06.08.2018 Aufrufe

Schlossfestspiel Magazin "Extrablatt" 2018

Das Magazin der Schlossfestspiele Hagenwil 2018 mit Hintergrundinfos, Erklärungen zum Stück, Interviews, Lebensläufen und vielem mehr!

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HANDLUNG<br />

Schön war’s gestern Abend. Hoch die Tassen mit den Ehemaligen. Und dann?<br />

Da war doch was. Nur was? Wenn nur diese Gedächtnislücke nicht wäre. So<br />

ein Treffen mit alten Schulfreunden kann schon einmal aus den Fugen geraten.<br />

Monsieur Lenglumé ist sicher nicht der erste Mensch, dem es so ergeht. Als er<br />

am nächsten Morgen in seinem Bett erwacht, kann er sich nicht an alle Details<br />

der vergangenen Nacht erinnern.<br />

SKANDALÖSE EREIGNISSE<br />

Ein solches Detail liegt zudem neben ihm im Bett: Es ist<br />

nicht etwa seine Ehefrau, sondern ein ihm fremder Mann,<br />

der sich als Monsieur Mistingue vorstellt. Leider kann auch<br />

dieser keine weiteren Auskünfte geben, leidet er doch<br />

genauso unter seinen fehlenden Erinnerungen. Gemeinsam<br />

fragen sich die beiden Herren, woher wohl die Kohlestücke<br />

in den Hosentaschen stammen und was der Frauenschuh bei<br />

ihnen verloren hat.<br />

SKANDALÖSE NEUIGKEITEN<br />

Sicherheitshalber stellt Monsieur Lenglumé den neuen<br />

Bettnachbarn seiner Ehefrau als alten Schulfreund vor. Beim<br />

gemeinsamen Frühstück erfahren die beiden Schicksalsgenossen<br />

aus der Morgenzeitung von einem mysteriösen Mord.<br />

In der Rue de Lourcine wurde in der Nacht zuvor eine junge<br />

Kohlenschlepperin heimtückisch umgebracht. Die Polizei, so<br />

weiss die Zeitung zu berichten, geht von zwei Tätern aus. Für<br />

Lenglumé und Mistingue beginnt es, ungemütlich zu werden.<br />

Aus der nächtlichen Zecherei entwickelt sich doch am Ende<br />

nicht ein handfester Skandal?<br />

SKANDALÖSER FILMRISS<br />

Aber keine Sorge! Skandale lassen sich ja vorzüglich vertuschen,<br />

man muss nur die dazu geeigneten Massnahmen<br />

ergreifen. Erstens: Herausfinden, wer alles davon Wind<br />

bekommen hat. Zweitens: Mögliches Beweismaterial beiseite<br />

schaffen und die entsprechenden Mitwisser am besten gleich<br />

dazu. Mit diesen Methoden, da sind sich Lenglumé und Mistingue<br />

sicher, kann man die eigene gutbürgerliche Fassade<br />

perfekt aufrechterhalten. Ob dieser perfide Plan gelingt,<br />

liess sich bis zur Drucklegung dieses Programmheftes noch<br />

nicht sicher sagen. Das verehrte Publikum wird also Zeuge,<br />

wie die beiden angeblichen Schulfreunde versuchen, ihre<br />

kohlenschwarzen Hände nicht nur mit Wasser, sondern auch<br />

in reiner Unschuld zu waschen.<br />

SKANDALÖSER HUMOR<br />

Mit der «Affäre in der Rue de Lourcine» feiern die <strong>Schlossfestspiel</strong>e<br />

Hagenwil am 8. August <strong>2018</strong> ihre diesjährige<br />

Premiere. Die Komödie von Eugène Labiche aus dem Jahr<br />

1857, die sich in einer eigenen Bearbeitung von Thea Reifler<br />

und Florian Rexer am französischen Original orientiert, verbindet<br />

Pariser Flair mit schwarzem Humor. Labiche nimmt<br />

in seinem Stück die Gesellschaft seiner Zeit aufs Korn. Er<br />

zeichnet mit viel schwarzem Humor ein Bild vom Bürger als<br />

Biedermann, der mehr um sein ordentliches Ansehen und<br />

seine persönlichen Verhältnisse besorgt ist, als sich um ein<br />

Verbrechen zu scheren. Doch damit nicht genug. Eugène<br />

Labiche war auch ein scharfer Beobachter der menschlichen<br />

Psyche. Sein heiteres Spiel dreht sich mit rasantem Tempo<br />

auch um beängstigende Erinnerungsnöte, verwirrende Identitäten<br />

und die pure Einbildungskraft, die aus einem scheinbar<br />

naheliegenden Gedanken Realität werden lässt – und<br />

damit erst so richtig in den Schlamassel führt.<br />

SKANDALÖSE FAKE-NEWS<br />

In Zeiten von Fake News und Facebook können heute<br />

genauso wie zu Labiches Zeiten Vermutungen schnell zu<br />

scheinbaren Gewissheiten werden. Ein falsches Wort – und<br />

der Shitstorm nimmt seinen Lauf. Intrigen werden zwar<br />

heute nicht mehr durch Zeitungsmeldungen ausgelöst, doch<br />

das Tempo in den sozialen Medien kann in unseren Tagen den<br />

persönlichen Ruf umso schneller schädigen. Anno <strong>2018</strong> haben<br />

nicht zuletzt Trump & Co. ein Klima geschaffen, in dem<br />

es darum geht, die eigene Weste möglichst rein zu halten und<br />

von den eigenen Verfehlungen wirkungsvoll abzulenken. Auf<br />

der anderen Seite geben die modernen Medien auch jenen<br />

eine Plattform, die bislang unter den Verfehlungen einer<br />

immer noch männlich dominierten Welt leiden mussten. Das<br />

zeigt nicht zuletzt die #MeToo-Debatte, die in vielen Ländern<br />

erdrutschartig zu unliebsamen Enthüllungen geführt hat. Wie<br />

schuldig oder unschuldig sich dabei die Beteiligten fühlen,<br />

und inwiefern man sich bemüht, die Hände reinzuwaschen,<br />

muss jeder mit sich selbst ausmachen. Genau so wie Lenglumé<br />

und Mistingue.<br />

«Die Affäre in der Rue de Lourcine» steht in der französischen<br />

Tradition des Vaudeville, einer Theaterform im 19.<br />

Jahrhundert, die Eugène Labiche meisterhaft beherrschte.<br />

Entstanden aus einer Liedgattung des 16. Jahrhunderts,<br />

entwickelte sich das Vaudeville zu einem Theaterstück, das<br />

wie ein Musical Lieder und Chansons enthielt. Um 1860<br />

in die USA exportiert, wurde daraus eine Vaudeville-Bühnenshow<br />

aus Musik, Tanz, Akrobatik, die Stars wie Buster<br />

Keaton oder die Marx Brothers hervorbrachte. Im Innenhof<br />

des Wasserschlosses wird das Festspielpublikum ein echtes<br />

Hagenwiler Vaudeville erleben, musikalisch unterstützt vom<br />

Akkordeonisten Dražen Gvozdenović und mit wie gewohnt<br />

sprühend eigenwilligen Ideen. Lassen Sie sich also mitreissen<br />

von unserem Affären erschütterten Festspielsommer.<br />

Alle Rechte der Textfassung, insbesondere die der Aufführung durch Bühnen, Freie Gruppen und<br />

Amateurgruppen, der Vorlesung, Verfilmung und Übertragung durch Rundfunk und Fernsehen sowie<br />

der Übersetzung, sind ausschliesslich Florian Rexer vorbehalten.<br />

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