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Schlossfestspiel Magazin "Extrablatt" 2018

Das Magazin der Schlossfestspiele Hagenwil 2018 mit Hintergrundinfos, Erklärungen zum Stück, Interviews, Lebensläufen und vielem mehr!

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DIE AFFÄRE RUE DE LOURCINE<br />

Affären zum<br />

Totlachen<br />

Seine Theaterstücke werden in ganz Europa<br />

aufgeführt und sind im Repertoire grosser Schauspielhäuser<br />

nicht wegzudenken – obwohl Eugène<br />

Labiche wohl nur passionierten Theatergängern<br />

bekannt sein dürfte. 1815, dem Jahr von Napoleons<br />

Rückkehr nach Paris und seiner endgültigen<br />

Verbannung nach St. Helena, wurde Labiche in der<br />

Nähe der französischen Hauptstadt geboren. Der<br />

Sohn eines wohlhabenden Industriellen war nicht<br />

von Geldnöten geplagt und konnte nach dem Jura-<br />

Studium am Collège Royal de Bourbon zunächst<br />

einmal eine klassische Bildungsreise durch Italien<br />

antreten. Statt sich als Beamter in der höheren<br />

Staatsverwaltung zu langweilen, konnte Labiche<br />

es sich leisten, aus seiner Liebe zum Theater eine<br />

Profession zu machen.<br />

MEISTER DER KOMÖDIEN<br />

Auf das Konto des Vielschreibers gehen ganze 175 Stücke,<br />

wobei er sich bereits im Alter von 52 Jahren zur Ruhe setzte.<br />

Doch wegen Überarbeitung dürfte er sich nicht auf ein<br />

Landgut in Sologne zurückgezogen haben. Wie ein moderner<br />

Medienunternehmer hatte er Mitarbeiter beschäftigt, die<br />

seine Ideen umsetzten und ihm zuarbeiteten. So produzierte<br />

Labiche Lustspiele, Possen und Vaudevilles in Serie, um die<br />

Pariser Bühnen auf äusserst rentable Weise mit heiteren<br />

Stoffen zu beliefern.<br />

Der Erfolg gab ihm recht: Nicht allein, dass der bedeutende<br />

Romancier Émile Zola ihm huldigte und ihm bescheinigte,<br />

dass er «ein Genre» geschaffen habe. Auch das Publikum<br />

konnte von Labiches Komödien nicht genug bekommen. Bei<br />

seinem Werk «Das Sparschwein» soll ein Zuschauer sogar vor<br />

lauter Lachen einen Herzanfall erlitten haben, sodass sich<br />

dieser im wahrsten Sinne des Wortes totlachte. Falls diese<br />

überlieferte Anekdote nicht stimmen sollte, ist sie zumindest<br />

gut erfunden und könnte fast aus einem Theaterstück von<br />

Eugène Labiche stammen.<br />

Was war sein Erfolgsgeheimnis? So eine Art «geistiger<br />

Slapstick», nannte es einmal die Regisseurin und Intendantin<br />

des Schauspielhauses Zürich, Barbara Frey. Mit rasantem<br />

Tempo und geistreichem Dialogwitz karikierte der Autor<br />

die Bürgerlichen seiner Epoche, des zweiten Kaiserreichs<br />

unter Napoleon II. Er hielt den eitlen, verzogenen Söhnen<br />

und Töchtern den Spiegel vor, die – so wie er – vom Vermögen<br />

ihrer Familie zehrten, sich als Elite begriffen und ihre<br />

Privilegien verteidigten. Solche Personen sollen heutzutage ja<br />

praktisch ausgestorben sein. Und falls nicht, kann sie Eugène<br />

Labiche auch nach über 150 Jahren noch ordentlich aufs<br />

Korn nehmen.<br />

«Ich habe mich fast ausschliesslich<br />

dem Studium des Bourgeois,<br />

des Philisters gewidmet.<br />

Dieses Tier bietet dem, der es<br />

sehen kann, zahllose Möglichkeiten;<br />

es ist unerschöpflich.»<br />

Eugène Labiche (1815–1888)<br />

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