Berliner Zeitung 16.08.2017

14 * Berliner Zeitung · N ummer 190 · M ittwoch, 16. August 2017
Berlin
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Kampf den falschen Bäckern
Senat schafft neue Stelle gegen Schwarzarbeit im Handwerk
V ON FREDERIK BOMBOSCH
Bäcker ist ein Handwerksberuf,
aber nicht jeder Bäcker ist ein
Handwerker. Paradox? Nur auf den
ersten Blick. In Berlin gibt es zahlreiche
Betriebe, die Handwerksberufe
ausüben, aber bei der Handwerkskammer
nicht registriert sind, etwa
weil sie keinen Meister beschäftigen.
Das gilt als
Schwarzarbeit und kann
mit hohen Geldbußen
bestraft werden. Allerdings
mussten sie in
Berlin jahrelang nichts
befürchten, weil die Bezirke
entsprechende Delikte
nicht ahndeten.
Das hat sich geändert.
Seit knapp einem
Jahr ist das Bezirksamt
Pankow stellvertretend
für alle Bezirke dafür zuständig
zu prüfen, welcher
Bäcker, Friseur,
Maler oder Maurer tatsächlich
berechtigt ist, sein Handwerk
auszuüben. Arbeitssenatorin
Elke Breitenbach (Linke) zog am
Dienstag ein positives Fazit des Pilotprojekts,
auf Beschluss des Senats
wirdPankownun dauerhaft dafür
zuständig, entsprechende Delikte
zu ahnden. Es ginge nicht nur
darum, Strafen zu verhängen. „Es
geht um einen ordnungsgemäßen
Zustand“, sagte Breitenbach. „Und
es geht um die Arbeitsbedingungen
der Beschäftigten.“ Denn die seien
in den Betrieben mitunter prekär.
Fünf Jahre hat es gedauert, ehe
der erfolgreiche Versuch beginnen
konnte. Der rot-schwarze Senat beschloss
ihn schließlich im vorigen
Jahr. „Es brauchte einen langen
Atem, aber die Entscheidung war
richtig“, sagte Breitenbach. Mehr als
200 Verdachtsfälle haben die vier
Mitarbeiter im Bezirksamt Pankow
seit dem 1. September vorigen Jahres
aufgegriffen. 60 Fälle
haben sie abschließend
bearbeitet. 49 davon
wurden eingestellt, 7liegen
bei der Staatsanwaltschaft,
in vier Fällen
wurden Bußgeldbescheide
erlassen – immerhin
knapp 117 000
Euro kamen so in die
Landeskasse. „Die Bußgelder
werden enorm
steigen“, prophezeite
IMAGO/WESTEND61
Nicht jeder,der backen
kann, darf das auch.
Breitenbach. Schließlich
gäbe es bald auch eine
zusätzliche Stelle.
In den Vorjahren hätten
die Bezirke keinen einzigen Fall
verfolgt, sagte Wolf Möller,Referatsleiter
in der Arbeitsverwaltung. „Es
ist eine so exotische Materie, dass
den Verwaltungen die Expertise
fehlte.“ DieIndustrie- und Handelskammer
drängte schließlich gemeinsam
mit der Handwerkskammer
auf eine Reform. Das Ergebnis
bewertet man dortpositiv,sagte Justiziarin
Angela Bartsch-Widmaier
der Berliner Zeitung. „Früher hatten
diese Delikte eine sehr geringe Priorität.“
STEFANIE DE VELASCO bekam für
ihren Debütroman „Tigermilch“ ein
ganz besonderes Kompliment. Ein
Kritiker beschrieb das Buch, in dem
es um zwei 14-jährige Mädchen in
Neukölln geht, als„Hanni und Nanni
in der Hölle“. Besonders gelobt
wurde Stefanie de Velascos genaues
Gefühl für Sprache und Realitäten.
Sie selbst sagt: „Ich habe lange in
Neukölln gewohnt und im Bekanntenkreis
mitbekommen, mit welchen
Dingen man sich da herumschlagen
muss.Das ist etwas anderes
als bei Mädchen, die in Zehlendorf
Blockflöte lernen und den Rest des
Tages an ihrer WhatsApp hängen.“
Am Dienstagabend wurde im Kino in
der Kulturbrauerei die Premiere der
Verfilmung gefeiert, die am Donnerstag
bundesweit in die Kinos
kommt. BeiRegisseurin UteWieland
fand die Autorin der Romanvorlage
ihr Buch in den richtigen Händen:
„Ich kenne Ute Wieland. Ich habe
früher als Schauspielerin mit ihr gearbeitet.“
Velasco war beruhigt, dass
jemand wie sie ihr Buch verfilmte:
„Das ist ein harter Stoff, man muss
die Mädchen ein bisschen schützen,
aber ich weiß, wie UteihreDarstellerinnen
behütet.“
UTE WIELAND hatte zuvor Filme
wie „Im Jahr der Schildkröte“ und
„Freche Mädchen“ gedreht. Für die
60-Jährige war „Tigermilch“ ein Herzensprojekt:„Ich
wollte einen Film in
Berlin machen. Für mich steht der in
LEUTE
❖
Der Höllenritt von Hanni und Nanni
CHRISTIAN SCHULZ
Regisseurin Ute Wieland mit den Jungschauspielerinnen Flora Li Thiemann (r.) und Emily
Kusche.Sie spielen die Neuköllner Gören Nini und Jameelah.
der Tradition von Filmen wie „Wir
Kinder vomBahnhof Zoo“.“ Ihre beiden
Hauptdarstellerinnen hatte sie
eigentlich schon sehr früh im Casting-Prozess
gefunden, suchte dann
aber doch weiter nach anderen: „Sie
waren erst 13 und 14 Jahre alt. Das
bedeutete, dass man mit ihnen nur
drei Stunden pro Tag drehen durfte.
Also haben wir nach jünger aussehenden
15-Jährigen gesucht.“ Und
das dann doch aufgegeben: „Das
ging nicht, denn in diesem Alter verändern
sich die Mädchen sehr
schnell. Wenn sie jünger aussahen,
fehlte ihnen in der Ausstrahlung
dann doch die Unschuld.“ Es wurde
mit den jüngeren Darstellerinnen
gedreht, obwohl das die Produktion
vorgroße Herausforderungen stellte.
So musste viel im Studio gedreht
werden, um zeitaufwendige Umzüge
innerhalb der Stadt zu vermeiden.
FLORA LI THIEMANN, die eine der
Hauprollen spielt, steht seit ihrem
achten Lebensjahr vor der Kamera.
Siebegann in einer kleinen Rolle neben
Götz George in „Zivilcourage“
und steigerte sich dann über ihre
erste Kino-Hauptrolle in der
Science-Fiction-Geschichte „Sputnik“
bis zur Titelrolle der Nelly in
„Nellys Abenteuer“. Sie hat also den
Vergleich mit anderen Regisseuren
und lobt die ihrer jüngsten Arbeit
fundiert: „Ute hat viel mit uns geprobt
und wir haben gemeinsam
Zeit verbracht, um uns besser kennenzulernen.
Sie war nicht nur unsereRegisseurin,
sondernauch so etwas
wie unsere beste Freundin.“
Emily Kusche,die die andereHauptrolle
übernommen hatte, empfand
das ähnlich: „Ute ist wie eine 14-Jährige
gewesen.“ Emily kannte das
Buch schon früher:„Ichhatte es gelesen,
bevor ich wusste, dass es ein
Filmprojekt gibt.“ Flora las die Romanvorlage
erst als Vorbereitung auf
das Casting: „Dabei habe ich mich in
die Geschichte verliebt, das wollte
ich total gernspielen.“
HEIKO PINKOWSKI spielte in „Tigermilch“
den Stiefvater einer der
Hauptfiguren. Undist als Vater einer
17-jährigen Tochter im richtigen Leben
gar nicht so weit vom Thema
entfernt: „Meine Tochter hat das
Buch gelesen.“ Den Film findet er
„sensibel und gelungen“, bei einer
Vorführung in München, bei der er
dabei war, kam der auch schon gut
beim jungen Publikum an. DerBerliner:
„Es geht in „Tigermilch„ ziemlich
zur Sache,aber ich wünsche mir
sehr, dass meine Tochter sich auch
den Film anschaut.“
Andreas Kurtz
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