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Neue Szene Augsburg 2018-08

Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung

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29<br />

Der 100 Meter lange Zwilling<br />

Dieser Zwilling ist nicht zu verwechseln mit der Wintergasse. Das<br />

Dragone, der Titus-Skateshop und der Plattenladen Tonträger gehören,<br />

obschon sie von ihrer DNA zur Dominikanergasse passen würden, nicht<br />

zu ihr, denn sie beginnt erst auf Höhe des Hunoldsbergs und endet in<br />

der Heilig-Grab-Gasse. Vielleicht ist das ja eine Voraussetzung für schöne<br />

Straßen, dass sie nicht zu lange sind.<br />

Würde die Dominikanergasse nur aus der Rückseite der Musikschule<br />

bestehen, wäre sie also eine denkbar kurze Gasse - allein dadurch wäre ihre Existenz<br />

schon bezaubernd. Ein anderes Kleinod ist das Buzenbergle, von dem aus<br />

man in die Altstadt kommt, sehr Wagemutige fahren auch mit dem Rad sehr<br />

schnell das Bergle hinab, davon ist aber eher abzuraten, zumindest wenn keine<br />

ausgeprägten suizidalen Absichten vorliegen. Eigentlich müsste das Buzenbergle<br />

übrigens Pozzobergle heißen, Pozzo hieß jedenfalls der Sage nach der<br />

italienische Kaufmann, der hier im 16. Jahrhundert wohnte und einige Häuser<br />

besaß. Aber typisch Schwaben: Statt dem Slogan der nördlichsten Stadt Italiens<br />

gerecht zu werden und einen Monte Pozzo zu besitzen, verschwäbelt man<br />

es halt lieber und nimmt einen niedlichen Namen, den auszusprechen noch<br />

Generationen von <strong>Augsburg</strong>ern Freude machen wird. Buzabergle!<br />

Ähnlich ging es ja auch dem Römischen Museum, das vormals in der<br />

Dominikanerkirche untergebracht war und aus statistischen Gründen nun<br />

schon seit Jahren geschlossen ist. Wobei das auch ein Vorteil sein kann. Gäbe<br />

es ein renommiertes Museum in der Dominikanergasse, würde sie vielleicht<br />

von Touristen überschwemmt werden und verlöre ihren Charme.<br />

Nehmen wir mal die Parallelstrasse, die altehrwürdige Maxstrasse. Sie ist<br />

alles, was die Dominikanergasse nicht ist und auch gar nicht sein will. Sie<br />

ist edel bei Tag und ballermännerisch bei Nacht. Der Maxstraßenbesucher<br />

hat folglich überhaupt keinen Grund, die Dominikanergasse zu besuchen.<br />

Er weiß wahrscheinlich gar nicht, dass sie existiert. Außer natürlich, wenn er<br />

nachts besoffen aus den Maxstraßenbars wankt, um sich in einer etwas weniger<br />

prominenten Straße zu übergeben oder sich anderweitig zu erleichtern.<br />

Falls er so weit kommt. Früher war für den Zweck ja das Kaffeegässchen als<br />

Verbindungsglied von Max und Dominik das bevorzugte Refugium und galt<br />

unter Kennern als längstes Urinal der Stadt. Dem wurde inzwischen aber ein<br />

Riegel in Form schwerer Stahlgittertüren vorgeschoben.<br />

Ein bisschen ist es mit der Dominikanergasse wie mit einem Menschen.<br />

Wir haben eine Meinung über ihn, mögen ihn oder auch nicht, bewundern<br />

ihn oder rümpfen die Nase, aber wieso eigentlich? Keine Ahnung. Es ist so<br />

ein Gefühl. Ein Duft. Eine Aura. Wäre die Dominikanergasse ein Mensch, wie<br />

wäre sie dann so?<br />

Also bei der Maxstrasse ist es leicht. Sie wäre eine ältere feine Dame, die<br />

abends die Schnapsflasche rausholt, sich sinnlos besäuft und am nächsten<br />

Morgen wieder eine Bella Figura macht. Die Dominikanergasse dagegen<br />

wäre eine alternativ angehauchte jüngere Frau, vielleicht mit kleinem Tattoo<br />

am Handgelenk, mit coolem Fahrrad, die gerne einen Bio-Burger isst, guten<br />

Musikgeschmack hat und sich nicht stark schminken muss, um schön zu sein.<br />

Man kann sich in der Gasse übrigens tatsächlich tätowieren lassen, bei Ruby<br />

Red Tattoo, wo die schönste Tätowiererin <strong>Augsburg</strong>s arbeitet.<br />

Apropos Musik. Wer kostenlos und ohne Schwellenangst klassische<br />

Musik hören will, muss sich nur ein wenig Zeit nehmen und vor dem Rückgebäude<br />

des Leopold-Mozart-Konservatoriums warten. Hinter den häufig<br />

„<br />

offenen Fenstern üben die Musiker und ich bin zwar kein absoluter Kenner,<br />

aber ich meine, regelmäßig Mozart und Vivaldi zu hören, gelegentlich unterbrochen<br />

durch die Anweisung eines Dozenten:<br />

„Anja, achte doch bitte auf das<br />

Glissando, ja? Das muss so gaaaanz<br />

zart durch das Ventil kommen!“<br />

„<br />

Nicht überlaufen und dennoch sehr beliebt zu sein, das ist etwas, was beispielsweise<br />

Venedig im Leben nicht mehr gelingen wird. Menschentrauben<br />

findet man in der Gasse eigentlich nur, wenn im 11er ein sehenswertes Fußballspiel<br />

übertragen wird und für richtige Fans ist ja jedes Fußballspiel irgendwie<br />

sehenswert. Interessanterweise hat die Fußballkneipe kein bisschen dazu beigetragen,<br />

dass die Gasse, sagen wir mal, proletarisiert wird. Da wird nicht gepöbelt,<br />

da wird nicht gekotzt, na gut, dafür ist ja die Maxstrasse da, aber das kann doch<br />

nicht der einzige Grund sein. Wahrscheinlich hat man ein Leben lang ein falsches,<br />

ein allzu simples Bild von begeisterten Fußballfans gehabt. Dazu passt,<br />

dass neben dem 11er sozusagen die Hochkultur sitzt. Der Geigenbauer Rusch.<br />

Wunderschöner Laden. Früher war in den Räumen das Antiquariat Schmid.<br />

Meiner Meinung nach der schönste Laden <strong>Augsburg</strong>s. Betrieben von Herrn<br />

Schmid war es ein Rückzugsort für Buch liebende Romantiker und Hundeliebhaber,<br />

denn zu Herrn Schmid gehörte neben Tausenden gut sortierter<br />

Bücher auch Arco, ein schwerhöriger, gutmütiger Schäferhund, wegen dem ein<br />

Gutteil der Kundschaft kam. Neben dem Antiquariat lag praktischerweise eine<br />

Metzgerei in der man Arcos Lieblingswurst kaufen konnte, das war bekannt,<br />

man musste nur sagen:<br />

„Einmal bitte 100 Gramm von Arcos Lieblingswurst!“<br />

Das ist aber nun vorbei, die Metzgerei ist ausgerechnet zu einem Geschäft mit<br />

vegetarischen Speisen mutiert. Viele neue und ausgefallene Läden beleben<br />

heute das Bild der pittoresken Gasse. Gleich neben dem St. Moritz-Kindergarten<br />

residiert wie selbstverständlich eines der angesagtesten Tattoo-Studios der<br />

Stadt, gleich daneben gibt es Schokolade und Kunst in der Galerie Süßkind.<br />

Erst zuletzt hat schräg gegenüber von Beisser Burger das Magic Mungo-Racing-Team<br />

einen Radrennstall eröffnet. Gerne sitzen die Buben gemütlich bei<br />

einem Bierchen vor ihrem Laden oder pimpen ihre Vintage-Räder auf.<br />

Wie gerne würde man sich einfach dazusetzen.

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