Neue Szene Augsburg 2018-08
Stadtmagazin für Augsburg und Umgebung
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Kanzlerin, gegen deren betuliche Nüchternheit der Slogan Adenauers „Bloß,<br />
keine Experimente“ geradezu leidenschaftlich wirkte.<br />
In Wahrheit sind wir Deutschen reif für den Psychiater. Wir sollten uns<br />
alle auf eine Couch legen und uns von der Seele reden, was uns eigentlich auf<br />
dem Herzen liegt. Oder wir sollten einfach eine Woche ins Schweigekloster<br />
gehen und darüber nachdenken, was uns alle eigentlich gerade so stresst.<br />
Wo stehen wir eigentlich?<br />
Diese Frage vermag momentan kaum jemand nüchtern und für eine<br />
Mehrheit zufriedenstellend zu beantworten. Sind wir die Bewohner einer<br />
Festung, deren Tore unverantwortlich weit geöffnet sind und durch die demnächst<br />
wieder unzählige Fremde strömen werden? Stehen wir vor dem Untergang<br />
oder gar vor der Unterwerfung? Wie viele Moslems gibt es in Deutschland?<br />
Wann werden sie die Mehrheit im Land stellen? Müssen unsere Frauen<br />
in Burkas aufs Oktoberfest?<br />
Oder sind unsere Herzen viel zu eng und mit ihnen unsere Tore? Lassen<br />
wir Tausende Menschen auf dem Mittelmeer ersaufen, damit wir in unseren<br />
Turnhallen nicht wieder Feldbetten für sie aufstellen müssen?<br />
Kurz nach der Bundestagswahl haben nicht wenige gedacht, dass die<br />
AfD im Parlament die Auseinandersetzung mit Argumenten wiederbeleben<br />
würde. Dass sich die rechten Demagogen schnell als substanzlos erweisen<br />
und innerlich durch diverse Flügelkämpfe gelähmt würden. Die Macht des<br />
Wortes, der Diskussion, der Wahrheit. Das war ein Trugschluss. Die AfD ist<br />
kein Muntermacher für eine ermüdete Demokratie. Sie ist eine Dosis Gift für<br />
eine Gesellschaft, die, historisch bedingt, in sich unsicher ist und zwischen<br />
moralischer Überheblichkeit und schlecht kompensierten Minderwertigkeitsgefühlen<br />
schwankt.<br />
Natürlich, die große Mehrheit der Deutschen und der <strong>Augsburg</strong>er wählt<br />
keine AfD, aber wer dieses Argument benutzt, denkt zu kurz. Um das Klima<br />
in einem Land zu vergiften, muss man nicht die Mehrheit im Parlament<br />
haben, es genügt, wenn man die bisherige Ordnung erschüttert. Das spürt an<br />
diesem Nachmittag auch Kurt Gribl auf dem Rathausplatz, als er mit Eiern<br />
und Tomaten beworfen wird. Ungerecht eigentlich. Denn Gribl ist immerhin<br />
der Oberbürgermeister einer Stadt, die eine der höchsten Migrantenquoten<br />
Deutschlands hat und gleichzeitig als gutes Beispiel dafür herhalten kann,<br />
dass Multikulti eben doch funktioniert.<br />
Aber die Tomaten und Eier gelten in allererster Linie natürlich nicht ihm,<br />
sondern seiner CSU, die neuerdings versucht, den Leuten zu zeigen, dass es für<br />
eine stramme Rechtspolitik eigentlich gar keine AfD braucht. Dabei übersehen<br />
sie aber, dass die AfD weniger eine Partei als ein Gefühl ist. Sie ist genaugenommen<br />
ein Stinkefinger, den man den etablierten „Systemparteien“ bei jeder Wahl<br />
zeigen kann und dies wohl auch noch eine Zeitlang tun wird.<br />
Wie also soll man sich gegenüber der <strong>Neue</strong>n Rechten verhalten? Ignorieren<br />
funktioniert in einer Mediendemokratie nicht mehr. Sie lächerlich zu<br />
machen, war schon immer eine dumme Idee und Hass ist ohnehin der Treibstoff<br />
für die Radikalen.<br />
Vielleicht sollten alle wieder mehr auf die Straßen und Plätze gehen und<br />
zeigen, dass es eine demokratische Mitte gibt, die sich den Extremen verweigert.<br />
Insoweit war es gut, dass die AfD nach <strong>Augsburg</strong> kam. 5.000 Menschen,<br />
die ihren Hintern hoch kriegen und friedlich gegen Demagogie demonstrieren,<br />
das ist weit mehr wert als die tausendste Onlinepetition oder das millionste<br />
siebenschlaue Zitat auf Facebook, das eh nur die lesen, die so denken<br />
wie man selbst. Aufzustehen, Gesicht zu zeigen, das ist heute kein Gratis-Mut<br />
mehr und bei aller Abneigung gegen lokale Selbstzufriedenheit kann man<br />
mit Blick auf den 30. Juni sagen: <strong>Augsburg</strong> kann stolz sein!