TE KW 04
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K ULTUR<br />
Das offizielle Telfs feierte am vorletzten Wochenende seinen<br />
großen Auftritt in Wien – begleitet von fast 700 Telfern aus<br />
den Traditionsvereinen, der Marktmusikkapelle, dem Gemeinschaftschor<br />
der Kirchenchöre, dem Männergesangverein, den<br />
Schützen. Ein Blick hinter die Kulissen.<br />
Von Lia Buchner<br />
Samstag 5:30 Uhr, ein kalter Morgen<br />
nach dem Schneechaos. Verblüffend<br />
viele Menschen sind in der<br />
Dunkelheit unterwegs, mit Gepäck<br />
und heiterer Miene. Der Begleittross<br />
fährt Bus, um sechs geht es los Richtung<br />
Osten. Die erste Kaffeepause<br />
in Mondsee entfällt wegen Stromausfall<br />
(der viele Schnee), dafür<br />
gibt’s im Bus Landjäger mit Prosecco.<br />
Am Voralpenkreuz blockiert die<br />
Marktmusik den Kaffeeausschank,<br />
ihr Bus war wohl schneller, aber<br />
jeder bekommt seinen Kaffee und<br />
die Busfahrer ihre Pause. Kurz hinter<br />
Linz gibt es die erste Schnapsl-<br />
Runde, bei St. Pölten eine Likörverkostung<br />
(Chili oder Granatapfel).<br />
In Wien fahren die Busse direkt<br />
zum Stephansdom, Generalprobe<br />
Einfach nur wunderschön<br />
Tirolerball und Festmesse im Stephansdom<br />
der Messe. Die Blasmusik ist wieder<br />
schneller und hat die Instrumente<br />
schon ausgepackt. Nach nur einer<br />
gemeinsamen Probe hat Kapellmeister<br />
Andreas Kranebitter Sorgenfalten,<br />
und ja, die Bläser sind zu laut<br />
und der Riesenchor asynchron.<br />
Aber das wird schon. Dann geht’s<br />
ins Hotel, ziemlich weit jenseits und<br />
sehr schick, und es bleiben zum Beine<br />
hochlegen, Duschen und Ballfein<br />
machen zwei knappe Stunden.<br />
Herrlich.<br />
Am Abend gibt’s im Rathauskeller<br />
Schnitzel für alle. Diesmal sind<br />
die Schützen UND die Blasmusik<br />
schneller, alle Bänke sind voller<br />
Tracht. Ein schönes Bild, die Kellnerinnen<br />
sind hingerissen („So viel<br />
stramme Wadln“). Beim landesüblichen<br />
Empfang im Arkadenhof des<br />
Berührende Momente beim Trompetensolo im Dom. Einfach nur wunderschön.<br />
Rathauses (großes Kino mit Fahnen,<br />
Salutschießen, Blasmusik, MGV)<br />
trotzt Bürgermeister Christian Härting<br />
dem schneidend kalten Wind<br />
in kurzer Lederhose, Bürgermeister<br />
Michael Ludwig friert im dicken<br />
Wintermantel und meint anerkennend<br />
„Ihr haltet‘s was aus.“ Es ist<br />
sein erster Tirolerball.<br />
Drinnen bleibt die Balleröffnung<br />
traditionell prächtig mit Fahneneinzug<br />
der Vereine. Eine besonders<br />
schöne Idee sind die drei Banner<br />
mit den Flaggen aller in Telfs lebenden<br />
Nationalitäten. Die schönsten<br />
Festdirndl und Trachten flanieren<br />
durch die Säle, in den hinteren Räumen<br />
haben die fleißigen Hände der<br />
Gemeinde einen Monatsmarkt aufgebaut,<br />
etliche Kapellen sorgen für<br />
Stimmung. Im Festsaal spielt „Gehörsturz“<br />
fast handzahm, unterhalten<br />
kann man sich trotzdem nicht.<br />
Erst recht nicht bei „Dem Land Tirol<br />
die Treue“, da geht es selbst mit<br />
chronischen Nichtsängern durch.<br />
Kurz vor Mitternacht üben die<br />
Cheerleaderinnen der Telfer Patriots<br />
nochmal ihre waghalsigen Sprünge<br />
im Marmorfoyer des Rathauses. Die<br />
Mitternachtseinlage samt Moderation<br />
von Gregor Bloéb stellt dann<br />
viele Telfer vor Rätsel: Findet Bloéb<br />
wirklich witzig, was er da sagt? Gab<br />
es keinen Soundcheck für den Mitterer-Monolog<br />
aus „1809“? Francesco<br />
Cirolini bleibt quasi unverstanden.<br />
Und hat vorher keiner gemerkt, dass<br />
gefühlte acht Minuten Theatertext<br />
verdammt lang sind für einen Ball?<br />
Entgegen aller Erwartung ist aber der<br />
Auftritt der Schleicher, Herolde und<br />
Laninger („Ohne Kostüm? Wie soll<br />
das gehen?“) sehr sehr schön. Und<br />
Kurz vor Mitternacht: Waghalsige letzte<br />
Probe der Cheerleader im Rathausfoyer.<br />
<br />
Fotos: Lia Buchner<br />
die Waghalsigkeit der Patriots und<br />
der Cheerleader-Mädchen klappt<br />
auch beim Auftritt.<br />
Ab Mitternacht gibt es Shuttlebusse<br />
zu den Hotels, sehr fein. An<br />
Ausschlafen ist aber nicht zu denken,<br />
am Sonntag ist Messe. Wieder<br />
zurück in die Stadt, Einsingen im<br />
Stephansdom, die Kirche ist rappelvoll.<br />
Bischof Hermann Glettler,<br />
Dompfarrer Toni Faber, Dekan Peter<br />
Scheiring und Pater Severin zelebrieren<br />
die Messe. Schon beim Kyrie<br />
merken alle: diesmal klappt‘s. Die<br />
Marktmusik spielt an den richtigen<br />
Stellen piano, der Chor hat viel Dynamik<br />
und Kraft. Und dann wird es<br />
doch noch richtig berührend. Das<br />
Trompetensolo ist so herzzerreißend<br />
schön, dass allen schlagartig bewusst<br />
wird: es ist der Stephansdom, wir<br />
sind dabei - und es ist einfach nur<br />
wunderschön.<br />
RUNDSCHAU Seite 24 23./24. Jänner 2019