24.05.2018 Aufrufe

WebCafé Fantasy Mai Sonderausgabe 2018

In dieser Zeitung finden Sie aktuelle Bücher, die am Kindle Storyteller Wettbewerb von Amazon teilnehmen. Zudem 2 interessante Interviews von tollen Autoren: Nicole Franziska Horn und Alisha Mc Shaw

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Leseprobe:<br />

Prolog<br />

Er fiel.<br />

Das Gefühl von Schwerelosigkeit ließ ihn den Schmerz für einen Moment vergessen. Wie bei einem<br />

Film im Zeitraffer rasten Gedanken und Emotionen an ihm vorbei. Er dachte an seine Gefährtin und die<br />

vielen Dinge, die für immer ungesagt bleiben würden. Brennend rief sich das Messer in seinem Körper in<br />

Erinnerung und machte die simple Tatsache, dass er noch immer stürzte, für einen Moment wieder<br />

nichtig.<br />

Mit einem dumpfen Geräusch schlug er auf dem Boden auf. Die Klinge bohrte sich durch den Aufprall<br />

noch tiefer hinein. Japsend schnappte er nach Luft, als könnte er den Schmerz so verringern. Er spürte<br />

seine Läufe kaum, jede noch so geringe Bewegung quälte ihn. Vermutlich waren all seine Knochen<br />

gebrochen. Rund fünfzehn Meter war er in die Tiefe gefallen. Eigentlich ... war er ja gestoßen worden.<br />

Aber das spielte im Endergebnis keine Rolle.<br />

Er öffnete die Augen, bewegte vorsichtig den Kopf und ein stechender Schmerz schoss seinen Rücken<br />

hinab. Mit verdrehten Gliedern lag er auf einer Ansammlung von Geröll. Einige Meter über sich machte<br />

er eine rote Aura aus. Sie gehörte zu dem, der ihm das Messer in den Körper gerammt und ihn dann<br />

hinuntergeworfen hatte. Die Gestalt verharrte einen Moment und hämisches Lachen hallte zu ihm hinab.<br />

Dann verschwand das rote Leuchten. Dieser Mistkerl hat mich im Steinbruch entsorgt!<br />

»Hallo Herr Löwe, bist du runtergefallen?«<br />

Er zuckte zusammen und drehte den Kopf in die Richtung, aus der die helle Stimme kam. Ein<br />

Mädchen kniete neben ihm und sah besorgt auf ihn herab. Ihre Aura schimmerte in einem sanften<br />

Orange, was darauf schließen ließ, dass sie ein Mischling war. »Lauf weg! Du bist in Gefahr, er ist noch<br />

hier!«, wollte er rufen, aber aus seiner Kehle kam nur ein Röcheln.<br />

Die Kleine legte ihm die Hand auf das lange Fell neben seinem Ohr. »Nicht sprechen, wir müssen uns<br />

leise verhalten. Ich darf nämlich nicht hier sein, mein Papa hat es verboten«, flüsterte sie, während sie<br />

ihm sachte über die Mähne strich.<br />

Die sanfte Berührung ließ ihn etwas entspannen. Er verzog die Lefzen und ihm entwich ein Wimmern.<br />

Das kleine Mädchen sah ihn an und die Unentschlossenheit darüber, was sie tun sollte, spiegelte sich in<br />

ihrer Miene wieder. Schweigend rückte sie dichter an ihn heran. Jetzt erst schien sie das Messer zu sehen,<br />

das aus seinem Körper ragte. Angsterfüllt riss sie die Hand vor den Mund, ihr liefen Tränen über die<br />

Wangen. Sie war so klein, so unschuldig. Ihr Blick suchte seinen und er erschrak über dessen Intensität.<br />

»Tränen sind die Boten der Liebe, denn es weint nur, wer auch liebt«, flüsterte er.<br />

Vorsichtig schlang sie ihre Arme um seinen Hals und schmiegte sich an ihn. Ihre Haare dufteten nach<br />

Sommerwiese, und ihre Körperwärme strahlte auf ihn ab.<br />

»Keine Angst! Ich passe auf dich auf. Ich lasse dich nicht allein ...«, wisperte sie und begann zu<br />

summen. Eine fremde Melodie, aber sie wirkte tröstend auf ihn. Sein Atem wurde ruhiger und er schloss<br />

die Augen. Die Schmerzen wurden erträglicher, sein Herz leichter.<br />

Er verspürte keine Angst mehr, sah erneut das Gesicht seiner Gefährtin vor sich und lächelte liebevoll.<br />

Ein Ruck ging durch seinen Körper, er bäumte sich ein letztes Mal auf und dann - war es vorbei.<br />

***<br />

Es begann zu regnen.<br />

Das Mädchen hielt den leblosen Körper sanft fest. Tränen rannen ihre Wangen herab und<br />

tropften auf sein weißes Fell. Für einige Zeit saß sie stumm da. Dann löste sie sich von dem<br />

toten Tier.<br />

»Schlaf, Herr Löwe, schlaf!«, flüsterte sie und wandte sich ab.<br />

Dass sie über und über mit Blut verschmiert war, bemerkte sie nicht. Sie sah auch nicht<br />

mehr, dass der tote Löwe hinter ihr anfing, im fahlen Mondlicht zu schimmern. Der Leichnam

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