
kennen viele deutsche
Bürger zwar Pfingsten,
weil es in Deutschland
ein schul- und arbeitsfreier
Feiertag ist. Aber
nicht einmal jeder
Zweite weiß etwas über
die Bedeutung von
Pfingsten und warum
es begangen wird. 50
Tage nach Ostern wird
Pfingsten gefeiert und
es wurde auch danach
benannt. Die griechische
Bezeichnung
pentekosté (heméra) –
bedeutet der 50. (Tag).
Es ist der feierliche Abschluss
des Osterfestes
und der Geburtstag der
Kirche.
Petrus hielt seine
Pfingstpredigt. Tausende
ließen sich taufen
und schlossen sich
zur ersten christlichen
Gemeinde zusammen.
Pfingsten gilt daher
als der Geburtstag der
Kirche. Alle waren mit
Mut und Kraft erfüllt,
machten sich im Sinne
Jesu auf den Weg. Das
Pfingstfest ist eigentlich
eine Vorfreude,
eine Vision, wie es
auf der Welt zugehen
könnte, wenn der
Heilige Geist als Kraft
des Friedens und der
Versöhnung bei allen
Menschen wirksam
würde.
Denn dass Bedarf
besteht an Orientierung,
Sinn und Geist,
daran besteht überhaupt
kein Zweifel.
Bestimmt würde der
Buchmarkt schwer
Ein in Stein gemeiseltes Wegekreuz im spanischen Gata de Gorgos. wb-foto
angeschlagen, würde
man auf den Buchumschlägen
für ein Jahr
das Wort „spirituell“
streichen. Denn alles,
auf dem spirituell
draufsteht – was letztlich
nichts anderes als
geistig bedeutet –, verkauft
sich wie warme
Semmeln.
Aber das Ereignis,
mit dem die Kirchen
ihre eigentliche Entstehung
begründen, wird
nicht so richtig wahrgenommen.
Vielleicht
liegt der Grund darin,
dass der eigentliche Urheber
des Ereignisses,
der Heilige Geist, physisch
nicht zu fassen
ist und sich geistig nur
schwer begreifen lässt.
Dennoch: In unserem
christlichen Glaubensbekenntnis
heißt
es ausdrücklich: „Ich
glaube an den Heiligen
Geist“. Unter „Geist“
verstehen wir im täglichen
Leben im Wesentlichen
die menschliche
Vernunft. Man kann
eine Geschichte des
menschlichen Geistes
schreiben, in der dargestellt
wird, was der
Geist alles vom Beginn
der Kultur an erdacht,
entdeckt und entwickelt
hat. Die Leistungen
des menschlichen
Geistes erregen unsere
Bewunderung und sie
erfüllen uns mit der
Besorgnis, sie könnten
eines Tages sogar
in der Vernichtung des
Menschengeschlechts,
vielleicht gar der ganzen
Erde enden. Damit
ist der Stolz auf die
Leistung des Geistes
erschüttert.
Aber anstatt Vernunft
herrscht derzeit
eher der helle Wahnsinn!
Wir wurden
und werden in diesen
Tagen ein Stück des
Weges vom europäischen
Geist enttäuscht,
und Ernüchterung
stellt sich darüber ein,
dass es in den Bemühungen
um eine Beendigung
des Krieges
im nahen Osten und
der Angriffe zwischen
Israel und Syrien kaum
Fortschritte gibt, sich
keine Entspannung
in dem Konflikt um
den Ausstieg der USA
aus dem Atomabkommen
mit dem Iran abzeichnet,
ein Ende
der Spannungen mit
Russland nicht absehbar
ist, immer wieder
militärische Drohungen
im Raum stehen,
die europäischen Gesprächsfäden
nicht
mehr imstande sind,
Annäherung und Befriedung
zu bringen.
Selbst angesichts des
Chaos, des Krieges und
der Verzweiflung in Syrien
wird deutlich, wie
wenig die menschliche
Vernunft zu bewirken
vermag.
Zu Pfingsten geht es
in keiner Hinsicht um
diesen menschlichen
Geist – man möchte sagen
Kleingeist. Im Neuen
Testament wird die
Entsendung des Heiligen
Geistes an die Jünger
beschrieben: ,,Und
plötzlich kam aus dem
Himmel ein Brausen,
wie von einem daherfahrenden,
gewaltigen
Wind, und erfüllte das
ganze Haus, wo sie saßen.
Und es erschienen
ihnen zerteilte
Zungen wie von Feuer,
und sie setzten sich auf
jeden einzelnen von
ihnen. Und sie wurden
alle mit Heiligem Geist
erfüllt“. Diese beiden
Worte ,,vom Himmel“
sind die entscheidenden.
Nicht aus dem
menschlichen Geist
brach eine Macht auf,
nicht aus den Herzen
der Jünger schlug
die Flamme auf, nicht
packte Begeisterung
jene zwölf Männer.
In einem Bild gesagt:
Nicht die Flamme war
es, die Menschen entzündete,
sondern ein
Blitz, der von oben herabfuhr.
Eine Macht
packte sie, über die sie
nicht verfügen konnten.
Dieses Ereignis hat
an Pfingsten stattgefunden
und gilt als die
Ausgießung des Heiligen
Geistes. Nach der
Auferstehung Christi
an Ostern empfingen
seine Jünger 50 Tage
später den Heiligen
Geist, weshalb der
Feiertag auch „Fest des
Heiligen Geistes“ genannt
wird.
Im übertragenden
Sinne ist damit unter
anderem die christliche
Missionierung
gemeint. So konnten
damals die Jünger die
christliche Lehre verbreiten
und legten damit
den Grundstein
für die Kirche. Das
Evangelium wurde
fortan in fremde Sprachen
übersetzt, um der
Menschheit weltweit
die christliche Botschaft
zu vermitteln.
Und die Taube wurde
im 6. Jahrhundert zum
Symbol des Heiligen
Geistes und ziert deshalb
an Pfingsten die
Kanzeln der Gotteshäuser.
Man sollte Feiertage
nicht nur nutzen, um
auszuschlafen, einen
Ausflug zu machen
oder einen Kurzurlaub.
Man sollte schon auch
darüber nachdenken,
weshalb dieses bedeutende
kirchliche
Fest gefeiert wird. Mit
Pfingsten ist das zugegebenermaßen
nicht
so einfach. Aber die
Ereignisse dieser Tage
zeigen dramatisch auf,
wie schwer sich der
menschliche Geist tut,
wie hilflos er sich gebärdet
und wie angewiesen
er ist.
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und Kunden ein schönes Pfingstfest!