akzent Juni '18 BO
akzent – DAS GRÖSSTE LIFESTYLE- & VERANSTALTUNGSMAGAZIN VOM BODENSEE BIS OBERSCHWABEN
akzent – DAS GRÖSSTE LIFESTYLE- & VERANSTALTUNGSMAGAZIN VOM BODENSEE BIS OBERSCHWABEN
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
SEE-LEUTE<br />
14<br />
<strong>akzent</strong>: Fangen wir doch mal mit<br />
einer kurzen Einstiegsfrage an: Wie<br />
würden Sie die Arbeit als Intendant<br />
in drei Worten beschreiben?<br />
Fehlmann: Ich würde sagen: spannend,<br />
aufregend und erfüllend.<br />
<strong>akzent</strong>: Und jetzt noch einmal ein<br />
bisschen konkreter: Was macht<br />
denn überhaupt ein Intendant?<br />
Pijanka: Oh, das ist spannend!<br />
(lacht)<br />
Fehlmann: Also grundsätzlich kann<br />
man das so zusammenfassen, dass<br />
der Intendant hier in Konstanz für<br />
die gesamte Administration, aber<br />
auch für die künstlerische Ausrichtung<br />
dieses Hauses verantwortlich<br />
ist. Diese Unterscheidung ist deshalb<br />
wichtig, weil in dieser Branche<br />
die Hauptverantwortung für<br />
diese beiden Bereiche oft getrennt<br />
ist – hier ist es aber vereint in einer<br />
Person.<br />
<strong>akzent</strong>: Das klingt nach einer großen<br />
Aufgabe.<br />
Fehlmann: Ja, das Klischee ist ja die<br />
Unvereinbarkeit von großer Kunst<br />
und Geld – und diesen Konflikt<br />
muss hier quasi eine Person mit<br />
sich selbst austragen.<br />
<strong>akzent</strong>: Frau Pijanka, wer Ihren<br />
Lebenslauf liest, der ist einerseits<br />
beeindruckt, aber vielleicht auch<br />
ein bisschen überrascht – Sie haben<br />
in London studiert, und zwar<br />
nicht Musik, sondern Politikwissenschaften,<br />
Wirtschaftsgeschichte<br />
und Soziologie. Wie kam dann der<br />
Übergang zur Musik?<br />
Pijanka: Das kommt daher, dass<br />
das eigentlich nie ein Übergang<br />
war, sondern dass ich parallel<br />
immer auch im Musikbetrieb tätig<br />
war. Als junger Mensch habe<br />
ich Klavier gespielt und gesungen<br />
und hatte sogar eine Zeit lang<br />
auch den Plan, Opernsängerin<br />
zu werden – ich habe also immer<br />
beides gemacht und mich dann<br />
nur entschieden, etwas anderes<br />
zu studieren. Und heute bin ich<br />
ehrlich gesagt froh, dass ich beide<br />
Einflüsse in meiner Biografie habe<br />
und komme ganz häufig zu meinen<br />
Grundlagen zurück. Für mich war<br />
das eigentlich immer ein Nebeneinander<br />
und kein Gegensatz.<br />
<strong>akzent</strong>: Bei Ihnen war das ja ein<br />
bisschen anders, Herr Fehlmann<br />
– Sie haben ja mit Musik angefangen,<br />
und sind schon im Orchesterbetrieb<br />
tätig, seit Sie 18 sind. Vielleicht<br />
dann die umgekehrte Frage:<br />
Was würden Sie machen, wenn Sie<br />
heute nicht bei der Musik wären?<br />
Fehlmann: (überlegt) Oh, das ist<br />
schwierig, weil die Musik etwas<br />
ist, das mein Leben komplett und<br />
seit vielen Jahren durchdringt…<br />
Ich könnte mir schon vorstellen,<br />
beruflich irgendetwas anderes zu<br />
machen, aber dass etwas die gleiche<br />
Identität, Emotionalität und<br />
Verbundenheit mit sich bringt, das<br />
kann ich mir tatsächlich nicht vorstellen.<br />
<strong>akzent</strong>: Nochmal zur Intendanz<br />
selbst: Sie haben es in Ihrer Zeit in<br />
Konstanz geschafft, mit neuen Formaten<br />
ein sehr breites, junges Publikum<br />
für die Philharmonie zu begeistern.<br />
Und auch Sie haben in Kassel<br />
gerne mit Formaten experimentiert,<br />
Frau Pijanka – haben Sie vor, das in<br />
Konstanz weiterzuführen?<br />
Pijanka: Unbedingt! Ich finde das<br />
einfach toll, dass das hier gemacht<br />
wurde. Das ist nicht in jedem Haus<br />
Standard. Das ist auch eine Überzeugungssache,<br />
aber ich glaube,<br />
wir sind da absolut einer Meinung.<br />
Man sieht einfach, was für ein gemischtes<br />
Publikum kommt und wie<br />
frei die Leute werden, wenn auf<br />
einmal ein Operhaus zum Rock-<br />
Konzert-Saal wird. Ich denke, unsere<br />
Zukunft ist, dass wir breit aufgestellt<br />
sind, vom Kammerkonzert<br />
über das Symphoniekonzert bis zu<br />
neuen Formaten – und eben auch,<br />
dass wir musikalische Grenzüberschreitungen<br />
in alle Richtungen wagen.<br />
Mal schauen, wo die Grenzen<br />
sind! (lacht)<br />
<strong>akzent</strong>: Apropos Jugend: Sie beide<br />
haben auch schon Projekte initiiert,<br />
um junge Musiker zu fördern. Warum<br />
ist Ihnen das wichtig?<br />
Fehlmann: Ich glaube, es gibt immer<br />
gewisse Dinge, die in einer Gesellschaft<br />
gut funktionieren, aber<br />
eben auch Dinge, die nicht stattfinden,<br />
die ich aber wichtig finde.<br />
Meiner Einschätzung nach zieht<br />
sich die Schule aus dem Musikunterricht<br />
eher zurück. Da sehen wir<br />
als Institution eine Ausbildungslücke,<br />
die wir mit unseren Ressourcen<br />
bereichern können, damit es auch<br />
zukünftig in unserer Umgebung<br />
junge Menschen gibt, die sich mit<br />
der Musik beschäftigen.<br />
AUFTAKT<br />
D – Konstanz | Es weht ein frischer<br />
Wind an der Südwestdeutschen Philharmonie<br />
Konstanz – Intendant Beat<br />
Fehlmann verlässt das Haus zur<br />
nächsten Saison und übergibt die<br />
Position an Insa Pijanka, die nach<br />
langjähriger Arbeit am Staatstheater<br />
Kassel nun an den Bodensee wechselt.<br />
Im Interview erzählen die beiden von<br />
ihrem Weg zur Musik und von ihren<br />
Plänen für die Zukunft.<br />
<strong>akzent</strong>: Gibt es dann konkret Pläne,<br />
diese Lücke in Konstanz zu füllen?<br />
Pijanka: Ja, natürlich! Wir haben ja<br />
alle irgendwann selber in die Musik<br />
gefunden, aus ganz unterschiedlichen<br />
Gründen – und ich habe festgestellt,<br />
dass ein Musiker diese Leidenschaft<br />
und dieses Gefühl, dass<br />
Musik etwas Wichtiges ist, noch<br />
mal ganz anders vermitteln kann.<br />
Deswegen habe ich in Kassel viel an<br />
Konzepten für und mit Schulen gearbeitet,<br />
etwa Projekte, bei denen<br />
Orchestermusiker Patenschaften<br />
für Schulklassen übernehmen. Da<br />
geht es nicht nur um ein Publikum<br />
von morgen, sondern auch darum,<br />
Musik in die Gesellschaft hineinzutragen<br />
und langfristige Kontakte<br />
herzustellen. Es ist ein weites Feld<br />
und ich glaube, da sind wir alle<br />
noch nicht am Ende unserer Arbeit<br />
angelangt.<br />
<strong>akzent</strong>: Nochmal eine ganz andere<br />
Frage: Sie sind die erste Frau, die<br />
diese Position in Konstanz dauerhaft<br />
besetzt. Gibt es Frauen in der<br />
klassischen Musik, die Sie inspirieren?<br />
Haben Sie Vorbilder?<br />
Pijanka: Vorbilder sind Menschen,<br />
die mir begegnen, die gute Arbeit<br />
leisten und inspirierend sind – und<br />
da ist mir völlig egal, ob das ein<br />
Mann oder eine Frau ist, ich würde<br />
da keine Grenze aufmachen wollen.<br />
Ich hoffe eher, dass ich ein gutes<br />
Programm präsentieren kann und<br />
dass ich das Publikum mit dem<br />
mitnehmen kann, was ich künstlerisch<br />
leiste.<br />
<strong>akzent</strong>: Herr Fehlmann, wo verschlägt<br />
es Sie denn jetzt eigentlich<br />
hin?<br />
Fehlmann: Ich wechsle zu einem<br />
anderen Orchester, zur Deutschen<br />
Staatsphilharmonie. Deshalb werde<br />
ich jetzt meinen Wohnsitz von<br />
Konstanz nach Ludwigshafen am<br />
Rhein verlegen. Es ist zwar eine<br />
andere Region, aber im Prinzip<br />
werde ich dort die gleiche Funktion<br />
innehaben – wobei das Gleiche<br />
ja nie dasselbe ist. (lacht) Dort einen<br />
eigenen Standpunkt zu finden<br />
und auf diesen anderen Kontext zu<br />
reagieren, das wird den Reiz der<br />
nächsten Zeit für mich ausmachen.<br />
<strong>akzent</strong>: Und bei Ihnen, Frau Pijanka<br />
– was erhoffen Sie sich von der<br />
Zukunft in Konstanz?<br />
Pijanka: Für mich ist das natürlich<br />
ein spannender Schritt – ich<br />
war jetzt 16 Jahre in Kassel, was<br />
für unsere Branche sehr lange ist.<br />
Diese neue Stadt jetzt erstmal kennenzulernen<br />
und dabei gewohnte<br />
Konzepte zu hinterfragen und neue<br />
Impulse zu bekommen, finde ich<br />
sehr reizvoll. Außerdem ist es für<br />
mich ein Schritt in die Eigenverantwortung.<br />
Ich möchte neugierig und<br />
offen bleiben, um die Kunst, die<br />
wir so lieben, auf die bestmögliche<br />
Weise zu präsentieren.<br />
Südwestdeutsche Philharmonie<br />
Konstanz<br />
Fischmarkt 2<br />
D-78462 Konstanz<br />
+49 (0)7531 900 810<br />
www.philharmonie-konstanz.de<br />
TEXT: MARIE MALINA | FOTO: MSCHRODT.DE