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Das Friedenslied Imagine von John Lennon ist weltweit<br />

einer der meistgehörten Songs. So viele Menschen<br />

träumen diesen Traum vom Frieden! Vor allem<br />

Kinder wünschen sich oft »Frieden in der Welt«, auch<br />

wenn sie noch nie Krieg erlebt haben. Warum ist das so?<br />

Kinder sind sehr empfänglich für Missstimmungen<br />

und Spannungen. Sie sehnen sich nach Harmonie und<br />

einem liebevollen Umfeld, in dem sie sich sicher und<br />

geborgen fühlen. Dafür müssen ihre Mütter und Väter<br />

endlich Frieden miteinander schließen, den alten<br />

Hass begraben und sich in ihrer Gegensätzlichkeit bedingungslos wertschätzen.<br />

Kinder lernen dann, wie sie sich auch als Erwachsene friedlich<br />

auseinandersetzen. — Denn überall, wo<br />

Menschen aufeinandertreffen, gibt es<br />

Konflikte. Wir sind in Beziehung miteinander,<br />

teilen denselben Raum, atmen<br />

sogar dieselbe Luft, begegnen uns am<br />

Arbeitsplatz, in der U-Bahn oder am<br />

Gartenzaun. Und es herrscht, weiß Gott,<br />

nicht überall Friede, Freude, Eierkuchen.<br />

Und das ist auch gar nicht das<br />

Ziel. Wer harmoniesüchtig jedem Streit<br />

aus dem Weg geht, setzt keine Grenzen<br />

und äußert die eigenen Wünsche und<br />

Bedürfnisse nicht. Deswegen können sie<br />

auch nicht erfüllt werden. Und das bedeutet<br />

erst recht Krieg, der oft verdeckt<br />

und hinterrücks geführt wird. Frieden<br />

bedeutet, dass jeder seine Position vertritt<br />

und sich beide Seiten aufmerksam<br />

zuhören.<br />

Tagtäglich führen wir stattdessen kleine<br />

Kriege, denn Worte können genauso verletzen<br />

wie Messer. Warum ist das, was M.<br />

Rosenberg als Gewaltfreie Kommunikation<br />

beschreibt, nicht die Regel? Aus der<br />

Angst, verletzt zu werden, bauen wir Schutzpanzer<br />

auf und ziehen die Boxhandschuhe<br />

an. Dabei könnten wir mit mehr Feingefühl<br />

den anderen besser verstehen und erkennen,<br />

dass hinter dem Angriff seine eigene<br />

Angst steckt.<br />

Wie kommt man dahin? »Es gibt keinen<br />

Weg <strong>zum</strong> Frieden. Frieden ist der Weg«,<br />

sagt Mahatma Gandhi und meint damit,<br />

dass Frieden eine Haltung ist. Und das ist<br />

eine fantastische Nachricht: Ich kann jederzeit<br />

den Frieden wählen! Es ist eine<br />

Frage der Entscheidung. Frieden beginnt<br />

in mir. Wenn ich mit mir im Reinen bin<br />

und aufhöre, mich selbst und andere zu<br />

bewerten, bin ich im Frieden.<br />

Wir erschaffen mit unserem Bewusstsein<br />

die Welt. Je mehr Menschen im Frieden<br />

sind, desto schneller wird der Traum von<br />

John Lennon und seiner Milliarden Fans<br />

Wirklichkeit.<br />

Das wünsche ich uns allen:<br />

Frieden auf Erden.<br />

im November 2018<br />

3


Inhalt<br />

FRIEDEN IN MIR<br />

—<br />

Willst du Brandstifter sein 16<br />

oder Friedensstifter?<br />

Gegen Konflikte und Krieg<br />

zu sein, sorgt noch nicht für<br />

Frieden (Robert Betz)<br />

Friedensbotschafterin 54<br />

Seele<br />

Geh allein und finde einen Ort,<br />

wo sich deine Seele weiten kann<br />

(Maja Nowak)<br />

84<br />

entscheidest du dich für angst oder<br />

vertrauen von John Strelecky<br />

Frieden in mir 28<br />

Bist du die Welle oder der Ozean?<br />

(Juliane Wothe)<br />

Abtauchen in die tiefe Stille 80<br />

Die Weisheit der Wale<br />

(Steffi Schroeter)<br />

Frieden finden mit 32<br />

der Natur<br />

Wir wandern ans Meer und hören<br />

dem ewigen Gemurmel der<br />

Wellen zu. (Markus Bäuchle)<br />

Klang und Bewegung 38<br />

im Wasser<br />

Im schwerelosen, tanzenden<br />

Körper stellt sich innerer Friede<br />

ein (M. Remann u. M. H. Bus)<br />

Entscheidest du dich 84<br />

für Angst oder Vertrauen?<br />

Frieden ist die Gewissheit, dass<br />

alles in Ordnung ist. (John Strelecky)<br />

Die Quelle des Friedens 94<br />

Die höchste Ebene des Bewusstseins<br />

(Karl Gamper)<br />

Wegweiser zu mehr 102<br />

Ausgeglichenheit<br />

Tipps für den Alltag (Sarah<br />

Schömbs)<br />

16<br />

willst du brandstifter sein oder<br />

friedensbotschafter? von Robert Betz<br />

KONFLIKTE LÖSEN<br />

—<br />

Den Kampf aufgeben 8<br />

Wie wir Frieden finden,<br />

wenn wir annehmen, was ist<br />

(Andreas Knuf)<br />

Frieden schließen in der 12<br />

Familie durch radikale<br />

Vergebung<br />

In vier Schritten den Schmerz<br />

auflösen (Thomas Kiehl-Fruh)<br />

Den Hass begraben 60<br />

Alles beginnt mit einer<br />

Entscheidung (Vivian Dittmar)<br />

Mit Sensibilität 72<br />

Konflikte lösen<br />

Was geht in dir vor? (Ilona Kofler)<br />

Wenn es in Beziehungen 90<br />

knirscht<br />

Der konstruktive Umgang<br />

mit Konflikten<br />

(Maximilian von Düring)<br />

Über den Zaun schauen 98<br />

Was du von Feinden lernen<br />

kannst (Nicholas Pesch)<br />

24<br />

hochspannung statt entspannung<br />

von Christoph Quarch<br />

Mit dir kann man 64<br />

nicht mehr reden!<br />

Mediation als Beitrag zur Verständigung<br />

(Isolde Bötcher)<br />

48<br />

miteinander statt gegeneinander<br />

von Gerald Hüther<br />

v<br />

4


den kampf aufgeben<br />

von Andreas Knuf 8<br />

MITEINANDER<br />

—<br />

Die Sprache des Friedens 20<br />

Jedes Wort wirkt (M.Scheurl-<br />

Defersdorf, Th. von Stockert)<br />

Hochspannung statt 24<br />

Entspannung<br />

Warum wir um des lieben<br />

Friedens willen keinen Frieden<br />

finden (Christoph Quarch)<br />

Neue Welt (SEOM) 31<br />

Miteinander statt 48<br />

gegeneinander<br />

Höchstleistungen erreicht man<br />

nur im Team<br />

(Prof. Dr. Gerald Hüther)<br />

Das Eigene und 66<br />

die Anderen<br />

Wie Introvertierte und Extrovertierte<br />

ticken<br />

(Sylvia Löhken, Tom Peters)<br />

den hass begraben<br />

von Vivian Dittmar 60<br />

Begegnung auf Augenhöhe 42<br />

mit der gewaltfreien<br />

Kommunikation<br />

»Ich möchte verstehen, wo es<br />

hakt.« (Christine Wanjura)<br />

Erde 5.0 76<br />

Wie die Digitalisierung Voraussetzungen<br />

für Frieden schafft<br />

(Karl-Heinz Land)<br />

erde 5.0 - digitalisierung<br />

für frieden von Karl-Heinz Land 76<br />

IN JEDER AUSGABE<br />

—<br />

Kolumne 37<br />

‚Aus der Gesellschaft‘<br />

Friedensträume (Jeannette Hagen)<br />

Kolumne 46<br />

Positive Psychologie<br />

Vom friedlichen Miteinander<br />

(O. Haas, A.C. Heim)<br />

Filmtipps 70<br />

(Dunja Burghard)<br />

Schwarzes Brett 88<br />

Impressum 106<br />

die sprache des friedens<br />

von M. Scheurl-Defersdort, Th. von Stockert 20<br />

5


7


t i t e l<br />

Jenseits<br />

von<br />

Richtig<br />

und<br />

Falsch<br />

gibt es<br />

einen Ort.<br />

Dort<br />

treffen<br />

wir uns.<br />

r u m i , p e r s i s c h e r m y s t i k e r<br />

6


t i t e l<br />

DEN KAMPF<br />

AUFGEBEN<br />

Wie wir Frieden finden,<br />

wenn wir annehmen, was ist.<br />

——<br />

ANDREAS KNUF<br />

8


Im Sommer 2016 verstarb die bekannte TV-Moderatorin<br />

Miriam Pilhau an den Folgen ihrer Krebserkrankung.<br />

Sie hatte noch im März nur wenige Monate vor ihrem Tod<br />

in Interviews von einem Wunder gesprochen und berichtet,<br />

dass sie die Erkrankung überwunden habe. Zu der Zeit<br />

stellte sie auch ihr neues Buch »Dr. Hoffnung« vor, in dem<br />

sie ihren Genesungsweg beschrieb. In ihrem Buch vertritt<br />

sie die These, dass durch Hoffnung und Imaginieren von<br />

Heilung eine Genesung von Krebs möglich ist. Auch Bärbel<br />

Mohr, die vielen durch ihren Bestseller »Bestellungen<br />

beim Universum« bekannt ist, verstarb 2010 an Krebs,<br />

nachdem sie zuvor viele Jahre die These vertreten hatte,<br />

dass im Leben alles möglich sei, vorausgesetzt, der Wunsch<br />

dazu ist groß genug und kommt von Herzen.<br />

Zwei Beispiele für schwere Schicksale, die uns Menschen<br />

widerfahren können. An diesen Beispielen wird auch deutlich,<br />

dass wir nicht selten etwas ganz anderes bekommen,<br />

als wir uns wünschen, und wie begrenzt unsere Einflussmöglichkeiten<br />

oft sind. Gleichzeitig aber auch zwei Beispiele<br />

dafür, wie sehr wir uns mehr Einfluss auf unser Leben erhoffen,<br />

die Ohnmacht nicht aushalten und dann dazu neigen,<br />

uns die Realität zurechtzubiegen. Doch damit kämpft dann<br />

ein Teil von uns gegen einen anderen. Wir wollen uns selber<br />

oder die Realität anders haben, als sie ist, und entfernen uns<br />

damit zwangsläufig von unserem inneren und äußeren<br />

Frieden. Denn innerer Friede würde bedeuten, dem, was nun<br />

mal so ist, wie es ist, zuzustimmen, statt dagegen zu kämpfen.<br />

Doch nicht nur existentielle Situationen wie etwa die Konfrontation<br />

mit dem Tod stellen uns und unsere Fähigkeit<br />

zur Annahme auf eine harte Probe; es fängt schon bei den<br />

vielen kleinen Unannehmlichkeiten und Ärgernissen des<br />

Alltags an. Annehmen, dass die Haut nicht mehr ganz so<br />

samtweich und glatt ist wie mit 17 Jahren, dass das Kind<br />

nicht die erhofften Schulnoten nach Hause bringt oder ein<br />

Sommer manchmal auch Regentage hat, sogar dann wenn<br />

wir Urlaub machen, all das fordert uns schon ganz schön<br />

heraus. Und diese Herausforderung wird für uns heutzutage<br />

nicht weniger, sondern mehr. Denn in einer Kultur,<br />

die auf Perfektionismus und Optimierung aus ist, wird die<br />

kleinste Abweichung vom Erwünschten <strong>zum</strong> Problem. Das<br />

Tragische dabei ist, dass wir ja nur alles so gut haben möchten,<br />

weil wir uns wünschen, glücklich zu sein. Wir sehnen<br />

uns nach Zufriedenheit, nach einem Empfinden inneren Friedens<br />

und glauben ihn zu erreichen, wenn in unserem Leben<br />

die Dinge so laufen, wie wir es für richtig halten: Wenn wir<br />

an einem Urlaubsort sind, an dem wirklich alles passt, oder<br />

wir endlich den perfekten Job gefunden haben, wo Kollegen<br />

und Chef unsere Fähigkeiten würdigen und wir uns entfalten<br />

können.<br />

9


t i t e l<br />

—<br />

Die<br />

Sprache<br />

des<br />

Friedens<br />

JEDES WORT WIRKT<br />

—<br />

MECHTHILD VON<br />

SCHEURL-DEFERSDORF UND<br />

UND THEODOR VON STOCKERT<br />

es gibt eine wechselwirkung<br />

zwischen<br />

der sprache, die ein<br />

mensch spricht, und<br />

dem, was er in seinem<br />

leben erlebt.<br />

Seit über siebzig Jahren haben wir<br />

in Deutschland Frieden – das<br />

ist ein großer Segen. Keine Generation<br />

vor uns hatte die Gnade, dies<br />

erleben zu dürfen. Frieden kommt<br />

und bleibt nicht von allein – es ist<br />

wichtig, dass jeder und jede einzelne<br />

etwas dafür tut, dass dies so bleibt.<br />

Dabei geht es ebenso um den Frieden<br />

in der Gesellschaft als auch um<br />

den Frieden im privaten und beruflichen<br />

Umfeld.<br />

jeder will frieden —<br />

oder?<br />

Es gibt immer wieder Menschen, die<br />

auf Konfrontation aus sind und andere<br />

provozieren. Sie entzweien und<br />

säen Zwietracht. Spitze Bemerkungen<br />

sind wie Waffen, und Wörter<br />

können mehr verletzen als manche<br />

körperlich grobe Aggression. Hier<br />

gilt es, achtsam zu sein und das böse<br />

20


Treiben zu durchschauen und gegenzusteuern.<br />

Nach einer abwertenden oder bissigen Äußerung<br />

über einen anderen können wir das Gespräch in<br />

eine konstruktive, friedvolle Richtung lenken.<br />

Dann können wir beispielsweise sagen: »Ich<br />

mag den Ulrich. Er ist in Ordnung.« Eine solche<br />

Bemerkung ist entwaffnend – sie lädt ein, die<br />

Waffen niederzulegen. Mit einer friedvollen inneren<br />

Haltung können wir <strong>zum</strong> Frieden beitragen,<br />

sei es in der Familie, im Verein oder am Arbeitsplatz.<br />

wach werden für<br />

eine raue sprache<br />

Die allgemeine Sprache ist oft geprägt von kriegerischen<br />

und aggressiven Redewendungen. Sie<br />

sind uns selbstverständlich geworden, und die<br />

meisten Menschen machen sich keine Gedanken<br />

über ihre wahre Herkunft und Bedeutung: Da<br />

feiern Menschen ›bei Bombenwetter‹ eine Party<br />

und denken nicht daran, dass die Bomber im<br />

Krieg bei einem solchen Wetter für ihre todbringenden<br />

Bomben besonders gute Sicht hatten.<br />

Freundinnen und Kollegen kündigen einander<br />

ein Attentat an: »Ich habe ein Attentat auf dich<br />

vor!« und wollen in Wahrheit doch nur einen<br />

Wunsch äußern.<br />

Der Kampf ist als Wort überall zu hören: Wir<br />

hören von ›Preiskampf‹ und ›Wahlkampf‹, Firmen<br />

›kämpfen‹ um Kunden und Marktanteile;<br />

Außendienstler sind jeden Tag ›an der Front‹,<br />

statt dass sie schlichtweg direkten Kundenkontakt<br />

haben. Und die zahllosen ›Deadlines‹ sind<br />

ein trauriges Erbe aus dem amerikanischen Bürgerkrieg<br />

– sie lassen sich leicht durch ›Abgabefristen‹<br />

und ›Termine‹ ersetzen.<br />

Eine raue Sprache geht rauen Handlungen<br />

voraus. Hier ist größte Achtsamkeit geboten. Jedes<br />

Wort wirkt!<br />

dem frieden in der sprache<br />

raum geben<br />

Es ist viel von Kampf, Krieg und Terror die Rede<br />

– warum sprechen wir so wenig von Frieden? Es<br />

ist einfach, sich ›für Frieden und Menschlichkeit‹<br />

einzusetzen und dies auch so zu sagen. Warum<br />

müssen wir ›gegen Hass und Gewalt‹ kämpfen?<br />

Tragischerweise meinen die jeweiligen Sprecher<br />

und Sprecherinnen wahrscheinlich alle den Frieden.<br />

Doch sind die inneren Bilder und damit die<br />

Wirkung völlig anders.<br />

Diese Denkrichtung prägt Kinder schon von<br />

Anfang an. Es macht einen Unterschied, ob sie<br />

hören: »Hört auf zu streiten!« oder »Seid friedvoll!«<br />

Die einen Kinder haben Streit vor Augen<br />

und die anderen Frieden. Eltern oder Erzieherinnen<br />

folgen oft einem falschen inneren Bild.<br />

Schaffen Sie in Ihrem Inneren friedliche Bilder<br />

und Ihre Worte werden friedlich sein.<br />

Vielen Menschen kommt zu dem Wort ›Frieden‹<br />

nur die oberflächliche Formulierung ›Friede,<br />

Freude, Eierkuchen‹ in den Sinn. Sie hören<br />

oder gebrauchen das Wort ›Frieden‹ ansonsten<br />

nicht – und dies wird ihnen oft erst bewusst, wenn<br />

wir sie fragen, ob und wie sie das Wort ›Frieden‹<br />

in ihrer Sprache haben – und reagieren fast ein<br />

wenig erschrocken.<br />

Es gibt viele Möglichkeiten, das Wort ›Frieden‹<br />

zu gebrauchen: Wir können uns für den<br />

Frieden in der Familie und am Arbeitsplatz einsetzen<br />

und dies auch mit diesen beiden Wörtern<br />

sagen. Wir können an einem Ort Frieden empfinden<br />

und dies so äußern. Wir können immer wieder<br />

davon sprechen, wann und wo wir Frieden<br />

erleben.<br />

Mit dem bewussten Gebrauch des Wortes<br />

›Frieden‹ lenken wir unseren inneren Blick in<br />

eine friedliche Richtung. Die Energie folgt der<br />

Aufmerksamkeit. Mit einer gezielten Änderung<br />

der gewohnten Ausdrucksweise und mehr ›Frieden‹<br />

in der aktiven Sprache kann jeder und jede<br />

einen wirksamen Beitrag zu mehr Frieden leisten.<br />

Es gibt zu dem Wort ›Frieden‹ die beiden Ableitungen<br />

›friedlich‹ und ›friedvoll‹.<br />

Es ist leicht, sie in die eigene aktiv gebrauchte<br />

Sprache einzupflegen und dann regelmäßig zu<br />

nutzen: Kinder spielen friedlich zusammen; ein<br />

Säugling liegt friedlich in seinem Bettchen; ein<br />

klärendes Gespräch kann in einer friedvollen Atmosphäre<br />

stattfinden; jemand kommt mit einer<br />

friedlichen Absicht usw. Manchmal ist es eine<br />

Herausforderung, den ›Frieden‹ und seine Ableitungen<br />

in den beruflichen Kontext zu integrieren<br />

– es geht und zeigt immer eine segensreiche<br />

Wirkung.<br />

Die Ableitungen werden erst dann richtig<br />

21


t i t e l<br />

frieden<br />

in mir<br />

——<br />

JULIANE WOTHE<br />

28


Frieden findet in mir selbst jeden Tag statt.<br />

Und wenn ich schreibe »stattfinden«, dann<br />

meine ich, eine bewusste Entscheidung zu treffen,<br />

all das anzuwenden, was ich weiß — tief durchatmen,<br />

bewegen, Musik, loslassen und lachen.<br />

Frieden ist ein bisschen wie am Strand spazieren<br />

zu gehen und auf einen Schwarm Möwen zu treffen:<br />

Wenn du dich ihnen näherst, fliegen alle hoch<br />

und kreischen wild und chaotisch und keine 30<br />

Sekunden später landen sie friedlich wieder im<br />

Sand und es ist, als wäre nie etwas gewesen, was<br />

ihre meditative Ruhe gestört hat. Ähnliches erlebe<br />

ich mit dem Reh im Wald, das verschreckt<br />

vor mir davon läuft, dann kurz inne hält, seine<br />

Angst abschüttelt und dann langsam weiter trabt.<br />

Warum sind wir unfriedlich? Weil wir an dem<br />

festhalten, was uns unglücklich oder wütend<br />

macht und es nicht abschütteln. Weil wir uns mit<br />

der Welle identifizieren, die sich auf und ab bewegt,<br />

statt die Welle einfach durch uns durch<br />

laufen zu lassen in dem Gefühl: Wir sind der Ozean.<br />

Es gibt kein Außen, sondern nur unsere innere<br />

Erfahrung. Und der Ozean ist immer still.<br />

Ich habe vor Kurzem einen Job angenommen,<br />

der einen tollen Titel hat, aber nichts anderes ist<br />

als Kundenservice für ein großes Verkaufshaus.<br />

Das bedeutet, dass mich tagtäglich hunderte Menschen<br />

mit ihren Problemen und Beschwerden<br />

anrufen. Die meisten davon denken nicht daran,<br />

dass der Mensch am anderen Ende der Leitung<br />

ja gar nichts dafür kann und nur zu helfen versucht.<br />

Bei so viel Negativität ist schlechte Laune<br />

vorprogrammiert. Und wer spürt die? Ich. Wer<br />

spürt die nicht? Alle Kunden, die mich anrufen.<br />

Wer hat also das Problem?<br />

Gestern war ich über etwas so verärgert, dass mir<br />

wütende kleine Tränen über die Wangen liefen.<br />

Ich fühlte mich machtlos und ungesehen und<br />

mein kleines Ego hat sich riesengroß aufgebäumt.<br />

Und dann klingelte das Telefon.<br />

Ich musste mir also die Tränen aus dem Gesicht<br />

wischen und mit freundlicher Stimme meine<br />

übliche Begrüßung herunterrasseln und nett<br />

fragen, was ich für den Anrufer tun kann. Ich<br />

wollte wirklich für den anderen da sein und ihn<br />

nicht spüren lassen, was gerade passiert ist. Er<br />

konnte ja gar nichts dafür!<br />

Und so redeten und redeten wir über belanglose<br />

Dinge und sein Anliegen und als ich 5 Minuten<br />

später auflegte, konnte ich nichts mehr von<br />

der Wut fühlen, die eben noch brodelnd in mir<br />

gekocht hat. Nichts! Ich habe versucht, noch eine<br />

Träne zu finden, aber da war nichts! Und ich<br />

musste plötzlich lachen, weil ich einsah, dass ich<br />

für einen Moment wieder Welle und nicht Ozean<br />

war. Die Welle vergeht so schnell und bleibt<br />

nur, wenn wir ihr die nötige Energie schenken.<br />

Aber wen hätte ich damit wirklich verletzt? Nur<br />

mich selbst.<br />

29


t i t e l<br />

MARKUS BÄUCHLE<br />

Frieden finden<br />

mit der Natur<br />

wir suchen halt inmitten eines grossen epochenbruchs. die technologien<br />

der virtuellen und globalen vernetzung haben unser leben in<br />

nur einem jahrzehnt in nie gekanntem tempo verändert. gleichzeitig<br />

steuern wir ungebremst auf den ökologischen abgrund zu. um unseren<br />

inneren frieden zu bewahren, hilft uns die wiederverbindung mit der<br />

inneren und der äusseren natur.<br />

32


Die Erde und mit ihr wir Menschen rasen auf<br />

die globale ökologische Katastrophe zu. Die<br />

Krise ist so vielfältig wie dramatisch und spitzt<br />

sich mit großer Geschwindigkeit zu. Der von Menschen<br />

verursachte ökologische Kollaps naht –<br />

und wir machen weiter, als ob nichts wäre.<br />

Wider besseres Wissen. Und doch leben wir<br />

völlig anders als noch vor 10 oder 20 Jahren. Wir<br />

verbringen täglich viel Zeit online. Das Smartphone<br />

und seine Apps (genau genommen die digitale<br />

Industrie) haben unseren Alltag, unseren<br />

Tagesrhythmus, unsere Gewohnheiten und unsere<br />

Aufmerksamkeit dramatisch verändert. Wir<br />

haben diesen Lifestyle-Wandel mit Internet und<br />

sozialen Medien alle nur scheinbar freiwillig vollzogen.<br />

Erinnerst du dich, wie du heute vor zehn<br />

Jahren gelebt hast?<br />

Wir sind heute always on, wir sind überall und<br />

nirgends. Der Körper hier, die Aufmerksamkeit<br />

im Paralleluniversum. Auf der Strecke bleibt unser<br />

innerer Frieden, dieser heilsame Zustand der<br />

Stille und Ruhe. Wir leben in Unfrieden mit der<br />

Natur und mit uns selbst.<br />

Durchschnittlich 140 mal am Tag trifft der Durchschnitts-Deutsche<br />

nach Schätzungen des Soziologen<br />

Harald Welzer bequeme Entscheidungen<br />

wider besseres Wissen und denkt sie sich schön.<br />

Die offensichtlichsten Fehlleistungen: Wir essen<br />

viel Fleisch und trinken gern Milch, produzieren<br />

jede Menge Müll (den wir gewissenberuhigend<br />

trennen), wir fliegen so oft es geht in den Urlaub,<br />

fahren dicke Autos, rauchen und trinken zu viel,<br />

konsumieren Kurzlebiges und Unnötiges, genießen<br />

den Coffee-to-go im Wegwerfbecher und<br />

heizen unsere Freisitze mit Wärmepilzen ...<br />

Der tägliche fromme Selbstbetrug, auch bekannt<br />

unter dem Begriff der Kognitiven Dissonanz,<br />

funktioniert an der Oberfläche – doch in<br />

unseren tieferen seelischen Schichten wissen wir<br />

es besser: Wir empfinden subtilen Stress, Unzufriedenheit,<br />

ein Sinn-Vakuum, weil wir nicht so<br />

handeln, wie es für uns richtig und stimmig wäre.<br />

ZURÜCK ZUR EINFACHHEIT<br />

Der bis heute einflussreiche Schweizer Psychologe<br />

C.G. Jung (1875–1961), Gründer der analytischen<br />

Psychologie, baute sich in den Jahren<br />

zwischen 1923 und 1955 mit eigenen Händen am<br />

oberen Zürichsee ein abgeschiedenes Natur-Refugium.<br />

Im Turm von Bollingen, einer Art Burg<br />

ohne Strom, Heizung und fließendem Wasser,<br />

legte er Pausen vom Alltag ein. Jung schuf sich<br />

eine archaische Umgebung, die 500 Jahre zuvor<br />

genauso hätte existieren können (Ausnahme:<br />

Streichhölzer). Dorthin zog er sich zurück, um<br />

sich zu erden, dort erlebte er sich und die Natur<br />

am Seeufer intensiv und ergründete sich als lebendes<br />

Wesen am vorläufigen Ende einer langen<br />

Ahnenreihe.<br />

Jung war seiner Zeit weit voraus – und doch<br />

kehrte er systematisch immer wieder zu den Wurzeln<br />

seiner Existenz und zu denen der Menschheit<br />

zurück. Der Entdecker des Kollektiven Unbewussten<br />

und Deuter der Archetypen nannte<br />

Instinkt- und Wurzellosigkeit des Menschen<br />

dessen tiefstes Problem: »Je weniger wir verstehen,<br />

wonach unsere Väter und Vorväter gesucht<br />

haben, desto weniger verstehen wir uns selbst.«<br />

Getrennt von der Natur, von unseren Instinkten<br />

und unserer Intuition, eingesperrt im eindimensionalen<br />

Käfig unseres menschlichen Verstandes,<br />

spiegeln unsere inneren Nöte und Verwundungen<br />

die Zerstörungen der äußeren Welt.<br />

33


»<br />

48<br />

Miteinander statt<br />

Gegeneinander<br />

——<br />

PROF. DR. GERALD HÜTHER<br />

Unser Planet braucht keine erfolgreichen Menschen mehr, er braucht dringend Friedensstifter<br />

– Menschen mit Zivilcourage, die bereit sind, sich dafür einzusetzen, die Welt<br />

lebenswert und menschlich zu gestalten«,<br />

sagt der Dalai Lama.<br />

Alle nicken zustimmend und jeder macht so weiter wie bisher. Wir haben kein Erkenntnisdefizit,<br />

aber offensichtlich können wir das, was wir erkannt haben, nicht umsetzen.<br />

Gewaltsame Auseinandersetzungen ziehen sich wie eine rote Blutspur durch die<br />

gesamte Menschheitsgeschichte. Weshalb gelingt es uns nicht, unser Zusammenleben<br />

so zu gestalten, dass wir nicht länger diesen wunderbaren Planeten ruinieren, der uns<br />

als vernunftbegabte Spezies hervorgebracht hat?


wir werden zu objekten gemacht // Kein Mensch kommt<br />

als Kriegstreiber auf die Welt. Schon vor der Geburt hat jedes<br />

Kind die Erfahrung gemacht, dass es möglich ist, in engster<br />

Verbundenheit mit einem anderen Menschen jeden Tag<br />

ein kleines Stück über sich hinauszuwachsen. Deshalb versuchen<br />

alle Neugeborenen, überall auf der Welt, eine Beziehung<br />

zu ihren Bezugspersonen aufzubauen, die es ihnen ermöglicht,<br />

mit ihnen eng verbunden zu sein und in dieser<br />

Geborgenheit einer sicheren Beziehungsbeziehung gelingt<br />

es ihnen, ihrer Entdeckerfreude und Gestaltungslust nachzugehen,<br />

sich tagtäglich neue Fähigkeiten und Fertigkeiten<br />

anzueignen, eigene Kompetenzen zu erwerben, immer autonomer<br />

zu werden und ihre Talente und Begabungen zu entfalten.<br />

Normalerweise würden sie das am liebsten – wie am<br />

Anfang, als sie noch nicht von uns »erzogen« wurden – gemeinsam<br />

mit anderen machen. Aber mit diesen Anderen machen<br />

sie allzu oft schmerzhafte Erfahrungen. Denn in unserem<br />

Kulturkreis hat sich eine historisch<br />

gewachsene Kultur des Umgangs<br />

miteinander eingebürgert, die Heranwachsende<br />

oft schon in ihrer<br />

Herkunftsfamilie, im Kindergarten,<br />

in den Peer-Groups und spätestens<br />

in der Schule zu Objekten<br />

der Vorstellungen und Absichten,<br />

der Erwartungen und Bewertungen,<br />

der Belehrungen und Maßnahmen<br />

derjenigen macht, die sie<br />

auf ihrem Weg ins Leben begleiten.<br />

In dieser Weise <strong>zum</strong> Objekt gemacht<br />

zu werden, bedeutet, dass damit<br />

ihre beiden Grundbedürfnisse, das<br />

nach Verbundenheit und das nach<br />

einem selbstbestimmten Leben,<br />

gleichzeitig verletzt werden.<br />

Den damit verbundenen Schmerz<br />

können diese Heranwachsenden<br />

nur überwinden, indem sie diese<br />

Bedürfnisse zu unterdrücken versuchen,<br />

indem sie lernen, andere<br />

ebenso wie Objekte zu behandeln,<br />

oder sich selbst <strong>zum</strong> Objekt ihrer<br />

negativen Bewertungen machen. Die<br />

meisten Menschen sind zeitlebens<br />

damit beschäftigt, die jeweils von<br />

ihnen zur Lösung dieses Problems<br />

gefundenen Bewältigungsstrategien<br />

zu verbessern und auszubauen.<br />

Wirkliche Weiterentwicklung,<br />

also eine Entfaltung der in ihnen angelegten Potentiale ist<br />

so nicht möglich – aber immerhin passen die so entstandenen<br />

Persönlichkeiten dann in diese sonderbare Gesellschaft:<br />

Die einen versuchen, andere für ihre Absichten und Ziele<br />

einzuspannen, die anderen versuchen, sich vor deren Übergriffigkeiten<br />

zu schützen.<br />

Beides ist keine Grundlage für ein fruchtbares Miteinander.<br />

Zwangsläufig suchen die Vertreter dieser beiden Bewältigungsstrategien<br />

nach Gleichgesinnten. So kommt es zur Herausbildung<br />

von Gruppierungen, die entweder andere zu beherrschen<br />

versuchen oder die sich gegenseitig ihre Wunden<br />

leckend in gemeinsam gefundene Nischen zurückziehen.<br />

Erstere bekämpfen sich gegenseitig, letztere hoffen meist<br />

vergeblich, dass ihre heile Nischenwelt dabei nicht untergeht,<br />

und schließen sich deshalb über kurz oder lang meist<br />

einer dieser nach mehr Macht und Einfluss strebenden und<br />

einander bekämpfenden Gruppierungen an. Die Folgen sind<br />

auch heute noch überall auf der Welt zu besichtigen. Die Geschichte<br />

der Menschheit ist eine Geschichte fortwährender<br />

kriegerischer Auseinandersetzungen. Eine friedliche Lösung,<br />

so scheint es, ist nicht in Sicht.<br />

was eine gesellschaft im innersten zusammenhält //<br />

Ob wir vor uns selbst oder vor anderen zuzugeben bereit sind<br />

oder nicht: Wir Menschen sind keine Einzelkämpfer. Als Einzelne<br />

könnten wir noch nicht einmal überleben, geschweige<br />

denn uns weiterentwickeln. Wir sind soziale Wesen und<br />

deshalb brauchen wir eine verlässliche Gemeinschaft mit anderen<br />

Menschen, um die in uns angelegten Potentiale zu entfalten.<br />

Weil unser menschliches Gehirn aber so stark durch<br />

49


t i t e l<br />

den hass<br />

begraben<br />

——<br />

VIVIAN DITTMAR<br />

Es gab eine Zeit in meinem Leben, da habe<br />

ich mir nichts sehnlicher gewünscht, als<br />

Frieden in meine Beziehungen zu bringen,<br />

insbesondere in meine Liebesbeziehungen<br />

zu Männern. Diese waren zwar einerseits<br />

geprägt von großer Leidenschaft, tiefer Liebe<br />

und Hingabe, zugleich jedoch zerrüttet<br />

von zermürbenden Kämpfen. Oft wusste ich<br />

gar nicht, worum es wirklich ging. Wenn<br />

es gut lief, war mir bewusst, worum es nicht<br />

ging: Es ging nicht um die oberflächlichen<br />

Belanglosigkeiten, an denen wir uns verhakten.<br />

Aber worum dann?<br />

60


s c h l a c h t f e l d<br />

b e z i e h u n g<br />

In jeder dieser schwierigen Beziehungen kam ein<br />

Punkt, an dem ich in das wutverzerrte Gesicht<br />

meines Geliebten blickte und darin vor allem eines<br />

las: blanken Hass. Und wenn das nicht geschah,<br />

dann strahlte die kalte Mauer, hinter die<br />

er sich zurückzog, den gleichen Hass aus. Es<br />

dauerte eine ganze Weile, bis ich erkannte, dass<br />

dieser Hass nicht wirklich mir persönlich galt,<br />

sondern dem Weiblichen an sich. Und es dauerte<br />

noch eine ganze Weile länger, bis mir klar<br />

wurde, dass dieser Hass ein Spiegel meines eigenen<br />

Hasses war: ein Teil von mir, den ich sehr<br />

gut vor mir selbst, meinen Geliebten und dem<br />

Rest der Welt verborgen hielt, hasste Männer.<br />

Zutiefst.<br />

Diese Erkenntnis war mehr als erschreckend<br />

für mich. Dieser Hass passte so gar nicht zu<br />

meinem Selbstbild als liebevolle, tolerante Person.<br />

Und dieser Hass war so mächtig, so unverrückbar<br />

und von solch archaischer Wucht, dass<br />

ich keinen blassen Schimmer hatte, wie ich ihm<br />

begegnen könnte. Ich wusste nicht wirklich, woher<br />

er kam – auch wenn er mir spontan tausend<br />

Gründe nennen konnte, warum er berechtigt war.<br />

Doch mir war klar, dass ich mir immer wieder<br />

Männer aussuchte, die unterbewusst Frauen hassten,<br />

genau wie ich unterbewusst Männer hasste.<br />

Kein Wunder, dass meine Beziehungen immer<br />

wieder zu Schlachtfeldern wurden!<br />

Seitdem ist viel geschehen. So viel, dass dieser<br />

Hass nichts weiter als eine blasse Erinnerung<br />

mehr in mir ist. Doch nichts von dem geschah<br />

von jetzt auf gleich und es war ein langer<br />

Weg. Alles begann mit einem Entschluss: Ich<br />

wollte diesen Hass überwinden. Auch wenn es<br />

tausend Gründe gab, ihn aufrechtzuerhalten, es<br />

gab eine Instanz in mir, die wusste, dass dieser<br />

Hass keine Lösung war. Und auch wenn er in<br />

mir wie eine unüberwindbare Mauer erschien,<br />

gab es dennoch die Hoffnung, dass es möglich<br />

war. Die gleiche, weise Instanz in mir, die wusste,<br />

dass der Hass keine Lösung war, wusste auch,<br />

dass diese Mauer nicht nur überwindbar ist,<br />

sondern sogar aufgelöst werden kann.<br />

Inzwischen war in meinen Beziehungen so<br />

viel schief gelaufen, dass ich neben dieser abstrakten<br />

Ebene des Hasses auf das Männliche an<br />

sich, die ich tief in mir vergraben hatte, durchaus<br />

auch ganz konkreten Hass auf ganz konkrete<br />

Männer hatte, die mir sehr, sehr weh getan hatten.<br />

Wenn ich auch nur daran dachte, das zu verzeihen,<br />

kapitulierte ich: »NIEMALS!« sagte der Hass.<br />

Intuitiv wusste ich jedoch, dass dieser konkrete<br />

Hass nur die Auswüchse jenes tieferen, kollektiven<br />

Hasses war. Er war die Wurzel. So aussichtslos<br />

es schien, die Auswüchse in den Griff zu bekommen,<br />

so naheliegend schien es, direkt an die<br />

Wurzel zu gehen. Aber wie?<br />

v o n k r i e g e r n f ü r<br />

d e n f r i e d e n l e r n e n<br />

Vor einigen Jahren hatte ich das große Glück, von<br />

einer israelischen Freundin zu einer Sulcha mitgenommen<br />

zu werden. Eine Sulcha ist ein Friedenstreffen<br />

zwischen Israelis und Palästinensern,<br />

das regelmäßig in einem Friedensdorf in Israel/<br />

Palästina stattfindet. Dieses spezielle Treffen war<br />

von einer Organisation initiiert, die sich Children<br />

of the Bereaved Families nennt – also Kinder<br />

der trauernden Familien. In dieser Organisation<br />

hatten sich Menschen beider Seiten zusammengefunden,<br />

die Familienangehörige in dem Jahrzehnte<br />

währenden Konflikt verloren hatten.<br />

Das Treffen begann mit Musik. Jüdische und<br />

arabische Musiker spielten gemeinsam, sangen<br />

mal auf Hebräisch, mal auf Arabisch. Einmal mehr<br />

stellte ich fest, wie ähnlich die beiden Kulturen<br />

und Sprachen sind. Und ich bemerkte erstaunt,<br />

wie selbstverständlich viele Anwesende die jeweils<br />

andere Sprache verstanden. Zudem schaffte die<br />

Musik einen gemeinsamen, verbindenden Raum<br />

jenseits von Worten.<br />

Danach erzählten zwei Männer ihre Geschichte:<br />

ein Israeli, der bereits als Kind seinen Vater verloren<br />

hatte, und ein Palästinenser, dessen Bruder<br />

im Kampf gefallen war. Der Schmerz der beiden<br />

war im Raum spürbar und nahezu unerträglich.<br />

Und auch dieser Schmerz schaffte eine starke Verbindung<br />

jenseits von Worten.<br />

Besonders beeindruckte mich der Palästinenser.<br />

Er hatte nicht nur seinen Bruder verloren, sondern<br />

war selbst als Hamaskämpfer lebensgefährlich<br />

verwundet worden. Sein Gesicht und sein Körper<br />

trugen die Spuren dieser Wunden. Irgendwann,<br />

ich weiß nicht warum, traf auch er eine radikale<br />

Entscheidung: »Ich werde nicht das Opfer meines<br />

61


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mitwirkende dieser ausgabe<br />

Markus Bäuchle, Robert Betz, Dunja Burghardt, Musia Heike Bus,<br />

Vivian Dittmar, Karl Gamper, Prof. Dr. Gerald Hüther, Thomas<br />

Kiehl-Fruh, Oliver Haas, Jeannette Hagen, Ann Christin Heim,<br />

Ilona Kofler, Andreas Knuf, Karl-Heinz Land, Sylvia Löhken, Maja<br />

Nowak, Nicolas Pesch, Tom Peters, Christoph Quarch, Micky Remann,<br />

Sarah Schömbs, Steffi Schroeter, SEOM, John Strelecky, Maximilian von<br />

Düring, Mechthild von Scheurl-Defersdorf, Theodor von Stockert,<br />

Christine Wanjura, Juliane Wothe<br />

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