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Berliner Zeitung 16.08.2017

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22 <strong>Berliner</strong> <strong>Zeitung</strong> · N ummer 190 · M ittwoch, 16. August 2017<br />

Feuilleton<br />

·························································································································································································································································································<br />

Wilhelm<br />

Morgners<br />

Farbwunder<br />

Vor100 Jahren starb der<br />

Expressionist in Flandern<br />

VON ANDREAS REHNOLT<br />

Nicht das Jenseits ist das Kunstwerk,<br />

das Kunstwerk ist das<br />

Jenseits“, schrieb der expressionistische<br />

Maler Wilhelm Morgner vor<br />

100 Jahren in einem Brief an einen<br />

Freund. Er starb am 16. August 1917<br />

im Alter vonnur 26 Jahren als Soldat<br />

des Ersten Weltkriegs in Flandern.<br />

Der 1891 in Soest geborene Maler<br />

gilt als Ausnahmetalent. Heute zählt<br />

er mit den wichtigsten Vertretern<br />

des Expressionismus und zu den<br />

Wegbereiternder Abstraktion, seine<br />

Bilder gelten als „Farbwunder“.<br />

In seinem kurzen Leben als Maler<br />

und Grafiker schuf Morgner über<br />

200 oft großformatige Gemälde sowie<br />

rund 2 000 Zeichnungen und<br />

Grafiken. Seine Geburtsstadt Soest<br />

verfügt mit über 400 Werken über<br />

die größte Sammlung an Bildern<br />

Morgners, die im Museum Wilhelm<br />

Morgner in Wechselausstellungen<br />

gezeigt werden. Auch das LWL-Museum<br />

für Kunst und Kultur in Münster<br />

und das Gustav-Lübcke-Museum<br />

Hamm besitzen seine Bilder.<br />

Anlässlich des 100. Todestages<br />

beginnt im Soester Kunstmuseum<br />

am 3. September eine Sonderschau<br />

(bis 26. November). Darin werden<br />

die Beziehungen des Malers zur<br />

deutschen und internationalen<br />

Avantgarde um 1900 beleuchtet.<br />

„Der Künstler gehörte zu den stärksten<br />

und herrlichsten Begabungen,<br />

die Deutschland seit Jahrzehnten<br />

aufzuweisen hatte“, schrieb 1928<br />

der Kunstkritiker MaxOsborn.<br />

Morgners Werk geht nach Einschätzung<br />

von Kunstexperten über<br />

den Expressionismus hinaus.Inseinen<br />

Arbeiten finden sich etliche impressive<br />

wie auch figürlich-realistische<br />

Motive bis hin zu einer ornamentalen<br />

Abstraktion. Er malte den<br />

Alltag der Handwerker,Ackerbürger<br />

und Bauern ebenso wie Landschaften,<br />

religiöse Motive, Porträts –und<br />

immer wieder Selbstbildnisse.<br />

Als seine großen Vorbilder gelten<br />

Rembrandt und Millet, aber auch<br />

van Gogh, was vor allem in Morgners<br />

frühen Werken wie „Der Holzarbeiter“<br />

von 1911 deutlich wird.<br />

Künstler wie Wassily Kandinsky von<br />

der Expressionistengruppe „Blauer<br />

Reiter“ inspirierten ihn zudem.<br />

Seit 1953 wird inSoest alle drei<br />

Jahre gerade an junge Künstlert der<br />

Wilhelm-Morgner-Preis (dotiertmit<br />

15 000 Euro)vergeben. (epd)<br />

EPD/ W. MORGNER MUSEUM SOEST<br />

Wilhelm Morgner „Der Holzarbeiter“,<br />

1911, im Stil impressiv-expressiv.<br />

Mutti wird Muslima<br />

Das neue Ensemble der Wühlmäuse probt für sein Stück „Ver(f)logene Gesellschaft“ in Dieter Hallervordens Schlosspark-Theater<br />

VON TORSTEN WAHL<br />

Wieder und wieder stürzt sich<br />

das Quartett in Madonnas Hit<br />

„Papa Don’t Preach“. Allerdings in<br />

eine neuen Version: Das Stück hat<br />

einen orientalischen Einschlag und<br />

einen deutschen Text bekommen,<br />

aus dem Papa ist eine Mutti geworden.<br />

Um die kleinen rhythmischen<br />

Verschiebungen zu demonstrieren,<br />

greift Regisseur Frank Lüdecke<br />

selbst zur Gitarre.<br />

Seit Anfang Juli arbeiten Birthe<br />

Wolter, Santina Maria Schrader,<br />

Robert Louis Griesbach und Mathias<br />

Harrebye-Brandt und ihr Regisseur<br />

in der Probebühne im<br />

Schlosspark-Theater an einem<br />

Stück, das am 1.9. bei den Wühlmäusen<br />

Premierehaben wird. Es ist<br />

eine doppelte Premiere: Denn das<br />

Theater war ja fast vierzig Jahre<br />

lang ein reines Gastspielhaus. Das<br />

Stück „Ver(f)logene Gesellschaft“<br />

aber wird von einem eigenen<br />

Wühlmäuse-Ensemble gespielt.<br />

„Für mich ist es einWunschtraum<br />

und ein Wagnis zugleich“, erklärt jener<br />

Mann, der Hausherr sowohl im<br />

Schlosspark-Theater als auch bei<br />

den Wühlmäusen ist. Dieter Hallervorden,<br />

der im nächsten Monat 82<br />

Jahrealt wird, fühlt sich so aufgeregt<br />

wie ein ehemaliger Fußballer, der<br />

jetzt auf der Trainerbank sitzt. Er<br />

hatte die Wühlmäuse anno 1960 gegründet<br />

und mit seiner kleinen jungen<br />

Truppe einige Jahre lang gekämpft,<br />

um sich neben etablierten<br />

Konkurrenten wie den Stachelschweinen<br />

zu behaupten. „Wir waren<br />

ja Nobodys, haben anfangs<br />

manchmal vor 18-20 Leuten gespielt“,<br />

blickt er zurück. Wilfried<br />

Herbst und seine damalige Ehefrau<br />

Rotraud Schindler gehörten in jenen<br />

Jahren neben ihm zum Ensemble.<br />

Dass er Mitte der 70er-Jahre die<br />

Wühlmäuse, inzwischen an einem<br />

neuen Standort, schrittweise zum<br />

Gastspieltheater umwandelte,erklärt<br />

der Prinzipal damit, dass er selbst in<br />

jenen Jahren immer mehr Fernsehauftritte<br />

hatte und dazu auf Tournee<br />

gehen musste, um Schulden abzubauen.<br />

DasPublikum in Berlin akzeptierte<br />

aber kein Wühlmäuse-Ensemble<br />

ohne„Didi“ Hallervorden.<br />

Angela Merkel konvertiert<br />

Im neuen Stück ist er auf einem Video<br />

präsent. DieBühne überlässt er<br />

jenen Vier, die beim Casting vor allem<br />

ihre Vielseitigkeit beweisen<br />

mussten. Mit Frank Lüdecke, nicht<br />

nur Regisseur, sondern auch Autor<br />

des Stücks, arbeitet Hallervorden<br />

bereits seit vielen Jahren zusammen.<br />

Lüdecke spielte schon seinen<br />

Sohn in der Fernsehserie „Zebralla“.<br />

Hallervorden sieht ihn in der ersten<br />

Liga der politischen Kabarettisten.<br />

Das Stück „Ver(f)logene Gesellschaft“<br />

verlangt dem Quartett die<br />

volle Bandbreite ab. Denn die Vier<br />

spielen einerseits in der Rahmenhandlung<br />

durchgehende Rollen:<br />

DiePassagierehängen auf dem New<br />

Yorker Flughafen auf dem Weiterflug<br />

nach Berlin fest und geraten ins<br />

Gespräch. Birthe Wolter spielt eine<br />

gescheiterte Investmentbankerin,<br />

Santina Maria Schrader eine Säch-<br />

sin namens Mandy, Mutter von drei<br />

Kindern, die einem Kerl hinterher<br />

geflogen war, Robert Louis Griesbach<br />

einen Start-Up-Unternehmer,<br />

der trotz aller Fehlschläge unbeirrt<br />

vom eigenen Erfolg überzeugt ist<br />

und Mathias Harrybye-Brandt einen<br />

Konfliktforscher, der selbst keinen<br />

Konflikt aushält.<br />

Im Wartesaal werden die Gestrandeten<br />

voneiner sensationellen<br />

Nachricht aus Deutschland überrascht:<br />

Angela Merkel ist zum Islam<br />

übergetreten! Flugs verwandelt sich<br />

die Bühne in eine Talkshow-Arena,<br />

in der Birthe Wolter als Anne Will<br />

auftritt und mit den drei Gästen die<br />

Entwicklung diskutiert. Die neuen<br />

Wühlmäusen feilen an Details: Wer<br />

dreht wann den Kopf? Kommentiert<br />

wird die Handlung von diversen Videoeinspielen<br />

aus aller Welt sowie<br />

Tweets vonDonald Trump.<br />

In einer anderen Szene beweist<br />

Mathias Harreby-Brandt, gebürtiger<br />

Däne, sein Talent zur Sprachimitation.<br />

Er spielt sieben Staatschefs,die<br />

Merkels Schritt bewerten. Für Erdogan<br />

bleibt sie eine „faschistische<br />

Schlange“, Frankreichs Macron<br />

aber feiertsie: „JeSuis Angela!“<br />

Robert Louis Griesbach überträgt<br />

in eine groteske Gebärdensprache,<br />

Birthe Wolter übersetzt.<br />

Die Schauspielerin, bekannt geworden<br />

als RTL-„Schulmädchen“,<br />

sieht in der Form ein ganz neues<br />

Genre. Auch Autor und Regisseur<br />

Lüdecke hebt die spielerischen<br />

Akzente hervor. Er weiß,dassseine<br />

Grundidee – Kanzlerin Merkel<br />

wird Muslima –andas provokante<br />

Mit viel Schwung: Birthe Wolter auf der Probebühne im Schlosspark-Theater in Steglitz<br />

Die neuen Wühlmäuse: Mathias Harrebye-Brandt,<br />

Richard Louis Griesbach, Birthe Wolter,Santina-Maria<br />

Schrader und Regisseur Frank Lüdecke(v.l.)<br />

BERLINER<br />

Die Wühlmäuse wurden<br />

1960 von Dieter Hallervorden<br />

gegründet, die<br />

erste Spielstätte befand<br />

sich im Gebäude<br />

des ehemaligen Scala<br />

in Schöneberg in der Martin-Luther-Str.12–14.<br />

Das heutige Domizil befindet<br />

sich am Theodor-<br />

Heuß-Platz in Westend.<br />

Zum Namensgeber für<br />

das Kabarett wurde<br />

eine Maus, die während<br />

einer Probe eine Zeit<br />

lang auf einem<br />

Klavier saß.<br />

KABARETT-ENSEMBLES<br />

Die Stachelschweine<br />

wurden 1949 gegründet,<br />

seit 1965 ist das<br />

Kabarett im Europa-Center<br />

zuhause. Zu seinen<br />

berühmtesten Protagonisten<br />

gehörten Günter<br />

Pfitzmann und Wolfgang<br />

Gruner.<br />

Im aktuellen Ensemble<br />

spielen Kristin Wolf,<br />

BjörnGeske, Daniel<br />

Kröhnert. Das neues<br />

Programm „Die alternative<br />

Wahrheit“ hat am<br />

7. 9. Premiere<br />

Die Distel wurde 1953<br />

gegründet und ist im Admiralspalast<br />

beheimatet.<br />

Bekannte Mitglieder<br />

sind Heinz Draehn, Lutz<br />

Stückrath, Gerd Kießling,Gisela<br />

Oechelhaeuser.Aktuelle<br />

Programme<br />

sind: „Wohin mit Mutti?“<br />

und „Wer früher zockt ist<br />

länger reich“.<br />

Premiere von„Ver(f)logene<br />

Gesellschaft“ ist<br />

am Freitag, den 1. 9.<br />

um 20 Uhr bei den<br />

Wühlmäusen.<br />

CHRISTIAN SCHULZ (2)<br />

Buch „Unterwerfung“ von Michel<br />

Houellebecq erinnert, betont aber,<br />

dass er ganz anders mit dem<br />

Thema umgehe. Es sei eher ein<br />

„Anti-Houellebecq“. Das Stück<br />

soll nicht, wie oft im politischen<br />

Kabarett, eine feste Gesinnung bestätigen:<br />

„Wir wollen mehr Fragen<br />

aufwerfen als Antworten geben.“<br />

Über den Currywurst-Tellerrand<br />

Ein Fenster für aktuelle Anspielungen<br />

im Text hat sich Lüdecke freigelassen<br />

–das Stück soll ja eine Weile<br />

laufen, Aufführungen sind schon<br />

bis zum Juni 2018 terminiert. Hausherr<br />

Hallervorden kann sich gut vorstellen,<br />

dass seine neuen Wühlmäuse<br />

70-80 Vorstellungen im Jahr<br />

bestreiten, während das Haus weiterhin<br />

auf Gastauftritte setzt – so<br />

wird das geschäftliche Risiko dosiert.<br />

Er rechnet mit Durststrecken,<br />

ist insgesamt aber voller Hoffnung.<br />

Gleichzeitig bleibt den Akteuren so<br />

die Chance,andereVerpflichtungen<br />

wahrzunehmen. So will Robert<br />

Louis Griesbach weiterhin solo auf<br />

Tour gehen, Mathias Harrebye-<br />

Brandt spielt TV-Serien wie der RTL-<br />

Comedy „Nicht tot zu kriegen“. Er<br />

hatte sich eigentlich vom Theater<br />

verabschiedet, doch das Stück habe<br />

ihn auf die Bühne zurückgeholt. Er<br />

hofft, dass die Wühlmäuse, tief im<br />

Westen am Theodor-Heuss-Platz<br />

beheimatet, eine Theater für das<br />

ganzeBerlin werden können. Aufjeden<br />

Fall verspricht die „Ver(f)logene<br />

Gesellschaft“ einen besonders weiten<br />

Horizont, weit über den <strong>Berliner</strong><br />

Currywurst-Tellerrand hinaus.<br />

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