Guute November 2018
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6 | INTERVIEW <strong>November</strong> <strong>2018</strong> | GUUTE MAGAZIN<br />
Präsident Leitl:<br />
„Die Wirtschaft schafft, woran<br />
die Politik sehr oft scheitert“<br />
Auf die völkerverbindende Kraft der Wirtschaft setzt der Präsident der<br />
Europäischen Wirtschaftskammern, der Mühlviertler Dr. Christoph Leitl. Im Gespräch<br />
mit dem GUUTE-Mühlviertel Magazin rückt er die gute Zusammenarbeit der<br />
Wirtschaftsvertretungen über Landesgrenzen hinweg in den Fokus.<br />
Nach der Zeit an der Spitze der<br />
Wirtschaftskammer Österreich sind Sie<br />
nun Präsident der Europäischen<br />
Wirtschaftskammern. Erfüllt sich<br />
damit für den überzeugten Europäer<br />
Christoph Leitl ein Lebenstraum?<br />
Christoph Leitl: „Mit dieser Funktion<br />
schließt sich für mich ein Kreis. Dieser<br />
führte über den jungen Europäer, den eigenen<br />
Betrieb, die oö. Landesregierung<br />
und die WKO nun in die Funktion in der<br />
europäischen Wirtschaftsvertretung.“<br />
Was machen Sie in dieser genau?<br />
Christoph Leitl: „Ich stehe an der Spitze<br />
der wirtschaftlichen Interessensvertretungen.<br />
In dieser arbeiten 46 Länder mit<br />
mehr als 1.700 Kammerorganisationen,<br />
die rund 20 Millionen Unternehmen repräsentieren,<br />
zusammen.“<br />
Wie funktioniert diese Zusammenarbeit<br />
in der Praxis?<br />
Christoph Leitl: „So wie in den einzelnen<br />
Ländern gibt es auch auf der europäischen<br />
Ebene die entsprechenden Gremien.<br />
In diesen werden aktuelle Themen<br />
ebenso bearbeitet wie die wichtigen<br />
Weichenstellungen für die Zukunft.“<br />
Ist diese Kooperation angesichts der<br />
höchst unterschiedlichen Länderinteressen<br />
nicht sehr schwierig?<br />
Christoph Leitl: „Nein. Die Wirtschaft<br />
schafft nämlich etwas, woran die Politik<br />
häufig scheitert: Wir überwinden Grenzen<br />
und sorgen für einen ganz wichtigen<br />
Dialog. Dieser führt beispielsweise dazu,<br />
dass politisch verfeindete Länder wie<br />
Russland und die Ukraine in unseren<br />
Gremien freundschaftlich zusammenarbeiten.“<br />
Ist damit also die Wirtschaft effektiver<br />
als die Politik?<br />
Christoph Leitl: „Das trifft insofern zu,<br />
als wir eine Gesprächsbasis ohne politische<br />
Animositäten schaffen. Das gilt übrigens<br />
auch für die Briten, die mit ihrem<br />
Brexit ja für eine sehr schwierige Situation<br />
in Europa sorgen.“<br />
Wie soll es hier Ihrer Meinung nach<br />
weitergehen?<br />
Christoph Leitl: „Nach meinem Dafürhalten<br />
handelt die britische Politik verantwortungslos.<br />
Wenn sie aber schon aus<br />
der EU raus will, dann soll das eine politische<br />
Entscheidung bleiben. Wirtschaftlich<br />
wäre es aber höchst sinnvoll, wenn<br />
England weiterhin ein Teil Europas bleiben<br />
würden.“<br />
Warum?<br />
Christoph Leitl: „Im weltweiten Wirtschaftsgefüge<br />
kann sich Europa keine<br />
Zersplitterung leisten. Wenn wir weiterhin<br />
stark und geschlossen auftreten<br />
möchten, dürfen nationale Befindlichkeiten<br />
keine Rolle spielen. Unsere Mitbewerber<br />
sitzen schließlich nicht vor der<br />
Haustür, sondern in den USA oder Asien.“<br />
Spielen in diesem Wettbewerb auch die<br />
kleinen Regionen eine Rolle?<br />
Christoph Leitl: „Ja, sogar eine sehr wichtige:<br />
wird doch dort Wirtschaft unmittelbar<br />
gelebt. In einer funktionierenden<br />
Nahversorgung etwa wird spürbar, wie<br />
sehr die Wirtschaft dem Menschen<br />
dient.“<br />
Apropos dienen: Wie lange wird Christoph<br />
Leitl noch der Wirtschaft dienen?<br />
Christoph Leitl: „Ich bin noch immer mit<br />
Freude und Begeisterung in der wirtschaftlichen<br />
Interessensvertretung tätig.<br />
Dabei bin ich viel unterwegs und freue<br />
mich, nach wie vor meinen Beitrag leisten<br />
zu dürfen. Und das darf – sofern es<br />
meine Gesundheit zulässt – gerne noch<br />
ein paar Jahre so bleiben.“ ♦ Bernhard Haudum<br />
Dr. Christoph Leitl<br />
• Geboren 1949<br />
• Studium der Sozial- und Wirt -<br />
schafts wissenschaften an der JKU<br />
• 1990 bis 2000: VP-Landtagsabgeordneter,<br />
Wirtschafts-Landesrat,<br />
Landeshauptmann-Stellvertreter<br />
• 2000 bis <strong>2018</strong>: Präsident der<br />
Wirtschaftskammer Österreich<br />
• Aktuell: Präsident der Europäischen<br />
Wirtschaftskammern<br />
• Träger zahlreicher Auszeichnungen,<br />
u. a. Ehrenbürger von New York<br />
• Verheiratet, Vater von zwei Kindern<br />
Foto: Teresa Haudum