edeute aber nicht, dass sie oder ihre Fans frauenfeindlich, homophob oder antisemitisch sind. „Sie machen gute Musik und provozieren, das war‘s aber auch schon.“ Mit der Empörung von allen Seiten kann Adnan wenig anfangen. „Farid Bang hat sich an dem Echo-Abend entschuldigt. Ist es nicht seltsam, dass das Fernsehen genau diesen Teil nicht gezeigt hat?“, fragt der 17-Jährige und spielt damit auf Kollegahs Theorie, „die Medien“ hätten sich gegen die beiden verschworen, an. So schnell können falsche Informationen die Runde machen, denn der TV-Sender Vox erklärt auf Twitter: „Das Video wurde beim Dinner erstellt, also vor der Preisverleihung, die wir ab 20:15 live übertragen. Wir haben nichts rausgeschnitten, dieser Teil des Abends wurde, wie auch 2017, einfach noch nicht aufgezeichnet - das wussten auch Farid Bang und Kollegah.“ Ob diese Klarstellung bei der Fangemeinde angekommen ist? Adnan wusste nichts davon. Beschimpfungen unter der Gürtellinie gehören zum Rap genauso wie Provokation auf Kosten Schwächerer und geschmacklose Vergleiche. Wenn es nach Adnan geht, darf ruhig über den Auschwitz-Sager diskutiert werden. Er alleine mache Kollegah aber nicht zum Antisemiten. „Wenn es um Judenfeindlichkeit geht, sind plötzlich alle besonders zimperlich“, sagt Adnan wütend. Sei jemand gegen Muslime, interessiere das keinen. „Diese Rockband frei.wild, der Nähe zur rechten Szene vorgeworfen wird, hat nicht halb so viel Aufmerksamkeit bekommen, als sie den Echo 2016 gewonnen hat“, wirft er in den Raum. AMORALISCH FÜR REICHTUM UND EHRE Auch sein Mitschüler Stefan * empfindet den Skandal als unnötig aufgebauscht. „Er hat ja nicht dazu aufgerufen, alle Juden abzuschlachten“, so der 17-Jährige. „Kollegah ist eine Kunstfigur, die gerne provoziert.“ Man müsse zwischen Kollegah und Felix Blume (Kollegahs bürgerlicher Name, Anm.) unterscheiden. Felix Blume ist Sohn einer Deutschen und eines Kanadiers, er wuchs in Friedberg in Deutschland auf und begann ein Jus-Studium. Sein Stiefvater ist Muslim, im Teenager-Alter konvertierte Kollegah zum Islam. Dass man reale Personen nicht so einfach von ihren Kunstfiguren trennen kann, weiß Jugendforscher Philipp Ikrath. „Es geht nicht nur darum, was für eine Musik Kollegah macht, sondern auch, was er auf sozialen Medien wie etwa Youtube oder Instagram verkörpert“, so Ikrath. Er schließt aus, dass Jugendliche zu Antisemiten werden, wenn sie Rapper wie Kollegah oder Farid Bang hören. „Aber wer antisemitische Tendenzen hat, der wird sich von dieser Musik bekräftigt fühlen“, erklärt der Jugendforscher. „Das gilt auch „ WIESO SOLLTE KOLLEGAH SEINE KÜNST LERISCHE FREIHEIT NICHT AUSLEBEN KÖNNEN? “ für Frauenfeindlichkeit und Homophobie.“ Ihm fehlt in der Debatte rund um Deutschrap eine differenzierte Herangehensweise. „Was ich als besonders problematisch empfinde, ist, dass bei Jugendlichen der Eindruck entsteht, dass man alles machen kann, egal, wie amoralisch es ist, solange die Verkaufszahlen stimmen“, so Ikrath. Ruhm und Reichtum, egal um welchen Preis: Ist das die Devise der Hip-Hop-Szene und holt sie Jugendliche ab? Ja, findet der 22-jährige Mehmed. Obwohl er viele von Kollegahs Texten als antisemitisch einschätzt, gehört er zu seinen Lieblingsrappern. „Seine Songs sind sprachliche Spielerei, klar provoziert er damit extrem“, so Mehmed. „Es ist wie wenn du einen Film schaust.“ Mehmed betont, er habe keinesfalls etwas gegen Juden, Frauen oder Homosexuelle. „Aber es ist sehr heuchlerisch, dass bei Deutschrap alle sofort mit erhobenem Finger urteilen“, so der Student. „Die Popsängerin Ariane Grande trägt mit ihren sexistischen Texten und Musikvideos nämlich auch nicht unbedingt zu einem fortschrittlichen Frauenbild bei.“ Kollegah und Co. würde er vor seiner jüngeren Schwester, die ein Kopftuch trägt, nicht abspielen. „Das wäre dann doch irgendwie unpassend.“ Als Ältester will er seinen Geschwistern nicht das Gefühl vermitteln, dass es in Ordnung ist, andere zu beleidigen. „Was Kunst ist, checken sie noch nicht“, so Mehmed. Die deutsche WDR-Doku „Die dunkle Seite des deutschen Rap“ beschäftigt sich mit der Frage, wie antisemitisch Deutschrap ist und zeigt unter anderem ein Video von Kollegah aus dem Jahr 2016, das voll von judenfeindlichen Stereotypen und Vernichtungsfantasien ist. Kollegah selbst inszeniert sich in dem Video als Kämpfer für das Gute, als Retter der Welt. Das Böse trägt einen Davidstern-Ring und ist Teil einer geheimen Banken-Weltverschwörung. Auf Nachfrage des WDR antwortet Kollegah lediglich mit einem Video auf Instagram: Das Pentagramm und Hexagramm seien magische Symbole, die weit über die Anfänge des Judentums zurückgehen. „ICH BIN JA KEINE BITCH“ Auch Schülerin Luana hört gerne Deutschrap, RAF Camora lieber als Kollegah und Farid Bang. Die beiden Letzteren sind ihr zu brutal. Sie schätzt Deutschrap zwar als frauenfeindlich ein, das stört sie aber nicht weiter. „Der Beat ist gut, da achte ich gar nicht auf den Inhalt“, erklärt die 15-Jährige. Ob Deutschrap Burschen dazu bringt, dass sie Frauen weniger Respekt entgegenbringen? „Ganz eindeutig, die sind ja ihre Vorbilder“, ist sich Luana sicher. „Auf Instagram verwenden Jungs in meinem Alter auch dauernd Zitate von Liedern, sie schreiben da so Zeug wie dass man 50 / RAMBAZAMBA /
Auszüge aus dem Album „Jung, brutal, gutaussehend 3“ „Fuck mich ab und ich ficke deine schwangere Frau (ah) Danach fick' ich deine Ma, die Flüchtlingsschlampe“ „Yeah, Bitch, also provozier nicht, sonst wird es blutig wie'n Krokodil-Biss“ „Nutte, meine Lambositze Alcantra, mache wieder mal 'nen Holocaust, komm' an mit dem Molotow“ „Mein Körper definierter als von Auschwitz-Insassen“ „Ey, ich schlag' Nutten nur halbtot, wenn ich durch Rotlichtgassen lauf‘“ "(...)Bis mir seine Frau allein aus Gruppenzwang den Cock suckt Lutsch mal an der Shotgun und bell wie ein Pudel (wau wau) Sorry, leider nicht authentisch genug (*Schuss*)“ „Wir ballern die Ghettohuren, ballern die Testokuren, JBG Bitches heute wollen Jungfrau bleiben Zwei Optionen: Arsch oder Mund auf, Kleines“ Keine Rapper, dafür knallharte Poser: Diese Jungs können easy mit Kollegah und Farid Bang mithalten. / RAMBAZAMBA / 51