Immobilia 2018/08 - SVIT
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BAU & HAUS<br />
MOBILITÄT<br />
Neue Denkansätze zum Verkehr<br />
Steigende Mobilitätsanforderungen sind angesichts begrenzter Verkehrskapazitäten eine<br />
grosse Herausforderung. Die Studien «Zukunft des Gesamtverkehrs bis 2040» vom UVEK<br />
und «Vision der Mobilität Schweiz 2050» von der ETH Zürich suchen nach Antworten.<br />
Allzu oft endet die individuelle Mobilität in Agglomerationen und Städten im Stau (Bild: 123rf.com).<br />
ANGELO ZOPPET-BETSCHART*<br />
<br />
Wir wollen keine grenzenlose<br />
Mobilität. Zudem: Bei allen<br />
Umfragen zur Wettbewerbs <br />
fähigkeit der Schweiz steht<br />
die Qualität des ÖV an vorderster<br />
Stelle.»<br />
PETER FÜGLISTALLER,<br />
DIREKTOR DES BUNDESAMTES FÜR VERKEHR (BAV)<br />
MOBILITÄT UNTER DER LUPE. Millionen von<br />
Menschen sind in der Schweiz täglich auf<br />
dem Strassen- und Schienennetz unterwegs.<br />
Also auf fast 72 000 Kilometern Strassen<br />
und 5100 Kilometern Schienen. Die<br />
hohe Mobilität ist ein wichtiges Merkmal<br />
unserer Gesellschaft und für die Meisten<br />
von uns Teil der persönlichen Lebensqualität.<br />
Sie verschafft uns Freizeiterlebnisse<br />
und wirtschaftliche Vorteile. Verursacht<br />
andererseits aber auch verschiedene Umwelt-<br />
und Gesundheitsprobleme. Das prognostizierte<br />
Wachstum der Bevölkerung in<br />
unserem Lande bis 2040 erwartet ein grosses<br />
Verkehrswachstum. Das Referenzszenario<br />
der Verkehrsperspektiven 2040<br />
des Eidgenössischen Departements für<br />
Umwelt, Verkehr, Energie und Kommunikation<br />
(UVEK) kommt zum Schluss, dass<br />
die vorgesehenen nächsten Ausbauschritte<br />
von Schiene und Strasse die erwartete<br />
Zunahme nicht alleine bewältigen können.<br />
Die sich rasch verändernden gesellschaftlichen,<br />
ökonomischen und ökologischen<br />
Rahmenbedingungen sowie die<br />
vielfältigen Entwicklungen im Technologiebereich<br />
stellen auch das UVEK bezüglich<br />
Mobilität und Verkehr vor zusätzliche<br />
und neue Herausforderungen.<br />
Der UVEK-Orientierungsrahmen 2040<br />
will diesen ämterübergreifend und vorausschauend<br />
begegnen, indem mit dem<br />
Hauptziel «Das Gesamtverkehrssystem<br />
der Schweiz 2040 ist in allen Aspekten<br />
effizient» und den strategischen Zielformulierungen<br />
Schwerpunkte gesetzt werden.<br />
Nicht nur wegen den grösseren zurückgelegten<br />
Strecken und beschränkten<br />
finanziellen Mitteln steht unsere zukünftige<br />
Mobilität vor bedeutenden Herausforderungen<br />
und Weichenstellungen.<br />
STEIGENDE MOBILITÄTSANFORDERUNGEN.<br />
Die Studie «Vision Mobilität Schweiz<br />
2050» der ETH Zürich und der Universität<br />
St. Gallen skizziert einige Ansätze rund<br />
um die Finanzierung, die technischen Entwicklungen,<br />
die Verkehrsströme und den<br />
Ausbau der Verkehrsinfrastrukturen. Die<br />
Autoren gehen davon aus, dass bis in gut<br />
30 Jahren eine Automatisierung aller Verkehrsträger<br />
stattgefunden habe – parallel<br />
dazu sei von einer verstärkten Sammlung<br />
und Verwendung von Daten der<br />
Verkehrsteilnehmenden auszugehen. Die<br />
Forscher formulieren Handlungsempfehlungen<br />
für die politischen Entscheidungsträger<br />
– Schritte in Richtung eines finanziell<br />
eigenständigen Verkehrssystems zu<br />
unternehmen und eine verantwortungsvolle<br />
Nutzung von nicht erneuerbaren<br />
Ressourcen anzustreben, weiter intelligente<br />
Verkehrs managementlösungen anstatt<br />
des Ausbaus der Infrastrukturen bei<br />
Verkehrsengpässen zu fördern sowie nicht<br />
ausgelastete Infrastrukturen herabzustufen<br />
oder zurückzubauen.<br />
Einige Thesen und Handlungsempfehlungen<br />
der vorerwähnten Studie decken<br />
sich mit aktuellen Postulaten und Forderungen.<br />
Die fünf prioritären Stossrichtungen<br />
sind eine klare Nuancierung gegenüber<br />
der jetzigen Politik: 1. Durchgängiger<br />
Einsatz der Informationstechnologie zur<br />
Nutzung und Steuerung der Verkehrssysteme<br />
sowie proaktive Migration automatisierter<br />
Systeme. 2. Kapazitätsbewirtschaftung<br />
der Infrastrukturen<br />
durch Steuerungs- und Regeltechnik<br />
sowie durch lenkende<br />
Einflüsse auf die Nachfrager<br />
und Minimierung der baulichen<br />
Kapazitätserweiterung.<br />
3. Nachfrageorientierte und intermodale<br />
(Kombination der<br />
verschiedenen Verkehrsträger)<br />
Priorisierung von Infrastrukturvorhaben,<br />
dazu Rückbau von<br />
Verkehrsinfrastrukturen bei<br />
schwacher Nutzung. 4. Internationale<br />
Integration der Verkehrssysteme<br />
einschliesslich<br />
ihrer Informations- und Steuerungssysteme<br />
sowie der Nutzungsinformationen.<br />
5. Konsequente ökonomische Betrachtung<br />
der Verkehrsinfrastrukturen mit<br />
Postulat der Vollkostendeckung, dazu Loslösung<br />
der Verkehrspolitik von der Regional-<br />
und Sozialpolitik.<br />
48 | immobilia August <strong>2018</strong>