WIRTSCHAFT+MARKT 6/2018
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50 | W+M TITEL<br />
„So ist der Aufholprozess zwischen<br />
Ost und West nicht zu schaffen“<br />
Im Gespräch mit Prof. Dr. Reint E. Gropp, Präsident des Leibniz-Instituts<br />
für Wirtschaftsforschung in Halle<br />
W+M: Herr Professor Gropp, das Leibniz-Institut<br />
für Wirtschaftsforschung<br />
(IWH) in Halle wurde unmittelbar nach<br />
der Wiedervereinigung gegründet. Was<br />
macht heute die eigentliche Alleinstellung<br />
Ihres Hauses aus?<br />
Reint E. Gropp: Wir wurden 1991 zur<br />
Erforschung der Transformation im Zusammenhang<br />
mit dem Übergang der<br />
neuen Bundesländer in die Marktwirtschaft<br />
gegründet. In den 2000er-Jahren<br />
begann die Suche nach einer neuen Strategie.<br />
Ziel war es, das Thema Transformationsforschung<br />
mit einem neuen Thema<br />
zu verbinden, um sich wissenschaftlich<br />
weiter zu entwickeln. Die Wahl fiel<br />
Ende 2010 auf die Finanzforschung. Es<br />
war die Zeit der Finanzkrise und es stellte<br />
sich heraus, dass es in keinem deutschen<br />
Institut eine starke Finanzforschung<br />
gab. Das IWH untersucht daher<br />
langfristige Wachstums- und Aufholprozesse.<br />
Wachstum ist bestimmt durch<br />
die Effizienz der Allokation der Ressourcen<br />
Arbeit und Kapital im Arbeits- und<br />
Finanzmarkt. Wachstum besser zu verstehen<br />
ist generell wichtig, aber für Ostdeutschland<br />
vielleicht noch mehr, denn<br />
wenn Ostdeutschland jemals den Westen<br />
im Wohlstand einholen will, muss der<br />
Osten schneller wachsen als der Westen.<br />
W+M: Was ist denn das Bemerkenswerteste,<br />
das in den neuen Bundesländern<br />
passiert ist, wovon andere lernen könnten?<br />
Reint E. Gropp: Zunächst einmal muss<br />
ich zugeben, dass mich die langanhaltenden<br />
wirtschaftlichen Unterschiede zwischen<br />
Ost und West überrascht haben.<br />
Es gibt wenig ökonomische Modelle, die<br />
nach knapp 30 Jahren keine Konvergenz<br />
vorhergesagt hätten. Immerhin ist das<br />
Rechtssystem zwischen Ost und West<br />
gleich und Kapital und Arbeitskräfte können<br />
sich frei bewegen. Aber schon seit<br />
DAS IWH<br />
Das Leibniz-Institut für Wirtschaftsforschung<br />
Halle (IWH) wurde mit Wirkung<br />
zum 1. Januar 1992 gegründet. Als Institut<br />
der Leibniz-Gemeinschaft wird sein<br />
institutioneller Haushalt zu je 50 Prozent<br />
von Bund und Ländern finanziell getragen.<br />
Das Institut wird in privater Rechtsform<br />
als eingetragener Verein geführt.<br />
Entsprechend der Satzung verfolgt das<br />
Institut ausschließlich und unmittelbar<br />
gemeinnützige, insbesondere wissenschaftliche<br />
Zwecke. Im Rahmen dieser<br />
Zielsetzung führt das IWH neben seinen<br />
durch die institutionelle Förderung<br />
finanzierten Aufgaben auch Drittmittelforschung<br />
durch.<br />
1997 gibt es keine Fortschritte. Zum Teil<br />
hat das sicher auch mit verpassten Chancen<br />
zu tun. Die Chancen, die sich ergaben<br />
und ergeben, werden aus verschiedensten<br />
Gründen in Ostdeutschland zu selten<br />
genutzt. Zudem entwickelt sich die<br />
Wirtschaft zurzeit allgemein in Deutschland<br />
sehr gut, aber eben im Osten nicht<br />
besser als im Westen. In solchen Zeiten<br />
will man aber keine radikalen Vorschläge<br />
umsetzen. Jetzt wäre aber genau der<br />
richtige Zeitpunkt, um Neues mutig anzugehen.<br />
Aber auch schon 1990 wurde<br />
es verpasst, statt alte, auch im Westen<br />
schon überholte, Industriezweige zu erhalten,<br />
die Zeichen der Zeit zu erkennen<br />
und eher auf moderne Dienstleistungen<br />
und IT zu setzen.<br />
W+M: Wer hätte das 1990 entscheiden<br />
müssen?<br />
IWH-Präsident Reint E. Gropp im Gespräch mit W+M-Verleger Frank Nehring (l.).<br />
Reint E. Gropp: Hinterher ist man natürlich<br />
immer schlauer. Vielleicht die Treuhand,<br />
allerdings hatte die sowieso alles<br />
Fotos: W+M<br />
<strong>WIRTSCHAFT+MARKT</strong> | 6/<strong>2018</strong>