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IM KW 04

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Auf der Suche nach der Meta-Ebene<br />

Philip Haslwanter von den Kühtaier Bergbahnen und Naturschutzbeauftragter Werner Schwarz im RS-Gespräch<br />

Beim geplanten Skigebietszusammenschluss Hochoetz und<br />

Kühtai verstärken sich die Fronten immer mehr. Doch es gäbe<br />

auch einen respektvolleren Umgang mit der jeweils anderen Meinung,<br />

wie das kürzlich von der RUNDSCHAU arrangierte Gespräch<br />

zwischen Philip Haslwanter und Werner Schwarz beweist.<br />

Von Agnes Dorn<br />

RUNDSCHAU: In der öffentlichen<br />

Debatte kommt es so herüber, als<br />

gäbe es nur den Standpunkt der Naturschützer<br />

und jenen der Seilbahner.<br />

Gibt es nicht auch eine Meta-Ebene<br />

abseits dieser beiden Fronten, auf der<br />

man diskutieren könnte?<br />

Werner Schwarz, Naturschutzbeauftragter:<br />

Ich verstehe die Seilbahnwirtschaft<br />

gut. Man möchte<br />

vergrößern und so weiter, aber dort<br />

oben gefällt mir das nicht. Das ist da<br />

oben wunderschön, da gibt es Lebewesen,<br />

die es sonst selten gibt, ein<br />

Ökosystem, das man in der Weise<br />

nur kennt, wenn man dort war. Mit<br />

der Abfahrt vom Kaiserlift haben<br />

wir damals schon unheimlich die<br />

Augen zugedrückt und gesagt: Da<br />

dürft ihr reinfahren, obwohl es theoretisch<br />

nicht sein darf. Ich würde<br />

mir wünschen, dass wir einen Weg<br />

finden, dass es ohne die Berührung<br />

des Gebietes eine Zufriedenheit im<br />

Alpinskibereich gibt.<br />

Philip Haslwanter, Geschäftsführer<br />

der Kühtaier Bergbahnen:<br />

Die Projektwerber haben sich schon<br />

bemüht, gewisse Dinge im Vornherein<br />

in der Planung zu berücksichtigen<br />

und auszulassen. Wir lassen<br />

den Pirchkogel aus und versuchen,<br />

möglichst direkt zum Schafjoch zu<br />

fahren. Wir lassen die Feldringer Böden<br />

aus, weil das wirklich die Forderungen<br />

von der anderen Seite sind.<br />

Schwarz: Ich finde das wahnsinnig<br />

toll, dass ihr euch bemüht habt,<br />

den Pirchkogel herauszunehmen<br />

und die Feldringer Böden. Aber das<br />

Ganze ist ein Ensemble. Wenn du<br />

von der Karrer Höhe oder vom Simmering<br />

herüberschaust – das ist eine<br />

Region, die als Erholungsraum ohne<br />

Erschließung gelebt wird von den<br />

Einheimischen und Gästen. Dieser<br />

ganze Rücken vom Amberg bis zum<br />

Pirchkogel müsste zusätzlich unter<br />

Schutz gestellt werden, weil das ein<br />

außergewöhnlicher Natur- und auch<br />

Kulturbereich ist. Außerdem bestehen<br />

Befürchtungen, wenn die Bahn<br />

gebaut wird, dass man die Böden<br />

dann mit einbezieht oder da in diese<br />

Richtung ausweitet. Wenn man<br />

da oben schon hingeht, dann wäre<br />

es sicher sinnvoll, das für alle breit<br />

aufzumachen. Das würde ich aus<br />

wirtschaftlicher Sicht so sehen und<br />

das ist die Hauptbefürchtung der<br />

Freunde dieser Böden.<br />

Haslwanter: Jetzt haben wir aber<br />

gesagt, die Böden lassen wir aus…<br />

Schwarz: Derzeit… Wenn die<br />

Bahn besteht, wäre es in meinen<br />

Augen – verzeih mir wenn ich sage –<br />

dumm, dieses traumhaft-gemütliche<br />

Gebiet nicht mit einzuschließen.<br />

RS: Welche Auswirkungen auf den<br />

Tourismus würdet ihr vermuten, wenn<br />

das Projekt nicht realisiert würde?<br />

Schwarz: Ich glaube nicht, dass<br />

der Tourismus leidet, wenn der Zusammenschluss<br />

so nicht kommt,<br />

wenn man begreift, dass Tourismus<br />

heutzutage nicht Skilift auf und ab<br />

ist, sondern Gesamterholung mit<br />

Naturerlebnis. Und es hat kein Gebiet<br />

der Erde so viele Wintermöglichkeiten<br />

wie Kühtai: Da kann man<br />

Alpin fahren, da kann man Touren<br />

gehen, da kann man Langlaufen<br />

und mit Schneeschuhen gehen. Das<br />

ist alles so nah zusammen und der<br />

heutige Tourist genießt das, wenn er<br />

nicht nur Kilometer sammelt, sondern<br />

wenn er diese Fülle genießen<br />

kann und die gibt es in Kühtai. Und<br />

das macht mich traurig, dass man<br />

diese Dimension nicht einmal andenkt.<br />

In welchem Zustand der Weg<br />

vom Pirchkogel im Sommer ist, ist<br />

eine Katastrophe. Nicht einmal ein<br />

Kreuz steht da oben.<br />

Haslwanter: Das negative Zukunftsszenario<br />

für diese beiden Skigebiete<br />

ist vielleicht nicht in drei<br />

oder fünf Jahren erkennbar, das<br />

wird schon fünf bis sieben Jahre so<br />

normal weitergehen. Aber es zeigt<br />

sich überall, ab einer bestimmten<br />

Mindestgröße hat man Probleme<br />

am Markt. Der Markt verlangt eine<br />

größere Einheit, verlangt mehr Pistenkilometer,<br />

verlangt ein größeres<br />

zusammenhängendes Gebiet.<br />

Wobei das nie ein Riesengebiet<br />

werden wird. Wir reden da im Endeffekt<br />

von 25 oder 26 Anlagen,<br />

nicht von 100 von 150. Das bleibt<br />

von seiner Größenstruktur her also<br />

ein mittleres Skigebiet. Aber dieses<br />

Kooperieren ist für die Wirtschaftstreibenden<br />

sowohl in Oetz als auch<br />

in Ochsengarten, Kühtai und dem<br />

Sellraintal eine äußerst sinnvolle<br />

Sache.<br />

RS-Foto: Dorn<br />

Naturschutzbeauftragter Werner Schwarz (l.) und Kühtai-Geschäftsführer Philip Haslwanter<br />

(r.) von den Kühtaier Bergbahnen vergleichen alte Pläne mit den aktuellen.<br />

Schwarz: Was mir fehlt, ist die<br />

echte Alternative. Die Alternative,<br />

den Talweg elektrisch zu machen<br />

oder unten im Talweg eine Seilbahn<br />

zu führen, um diesen Bereich<br />

für die Zukunft frei zu lassen. Was<br />

bei den Touristikern noch nicht im<br />

Kopf ist, ist diese Suche nach einem<br />

Stück Natur im Gegensatz zu dieser<br />

übertechnisierten Welt. In den Seitentälern<br />

ist zwar auch jede Menge<br />

Natur, aber in diese Region kann ich<br />

Tag und Nacht, im Winter wie im<br />

Sommer, ob Lawinengefahr ist oder<br />

nicht erreichen. Es ist einfach faszinierend,<br />

diese leichte Erreichbarkeit<br />

und dann das Naturerlebnis.<br />

Haslwanter: Man muss schon<br />

die Größe auch in Relation setzen.<br />

Große Flächen extensiv zu schützen,<br />

passiert auch im Bezirk. Wir haben<br />

35 Prozent der gesamten Bezirksfläche<br />

geschützt, vor allem mit dem<br />

Ruhegebiet Ötztaler Alpen: Die Riesenfläche<br />

geht bis nach Italien, da<br />

sind 154 Gipfel und viele Bergseen<br />

geschützt. Aber irgendwo müssen<br />

die Leute noch leben dürfen und<br />

können. Die Tourismuswirtschaft,<br />

die ein Drittel der gesamten Wertschöpfung<br />

mitgeneriert, braucht<br />

ein Prozent zum Leben. Und wenn<br />

nun diese beiden Skigebiete sagen,<br />

mit diesen zwei Anlagen sind wir die<br />

nächsten 20 bis 30 Jahre ganz anders<br />

aufgestellt, werden nicht zu Subventionsempfängern,<br />

können uns selber<br />

langfristig weiterentwickeln, dann<br />

kann man doch nicht sagen: „Ich<br />

will das nicht, weil mir das da oben<br />

nicht gefällt.“ Und noch ein Szenario:<br />

Was wäre, wenn wir keine intensive<br />

Nutzung in Skigebieten hätten.<br />

Wenn 24 Millionen Nächtigungen,<br />

also Leute, Touren gehen würden.<br />

Was das für die Natur bedeuten würde,<br />

wenn die überall raufspringen<br />

würden, wenn man solche Ströme<br />

nicht kanalisieren würde. Ist das ein<br />

wünschenswertes Szenario rein aus<br />

Natursicht für Wild, für Flora und<br />

Fauna, für die Ruhe?<br />

RS: Das ist ein gutes Argument<br />

für die beiden bestehenden Skigebiete.<br />

Aber wie soll man den geplanten Zusammenschluss<br />

nach außen hin verkaufen?<br />

Haslwanter: Als eine der letzten<br />

Möglichkeiten des Bezirks. Dass<br />

nicht nach außen, zum Beispiel<br />

nach München die Erwartungshaltung<br />

hinausgetragen wird, dass die<br />

jetzt jedes Jahr irgendeinen Zusammenschluss<br />

machen. Weil das einfach<br />

nicht der Realität entspricht.<br />

Wir reden da von einem Zeitsprung<br />

von zehn Jahren und da sind im Bezirk<br />

zufällig zwei Zusammenschlüsse<br />

in Diskussion. Es darf nicht ein<br />

Bild nach außen getragen werden,<br />

wo mit allen negativ besetzten Worten<br />

wie Gier und Neid gearbeitet<br />

wird. Weil das der Realität nicht entspricht.<br />

Schwarz: Das Skigebiet Hochoetz<br />

ist zu klein für die vielen Leute, die<br />

sie anlocken wollen. Sie müssen die<br />

Kühtaier mit den Menschen füttern,<br />

weil die würden sich da oben auf die<br />

Zehen steigen. Das ist mit – so viel<br />

ich gehört habe – eines der Hauptargumente,<br />

warum die Oetzer und<br />

speziell der Bürgermeister so für<br />

die Verbindung sind, weil er dann<br />

die 3000 Nächtigungen, die geplant<br />

sind, irgendwo unterbringt zum Skifahren.<br />

Speziell im Winter möchte<br />

er das Kühtai seinen Gästen anbieten,<br />

weil das entsprechend nah ist.<br />

Gute Idee, aber da wäre ich mir als<br />

Kühtaier zu schade dafür.<br />

RUNDSCHAU Seite 4 23./24. Jänner 2019

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