KEM Konstruktion Systems Engineering 02.2018
Themenschwerpunkte: Methoden, Tools sowie Anwendungen; KEM Porträt: Christian Sallach, Chief Digital Officer, Wago; KEM Perspektiven: Systems Engineering einführen - ein soziales Projekt
Themenschwerpunkte: Methoden, Tools sowie Anwendungen; KEM Porträt: Christian Sallach, Chief Digital Officer, Wago; KEM Perspektiven: Systems Engineering einführen - ein soziales Projekt
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METHODEN<br />
PERSPEKTIVEN<br />
„Großunternehmen<br />
kämpfen oft mit starren<br />
Strukturen und trägen<br />
Entscheidungswegen.<br />
Zudem sind hier Spezialistentum<br />
und Silo-Denken<br />
weit stärker ausgeprägt<br />
als im Mittelstand<br />
– beides wiederspricht<br />
dem Kern des SE.“<br />
Lukas Bretz, Wissenschaftler<br />
am Fraunhofer IEM (li.)<br />
Bild: Fraunhofer IEM<br />
Bild: Fraunhofer IEM<br />
Harting: Da sind wir beim Stichwort Change Management angekommen.<br />
Herr Bretz, gibt es Aspekte, die beim Veränderungsmanagement<br />
für SE besonders zu beachten sind?<br />
Typische Organisationsformen für SE-Einführung und Betrieb<br />
Bretz: Bei der Einführung von SE gilt es, die Mitarbeiterinnen und<br />
Mitarbeiter zu überzeugen, zu befähigen und schließlich die SE-Lösung<br />
auszurollen und mit der Belegschaft zu verstetigen. Zu diesem<br />
Zweck sollten Unternehmen etablierte Ansätze des Change Management<br />
adaptieren. Allerdings halte ich einige dieser Ansätze für<br />
ungeeignet, da sie einen reinen Top-Down Ansatz vorschlagen. Für<br />
eine erfolgreiche SE-Einführung müssen aber sowohl Management,<br />
als auch Mitarbeiter von Beginn an überzeugt und mitgenommen<br />
werden. Hier kommen das von Herrn Knoke beschriebene Knabberglück<br />
und die interne Kommunikation ins Spiel. Parallel zu der inhaltlichen<br />
Erarbeitung des SE-Konzeptes gilt es, mögliche Hindernisse<br />
in der Organisation zu erkennen und zu beseitigen. Unangenehme<br />
Hindernisse sind das „nicht wollen“ oder „nicht dürfen“. In manchen<br />
Fällen reicht es hier, wenn SE-Projektleiter Überzeugungsarbeit<br />
leisten. In anderen Fällen müssen sie die organisatorischen<br />
Rahmenbedingungen hinterfragen und anpassen. Denn wenn das<br />
Ziel ein abteilungsübergreifendes Miteinander ist, die erfolgsabhängige<br />
Vergütung aber Silo-Denken begünstigt, ist das ein Widerspruch<br />
per se und die Bemühungen zur Einführung werden behindert.<br />
Den organisatorischen Rahmen anzupassen heißt, neue Rollen<br />
zu schaffen und bestehende so zu überdenken, dass sie optimal<br />
zum unternehmensspezifischen SE-Konzept passen. Andere typische<br />
Hindernisse sind das „nicht wissen“ und „nicht können“. Hier<br />
sind Schulungen und Coachings für die Belegschaft oftmals zielführend.<br />
Für den Projekterfolg sind aber nicht nur die Mitarbeiterinnen<br />
und Mitarbeiter wichtig, die später direkt <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> betreiben.<br />
Gerade mit der Unternehmens-IT ist für die SE-Einführung<br />
eine sehr intensive Zusammenarbeit erforderlich. Alle an der Produktentstehung<br />
beteiligten Bereiche müssen offen für Veränderungen<br />
sein. Dies beginnt bereits beim Marketing und umfasst auch<br />
unterstützende Bereiche wie die IT.<br />
Eine weiterer Faktor für Erfolg oder Misserfolg des SE-Projekts ist<br />
die Anzahl der Neuerungen sowie Zeitpunkt und Geschwindigkeit,<br />
mit der sie eingeführt werden. Um die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter<br />
hier nicht zu überfordern, können zum Beispiel regelmäßige<br />
SE-Releases genutzt werden. So muss sich die Belegschaft immer<br />
nur auf kleinere Veränderungen einlassen. Zudem kann das Projektteam<br />
ein Release besser vorbereiten als einen „Big-Bang“.<br />
Knoke: Ein weiterer Vorteil von Releases ist die bessere Abstimmung<br />
mit parallelen Organisations- und IT Programmen. Bei Miele<br />
werden regelmäßig die Releases des komplexen PLM-Programm<br />
mit den SE Release-Zyklen synchronisiert. Gerade für die neu einzuführenden<br />
IT-Systeme ist das eine große, aber auch absolut notwendige<br />
Herausforderung.<br />
Harting: Auf was gilt es neben Change Management und<br />
Projektorganisation noch zu achten?<br />
Bretz: Oft wird zunächst vergessen, dass im Einführungsprojekt neben<br />
Richtlinien und Prozessen bereits konkrete Inhalte erarbeitet<br />
werden müssen, etwa Referenzstrukturen für Anforderungsspezifikationen<br />
oder Architekturen. Für eine Anwendung von SE mit vielen<br />
Mitarbeitern sind solche Strukturen sehr wichtig, da Modelle sonst<br />
nicht miteinander vergleichbar, konsistent und kompatibel gehalten<br />
werden können. Auch das Entwickeln von Modellbibliotheken für<br />
Standard-Funktionen oder -Elemente ist häufig notwendig. Grundlage<br />
für die Anwendung von SE sind natürlich – neben der Grundlage<br />
des Systemdenkens – geeignete Methoden und Prozesse. Für Model-Based<br />
<strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> sind zusätzlich Modellierungssprachen<br />
und Werkzeuge wichtig. In jedem dieser Bereiche gibt es zum<br />
Glück gute Vorarbeiten, auf die wir aufbauen können. Als Sprache<br />
greifen wir zum Beispiel gerne auf Consens oder SysML zurück.<br />
28 K|E|M <strong>Konstruktion</strong> <strong>Systems</strong> <strong>Engineering</strong> 02 2018