Sie wollen auch ein ePaper? Erhöhen Sie die Reichweite Ihrer Titel.
YUMPU macht aus Druck-PDFs automatisch weboptimierte ePaper, die Google liebt.
wir werden zu objekten gemacht // Kein Mensch kommt<br />
als Kriegstreiber auf die Welt. Schon vor der Geburt hat jedes<br />
Kind die Erfahrung gemacht, dass es möglich ist, in engster<br />
Verbundenheit mit einem anderen Menschen jeden Tag<br />
ein kleines Stück über sich hinauszuwachsen. Deshalb versuchen<br />
alle Neugeborenen, überall auf der Welt, eine Beziehung<br />
zu ihren Bezugspersonen aufzubauen, die es ihnen ermöglicht,<br />
mit ihnen eng verbunden zu sein und in dieser<br />
Geborgenheit einer sicheren Beziehungsbeziehung gelingt<br />
es ihnen, ihrer Entdeckerfreude und Gestaltungslust nachzugehen,<br />
sich tagtäglich neue Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />
anzueignen, eigene Kompetenzen zu erwerben, immer autonomer<br />
zu werden und ihre Talente und Begabungen zu entfalten.<br />
Normalerweise würden sie das am liebsten – wie am<br />
Anfang, als sie noch nicht von uns »erzogen« wurden – gemeinsam<br />
mit anderen machen. Aber mit diesen Anderen machen<br />
sie allzu oft schmerzhafte Erfahrungen. Denn in unserem<br />
Kulturkreis hat sich eine historisch<br />
gewachsene Kultur des Umgangs<br />
miteinander eingebürgert, die Heranwachsende<br />
oft schon in ihrer<br />
Herkunftsfamilie, im Kindergarten,<br />
in den Peer-Groups und spätestens<br />
in der Schule zu Objekten<br />
der Vorstellungen und Absichten,<br />
der Erwartungen und Bewertungen,<br />
der Belehrungen und Maßnahmen<br />
derjenigen macht, die sie<br />
auf ihrem Weg ins Leben begleiten.<br />
In dieser Weise <strong>zum</strong> Objekt gemacht<br />
zu werden, bedeutet, dass damit<br />
ihre beiden Grundbedürfnisse, das<br />
nach Verbundenheit und das nach<br />
einem selbstbestimmten Leben,<br />
gleichzeitig verletzt werden.<br />
Den damit verbundenen Schmerz<br />
können diese Heranwachsenden<br />
nur überwinden, indem sie diese<br />
Bedürfnisse zu unterdrücken versuchen,<br />
indem sie lernen, andere<br />
ebenso wie Objekte zu behandeln,<br />
oder sich selbst <strong>zum</strong> Objekt ihrer<br />
negativen Bewertungen machen. Die<br />
meisten Menschen sind zeitlebens<br />
damit beschäftigt, die jeweils von<br />
ihnen zur Lösung dieses Problems<br />
gefundenen Bewältigungsstrategien<br />
zu verbessern und auszubauen.<br />
Wirkliche Weiterentwicklung,<br />
also eine Entfaltung der in ihnen angelegten Potentiale ist<br />
so nicht möglich – aber immerhin passen die so entstandenen<br />
Persönlichkeiten dann in diese sonderbare Gesellschaft:<br />
Die einen versuchen, andere für ihre Absichten und Ziele<br />
einzuspannen, die anderen versuchen, sich vor deren Übergriffigkeiten<br />
zu schützen.<br />
Beides ist keine Grundlage für ein fruchtbares Miteinander.<br />
Zwangsläufig suchen die Vertreter dieser beiden Bewältigungsstrategien<br />
nach Gleichgesinnten. So kommt es zur Herausbildung<br />
von Gruppierungen, die entweder andere zu beherrschen<br />
versuchen oder die sich gegenseitig ihre Wunden<br />
leckend in gemeinsam gefundene Nischen zurückziehen.<br />
Erstere bekämpfen sich gegenseitig, letztere hoffen meist<br />
vergeblich, dass ihre heile Nischenwelt dabei nicht untergeht,<br />
und schließen sich deshalb über kurz oder lang meist<br />
einer dieser nach mehr Macht und Einfluss strebenden und<br />
einander bekämpfenden Gruppierungen an. Die Folgen sind<br />
auch heute noch überall auf der Welt zu besichtigen. Die Geschichte<br />
der Menschheit ist eine Geschichte fortwährender<br />
kriegerischer Auseinandersetzungen. Eine friedliche Lösung,<br />
so scheint es, ist nicht in Sicht.<br />
was eine gesellschaft im innersten zusammenhält //<br />
Ob wir vor uns selbst oder vor anderen zuzugeben bereit sind<br />
oder nicht: Wir Menschen sind keine Einzelkämpfer. Als Einzelne<br />
könnten wir noch nicht einmal überleben, geschweige<br />
denn uns weiterentwickeln. Wir sind soziale Wesen und<br />
deshalb brauchen wir eine verlässliche Gemeinschaft mit anderen<br />
Menschen, um die in uns angelegten Potentiale zu entfalten.<br />
Weil unser menschliches Gehirn aber so stark durch<br />
49