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DOMINIQUE AEGERTER<br />

die Teamkasse eingeschossen haben und<br />

ein Crowdfunding mehr als 250 000 Franken<br />

einbringt. Zu allem Pech zieht sich<br />

sein langjähriger Manager Robert Siegrist<br />

aus privaten und geschäftlichen Gründen<br />

zurück. Der erfolgreiche Anwalt kümmert<br />

sich wieder mehr um seine Kanzlei<br />

in Zürich. Dominique Aegerter wird im<br />

grossen Töffbusiness im Frühjahr 20<strong>18</strong><br />

auf Feld eins zurückgeworfen.<br />

UNGEWISSE ZUKUNFT<br />

Wie weiter? Dominique Aegerter hat<br />

nicht die Gottesgabe, sich ausschliesslich<br />

auf seine Tätigkeit als Rennfahrer zu konzentrieren.<br />

Schon in den guten Zeiten<br />

liess er sich leicht ablenken. Nun findet er<br />

erst recht nicht die Ruhe, die es für fahrerische<br />

Heldentaten braucht. Sein Bruder<br />

Kevin führt im Fahrerlager mit den anderen<br />

Teamchefs Gespräche, rennt von Pontius<br />

zu Pilatus. Aber er kann Dominique<br />

den Rücken nicht freihalten und nicht in<br />

Nach Halbzeit der Saison<br />

20<strong>18</strong> steht Dominique<br />

Aegerter wieder dort,<br />

wo er zu Beginn seiner<br />

Moto2-Karriere schon<br />

einmal war.<br />

Robert Siegrists Schuhen stehen. Kommt<br />

dazu, dass Dominique Aegerter das Glück<br />

verlassen hat. Nach einem Sturz beim Geländefahren<br />

im Jura zieht er sich so<br />

schwere Beckenverletzungen zu, dass er<br />

zwei Rennen (Jerez, Le Mans) nicht bestreiten<br />

kann.<br />

Nach Halbzeit der Saison 20<strong>18</strong> steht<br />

Dominique Aegerter also wieder dort, wo<br />

er in seinem ersten Jahr seiner Moto2-<br />

Karriere schon einmal war. Er wird im<br />

September 28. Er ist zu alt, um als aufstrebendes<br />

Jungtalent zu gelten. Und er<br />

ist zu wenig gut, um unabhängig vom<br />

Alter einen guten und gutbezahlten Platz<br />

in einem Team zu bekommen. Den kriegen<br />

nur Siegfahrer und Titelanwärter.<br />

Dominique Aegerter muss den grössten<br />

Teil des Geldes seiner Sponsoren in die<br />

Teamkasse einzahlen, wenn er seine Karriere<br />

2019 fortsetzen will. Aber es ist<br />

schwierig, dieses Geld zu bekommen,<br />

wenn die Resultate nicht stimmen. Die<br />

«goldenen Jahre», die ihm zwischen 2013<br />

und 2016 gut und gerne eine halbe Million<br />

Bruttoeinkommen beschert haben,<br />

sind vorbei. Er muss froh sein, wenn er<br />

künftig noch auf ein sechsstelliges Salär<br />

kommt. Er ist jedoch viel zu jung, um<br />

schon aufzuhören und hat zudem in einem<br />

guten Team die besten fünf Jahre<br />

noch vor sich.<br />

Dominique Aegerter steht vor den<br />

schwierigsten Wochen seiner Karriere.<br />

ZUSATZINFOS<br />

Eine Karriere am Scheideweg<br />

Wie ist die bisherige Karriere<br />

von Dominique Aegerter<br />

einzuordnen? Er ist jahrelang<br />

ein «Sunny Boy» und<br />

Glückskind, gesegnet mit<br />

dem Selbstvertrauen eines<br />

coolen Rock’n’Rollers und<br />

verschont von schweren Unfällen.<br />

Auf dem Weg nach<br />

oben trifft er zur richtigen<br />

Zeit die richtigen Leute (Olivier<br />

Métraux, Robert Siegrist,<br />

Gilles Bigot). Sein Aufstieg<br />

bis zum ersten Sieg im<br />

Sommer 2014 verläuft so<br />

logisch, das leicht vergessen<br />

geht, dass diese Karriere eigentlich<br />

ein Wunder ist.<br />

Verlassenes Glück<br />

Ein Garagisten-Bub aus<br />

Rohrbach setzt sich in einer<br />

der härtesten und kapitalintensivsten<br />

Sportarten durch<br />

und kommt in der zweitwichtigsten<br />

WM (Moto2)<br />

ganz oben an. Dorthin wollen<br />

Hunderte von Fahrern,<br />

davon träumen Tausende<br />

aus aller Welt. So mancher<br />

mit besseren Voraussetzungen<br />

und mehr Geld als Aegerter<br />

ist schon gescheitert.<br />

Aber eine internationale<br />

Motorsportkarriere ist letztlich<br />

zerbrechlich wie ein<br />

billiges Plastikspielzeug. Ein<br />

Fahrer ist von viel mehr<br />

Leuten abhängig (Manager,<br />

Sponsoren, Teamchef, Techniker)<br />

und seine Leistungen<br />

werden von viel mehr Faktoren<br />

beeinflusst (Gegner,<br />

Technik) als die Karriere eines<br />

Eishockey- oder Fussballspielers.<br />

Und nicht zu<br />

vergessen die Faktoren<br />

Glück und Pech. Glück und<br />

Aegerter<br />

galt jahrelang als<br />

Glückskind und<br />

«Sunny Boy».<br />

Pech entscheiden hier nicht,<br />

ob der Puck oder der Ball<br />

ins Tor rauscht oder vom<br />

Pfosten zurückprallt. Glück<br />

und Pech entscheiden oft<br />

darüber, ob einer unverletzt<br />

davonkommt oder im Spital<br />

landet. Jahrelang hat Dominique<br />

Aegerter Glück. Er<br />

stürzt wenig und kommt im<br />

Sommer 2014 verletzungsfrei<br />

auf dem Gipfel an. Seither<br />

hat ihn dieses Glück<br />

verlassen und Unfälle haben<br />

ihn mehrere Rennen<br />

gekostet.<br />

Als Sieger mehr Mühe<br />

Dominique Aegerters Liebenswürdigkeit,<br />

sein lausbübischer<br />

Charme, seine<br />

Präsenz in den sozialen Medien<br />

haben ihn zu einem<br />

der beliebtesten Einzelsportler<br />

im Land gemacht.<br />

Aber diese Qualitäten sind<br />

auch sein Problem: Es fällt<br />

ihm schwer, sich ausschliesslich<br />

auf die Rennfahrerei<br />

zu konzentrieren,<br />

auf die vielen Versuchungen<br />

zu verzichten und «Nein!»<br />

zu sagen.<br />

In diesen Wochen fährt er<br />

um die Fortsetzung seiner<br />

Karriere. Gute Resultate<br />

sind so wichtig wie nie.<br />

Aber es ist für ihn so<br />

schwierig wie nie, diese Resultate<br />

herauszufahren. Wer<br />

einmal ein Sieger war, hat<br />

mehr Mühe und weniger<br />

rücksichtslose Besessenheit<br />

als die jungen Aufsteiger,<br />

die nach oben wollen. Eine<br />

der erstaunlichsten Sportler-Karrieren<br />

im Oberaargau<br />

steht auf dem Spiel.<br />

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