Kulturfenster Nr. 04|2018 - August 2018
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Kritisch hingehört<br />
Blasmusik<br />
„Der Traum“ 1918-<strong>2018</strong> –<br />
ein historisches Konzert<br />
100 Jahre zwischen Krieg und Wirklichkeit<br />
Mit „Der Traum“ wurde dem Publikum auf dem Dorfplatz von St. Pauls ein beeindruckendes Gesamtkunstwerk geboten.<br />
Die Musikkapelle St. Pauls unter der Leitung<br />
von Hans Finatzer hat am 1. Juni <strong>2018</strong> in<br />
Zusammenarbeit mit der Schützenkompanie<br />
„Sepp Kerschbaumer“ Eppan und dem FotoArchiv<br />
St. Pauls das Konzert „Der Traum“<br />
aufgeführt. Dazu wurde der Paulsner Dorfplatz<br />
in eine riesige Freilichtbühne verwandelt<br />
mit dem Kirchturm als imposanter Hintergrundkulisse.<br />
Die initiale Idee zu diesem Gemeinschaftsprojekt<br />
hatte Kapellmeister Hans Finatzer,<br />
der zusammen mit Michael Pichler<br />
als Regisseur und Oskar Frei vom FotoArchiv<br />
St. Pauls das Konzept für dieses Konzertevent<br />
ausgearbeitet hat.<br />
Als Grundlage dieser Aufführung diente<br />
das visionäre Werk des österreichischen<br />
Komponisten Carl Michael Ziehrer, welcher<br />
im Jahre 1890 das militärische Tongemälde<br />
„Der Traum eines österreichischen Reservisten“<br />
komponiert hatte. Es erzählt von<br />
einem Schmied, der abends wie gewohnt<br />
zu Bett geht und den Traum eines jungen<br />
Reservisten träumt. Der anfängliche Enthusiasmus,<br />
„Gott, Kaiser und Vaterland“ zu<br />
dienen und mit wehenden Fahnen in den<br />
Krieg zu ziehen, weicht alsbald der Resignation<br />
und endet vielfach auf den Schlachtfeldern<br />
der k.u.k. Monarchie. Der Schmied<br />
durchlebt diesen Traum, wacht schließlich<br />
auf und kehrt zur Realität zurück.<br />
In die Aufführung dieses Werkes wurde<br />
von den mitwirkenden Schützenkompanien<br />
von Eppan, Andrian, Terlan und Kaltern<br />
und dem 2. Regiment Südtirol der Tiroler<br />
Kaiserjäger der „Große Österreichische<br />
Zapfenstreich“ eingefügt, der zur Zeit der<br />
k.u.k. Monarchie von den Soldaten täglich<br />
zum Tagesabschluss inszeniert wurde und<br />
heute noch anlässlich weltlicher und politischer<br />
Ereignisse aufgeführt wird.<br />
Das Konzert wurde von Fotos umrahmt,<br />
welche St. Pauls vor dem 1. Weltkrieg<br />
zeigten. Während der Schmied im Stück<br />
seinen Traum durchlebte, wechselten die<br />
Bilder von der Kriegspropaganda zu Szenen<br />
des Aufbruchs in den Krieg, der sich alsbald<br />
in den eisigen Höhen der Alpen abspielte.<br />
Übrig blieben Schützengräben, Kriegerfriedhöfe<br />
und ein vom restlichen Tirol getrenntes<br />
Südtirol, das jetzt zu Italien gehört. Beim<br />
„Erwachen“ aus diesem „Traum“ holten die<br />
Fotos die Zuschauer wieder in die Jetztzeit<br />
zurück, zum Wohlstand und Reichtum des<br />
Überetsch in Friedenszeiten.<br />
Hunderte von Zuschauern ließen sich<br />
von den ergreifenden Bildern, den freudigen,<br />
kämpferischen und traurigen Melodien<br />
der Musikanten, den zackigen Kommandos<br />
des Schützenhauptmannes, den<br />
Böllern, Salven und Glockentönen zutiefst<br />
berühren. Der Sprecher Heinz Sanin erzählte<br />
dem Publikum von früheren Zeiten,<br />
von Schlachten und weinenden Frauen, vom<br />
Zapfenstreich und von den ersten Schützen<br />
und Kaiserjägern. Es war ein Konzert,<br />
das allen Beteiligten noch lange in Erinnerung<br />
bleiben wird.<br />
Karin Winkler<br />
<strong>Nr</strong>. 04 | <strong>August</strong> <strong>2018</strong> 13