Dokumentation - Werner Baurecht
Dokumentation - Werner Baurecht
Dokumentation - Werner Baurecht
Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
Prof. Dr. Reinhard Greger: Mediation in der Justiz – Standortbestimmung und Ausblick<br />
Prof. Dr. Reinhard Greger, Universität Erlangen-Nürnberg:<br />
Mediation in der Justiz – Standortbestimmung und Ausblick<br />
Sehr geehrter Herr Helling,<br />
sehr geehrter Herr Staatssekretär,<br />
sehr geehrte Damen und Herren,<br />
vor etwa 5 Jahren bekam ich bei einem „Tag der offenen Tür“ der Justiz in Nürnberg die Gelegenheit,<br />
unter dem Motto „Manchmal geht`s auch ohne Richter“ in einem Sitzungssaal des OLG<br />
Informationen über die außergerichtliche Streitbeilegung zu präsentieren. Zusammen mit einigen<br />
Anwaltsmediatoren stellten wir in dem Saal Pinnwände und Flipcharts auf sowie in der Mitte<br />
des Saales einen Tisch – achteckig, weil wir im ganzen Gerichtsgebäude keinen runden finden<br />
konnten – drei Stühle dazu, Wassergläser, Kekse und ein Blumensträußchen – und dann wurde<br />
den ganzen Tag Mediation präsentiert, in Vorführungen, Vorträgen, Gesprächen.<br />
Mediation im Gerichtssaal! Wir empfanden dies damals als etwas ganz Unerhörtes, beinahe<br />
Revolutionäres, fast ein historisches Ereignis.<br />
Inzwischen wird die Mediation von der Justiz nicht nur akzeptiert und propagiert, sondern sogar<br />
selbst praktiziert. Bei mehreren Dutzend Modellgerichten überall in Deutschland ist der runde<br />
Tisch kein Fremdkörper mehr im Gerichtsgebäude, ebenso wie Flipchart und eine gastronomische<br />
Grundausstattung zur Bewirtung der Verfahrensbeteiligten. Die Funktion des Mediators<br />
üben Richterinnen und Richter aus, und heute versammeln sich hier auf Einladung der Justiz<br />
fast 300 Fachleute, um über „Mediation in der Justiz“ zu diskutieren.<br />
Die kleine Rückblende zeigt, dass sich in wenigen Jahren – ich greife das schöne Thema Ihrer<br />
Tagung auf – eine Evolution vollzogen hat, die einer Revolution gleicht. Und ich setze noch etwas<br />
drauf: Wir erleben derzeit in unserem Justizsystem eine Entwicklung, die alles in den<br />
Schatten stellt, was seit dem Erlass der Reichsjustizgesetze im vorletzten Jahrhundert unternommen<br />
worden ist, um die Justiz zu reformieren, nämlich die Zurückdrängung des kontradiktorischen<br />
zugunsten von konsensualen Konfliktlösungsverfahren.<br />
Es handelt sich um eine Entwicklung, die nicht durch eine Änderung der Prozessgesetze ausgelöst<br />
wurde – dass dies nicht funktioniert, hat die sog. ZPO-Reform von 2002 wieder einmal bewiesen<br />
– sondern durch eine Bewusstseinsveränderung, die durch Impulse von verschiedenen<br />
Seiten in Gang gesetzt worden ist. Ich nenne nur<br />
• das zunehmende Auseinanderklaffen von Justizaufgaben und Justizressourcen<br />
• die wachsende Unzufriedenheit der Wirtschaft mit langdauernden Zivilprozessen<br />
• die Tendenz zur gesellschaftlichen Selbstregulierung und zur Zurückdrängung hoheitlicher<br />
Einflüsse auf den privaten Sektor<br />
• und last but not least das aus anderen Rechtskreisen und Lebensbereichen importierte Gedankengut<br />
der Mediation.<br />
16<br />
Bundeskonferenz „Mediation in der Justiz“, 13. Juni 2007, Bielefeld