Kerstvloed 1717 Duits
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Auch Heimreich auf Nordstrandischmoor sah eine Flutwelle ankommen.<br />
Das Wasser, das noch in der Nacht vom 24. auf den 25. Dezember bis<br />
etwa 2 Uhr mit dem Ebbstrom hätte weglaufen müssen, kam vor dieser<br />
Zeit mit einer enormen Geschwindigkeit zurück. Während es am ersten<br />
Weihnachtstag erst gegen 8 Uhr morgens Flut werden sollte, war der<br />
Inselheller bereits um 3 Uhr vollständig überströmt. Eine vergleichbare<br />
Beobachtung wird auch aus dem Jeverland berichtet, dem östlichen Teil<br />
der ostfriesischen Halbinsel. Obwohl es dort erst morgens um 7 Uhr<br />
Hochwasser sein sollte, war die See bereits lange davor durch die Deiche<br />
gebrochen und mussten die Menschen um 2 Uhr ihr Heil auf Dächern oder<br />
ähnlichem suchen. Weiterhin merkt Heimreich an, genauso wie sein Kollege<br />
Hekelius in Ostfriesland, dass diese Sturmflut zu einer ungewöhnlichen Zeit<br />
gekommen ist, nicht bei Vollmond und auch nicht bei Neumond, wenn das<br />
Wasser besonders hoch steigt (Springflut), sondern im letzten Viertel, in dem<br />
normalerweise nicht mit einer Sturmflut zu rechnen war und die Menschen<br />
so wie gewöhnlich ruhig zu Bett gegangen waren. 21<br />
Die wenigsten Aussagen machen hier die nordniederländischen<br />
Beobachter. Zwischen den Zeilen könnte man jedoch lesen, dass sich auch<br />
im Groningerland eine Flutwelle von der Küste (Ankunft in Westernieland<br />
etwa um 2 Uhr) landeinwärts bewegte. Dies war aber etwa 25 km südlicher<br />
als die Stadt Groningen, wo Seeratt sie am ersten Weihnachtstag um 2 Uhr<br />
nachmittags ankommen sah, aber nicht mehr so extrem hoch. Wohl stieg<br />
danach das Wasser entgegen der Erwartung von Stunde zu Stunde, bis es<br />
um 7 Uhr abends einige Fuß hoch in den niedrigen Teilen der Stadt stand. In<br />
Ostfriesland sorgte der Abstand der Städte von der Küste und die nordwestsüdöstliche<br />
Bewegung des Wassers für eine übereinstimmende Verzögerung<br />
für die Ankunft der Flutwelle: in Wittmund und Jever, beide in Luftlinie 10<br />
bis 12 km von der damaligen Küstenline entfernt (Ankunft an der Nordküste<br />
zwischen 2 und 3 Uhr morgens), kam das Wasser am 25. Dezember morgens<br />
um 7 Uhr an. In Timmel – der geringste Abstand zur Küste bei Emden<br />
gemessen etwa 20 km – kam es erst um 12 Uhr mittags. 22<br />
Erklärung der Sturmflut<br />
In vielen Schriftstücken, die als Folge der Weihnachtsflut von <strong>1717</strong> produziert<br />
wurden, lässt man sich mehr oder weniger deutlich über die Ursache der<br />
Sturmflut aus. Unter den Schreibern sind einige Prediger, die weniger ein<br />
wissenschaftliches Interesse an der Erscheinung an sich hatten, sondern<br />
mehr durch theologische Argumente getrieben wurden. Sie – und auch<br />
andere Zeitgenossen – sahen in dieser Wasserkatastrophe einen göttlichen<br />
Beweis, dass die verbreiteten Bosheiten der Menschheit und die durch<br />
ihren Wohlstand besonders verdorbenen Küstenbewohner im Besonderen<br />
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